Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 25.05.2004, Az.: L 7 AL 231/02

Anrechnung von Pflegegeld auf das Arbeitslosengeld und Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld, nach Zuordnung eines Pflegebedürftigen zur Pflegestufe III; Vermutung der fehlenden Erwerbsmäßigkeit bei Pflege durch Familienangehörige, Verwandte, Freunde oder Nachbarn; Einstufung einer Pflegetätigkeit als selbstständig, wenn es sich bei der zu pflegenden Person nicht um eine Angehörige handelt und die Pflege nicht in erster Linie in Erfüllung sittlicher und moralischer Pflichten ausgeführt wird; Pflegepersonen als Personen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen im Sinne § 14 Elftes Buch, Sozialgesetzbuches (SGB XI) in seiner häuslichen Umgebung pflegen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
25.05.2004
Aktenzeichen
L 7 AL 231/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 28213
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2004:0525.L7AL231.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hildesheim - AZ: S 3 AL 368/01

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Beschäftigung im Sinne der Arbeitslosengeldregelung ist jede Art des Einsatzes der körperlichen beziehungsweise geistigen Kräfte im Erwerbsleben zur Herbeiführung eines Arbeitserfolges, wenn sie "nicht selbstständig", das heißt abhängig verrichtet wird.

  2. 2.

    Fehlende Erwerbsmäßigkeit wird in der Regel dann noch unterstellt, wenn der im selben Haushalt lebende Pflegebedürftige das ihm zustehende Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen weiterreicht.
    Da nichterwerbstätige Pflegepersonen in der Pflegeversicherung neben Angehörigen auch Freunde und Nachbarn sein können, kann die Beurteilung der Tätigkeit in der Arbeitslosenversicherung nur einheitlich erfolgen.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Anrechnung des Pflegegeldes auf das Arbeitslosengeld (Alg), das ihr von der Schwerpflegebedürftigen weitergeleitet wurde, sowie die Aufhebung der Bewilligung des Alg, nachdem die Pflegebedürftige Pflegestufe III zugeordnet worden war.

2

Die 1954 geborene Klägerin war von Juli 1993 bis Dezember 1999 als Pflegehelferin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,25 Stunden beschäftigt. Die Arbeitsvertragsparteien schlossen einen Aufhebungsvertrag, weil die Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes und Auszug des erwachsenen Sohnes die Betreuung ihres 1992 geborenen Sohnes während des Nachtdienstes nicht sicherstellen konnte. Die Klägerin meldete sich am 20. Dezember 1999 mit Wirkung zum 2. Januar 2000 arbeitslos und beantragte Alg. Sie gab an, dass ihr wegen der Betreuung ihres Sohnes wöchentlich höchstens 20 Arbeitsstunden an Werktagen zwischen 8.00 und 12.00 Uhr möglich sei. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 12. Januar 2000 ab 1. Januar 2000 Alg für 540 Tage nach einem Bemessungsentgelt von 550,00 DM, Leistungsgruppe C, erhöhter Leistungssatz in Höhe von 292,74 DM. Mit Änderungsbescheid vom 26. Juli 2000 erhöhte die Beklagte ab 22. Juni 2000 das Bemessungsentgelt auf 610,00 DM und den Zahlbetrag auf 324,60 DM. Die Zahlungen erfolgten bis 30. November 2000.

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Seit September 2000 übte die Klägerin eine angezeigte Tätigkeit als Haushaltshilfe mit monatlich 19 Stunden gegen ein Entgelt von 315,00 DM aus. Ab 16. Februar 2001 fand sie eine neue Anstellung mit einer Wochenarbeitszeit von 25 Stunden.

