Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 27.11.2019, Az.: 1 A 1/19
Brücke; Interessentenschaft; nichtöffentlicher Weg; Observanz; öffentlich-rechtlicher Vertrag; örtliches Gewohnheitsrecht; Ortsgesetz; Realverband; Rezess; subjektives Recht; Unterhaltung; Wiederherstellung
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 27.11.2019
- Aktenzeichen
- 1 A 1/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 69935
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 134 BGB
- § 917 BGB
- § 9f StrG ND
- § 40 VwGO
- § 43 VwGO
- § 56 VwVfG
- § 59 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Diejenigen Teile eines Rezesses, die abstrakt-generelle Regelungen im gemeinschaftlichen Interesse enthielten und auch zukünftig gelten sollten, sind - jedenfalls für das (frühere) preußische Rechtsgebiet - als Ortsgesetz, d.h. als örtliches Satzungsrecht, zu qualifizieren.
2. Ortsgesetzliche Regelungen eines Rezesses konnten vor Inkrafttreten des Nds. Realverbandsgesetzes nur durch abweichendes örtliches Gewohnheitsrecht, sog. Observanz, geändert werden.
3. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zur Abänderung solcher ortgesetzlicher Regelungen verstößt gegen das Vertragsformverbot und ist nichtig.
4. Hier: Einzellfall, in dem ein subjektives, einklagbares Recht, welches die politische Gemeinde zur Wiederherstellung einer Brücke verpflichtet, nicht durch örtliches Gewohnheitsrecht, sog. Observanz, entstanden ist.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung einer Wiederherstellungspflicht der Beklagten hinsichtlich einer Brücke.
Die Klägerin, ein Realverband, trägt seit dem Mitgliederbeschluss aus dem Jahr 1971 die Bezeichnung „Forstinteressentenschaft G.“. Vormals trug sie die Bezeichnung „Interessentenschaft G.“.
Sie war jedenfalls seit dem Jahr 1883 Eigentümerin mehrerer Wege und Gräben im Gebiet der politischen Gemeinde G., der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Das Gebiet G. wurde 1883 durch den „Recess betreffend die Spezialtheilung und Verkopplung der Feldmark des Dorfes G., die Spezialtheilung der H. Barnbruchsabfindung und die Entfrettung der Barnbruchswiesen“ (im Folgenden: Rezess) überplant und geordnet. § 7 des Rezesses enthält ein Verzeichnis der beibehaltenen und neu angelegten Wege, Flüsse und Gräben. Nach § 8 des Rezesses verblieben die nichtöffentlichen Wege und Gräben im gemeinsamen Eigentum der Interessentenschaft. § 16 des Rezesses lautet wie folgt:
„Die erste Vorrichtung und künftige Unterhaltung aller nicht öffentlichen Wege, Gräben, Siele, Brücken, pp. geschieht von der Gesammtheit der Theilungs- und Verkoppelungs-Interessentenschaft pro rata des Werths der erhaltenen Abfindung; […]
Die erste Instandsetzung der öffentlichen Wege geschieht ebenfalls von der Gesammtinteressentenschaft; die künftige Unterhaltung derselben ist aber in diesem Verfahren nicht zu regeln gewesen.“
Für den weiteren Inhalt des Rezesses wird auf Bl. 82 ff. der Gerichtsakte verwiesen.
Nach Aufstellung des Rezesses nahm die politische Gemeinde G. die Unterhaltung der Wege, Gräben, Tränken, Sandgruben usw. zumindest seit Anfang des 20. Jahrhunderts wahr. Dies führte bis zum Jahr 1962 zu Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten über die Beteiligung der Interessentenschaft an dieser Unterhaltung.
