Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 13.06.2002, Az.: 1 A 1049/00

Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit; Kammerbeitrag; Zytologielabor; Äquivalenzprinzip

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
13.06.2002
Aktenzeichen
1 A 1049/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43489
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Einkünfte, die ein Arzt aus einem selbständigen Zytologielabor erzielt sind solche aus ärztlicher Tätigkeit und in voller Höhe bei der Bemessung des Ärztekammerbeitrags zu berücksichtigen

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen ihn festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Der Kläger ist Facharzt für Gynäkologie und betreibt daneben ein zytologisches Labor. Nach dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997 erzielte der Kläger Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 23.882,00 DM. Aus der Tätigkeit des zytologischen Labors erzielte er Einkünfte in Höhe von 2.248.048,00 DM, die steuerlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Einkommensteuergesetz -EStG- behandelt wurden.

2

Mit Bescheid vom 21. Dezember 1999 setzte die Beklagte den Ärztekammerbeitrag für das Veranlagungsjahr 1999 mit 13.279,00 DM fest. Dieser Festsetzung lagen Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit aus dem Jahre 1997 in Höhe von insgesamt 2.271.930,00 DM zugrunde.

3

Hiergegen legte der Kläger rechtzeitig Widerspruch mit der Begründung ein, die Einkünfte aus seinem zytologischen Labor seien keine aus ärztlicher Tätigkeit, da sie steuerlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesehen würden.

4

Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2000, zugestellt am 14. Februar 2000, zurück. Bei der Tätigkeit in der Zytologie handele es sich um eine ärztliche Tätigkeit. Somit seien auch die hieraus erzielten Einkünfte solche aus ärztlicher Tätigkeit, die dementsprechend auch aus dem Honorartopf der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen für vertragsärztliche Tätigkeiten bezahlt würden. Der Kläger würde bei einer anderen Handhabung anderen Ärzten gegenüber, die an ihre Praxis ein kleineres Labor angegliedert hätten und keine Gewerbesteuer zahlten, besser gestellt werden. Sinn der Beitragsstaffelung nach Einkünften sei es jedoch, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erfassen. Hierfür sei die steuerliche Einordnung der Einkünfte unerheblich.

5

Am 13. März 2000 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben.

6

Er hält die Beitragserhebung für rechtswidrig, weil das Rechtssetzungsverfahren für die der Beitragserhebung zugrunde liegende Beitragsordnung nicht ordnungsgemäß gewesen sei. In der Sache vertieft er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und macht geltend, ein Arzt unterliege nur mit den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit der Beitragspflicht. Hierbei habe die Ermittlung des Einkommens nach den Vorschriften des EStG zu erfolgen. In seinem zytologischen Labor stehe nicht die ärztliche Tätigkeit, sondern organisatorische Fähigkeiten bezogen auf standardisierte Untersuchungen menschlichen Gewebes stünden im Vordergrund. Jedenfalls der Höhe nach sei die Beitragserhebung wegen eines Verstoßes gegen das Äquivalenzprinzip rechtswidrig. Das Einkommen eines Arztes könne nur dann Maßstab für die Beitragsbemessung sein, wenn es ein tauglicher Indikator für die Vorteile aus der Tätigkeit der Beklagten sei. Sein zytologisches Labor ziehe jedoch keine Vorteile aus der Tätigkeit der Beklagten. Er beschäftige weder Arzthelferinnen noch Medizinisch-Technische Assistentinnen. Lediglich Zytologie-Assistentinnen, für deren Ausbildung die Beklagte nicht zuständig sei, würden in seinem Labor beschäftigt. Von allen untersuchten Gewebeproben hätten 90 % einen negativen Befund. Von diesen Befunden untersuche er selbst als Arzt lediglich 10 % nach einem Zufallsprinzip.

7

Der Kläger beantragt,

8

den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 1999 und deren Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2000 aufzuheben, soweit darin ein Ärztekammerbeitrag von mehr als 117,00 DM festgesetzt wird.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Sie ist der Ansicht, die Beitragsordnung sei ordnungsgemäß zustande gekommen. Einkünfte aus dem Zytologielabor seien solche aus ärztlicher Tätigkeit, da sie aus der kassenärztlichen Gesamtvergütung gezahlt würden.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Klage ist unbegründet.

14

Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 21. Dezember 1999 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten ( § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

15

Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung ist § 7 des Kammergesetzes für die Heilberufe - HKG - vom 19. Juni 1996 (Nds. GVBl. S. 259) in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes vom 16. Dezember 1999 (Nds. GVBl. S. 423), so neu bekannt gemacht am 8. Dezember 2000 (Nds. GVBl. S. 301) i. V. m. §§ 1, 2 der Beitragsordnung der Beklagten - BO - vom 28. November 1998 (Nds. Ärzteblatt 1999, S. 49).

16

Formelle Bedenken gegen die Beitragssatzung bestehen nicht.