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Zumindest seit September 1997 pflegte die Klägerin die 1911 geborene I. unentgeltlich, eine gute Bekannte der Familie aus der Kirchengemeinde. Später zog Frau J. in eine eigene Wohnung im Haus der Klägerin, an dessen Bau sie sich finanziell beteiligt und dafür ein dinglich gesichertes Wohnrecht erhalten hatte. Nachdem sich der Pflegebedarf auf täglich drei Stunden für Grundpflege erhöht hatte, bewilligte die AOK Niedersachsen - Pflegeversicherung - mit Bescheid vom 16. September 1999 Frau J. ab 1. April 1999 Pflegegeld der Stufe II in Höhe von 800,00 DM monatlich, das diese an die Klägerin weiterleitete. Außerdem entrichtete die Pflegekasse zur sozialen Sicherung der Pflegeperson (Klägerin) an den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Beiträge ab 1. April 1999 (Bescheid vom 16. September 1999). Ab 9. Mai 2000 erhöhte die Pflegekasse die Leistungen und bewilligte Pflegegeld nach der Pflegestufe III in Höhe von 1.300,00 DM monatlich (Bescheid vom 7. September 2000). Nach dem Gutachten der Pflegefachkraft K. des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Niedersachsen vom 5. September 2000 betrug der Zeitaufwand für Grundpflege seit April 2000 täglich ca. 4 Stunden und für Hauswirtschaft 2 Stunden.

5

Durch eine Überschneidungsmitteilung erfuhr die Beklagte, dass die Klägerin als nichterwerbsmäßige Pflegeperson Leistungen zur sozialen Sicherung erhält.

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Nach Anhörung der Klägerin hob sie mit Bescheid vom 8. Februar 2001/Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2001 die Bewilligung des Alg für die Zeit ab 9. Mai 2000 auf und forderte bis November 2000 überzahlte Leistungen in Höhe von 9.554,28 DM zurück. Sie führte zur Begründung aus, da es sich bei der zu pflegenden Person nicht um eine Angehörige handele, sei von einer Pflegetätigkeit als Selbstständige auszugehen; die Pflege werde nicht in erster Linie in Erfüllung sittlicher und moralischer Pflichten ausgeführt. Hiergegen hat die Klägerin am 5. Juni 2001 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim - Az S 16 AL 216/01 - erhoben. Sie hat darauf hingewiesen, dass es sich um keine gewerbliche Pflege, sondern um Pflege im Rahmen eines sozialen und familiären Verhältnisses handele. Während des Verfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 4. Juli 2001 die für die Zeit vom 9. Mai bis 30. November 2000 abgeführten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 2.295,96 DM erstattet verlangt und mit Bescheid vom 12. Juli 2001 die Bewilligung auch ab 1. Dezember 2000 ganz aufgehoben.

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Außerdem hat die Beklagte nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 1. August 2001 das in der Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2000 insgesamt erzielte Pflegegeld von 3.200,00 DM in Höhe von 1.940,00 DM auf das Alg angerechnet und die Bewilligung insoweit aufgehoben. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28. September 2001). Auch hiergegen hat die Klägerin am 5. Oktober 2001 Klage zum SG Hildesheim erhoben - Az S 3 AL 369/01 -. Das SG hat beide Klagen durch Beschluss vom 28. März 2002 verbunden. Nach Anhörung der Klägerin hat es mit Urteil vom 22. Mai 2002 den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2001 sowie den Bescheid vom 4. Juli 2001 und den Bescheid vom 1. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2001 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, das weitergeleitete Pflegegeld stelle kein Erwerbseinkommen dar, die Pflege werde in Erfüllung einer sittlichen Pflicht ausgeübt und nicht zur Erzielung von Einkommen. Zur Überzeugung des SG stehe fest, dass die Klägerin unter Berücksichtigung des wöchentlichen Pflegebedarfs in dem von ihr der Beklagten benannten Verfügungsrahmen der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe. Über den gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheid vom 12. Juli 2001 hat das SG nicht entschieden, da die Klägerin den Bescheid nicht in ihren Klageantrag einbezogen hat.