Mit notariellem Vertrag vom I. (im Folgenden: Vertrag) sollten – der Einleitung in § 1 des Vertrages zufolge – die Streitigkeiten über die Beteiligung der Interessentenschaft an der Erhaltung der Wege und Gräben und auch andere Meinungsverschiedenheiten beigelegt werden. § 1 Nr. 1 des Vertrages enthält folgende Regelung:
„In Erweiterung des am 5. Januar 1927 von der Gemeindevertretung G. gefaßten Beschlusses übernimmt die politische Gemeinde G. mit Wirkung vom 1. Januar 1962 ab die Unterhaltung sämtlicher zur Zeit noch im Eigentum der Interessentenschaft G. befindlichen Gräben, Wege und Brücken.“
In § 1 Nr. 2 und § 3 des Vertrages übereignete die Interessentenschaft G. der politischen Gemeinde G. alle ihr gehörenden Wege und Gräben und zahlte als einmaligen Beitrag und zwecks endgültiger Abfindung ihrer Verpflichtungen zur Unterhaltung der übertragenen Wege und Gräben 5.000 DM. Daneben wurde ein Hirtenhaus, das Grundstück „Die Masch“ sowie ein Fischereirecht von der Interessentenschaft auf die politische Gemeinde G. übertragen (§ 1 Nr. 3, Nr. 4 des Vertrages).
Für den weiteren Inhalt des Vertrages wird auf Bl. 43 ff. der Gerichtsakte verwiesen.
Aktuell befindet sich in der Gemarkung G., einem Teilgebiet der Beklagten, zwischen den nichtöffentlichen Straßen mit den Flurstücksnummern 229/1 und 229/2 eine Brücke über den Fluss J., sog. Barnbruchsbrücke. Die Brücke in der heutigen Form wurde 1972 auf Kosten der politischen Gemeinde G. errichtet und ist aktuell wegen Baufälligkeit für Kraftfahrzeuge aller Art gesperrt.
Die Klägerin hat am 28. Dezember 2018 Feststellungsklage auf Wiederherstellung der Barnbruchsbrücke erhoben.
Zur Begründung trägt sie vor, dass sich die Unterhaltungspflicht für die Brücke aus dem Vertrag ergebe. Mit dem Vertrag sei diese Pflicht für die Beklagte begründet worden. Die bis dahin bestehende Unterhaltungspflicht der Klägerin ergebe sich aus § 16 des Rezesses, zumindest aber aus § 917 Bürgerliches Gesetzbuch (im Folgenden: BGB). Mit dem notariellen Vertrag sei diese übergegangen. Im Gegenzug sei sämtliches Zweckvermögen der Klägerin übertragen worden. Dies umfasse auch die Brücke als Zubehör, die jedenfalls seit 1909 bis zur Errichtung der jetzigen Brücke zwischen den nichtöffentlichen Straßen „K.“ und „L.“ als Holzbrücke bestanden habe. Dass es sich bei der vertraglichen Regelung über die Unterhaltung um eine Pflicht der Beklagten handele, sei dem Wortlaut, dem Willen der Parteien und der historischen Auslegung des Vertrages zu entnehmen. Mit dem Vertragsschluss hätten die Meinungsverschiedenheiten über die Unterhaltung beigelegt werden sollen. Daher sei sämtliches Zweckvermögen der Klägerin, d.h. nicht nur eine Abfindung von 5.000 DM, sondern auch das Eigentum an sämtlichen Wegen und Gräben, am Hirtenhaus, dem Grundstück „Die Masch“ und am Fischereirecht, an die politische Gemeinde G. übertragen worden, was dafür spreche, dass sich die politische Gemeinde G. im Gegenzug gegenüber der Klägerin verpflichtet habe. Dass von einer Pflicht auszugehen sei, würden auch die Dokumente im Vorfeld des Vertragsschlusses zeigen. Im Schreiben des Landkreises M. vom 27. Juni 1961 und im Beschluss der politischen Gemeinde G. vom 7. Dezember 1961 sei von einer Unterhaltungspflicht die Rede.
Jedenfalls bestehe aber ein Anspruch aus Gewohnheitsrecht für die Klägerin, da die politische Gemeinde G. seit Anfang des 20. Jahrhunderts die Unterhaltung der Wege und Brücken wahrgenommen und dies mit der Neuerrichtung der Barnbruchsbrücke auf eigene Kosten im Jahr 1972 auch zum Ausdruck gebracht habe.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die in Anlage K 1 blau markierte sog. Barnbruchsbrücke zwischen dem „K.“ in der Gemarkung G. und „L.“ in der Gemarkung G. derart wiederherzustellen, dass eine Befahrung mit land- und forstwirtschaftlichen Maschinen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 40 t möglich ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, dass der Klägerin kein Rechtsanspruch auf Unterhaltung der Brücke zustehe. Sie bestreite bereits, dass die in Rede stehende Brücke über die J. überhaupt Gegenstand des Rezesses gewesen sei. Eine Brücke sei im Rezess nicht ausdrücklich aufgeführt. Bei einer Brücke über einen größeren Fluss wie der J. sei zu erwarten gewesen, dass diese ausdrücklich aufgeführt worden sei. Die beiden Wege rechts und links der J. würden unterschiedliche Namen tragen, was gegen eine einheitliche durchgehende Wegverbindung mit einer Brücke spreche. Dementsprechend stehe auch noch nicht einmal fest, dass die Brücke über die J. überhaupt Gegenstand des notariellen Vertrages von 1962 gewesen sei.
