Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 05.05.2004, Az.: L 4 KR 127/02
Anspruch auf Erstattung von Arzneimittelkosten für SpondylAT; Nichtverwendung des Verordnungsformulars; Qualifizierung als Fertigarzneimittel; Vorlage der Ergebnisse klinischer Prüfungen; Vorliegen einer neuen Untersuchungsmethode und Behandlungsmethode; Zugrundelegung eines eigenen theoretisch-wissenschaftlichen Konzepts; Unzulässigkeit der Erprobung von Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung; Arzneiliche Wirkung von Radiumchlorid 224
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 05.05.2004
- Aktenzeichen
- L 4 KR 127/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 20335
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2004:0505.L4KR127.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Braunschweig - AZ: S 6 KR 85/01
Rechtsgrundlagen
- § 31 S. 1 SGB X
- § 27 Abs. 1 SGB V
- § 47 Abs. 1 AMG
- § 34 SGB V
Fundstellen
- GesR 2004, 431
- MedR 2005, 33-34 (Kurzinformation)
- NZS 2004, 593-594 (Volltext)
- SGb 2005, 170 (amtl. Leitsatz)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Von einer neuen Behandlungsmethode kann nur gesprochen werden, wenn der Methode ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das es von anderen Therapieverfahren unterscheidet und seine systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. Das kann sich naturgemäß nicht auf einzelne ärztliche Maßnahmen beziehen, sondern nur auf leistungsübergreifende methodische Konzepte.
- 2.
Bei Anwendung eines zugelassenen Arzneimittels, für das die arzneimittelrechtlichen Grundsätze der gesetzlichen Krankenversicherung gelten, ändert auch eine genau vorgeschriebene Anwendungsmethode nichts daran, dass diese ein Medikament nicht zu einer neuen Behandlungsmethode machen kann.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch aus dem Berufungsverfahren.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Erstattung der Kosten für die Behandlung des Klägers mit dem Arzneimittel SpondylAT.
Das Arzneimittel SpondylAT ist vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit Bescheid vom 23. Oktober 2000 zur Therapie des Morbus Bechterew zugelassen worden. Für die ambulante Therapie hat die Strahlenschutzkommission die Zulassung erteilt. SpondylAT besteht aus dem arzneilich wirkenden Bestandteil Radiumchlorid 224. Daneben enthält das Arzneimittel Calciumchlorid und Wasser für Injektionszwecke. Die Behandlung mit SpondylAT erfolgt durch 10 intravenöse Injektionen im wöchentlichen Abstand. Die Verabreichung darf nur durch einen Facharzt für Nuklearmedizin erfolgen. Der Preis pro Injektion betrug laut Widerspruchsbescheid vom 23. April 2001 ca. 825,- DM, insgesamt also ca. 8.250,- DM nebst Kosten für Untersuchungen, Injektionen etc.
Antragsteller des Zulassungsverfahrens beim BfArM war die Herstellerfirma Altmann Therapie GmbH & Co. KG. Das BfArM hat den Zulassungsbescheid von SpondylAT mit drei "Auflagen" verbunden: 1. Innerhalb von 5 Jahren seien Ergebnisse klinischer Prüfungen vorzulegen. 2. Bei allen Patienten seien Anwendungsbeobachtungen über 10 Jahre durchzuführen. Denn das vorgelegte wissenschaftliche Material sei zwar nicht zufriedenstellend, SpondylAT besitze jedoch einen hohen therapeutischen Wert. 3. Schließlich seien die Texte für die Gebrauchsinformation und die Fachinformation sowie die Beschriftung von Behältnis und äußerer Umhüllung in der Form des Zulassungsbescheides zu übernehmen.
Der im April 1951 geborene Kläger leidet an Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) im Stadium II - III. Im Herbst 2000 beantragte sein behandelnder Arzt für Nuklearmedizin Dr. D. für ihn bei der Beklagten die Behandlung mittels Radiumchlorid 224. Die bisherigen alternativen Behandlungsoptionen und Therapien seien entweder nicht erfolgreich gewesen oder für den Kläger mit erheblichen gastrointestinalen Nebenwirkungen behaftet gewesen. Zahlreiche Studien aus früheren Zeiten belegten eine Ansprechrate von Radiumchlorid 224 von über 91 %, häufig eine langfristige Verbesserung der Wirbelsäulenbeweglichkeit, zumindest eine Stagnation des Krankheitsverlaufes, eine Reduktion von Schmerzen und einen konsekutiv häufig niedrigeren Verbrauch von Analgetika und Antirheumatika. Die Behandlung müsse nur einmal durchgeführt werden und wirke dann in der Regel über mehrere Jahre.