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Gegen das am 10. Juni 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. Juni 2002 eingelegte Berufung der Beklagten. Die Beklagte geht weiter davon aus, dass es sich bei der Pflegetätigkeit um eine Tätigkeit handelt, die auf Erwerbserzielung ausgerichtet war, weil die Klägerin von Beruf Krankenpflegehelferin sei und ein Gefühl sittlicher oder moralischer Verpflichtung allenfalls nachrangig gesehen werde. Sie ist weiterhin der Auffassung, angesichts der Betreuung des Sohnes, der Pflegebedürftigen und der geringfügigen Tätigkeit sei Verfügbarkeit der Klägerin für den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr gegeben gewesen. Im Übrigen habe die Klägerin eine Einschränkung der Verfügbarkeit wegen der Betreuung von Frau J. nicht mitgeteilt.

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Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 22. Mai 2002 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

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Im vorbereitenden Verfahren wurden die Unterlagen der AOK Niedersachsen - Pflegeversicherung - beigezogen.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (Kunden-Nr. 231 A 73748) verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Geldleistungen von mehr als 500,00 EUR betreffende Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und infolge dessen zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 151 Abs. 1 SGG); das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.

15

Das Urteil des SG Hildesheim ist nicht zu beanstanden.

16

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 8. Februar 2001/Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2001, mit dem die Beklagte Alg ab 9. Mai 2000 ganz aufgehoben hat - beschränkt auf die Zeit bis zum 15. Februar 2001, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat - und in der Zeit bis zum 30. November 2000 überzahlte Leistungen zurückgefordert hat. Der weiteren Aufhebung ab 1. Dezember 2001 mit Bescheid vom 12. Juli 2001 bedurfte es bei dieser Sachlage nicht, da bereits durch Bescheid vom 8. Februar 2001 die Bewilligung ab 9. Mai 2000 ganz aufgehoben worden ist. Der Bescheid ist gegenstandslos. Dagegen ist der Bescheid vom 4. Juli 2001, mit dem die Beklagte die Erstattung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen fordert, gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden.

17

Streitgegenstand ist des Weiteren der Bescheid vom 1. August 2001/Widerspruchsbescheid vom 28. September 2001, mit dem die Beklagte die teilweise Aufhebung der Alg-Bewilligung ab 1. Januar 2000 verfügt hat.

18

Die teilweise Aufhebung der Alg-Bewilligung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) in Verbindung mit § 141 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) ist bereits deswegen rechtswidrig, weil danach nur Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung, die weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst, angerechnet wird. Da der Pflegebedarf für die Grundpflege bereits seit April 1999 21 Stunden betrug, wären die Voraussetzungen für eine Anrechnung nach § 141 SGB III selbst dann nicht erfüllt, wenn die Auffassung der Beklagten zuträfe, dass es sich bei der Pflege um eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit gehandelt hätte.

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Der Senat hat den Sachverhalt jedoch unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen, sodass die teilweise Aufhebung jedenfalls nicht zu beanstanden wäre, wenn der Klägerin gar keine Leistungen zugestanden hätten, wovon die Beklagte für die Zeit ab 9. Mai 2000 ausgeht.

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Die Beklagte hat Alg indes mit Bescheid vom 12. Januar 2000/Änderungsbescheid vom 26. Juli 2000 ab 1. Januar 2000 zu Recht bewilligt. Eine Rücknahme nach § 45 Abs. 1 und 2 SGB X oder eine Aufhebung wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse ab 9. Mai 2000 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X kommt nicht in Betracht.

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Gemäß § 117 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Arbeitslos gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB III ist eine Arbeitnehmerin, die vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und eine versicherungspflichtige mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche). Eine selbstständige Tätigkeit und eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger stehen einer Beschäftigung gleich (§ 118 Abs. 3 Satz 1 SGB III).