Jedenfalls habe die Klägerin keine subjektiv-rechtliche Rechtsposition auf Unterhaltung der Barnbruchsbrücke. Nach dem notariellen Vertrag sei Eigentum an Wegen und Gräben übertragen und eine Abfindung in Höhe von 5.000 DM für deren Unterhaltung vereinbart worden. Alle weiteren Inhalte des Vertrages würden sich auf die Nutzung von übertragenen Grundstücken beziehen. Weitergehende Vereinbarungen zur Unterhaltung enthalte der Vertrag nicht. In § 1 Abs. 1 des Vertrages habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Unterhaltung von Wegen und Brücken nur als Obliegenheit übernommen. Es handele sich um die Aufgabe der Unterhaltung, über die die Gemeinde nach eigenem Ermessen und unter Berücksichtigung ihrer Haushaltsmittel entscheide. Die Interessentenschaft habe von der Unterhaltungslast freigestellt werden sollen. Die Übernahme der Unterhaltung bezeichne nur die Übernahme der Unterhaltungsaufgabe, nicht aber eine Rechtspflicht gegenüber der Interessentenschaft. Wenn eine solche Verpflichtung hätte begründet werden sollen, hätte diese in der Vereinbarung ausdrücklich geregelt werden müssen. Eine solche Regelung fehle und sei dem öffentlichen Recht auch wesensfremd. Zudem spreche gegen eine Rechtspflicht die geringe Abfindungssumme von 5.000 DM, welche auch im Jahr 1962 nicht ansatzweise die Kosten für einen Ersatzbau einer Brücke gedeckt hätten. Die Summe sei vielmehr in Anlehnung an zufälligerweise vorhandene Mittel der Interessentenschaft bestimmt worden. Ferner sei die Übertragung des Grundstückseigentums für die Interessentenschaft als Entlastung zu werten, da das Eigentum an allgemein genutzten Wegen und Gräben keinen messbaren wirtschaftlichen Wert habe, sondern lediglich mit der Obliegenheit zur Unterhaltung verbunden sei. Zudem seien zeitlich unbeschränkte Dauerpflichten regelmäßig unwirksam. Dies sei im Rahmen einer Auslegung des notariellen Vertrages zu berücksichtigen und angesichts dessen nicht ersichtlich, dass die Beteiligten zeitlich unbefristete Rechtsansprüche und Rechtspflichten begründen wollten.
Zudem erfasse § 1 Abs. 1 des Vertrages nur die Unterhaltung. Der Begriff Unterhaltung umfasse im allgemeinen Sprachgebrauch die laufende Reinigung und Instandsetzung. Vorliegend sei jedoch ein grundlegender Ersatzbau notwendig, der schon nicht vom Begriff der Unterhaltung erfasst sei.
Eine straßenrechtliche Unterhaltungspflicht bestehe schon deshalb nicht, weil der Barnbruchsweg, einschließlich der Brücke, nicht öffentlich gewidmet sei. Ferner bestehe die straßenrechtliche Unterhaltungspflicht nur im öffentlichen Interesse, nicht hingegen gegenüber individuellen Rechtssubjekten.
Auch sei keine Unterhaltungspflicht der Brücke auf Grundlage des Notwegerechts gemäß § 917 BGB herzuleiten. Das Notwegerecht verpflichte nur zur Duldung der Mitbenutzung des eigenen Grundstückes, aber nicht zur aktiven Herstellung und Unterhaltung eines Weges. Die landwirtschaftlichen Grundstücke in der Umgebung seien auch nicht von öffentlichen Straßen abgeschnitten. Das Notwegerecht stehe aber nur dem Eigentümer solcher abgeschnittenen Grundstücke und keiner Forstinteressentenschaft zu.