Die Beklagte erteilte Dr. D. am 9. November 2000 per Telefax eine "Kostenübernahmeerklärung", in der sie ausführte: "Wir übernehmen die Kosten der o.g. Therapie jeweils in Höhe der über die Krankenversicherungskarte abrechnungsfähigen EBM-Ziffern (wie oben ausgeführt). Die anfallenden Sachkosten sind mit der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnungsfähig."
Gegenüber dem Kläger lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die vorgesehene Behandlung mit Radiumchlorid 224 ab (Bescheid vom 15. November 2000). Zwar habe sie seinem behandelnden Arzt mitgeteilt, dass die Kosten des Medikaments grundsätzlich abrechnungsfähig seien. Inzwischen habe sie jedoch von ihrer Landesdirektion eine anderslautende Nachricht erhalten. Danach sei festzustellen, dass im Einheitlichen Bewertungsmaßstab-Ärzte (EBM-Ä) keine Abrechnungsmöglichkeit für die Radiumchloridtherapie vorgesehen sei. Außerdem gehöre die Radiumchloridtherapie zu den neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (BA) habe bisher jedoch noch keine Bewertung abgegeben. Die mit Datum vom 9. November 2000 erteilte Kostenübernahmeerklärung sei somit unwirksam.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass Kortison-Injektionen und der Gebrauch von Opiaten auf die Dauer keine Lösung zur Behebung seiner Krankheit darstellten. Inzwischen schreite die Erkrankung bei ihm fort, denn mittlerweile seien auch die linke Schulter und das rechte Knie befallen. Ferner sei durch den fortgesetzten Gebrauch von Arzneimitteln eine Niere in Mitleidenschaft gezogen. Mit Bescheid vom 23. April 2001 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, dass das Medikament SpondylAT leistungsrechtlich als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode zu betrachten sei. Für diese Therapie habe der BA noch keine positive Bewertung abgegeben, so dass die Behandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen nicht erfolgen dürfe.
Mit seiner am 21. Mai 2001 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass nach den gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) für die Behandlung mit SpondylAT ein Votum des BA nicht erforderlich sei. Das Medikament sei durch das zuständige BfArM zugelassen worden und die Verordnungsfähigkeit nach den Arzneimittel-Richtlinien (AMR) gegeben. Insbesondere ergebe sich aus den Ziffern 16 und 17 der AMR weder eine Einschränkung noch gar ein Ausschluss der Verordnungsfähigkeit des Medikamentes. Im Übrigen sei für die auf § 135 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - (SGB V) gestützte Ablehnung kein Raum, weil durch die auf § 92 Abs. 1 Ziffer 6 SGB V beruhenden AMR bereits Regelungen getroffen worden seien.
Das Sozialgericht (SG) Braunschweig hat der Klage durch Urteil vom 25. Juni 2002 stattgegeben. Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Sachleistungsanspruch auf Behandlung mit SpondylAT. Die Krankenbehandlung umfasse gemäß § 31 SGB V auch die Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit deren Inanspruchnahme nicht durch § 34 SGB V ausgeschlossen sei. Soweit die Medikamente von den Versicherten -wie im vorliegenden Falle - nicht selbst eingenommen werden könnten, sondern vom Arzt zu applizieren seien, gehöre die diesbezüglich erforderliche ärztliche Behandlung zwangsläufig mit zum Leistungsumfang. Die Verordnung von SpondylAT durch den behandelnden Arzt stehe im Einklang mit den in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Bestimmungen, denn SpondylAT sei durch das zuständige BfArM für die Behandlung von Morbus Bechterew zugelassen. Eventuelle Probleme bei der Abrechnung der Leistung des Vertragsarztes, z.B. wegen einer fehlenden Abrechnungsposition im EBM-Ä, seien für den Sachleistungsanspruch des Versicherten unbeachtlich und auch für die gerichtliche Entscheidung nicht maßgeblich.
In Ausführung des sozialgerichtlichen Urteils hat die Beklagte die beantragte Behandlung in der Zeit von November 2002 bis Januar 2003 durchführen lassen.