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Die Klägerin stand bei Erbringen der Pflegeleistung in keinem Beschäftigungsverhältnis. Beschäftigung im Sinne der Regelung ist jede Art des Einsatzes der körperlichen beziehungsweise geistigen Kräfte im Erwerbsleben zur Herbeiführung eines Arbeitserfolges, wenn sie "nicht selbstständig", das heißt abhängig verrichtet wird. Diese persönliche Abhängigkeit, die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort, Art und Ausführung der Arbeit bedeutet, lag vorliegend nicht vor. Es ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich, dass Frau J. zu irgendeinem Zeitpunkt ein Weisungsrecht gegenüber der Klägerin ausgeübt hat.

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Die Pflege von Frau J. erfolgte auch nicht im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit, das heißt einer Tätigkeit in eigener wirtschaftlicher Verantwortung und persönlichen Unabhängigkeit für eine unbestimmte Zeit mit dem Ziel, aus dieser Tätigkeit Einkommen zu erzielen. Die Klägerin war als Pflegeperson im Sinne des § 19 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) tätig. Nach dieser Vorschrift sind Pflegepersonen Personen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB XI in seiner häuslichen Umgebung pflegen; Leistungen zur sozialen Sicherung nach § 44 SGB XI erhält eine Pflegeperson, wenn sie eine pflegebedürftige Person wenigstens 14 Stunden wöchentlich pflegt.

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Die Klägerin war eine solche Pflegeperson, wie die L. in der Bescheinigung vom 26. Januar 2001 bestätigt hat. Bei einer Pflege durch Familienangehörige, Verwandte, Freunde oder Nachbarn wird als widerlegbare Vermutung unterstellt, dass die Pflege nicht erwerbsmäßig ausgeübt wird (Gallon in LPK-SGB XI, 2. Auflage 2003, § 19 Rdziff.6 ). Die Klägerin war mit Frau J. viele Jahre freundschaftlich verbunden, pflegte sie zumindest seit September 1997 unentgeltlich und nahm sie in ihr Haus auf. Es handelte sich somit um eine sittliche und moralische Hilfeleistung, die die Vermutung, dass es sich um nicht erwerbsmäßige Pflege gehandelt hat, bestätigt und jedenfalls nicht widerlegt.

25

Nicht-Erwerbsmäßigkeit wird in der Regel auch dann noch unterstellt, wenn der im selben Haushalt lebende Pflegebedürftige das ihm nach § 37 SGB XI zustehende Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen weiterreicht. Dieser Grundsatz ist bei der Rentenversicherung in § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB VI gesetzlich festgelegt, die Klägerin hat deshalb Leistungen zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen nach § 44 SGB XI erhalten. Danach entrichten die Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen Beiträge an den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn die Pflegeperson regelmäßig nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist. Dementsprechend ist die Klägerin behandelt worden und die zuständigen Kassen haben Pflichtbeiträge wegen Pflegetätigkeit zur Rentenversicherung eingezahlt.

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Wenn nicht erwerbstätige Pflegepersonen in der Pflegeversicherung neben Angehörigen auch Freunde und Nachbarn sein können, kann die Beurteilung der Tätigkeit in der Arbeitslosenversicherung nur einheitlich erfolgen. Allein wegen des Umstandes, dass die Klägerin von Beruf Krankenpflegerin ist und nicht eine Familienangehörige, sondern eine Freundin pflegt, kann - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht unterstellt werden, dass es sich um eine auf Erwerbserzielung ausgerichtete Tätigkeit gehandelt hat. Somit war die Klägerin beschäftigungslos im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III.

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Sie suchte auch eine Beschäftigung im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III.

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Eine Beschäftigung sucht, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) und den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (§ 119 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes steht zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist (§ 119 Abs. 2 SGB III). Arbeitsfähig ist eine Arbeitslose, die eine versicherungspflichtige mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben kann, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilnehmen und Vorschläge des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf (§ 119 Abs. 3 SGB III). Dass die Klägerin, wie ihre baldige Arbeitsaufnahme am 16. Februar 2001 gezeigt hat, bemüht war, die Beschäftigungslosigkeit zu beenden, kann nicht in Abrede gestellt werden. Sie war auch verfügbar in dem Umfang, in dem sie sich wegen der Betreuung des Kindes dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt hat (8.00 Uhr bis 12.00 Uhr).