Ferner begründe ein tatsächliches Handeln der Beklagten – hier durch die Errichtung der Brücke im Jahr 1972 – keine Rechtsansprüche auf Fortführung dieser Handhabung. Ein tatsächliches Handeln der Beklagten liege im allgemeinen Interesse und nicht im individuellen Interesse der Klägerin. Das tatsächliche Handeln könne mangels Schriftform keine vertragliche Verpflichtung nach § 56 Verwaltungsverfahrensgesetz (im Folgenden: VwVfG) und auch keine Zusicherung nach § 38 VwVfG begründen. Schließlich könne aus dem bisherigen tatsächlichen Handeln der Beklagten keine gegenüber der Klägerin bestehende subjektiv-rechtliche Pflicht abgeleitet werden. Es bestehe lediglich eine Unterhaltungsaufgabe aber keine –pflicht. Mit Durchführung der Unterhaltung komme die Beklagte lediglich der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht nach und gleiche die Wirtschaftswege an die landwirtschaftliche Entwicklung an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
I. Die Klage ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet (1.), die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor (2. bis 4.).
1. Eine für die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges erforderliche öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.v. § 40 Verwaltungsgerichtsordnung (im Folgenden: VwGO) liegt vor. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird (BVerwG, Beschl. v. 17.11.2008 – 6 B 41/08 –, juris Rn. 4 m. w. N.).
Sowohl die erstmalige Regelung der Wegeunterhaltung in § 16 des Rezesses (a.) als auch der notarielle Vertrag, mit welchem diese Regelung übertragen worden sein könnte, (b.) sind öffentlich-rechtlicher Art. Ebenso ist ein durch tatsächliches Handeln entstandenes Gewohnheitsrecht, durch welches die Unterhaltungspflicht auf die Beklagte übergegangen sein könnte, als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren (c.).
a. Die in § 16 des Rezesses geregelte Unterhaltungspflicht für Wege, Gräben, Siele und Brücken hat einen öffentlich-rechtlichen Charakter, da sie als Ortsgesetz zu klassifizieren ist.
Ein Rezess ist Vorläufer des heutigen Flurbereinigungsplans (Thomas/Tesmer, NRealvG, 10. Aufl., Einf. S. 46). Er umfasst Elemente eines Vertrages, einer Planfeststellung und eines Ortsgesetzes (Nds. OVG, Beschl. v. 30.12.2016 – 10 LA 69/16 –, juris Rn. 9; Urt. v. 20.12.2011 – 10 LC 234/08 –, juris Rn. 2 f.). Ein Rezess kann sowohl lokales öffentliches Recht schaffen als auch private Rechtsbeziehungen regeln; die Einordnung ist anhand der einzelnen Regelungen des Rezesses vorzunehmen (so auch Preußisches OVG, Urt. v. 5.1.1887 – Rep. I. C. 126/86 –, PrOVGE 14, 242 (246); Nds. OVG, Beschl. v. 30.12.2016 – 10 LA 69/16 –, juris Rn. 9; VG Hannover, Urt. v. 25.7.2018 – 1 A 5976/15 –, juris Rn. 34; VG Göttingen, Urt. v. 31.8.2016 – 1 A 13/14 –, juris Rn. 45; VG Lüneburg, Urt. v. 10.6.2010 – 3 A 223/08 –, juris Rn. 25; vgl. zur Rechtsnatur von Rezessen auch Thomas/Tesmer, NRealvG, 10. Aufl., Einf. S. 46).