Gegen dieses ihr am 5. Juli 2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 2. August 2002 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die Behandlung des Morbus Bechterew mit dem Medikament SpondylAT eine neue Behandlungsmethode im Sinne des § 135 SGB V darstelle, die vom BA zu genehmigen sei, bevor sie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden dürfe. An dieser Genehmigung fehle es bisher. Bezeichnenderweise habe der behandelnde Arzt das Medikament auf Privatrezept verordnet und nicht -wie im Bundesmantelvertrag für Ärzte (BMV-Ä) bei Kostenerstattungsfällen vorgesehen- auf einem Rezept nach dem Muster 16. Im Übrigen sei die Erprobung von Arzneimitteln nach deren Zulassung nach den Bestimmungen der AMR (Abschnitt D Ziffer 12 Satz 2 und 3) zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erlaubt. Zur Stützung ihres Standpunktes legt die Beklagte eine Grundsatzstellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom Juni 2001 vor, wonach wegen des fehlenden Wirksamkeitsnachweises der Evidenzklasse I für Spondy-lAT dessen Verordnung als unwirtschaftlich zu betrachten sei. International finde sie in der Literatur kaum Beachtung und auch Zulassungen seien international nicht bekannt geworden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 25. Juni 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Bei der Behandlung mit Radiumchlorid handele es sich um eine alte Behandlungsmethode, so dass ein Votum des BA nicht erforderlich sei. Die Herstellerin des Medikamentes habe dieses Anfang der 1980-er Jahre nur aus wirtschaftlichen Gründen vom Markt genommen. Inzwischen sei es durch neue Produktionsmethoden möglich geworden, das Radiumchlorid 224 in höchster Reinheit, das heißt ohne Verunreinigung durch langlebige Nuklide, herzustellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 143 und § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt worden, mithin zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet.
Der Anspruch des Klägers auf Behandlung mit SpondylAT ergibt sich aus dem Bescheid der Beklagten vom 9. November 2000.
Die Beklagte hat mit Datum vom 9. November 2000 den vom behandelnden Arzt für Nuklearmedizin Dr. D. für den Kläger gestellten "Kostenübernahmeantrag" positiv beschieden. Sie hat erklärt, dass sie die Kosten der Therapie übernimmt. Damit hat sie einen Verwaltungsakt erlassen, der den Voraussetzungen des § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch -Zehntes Buch- (SGB X) entspricht. Zwar hat die Beklagte ihren Bescheid an Dr. D. gerichtet. Dr. D. hat jedoch bei seiner Antragstellung für die Beklagte erkennbar im Namen des Klägers gehandelt. Der Bescheid vom 9. November 2000 ist somit ein dem Kläger gegenüber wirkender Verwaltungsakt, der dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 33 SGB X genügt.
An diesen Bescheid muss sich die Beklagte festhalten lassen. Zwar hat sie in dem ausdrücklich an den Kläger gerichteten Bescheid vom 15. November 2000 erklärt, ihre Kostenzusage vom 9. November 2000 sei unwirksam. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme oder einen Widerruf des Bescheides vom 9. November 2000 gemäß §§ 43 ff. SGB X liegen jedoch nicht vor.
Die Bewilligung der Leistung durch die Beklagte ist zu Recht erfolgt.
Nach § 27 Abs. 1 Satz SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V die Versorgung mit Arzneimitteln. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte unter anderem Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit diese nicht nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind. Nach §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder wirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger gegeben.
Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit darüber, dass die bei dem Kläger diagnostizierte Erkrankung Spondylosis ankylosans eine behandlungsbedürftige Krankheit ist.
Die erforderliche Verordnung für SpondylAT liegt vor. Zwar hat der behandelnde Arzt für Nuklearmedizin Dr. D. bei seiner Verordnung von SpondylAT für den Kläger nicht das vertragsärztlich vorgesehene Formular benutzt, sondern sich unmittelbar an die Beklagte gewandt. Aus Sicht des Senats ist die Nichtverwendung des Verordnungsformulars im vorliegenden Fall jedoch unschädlich, weil die Beklagte auf das Antragsschreiben des Dr. D. eine schriftliche Kostenzusage erteilt hat. Sie hat damit zu erkennen gegeben, dass sie das Vorgehen des Dr. D. akzeptiert. Andernfalls wäre sie verpflichtet gewesen, den Kläger bzw. Dr. D. darauf hinzuweisen, dass für die Gewährung des Arzneimittels eine formularmäßig ausgestellte Verordnung erforderlich ist.
Das Medikament SpondylAT ist ein zugelassenes Fertigarzneimittel. Es ist durch Zulassungsbescheid des BfArM vom 23. Oktober 2000 als apothekenpflichtiges Arzneimittel mit Vertriebsweg nach § 47 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) zugelassen worden. Darreichungsform ist eine auf Anforderung hergestellte Injektionslösung, die intravenös anzuwenden ist.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Verabreichung von SpondylAT keine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode im Sinne von §§ 92 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 SGB V. SpondylAT ist ein Fertigarzneimittel nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V.
Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass dem Zulassungsbescheid des BfArM vom 23. Oktober 2000 eine Anlage beigefügt ist, die drei Auflagen enthält. Ziffer 1 regelt, dass innerhalb von 5 Jahren nach Erteilung der Zulassung Ergebnisse klinischer Prüfungen nach § 22 Abs. 2 Nr. 3 AMG vorzulegen sind. Ziffer 2 bestimmt die Einzelheiten der statistischen Erfassung der Daten behandelter Patienten. In der Begründung hierzu heißt es, dass keine Ergebnisse klinischer Prüfungen nach § 22 Abs. 2 Nr. 3 AMG vorgelegt worden seien. Das vorgelegte wissenschaftliche Erkenntnismaterial einschließlich der Sachverständigengutachten und einzelner Anwendungsbeobachtungen beantworteten nicht zufriedenstellend alle Fragen und genannten Mängel, so dass ein fundiertes Urteil und eine abschließende Nutzen-Risiko-Bewertung des Arzneimittels zum derzeitigen Zeitpunkt nicht möglich sei. Andererseits lägen hinreichende Anhaltspunkte vor, dass SpondylAT einen hohen therapeutischen Wert besitze vor allem als Reservetherapeutikum bei Patienten, bei denen eine adäquate analgetische und antiphlogistische Behandlung nicht wirksam oder kontraindiziert sei. Die dritte Auflage schließlich betrifft die Texte für die Fach- und Gebrauchsinformation sowie die Beschriftung von Behältnis und Umhüllung.
Entgegen der Ansicht der Beklagten wird das Arzneimittel SpondylAT durch diese Auflagen nicht zu einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode. Das BfArM hat die Defizite in der Dokumentation des Herstellers nicht zum Anlass genommen, die Zulassung einzuschränken, zu befristen oder zu versagen. Es hat die Zulassung mit Auflagen versehen, die nicht die Anwendung des Medikaments selbst betreffen, sondern die spätere Durchführung klinischer Prüfungen bzw. die Sammlung von Anwendungsbeobachtungen. Die Auflagen richten sich an den Hersteller, der die Zulassung von SpondylAT beantragt hat, also an die Firma Altmann Therapie GmbH & Co. KG. Für die gesetzliche Krankenversicherung ergeben sich daraus keine Einschränkungen. Für sie sind die Auflagen ohne Bedeutung. Bei einem Arzneimittel ist die Erteilung der Zulassung durch das BfArM die entscheidende Voraussetzung dafür, dass das Medikament zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung vertragsärztlich verordnet werden darf.
SpondylAT ist ein zugelassenes Arzneimittel, für das die arzneimittelrechtlichen Grundsätze der gesetzlichen Krankenversicherung gelten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Anwendung des Medikaments SpondylAT nur durch einen Facharzt für Nuklearmedizin erfolgen darf, der 10 intravenöse Injektionen im wöchentlichen Abstand verabreichen muss. Diese genau vorgeschriebene Anwendung macht SpondylAT nicht zu einer neuen Behandlungsmethode. Denn nach der Rechtsprechung des BSG kann von einer neuen Behandlungsmethode nur gesprochen werden, wenn der Methode ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das es von anderen Therapieverfahren unterscheidet und seine systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. Das kann sich - so das BSG - naturgemäß nicht auf einzelne ärztliche Maßnahmen beziehen, sondern nur auf leistungsübergreifende methodische Konzepte (vgl. BSG SozR 3-5533 Nr. 2449 Nr. 2 m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt die Anwendung von SpondylAT nicht.
Auch der Grundsatz der Qualitätssicherung rechtfertigt es nicht, SpondylAT den neuen Behandlungsmethoden zuzuordnen. Die Sicherung der Qualität von Arzneimitteln wird für die gesetzliche Krankenversicherung vom BfArM wahrgenommen. Das BSG hat wiederholt betont, dass die gesetzliche Krankenversicherung bei der Arzneimittelversorgung anders als bei den übrigen Leistungen der Krankenbehandlung weitgehend auf eigene Verfahren zur Qualitätssicherung verzichte. Es knüpfe insoweit an das Arzneimittelrecht an, das für Fertigarzneimittel eine staatliche Zulassung vorschreibe. Deren Erteilung sei vom Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Medikamentes abhängig (vgl. BSG SozR 3-2500 § 31 Nr. 8, Seite 29). Da das dieselben Kriterien seien, an denen die Leistungen der gesetzlichen Krankversicherung gemessen würden, könne bei Vorliegen der arzneimittelrechtlichen Zulassung davon ausgegangen werden, dass damit zugleich die Mindeststandards einer wirtschaftlichen und zweckmäßigen Arzneimittelversorgung im Sinne des Krankenversicherungsrechtes erfüllt seien. Unbeschadet der unterschiedlichen Zielsetzung von Arzneimittel- und Krankenversicherungsrecht rechtfertige das die Vorgreiflichkeit der arzneimittelrechtlichen Zulassung für die Anwendung eines Medikamentes in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 31 Nr.8, Seiten 29/30 m.w.N.).