17

Ausweislich des Auszuges aus dem Protokoll der Kammerversammlung der Beklagten am 28. November 1998 war die Kammerversammlung beschlussfähig und hat den der Beitragsordnung zugrunde liegenden Beschluss ordnungsgemäß gefasst. Das Protokoll der Kammerversammlung ist von dem Präsidenten der Beklagten Herrn Prof. Dr. Eckel und Herrn Dr. Kichhoff unterzeichnet worden Anschließend ist die Beitragsordnung wie zitiert ordnungsgemäß  veröffentlicht worden.

18

Auch materiell rechtliche Bedenken gegen den streitbefangenen Beitragsbescheid greifen nicht durch.

19

Der Kläger ist beitragspflichtig im Sinne von § 1 BO. Er ist gemäß §§ 2, 7 HKG Mitglied der Beklagten, weil er aufgrund einer Approbation die Tätigkeit eines Arztes im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 HKG ausübt.

20

Die vom Kläger im Jahre 1997 erzielten Einkünfte in Höhe von 2.248.048,00 DM sind auch in voller Höhe solche aus ärztlicher Tätigkeit im Sinne von § 2 Abs. 2 BO. Der Begriff der ärztlichen Berufstätigkeit knüpft an die ärztliche Approbation an und erfasst nicht nur die Tätigkeit des die Heilkunde am Menschen ausübenden behandelnden Arztes, sondern weitergehend auch solche Tätigkeiten, bei denen ein Mitglied der Beklagten seine im Medizinstudium erlangten Fachkenntnisse einsetzt, selbst wenn es sie nur mit verwendet, so dass auch Tätigkeiten u. a. der medizinischen Wissenschaft und solche Tätigkeiten, die Kenntnisse voraussetzen, die zum ärztlichen Fachwissen gehören oder die geeignet sind, die medizinische Ausbildung  und Forschung zu fördern dem Begriff der ärztlichen Tätigkeiten unterfallen (BVerwG Urteil vom 26.1.1993 - 1 C 33.89 - DVBl., 725, 726; OVG Lüneburg vom 29.11.1993 - 8 L 11 /90 -, Nds.VBl. 1995, 20; Urteil vom 6.9.1996 - 8 L 728/95 -, Nds. Rechtspflege 1999, 34; Beschluss vom 9.12.1999 - 8 L  3804/99 -).

21

Es liegt auf der Hand, dass auch die Tätigkeit des Klägers in seinem Zytologielabor medizinische Fach- und Vorkenntnisse erfordert. Bei der Zytodiagnostik handelt es sich um die Herstellung gefärbter Ausstriche und mikroskopische Untersuchung von aus dem Gewebeverband gelösten Einzelzellen zur Früherkennung von Krankheiten, insbesondere Tumoren und Entzündungen. Mit Hilfe der Zytodiagnostik ist es unter anderem möglich schon im Vorstadium bzw. Frühstadium der Karzinomentstehung auftretende Zelldysplasien zu erfassen (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Auflage, Stichwort Zytodiagnostik). Die Einteilung und Bewertung zytologisch-gynäkologischer Befunde erfordert - wie sich schon aus dieser Fundstelle ergibt - medizinisches Vor- und Fachwissen. Bestätigt wird die Annahme durch Abschnitt IV Gliederungsnummer 9 a der Weiterbildungsordnung der Beklagten, in dem u. a. der Fachkundeerwerb für Laboruntersuchungen in Frauenheilkunde und Geburtshilfe, gynäkologischer Exfoliativ " Zytologie " und gynäkologischer Aspirations- und Punktatzytologie des Genitales und der Mamma geregelt ist.

22

Demgegenüber ist die steuerliche Einordnung der vom Kläger mit seinem Zytologielabor erzielten Einkünfte als solcher aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG rechtlich unbeachtlich. Diese Bewertung beruht auf steuerrechtlichen Besonderheiten, die nicht auf das Kammerrecht und die hier geregelte Beitragserhebung übertragbar sind.

23

Die Beitragserhebung mit Bescheid vom 21. Dezember 1999 ist auch hinsichtlich der Höhe des erhobenen Beitrages von 13.279,00 DM rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beitrag ist in dieser Höhe gem. § 2 Abs. 5 i. V. m. der Tabelle zu dieser Vorschrift rechnerisch richtig erhoben worden.

24

Auch sonst bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen diese Beitragserhebung.

25

Die gerichtliche Überprüfung einer Beitragsordnung berufsständischer Kammern ist darauf beschränkt, ob der Satzungsgeber die äußersten Grenzen seines Gestaltungsspielraumes verlassen hat. Das ist der Fall, wenn er bei der Bemessung der Mitgliedsbeiträge, die der Abgeltung eines besonderen Vorteils dienen, nämlich des sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Nutzens, gegen das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen hat (BVerwG, a.a.O.; Urteil vom 30.01.1996 - 1 C 9/93 -, NJW 1997, 814, 816; OVG Lüneburg, Urteil vom 13.12.2001 - 8 L 4694/99 - , m. w .N.).