Jedenfalls für das (frühere) preußische Rechtsgebiet – zu welchem das Gemeindegebiet G. als ehemaligem Teil des Verwaltungsgebiet des „Amtes M.“ zählt – sind diejenigen Teile des Rezesses, die abstrakt-generelle Regelungen im gemeinschaftlichen Interesse enthielten und auch zukünftig gelten sollten, als Ortsgesetz zu qualifizieren (Nds. OVG, Beschl. v. 30.12.2016 – 10 LA 69/16 –, juris Rn. 16; Hessischer VGH, Urt. v. 6.7.1988 - 5 OE 48/83 -, juris, Rn. 45; Kluckhuhn, Das Recht der Wirtschaftswege, S. 81 f.). Dazu zählen u.a. diejenigen Vorschriften, welche die Benutzung und Unterhaltung der gemeinschaftlichen Anlagen für die Zukunft bestimmen. Die Einordnung als abstrakt-generelles Ortsgesetz, d.h. als örtliches Satzungsrecht (siehe Nds. OVG, Beschl. v. 30.12.2016 – 10 LA 69/16 –, juris Rn. 9), verleiht diesen Bestimmungen per se die öffentlich-rechtliche Natur, unabhängig davon, ob die Bestimmung als solche privatrechtlichen Ursprungs ist – wie bei Benutzung und Unterhaltung gemeinschaftlicher Anlagen (siehe Kluckhuhn, Das Recht der Wirtschaftswege, S. 82) – oder öffentlich-rechtliche Verhältnisse regelt – wie bei Unterhaltung öffentlicher Wege (vgl. Preußisches OVG, Urt. v. 5.1.1887 – Rep. I. C. 126/86 –, PrOVGE 14, 242 (246); Kluckhuhn, Das Recht der Wirtschaftswege, S. 82). Der Erlass von Satzungen ist als Handlungsinstrument der Verwaltung dem öffentlichen Recht zuzuordnen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.4.2013 – 5 CN 1/12 –, juris Rn. 9). Dies galt im gleichem Maße auch für abstrakt-generelle Regelungen eines Rezesses, die unter Mitwirkung der hierzu staatlich verordneten Auseinandersetzungsbehörde zustande gekommenen sind (vgl. Preußisches OVG, Urt. v. 5.1.1887 – Rep. I. C. 126/86 –, PrOVGE 14, 242 (246)). Insoweit wurde den rezessrechtlichen Festsetzungen, welche im gemeinschaftlichen Interesse getroffen wurden, mit Inkrafttreten des NRealvG auch die Wirkung von öffentlich-rechtlichen Satzungsbestimmungen zugesprochen (Thomas/Tesmer, NRealvG, 10. Aufl., Einf. S. 46; vgl. die noch ausdrückliche Regelung in § 18 des Entwurfs des NRealvG, LT-Drs. 6/205, S. 6).
Ein solches abstrakt-generelles Ortsgesetz stellt § 16 des Rezesses dar. Nach dieser Regelung trifft neben der ersten Errichtung auch die künftige Unterhaltung aller nichtöffentlichen Wege, Gräben, Siele und Brücken die Interessentenschaft. Die nichtöffentlichen Wege und Gräben sind als gemeinschaftliche Anlagen zu klassifizieren, weil sie ausweislich § 8 des Rezesses im gemeinsamen Eigentum der Interessentenschaft standen. Für Brücken galt dies in gleichem Maße. Dies ergibt sich aus § 17 des Rezesses. Dieser Regelung lässt sich entnehmen, dass Brücken vorbehaltlich anderer Regelungen grundsätzlich als Zubehör zu Wirtschaftswegen, d.h. nichtöffentlichen Wegen, eingeordnet wurden.
b. Durch den am I. geschlossenen Vertrag ergibt sich keine andere Beurteilung des öffentlich-rechtlichen Charakters des streitgegenständlichen Rechtsverhältnisses, da dieser Vertrag – unabhängig von seiner Wirksamkeit – als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu klassifizieren ist.