Die ausschließliche Zuständigkeit des BfArM zur Zulassung von Fertigarzneimittel gilt auch im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung und damit auch für die Beklagte. Eine Kontrolle des BfArM durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen sieht das Gesetz nicht vor. Die Zuständigkeiten beider Gremien sind klar voneinander abgegrenzt.
An diesem Ergebnis vermag der Hinweis der Beklagten auf Abschnitt D Ziffer 12 Satz 2 und 3 AMR nichts zu ändern. Richtig ist, dass die Erprobung von Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zulässig ist. Das Medikament SpondylAT befindet sich aber nicht mehr in der Erprobungsphase, weil es uneingeschränkt und unbefristet zugelassen worden ist. Diese Zulassung muss die Beklagte trotz der Auflagen im Zulassungsbescheid vom 23. Oktober 2000 gegen sich gelten lassen.
Der Anspruch des Klägers auf die Behandlung mit SpondylAT scheitert auch nicht an § 34 SGB V. SpondylAT ist kein Bagatell-Arzneimittel, das von Gesetzes wegen (§ 34 Abs. 1 SGB V) oder durch Rechtsverordnung (§ 34 Abs. 2 SGB V) ausgeschlossen ist. Es gehört auch nicht zu den unwirtschaftlichen Arzneimitteln im Sinne des § 34 Abs. 3 SGB V. SpondylAT beinhaltet den arzneilich wirkenden Stoff Radiumchlorid 224. Dieser Wirkstoff ist durch die Rechtsverordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Februar 1990 (BGBl.. I 301), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 16. November 2000 (BGBl. I 1593) nicht ausgeschlossen.
Schließlich hat bereits das SG darauf hingewiesen, dass mögliche abrechnungstechnische Probleme des Vertragsarztrechts für den Leistungsanspruch des Klägers nicht relevant sind. Daher kommt es hier nicht darauf an, dass die Behandlung mit offenen Radiumchloriden zwar im Abschnitt T des EBM-Ä vorgesehen ist, aber nicht für die Behandlung der Spondylosis ankylosans. Es ist Sache der vertragsärztlichen Vertragsparteien auf Bundesebene, hier sachgerechte Regelungen zu vereinbaren.
Die Voraussetzungen für die Behandlung mit SpondylAT liegen im Falle des Klägers vor. Der Orthopäde E. hat mit Datum vom 23. Januar 2004 mitgeteilt, dass eine Behandlung des Klägers mit dem Basisrheumatikum Azulfidine erfolglos gewesen sei. Er werde dauerhaft mit Diclofenac (NSAR) und Tramadol behandelt. Diese Behandlung gehe jedoch über das Maß der gewöhnlichen Versorgung hinaus. Eine adäquate Therapie sei bei dem Kläger somit erfolglos gewesen.
Somit erweist sich der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 9. November 2000 als rechtmäßig. Die Beklagte war nicht befugt, diesen Bewilligungsbescheid zu widerrufen.
Nach § 47 Abs. 1 SGB X darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt nur widerrufen werden, soweit der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist bzw. soweit mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf den angefochtenen Bescheid vorliegend nicht gegeben. Weder ist ein Widerruf aufgrund einer Rechtsvorschrift zulässig, noch hat sich die Beklagte einen Widerruf in der Bewilligung vorbehalten. Auch ist die Bewilligung nicht mit einer Auflage verbunden gewesen. Ebenso wenig liegt eine zweckbestimmte Leistung vor, deren Widerruf nach § 47 Abs. 2 SGB X erfolgen könnte.
Das SG hat daher zu Recht entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 15. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2001, mit dem sie die Bewilligung der Behandlung des Klägers mit SpondylAT widerrufen hat, rechtswidrig ist. Die Berufung der Beklagten gegen diese Entscheidung kann demnach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Es hat keine Veranlassung bestanden, die Revision zuzulassen.