29

Die Klägerin hätte die erforderliche Pflegeleistung ebenso wie die Betreuung des schulpflichtigen Kindes vor und nach der Arbeit durchführen können. Der Senat hat keine Veranlassung, an der Aussage der Klägerin zu zweifeln, sie hätte die Pflege auch mit Hilfe einer weiteren Betreuungsperson (ihrer Mutter und ihrer Schwester) sicherstellen können. Sie hat diese Angaben bereits vor dem SG Hildesheim gemacht und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholt und vertieft. Danach stand die im gleichen Haus wohnhafte Mutter der Klägerin während der Abwesenheit der Klägerin als Aufsichtsperson zur Verfügung. Im Bedarfsfall hätte die in der Nähe wohnende Schwester der Klägerin aushelfen können, wo von die Klägerin in der Vergangenheit gelegentliche Gebrauch gemacht hat. Der Betreuungsaufwand, der sich aus dem MDK-Gutachten der Frau K. vom 5. September 2000 ergibt, steht einer Teilzeittätigkeit nicht entgegen. Auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass neben der Pflege eine Teilzeittätigkeit möglich ist, wenn er gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XI vorsieht, dass die Leistungen zur sozialen Sicherung den Pflegepersonen zu gewähren sind, wenn diese regelmäßig nicht mehr 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig sind.

30

Die Tatsache, dass die Klägerin Frau J. tatsächlich während ihrer Arbeitslosigkeit auch vormittags betreut hat, schließt ihre Verfügbarkeit nicht aus. Zwar hat der 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) entschieden, dass eine Betätigung, die auf längere Dauer angelegt und planvoll gestaltet ist sowie derart betrieben wird, dass sie die für eine Berufstätigkeit erforderliche Zeit vollständig in Anspruch nimmt, die mithin für jeden Tag, an dem sie stattfindet, die Möglichkeit ausschließt, berufstätig zu sein, objektive Verfügbarkeit auch dann ausschließe, wenn der Arbeitslose jederzeit bereit gewesen sei, im Falle eines Arbeitsangebots diese Tätigkeit aufzugeben (BSG SozR 4100 § 103 Nr. 39). Das BSG hat hiervon jedoch Betätigungen im Bereich kultureller, karitativer, sportlicher und gesundheitlicher Interessen ausdrücklich ausgenommen. Diesen Lebensbereichen ist auch die Pflege und Betreuung von Pflegepersonen zuzuordnen. Dementsprechend hat der 11. Senat des BSG entschieden, dass die Pflicht, Angehörige zu betreuen, Verfügbarkeit nicht ausschließt, wenn die Betreuung für den Fall der Arbeitsaufnahme anderweitig sichergestellt ist (BSG SozR 3-4100 § 103 Nr. 4 und § 134 Nr. 7). Dem schließt sich der Senat an. Die Klägerin war daher in dem streitigen Zeitraum ab 1. Januar 2000 durch die Pflege der Frau J. nicht gehindert, sich der Vermittlungstätigkeit der Beklagten aktuell zur Verfügung zu halten.

31

Damit war sowohl die teilweise Aufhebung der Alg-Bewilligung für die Zeit ab 1. Januar 2000 sowie die Aufhebung im vollen Umfang für die Zeit ab 9. Mai 2000 rechtswidrig. Die Beklagte kann daher auch nicht die Erstattung der im streitigen Zeitraum erbrachten Leistungen sowie gezahlter Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge verlangen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abse. 1 und 4 Satz 1 SGG.

33

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die Frage, ob eine Arbeitslose, die als Pflegeperson eine Schwerpflegebedürftige der Pflegestufe III pflegt, auch dann arbeitslos sein kann, wenn sie nicht Angehörige der gepflegten Person ist, hat grundsätzliche Bedeutung.