Vor dem Inkrafttreten des VwVfG im Jahr 1977 war die Möglichkeit, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zu schließen, zwar umstritten, jedenfalls seit dem Jahr 1956 von der Rechtsprechung aber anerkannt (siehe BVerwG, Urt. v. 24.10.1956 – V C 236.54 –, juris Rn. 23, welches noch die ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zum Abschluss forderte; zum Streitstand und zur historischen Entwicklung: Brüning/Bosesky, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl., § 54 Rn. 12 ff.). Für die Abgrenzung von öffentlich-rechtlichem und zivilrechtlichem Vertrag kam es vor Inkrafttreten des VwVfG wie auch danach auf den Vertragsgegenstand und -zweck an. Die Rechtsnatur des Vertrages bestimmt sich danach, ob dessen Gegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist (siehe zur Abgrenzung vor Inkrafttreten des VwVfG: BVerwG, Urt. v. 30.4.1976 – VII C 63.75 –, juris Rn. 25; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 6.7.1973 – IV C 22.72 –, juris Rn. 18; Apelt, AöR 84 (1959), 249 (258, 263); für die Abgrenzung nach Inkrafttreten des VwVfG: Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschl. v. 10.4.1986 - GmS - OGB 1/85 -, juris Rn. 11; BVerwG, Beschl. v. 24.4.2012 – 8 B 25/12 –, juris Rn. 4; Urt. v. 11.2.1993 – 4 C 18/91 –, juris Rn. 25). Dabei wird dem Grundsatz der einheitlichen Beurteilung folgend darauf abgestellt, ob die vertraglichen Regelungen auf dem Gebiet des öffentlichen oder des privaten Rechts für den Vertrag prägend sind (für die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des VwVfG siehe BVerwG, Urt. v. 6.7.1973 – IV C 22.72 –, juris Rn. 18; die Rechtslage nach dem Inkrafttreten betreffend: Bonk/Neumann/Siegel, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., § 54 Rn. 61; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl., § 54 Rn. 32; vgl. BVerwG, Urt. v. 18.7.2012 – 8 C 4/11 –, juris Rn. 45; Urt. v. 16.5.2000 – 4 C 4/99 –, juris Rn. 16; Urt. v. 11.2.1993 – 4 C 18/91 –, juris Rn. 25).
Die Unterhaltungsregelung prägt als öffentlich-rechtliches Ortsgesetz den gesamten Vertrag, weil sie primärer Gegenstand und Zweck des Vertrages ist. Die Unterhaltungsreglung wurde in § 1 Nr. 1 des Vertrages als erste Regelung noch vor der Übertragung von Wegen und anderem Eigentum in den Vertrag aufgenommen und erhält dadurch eine zentrale Stellung. Dies verdeutlicht auch die Präambel des Vertrages, welche als Vertragszweck die Unterhaltung herausstellt. Nach der Einleitung in § 1 des Vertrages sollen die Streitigkeiten über die Beteiligung der Interessentenschaft G. an der Erhaltung der Wege und Gräben und auch andere Meinungsverschiedenheiten durch die vertraglichen Vereinbarungen beigelegt werden. Die Unterhaltung wird damit hervorgehoben, die anderen Meinungsverschiedenheiten werden nicht weiter erläutert. Die ebenso im Vertrag enthaltene, sich nach den Regeln des Privatrechts richtende Übereignung und Übertragung von Wegen, Gräben und anderem Eigentum ist bloße Folge der geregelten Unterhaltung, prägt den Vertrag aber nicht (vgl. ähnlich für einen zum Privatrecht zugehörigen Grundstückstauschvertrag, welcher aufgrund eines als öffentlich-rechtlich zu klassifizierenden Straßenausschlages geschlossen wurde: BVerwG, Urt. v. 30.4.1976 – VII C 63.75 –, juris Rn. 25).
c. Auch wenn dieser Vertrag – wie noch auszuführen ist – nichtig ist, ändert dies nichts an der öffentlich-rechtlichen Rechtsnatur der Unterhaltungspflicht. Ist von der Nichtigkeit des Vertrages auszugehen, könnte die Unterhaltungspflicht aus § 16 des Rezesses infolge der Bildung von örtlich begrenztem Gewohnheitsrecht, sog. Observanz (siehe dazu BVerwG, Beschl. v. 31.8.1978 – VII B 127.77 –, juris Rn. 4 ff.; Nds. OVG, Beschl. v. 30.12.2016 – 10 LA 69/16 –, juris 16; Thomas/Tesmer, NRealvG, 10. Aufl., Einf. S. 57), auf die Beklagte übergegangen sein. Die Übertragung einer rezessrechtlichen Vorschrift durch Gewohnheitsrecht lässt den öffentlich-rechtlichen Charakter dieser Vorschrift nicht entfallen. Der abstrakt-generelle Charakter der Unterhaltungspflicht bleibt bei Bildung einer gewohnheitsrechtlichen Regelung bestehen. Dies gilt für den vorliegenden Fall im besonderen Maße, als dass die künftige Handhabung der Unterhaltung für nichtöffentliche Wege, Gräben und Brücken die vorherige Regelung des Rezesses ablösen sollte.