26

Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, wesentlich Gleiches ohne einen hinreichenden sachlichen Grund ungleich oder wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Das bedeutet für eine vorteilsbezogene Beitragsbemessung, dass die Beiträge bei wesentlichen Unterschieden hinsichtlich des Nutzens der Kammertätigkeit nicht gleich, sondern diesen Unterschieden entsprechend zu bemessen sind. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der für die Beitragsbemessung maßgebende Nutzen nicht in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil, der sich bei dem einzelnen Mitglied messbar niederschlägt, bestehen muss. Grundsätzlich begegnet der von der Beklagten gewählte Beitragsmaßstab keinen rechtlichen Bedenken, soweit er auf das Einkommen der Kammermitglieder abstellt, weil bei der gebotenen typisierenden Betrachtung die Annahme gerechtfertigt ist, dass mit der Höhe der ärztlichen Einkünfte regelmäßig auch der materielle und immaterielle Nutzen aus der Existenz und dem Wirken der Beklagten zunimmt (OVG Lüneburg, Urt. V. 13.12.2001, a.a.O., UA S. 10). Die Kammer folgt auch insoweit der Rechtsprechung des OVG Lüneburg, als dieses festgestellt hat, dass die Aufgabe der Beklagten sich vorrangig auf die Belange der mit der Heilbehandlung und der Bekämpfung von Krankheiten praktisch befassten Ärzte - seien sie freiberuflich tätig oder abhängig beschäftigt - konzentriert. Die Aufgabe der Beklagten besteht im Wesentlichen darin, die gemeinsamen beruflichen Belange der Gesamtheit der Kammermitglieder zu wahren (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 HKG). Diese Aufgabe ist vorwiegend auf praktizierende Ärzte ausgerichtet. Dementsprechend ist die Arbeit der Beklagten im besonderen Maße auf deren Belange zugeschnitten, zumal die Mitglieder der Beklagten ganz überwiegend mit der Heilbehandlung und der Bekämpfung von Krankheiten praktisch befasste Ärzte sind (OVG Lüneburg, Urteil vom 13.12.2001, a.a.O., UA S. 11).

27

Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger auch mit seiner zytologischen Tätigkeit. Er ist kein Kammermitglied, das nicht mit der Heilbehandlung und Bekämpfung von Krankheiten praktisch befasst ist und das, der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des OVG Lüneburg folgend, gemäß § 3 Abs. 4 BO lediglich 80 % des Beitrages nach § 2 Abs. 5 BO zu entrichten hat. Denn die Tätigkeit des Klägers in seinem zytologischen Labor ist eine diagnostische, und damit Grundlage für die Bekämpfung von Krebskrankheiten. Unerheblich ist es dabei, dass der Kläger im Wege der Stichprobe lediglich 10 % der - insgesamt 90 % der Befunde ausmachenden - Negativbefunde sowie alle Positivbefunde, insgesamt tatsächlich also nur 20% aller Befunde, selbst untersucht. Denn auch alle übrigen praktizierenden Ärzte erbringen nicht alle ärztlichen Tätigkeiten in eigener Person, sondern überlassen diese zum Teil, wenn auch nicht in dem Umfang wie der Kläger, ärztlichen Assistentinnen und Assistenten oder Medizinisch-Technischen Assistentinnen und Assistenten. Diese Aufgabenzuteilung ändert nichts daran, dass die Zytodiagnostik der praktischen Behandlung und Bekämpfung von (Krebs)krankheiten dient und im Verantwortungsbereich des Klägers als Arzt liegt.

28

Somit zieht der Kläger, anderen praktizierenden Ärzte dem Äquivalenzgedanken entsprechend vergleichbare Vorteile aus der Tätigkeit der Beklagten. Namentlich und beispielhaft sind hier, wie dies die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, die Überwachung der Berufspflichten, die Qualitätssicherung, die Weiterbildung, die Schlichtungstätigkeit und die Unterhaltung ärztlicher Fürsorgeeinrichtungen zu nennen. Darüber hinaus hat die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass der Kläger auch konkret die Tätigkeit der Beklagten in Anspruch nimmt. So hat er im Zusammenhang mit seinem Zytologielabor bei der Beklagten eine Ausnahmegenehmigung nach § 32 a HKG für eine bezirksübergreifende Praxisgemeinschaft beantragt und die Beklagte zu einer Honorarprüfung veranlasst.

29

Schließlich ist auch die der Beitragsbemessung zugrundeliegende Kalkulation nicht zu beanstanden. Der Kläger hat dagegen substantiierte Rügen nicht vorgetragen. Die Kammerversammlung der Beklagten hat in ihrer Sitzung vom 28. November 1998 gemäß § 25 Nr. 7 HKG sowohl den Haushaltsplan 1999 festgestellt, als auch gem. § 25 N. 8 HKG den Vorstand entlastet. Anhaltspunkte dafür, dass die Kalkulation der Beklagten nicht ordnungsgemäß ist, hat das Gericht nicht.