2. Die von der Klägerin erhobene Klage auf Feststellung der Wiederherstellungsverpflichtung hinsichtlich der Brücke ist nach § 43 VwGO statthaft. Die Unterhaltungspflicht stellt ein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten dar, welches konkret auf die streitige Wiederherstellung der Barnbruchsbrücke gerichtet ist (zum Begriff des Rechtsverhältnisses: BVerwG, Urt. v. 23.1.1992 – 3 C 50/89 –, juris Rn. 29 ff. m. w. N.). Ob vorliegend die Feststellungklage gegenüber einer allgemeinen Leistungsklage gerichtet auf Wiederherstellung der Brücke gemäß § 43 Abs. 2 VwGO subsidiär wäre, muss nicht geklärt werden. Die Regelung der Subsidiarität nach § 43 Abs. 2 VwGO ist bei Klagen gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften, so wie hier gegen eine Gemeinde als Gebietskörperschaft, nicht anzuwenden. Von der öffentlich-rechtlichen Körperschaft als Beklagte darf die Respektierung von Gerichtsurteilen auch ohne dahinterstehenden Vollstreckungsdruck erwartet werden und besondere Klagevoraussetzungen wie bei der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage werden bei einer Leistungsklage nicht unterlaufen (BVerwG, Urt. v. 25.4.1996 – 3 C 8/95 –, juris Rn. 31; Urt. v. 27.10.1970 – VI C 8.69 –, juris Rn. 12).
3. Die Klägerin hat an der Wiederherstellung der Barnbruchsbrücke auch ein Feststellungsinteresse in Form eines rechtlichen und wirtschaftlichen Interesses. Sie möchte einerseits die Wege mit land- und forstwirtschaftlichen Maschinen wieder befahren können und andererseits die Reichweite der Regelung über die Unterhaltung festgestellt wissen.
4. Schließlich ist die Klägerin gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog klagebefugt, da sie geltend macht aus dem Vertrag eine Wiederherstellungsverpflichtung von der Beklagten als subjektives Recht herleiten zu können. Ein subjektives Recht kann auch durch einen Vertrag begründet werden (siehe Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 42 Rn. 85). Ob der Vertrag wirksam ist und ob eine solche Verpflichtung gegenüber der Klägerin tatsächlich besteht, muss im Rahmen der Klagebefugnis nicht geklärt werden. Ausreichend ist, dass eine Verletzung von Rechten der Klägerin nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden kann (BVerwG, Urt. v. 17.12.2013 – 4 A 1/13 –, juris Rn. 18 m. w. N.; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 42 Rn. Rn. 112). Einerseits drängt sich die Nichtigkeit des Vertrages nicht zwingend auf, da die Beteiligten übereinstimmend von dessen Wirksamkeit ausgehen. Andererseits kann durch die Übertragung der Unterhaltung von der Interessentenschaft an die Rechtsvorgängerin der Beklagten mittels eines Vertrages nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass damit eine solche zweiseitige Unterhaltungspflicht begründet wurde, welche nicht nur die Last der Unterhaltung von der Klägerin auf die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin überträgt, sondern gleichzeitig gegenüber der Klägerin auch eine Verpflichtung zur Unterhaltung begründet, auf welche sich die Klägerin als ein ihr zustehendes subjektives Recht berufen kann.
II. Die Klage ist in der Sache jedoch unbegründet. Die Beklagte ist gegenüber der Klägerin nicht zur Wiederherstellung der Barnbruchsbrücke verpflichtet. Eine solche Verpflichtung ergibt sich weder aus dem notariellen Vertrag (1.), noch aufgrund von örtlichem Gewohnheitsrecht, sog Observanz, (2.) oder aus einer anderen Anspruchsgrundlagen (3.)
1. Eine Wiederherstellungspflicht für die Brücke gegenüber der Klägerin aus § 1 Nr. 1 des Vertrages besteht schon deshalb nicht, da der Vertrag nichtig ist.
Die Übertragung der rezessrechtlichen Unterhaltung konnte nicht durch den am I. geschlossenen Vertrag erfolgen. Dieser Vertrag verstößt gegen das Vertragsformverbot.
Da der Vertrag vor Inkrafttreten des VwVfG im Jahr 1977 abgeschlossen wurde, können die Regelungen der §§ 54 ff. VwVfG zum öffentlich-rechtlichen Vertrag nicht unmittelbar für die Beurteilung der Wirksamkeit des 1962 geschlossenen Vertrages angewendet werden (Frank, DVBl. 1977, 682 (687)). Dennoch sind solche Bestimmungen der §§ 54 ff. VwVfG heranzuziehen, welche bereits zuvor anerkannte allgemeine Grundsätze des Verwaltungsrechts gewesen sind. Dies gilt jedenfalls für § 59 VwVfG i.V.m. § 134 BGB (Fehling, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl., § 54 VwVfG Rn. 24; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.1.1978 – XA 600/77 –, NJW 1979, 124). Da das Vertragsformverbot als Nichtigkeitsgrund i.S.v. § 59 VwVfG i.V.m. § 134 BGB eingeordnet wird (so OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.9.1982 – 4 A 989/81 –, juris Rn. 58; Brüning/Bosesky, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl., § 54 Rn. 174; Fehling, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl., § 54 VwVfG Rn. 52; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl., § 54 Rn. 41a; a.A. Nichtigkeit folgt aus § 54 S. 1 VwVfG: Krebs VerwArch 72 (1981) 49 (55); Nichtigkeit kann auch aus § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 125 BGB folgen: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl., § 14 Rn. 42b), ist es auch auf den im Jahr 1962 geschlossenen Vertrag anwendbar.
Der Vertrag sollte die Unterhaltungspflicht aus § 16 des Rezesses ändern und die Unterhaltung auf die politische Gemeinde G. übertragen (siehe Beschluss der politischen Gemeinde G. vom 7.12.1961, Bl. 43 der Gerichtsakte). Eine solche Übertragung durch einen Vertrag als Handlungsform war in Bezug auf ein Ortsgesetz, welches die Regelung des § 16 des Rezesses darstellt, aber nicht möglich. Ortsgesetzliche Regelungen eines Rezesses konnten nur durch abweichendes örtliches Gewohnheitsrecht, sog. Observanz, geändert werden (Nds. OVG, Beschl. v. 30.12.2016 – 10 LA 69/16 –, juris Rn. 16; vgl. Kluckhuhn, Das Recht der Wirtschaftswege, S. 83 f.). Da vor dem Inkrafttreten des Nds. Realverbandsgesetzes (im Folgenden: NRealvG) eine Änderung von Rezessen hinsichtlich der darin enthaltenen ortsgesetzlichen Regelungen somit nur durch Observanz möglich war, war eine Entwicklung des Rezessrechts praktisch nahezu ausgeschlossen (Nds. OVG, Beschl. v. 30.12.2016 – 10 LA 69/16 –, juris Rn. 16; Tesmer, NRealvG, Textausgabe mit Einführung, S. 23 f.; siehe auch Gesetzesbegründung zum NRealvG, LT-Drs. 6/205, S. 27). Dieser Rechtsgrundsatz wurde erst durch das NRealvG derart abgewandelt, dass eine Änderung oder Aufhebung rezessrechtlicher Regelungen durch Satzung des Realverbandes möglich wurde (Gesetzesbegründung zum NRealvG, LT-Drs. 6/205, S. 27). Gleichzeitig wurde im NRealvG die Möglichkeit geschaffen, Aufgaben und Vermögen des Realverbandes auf die Gemeinde durch Vertrag zu überführen (Gesetzesbegründung zum NRealvG, LT-Drs. 6/205, S. 33; Tesmer, NRealvG, Textausgabe mit Einführung, S. 24). Vor Inkrafttreten des NRealvG war die Handlungsform des Vertrages zur Abänderung rezessrechtlicher Bestimmungen mit Ortsgesetzcharakter aber nicht vorgesehen. Es war lediglich anerkannt, dass eine Änderung der vertraglichen Regelungsteile eines Rezesses mit Zustimmung sämtlicher Beteiligter möglich war (Nds. OVG, Beschl. v. 30.12.2016 – 10 LA 69/16 –, juris Rn. 16). Die Regelungen des Rezesses zur Wegeunterhaltung – wie vorliegend § 16 des Rezesses – waren jedoch nicht als solche vertraglichen Regelungsteile, sondern als Ortsgesetz zu qualifizieren.
Als Rechtsfolge führt der Verstoß gegen dieses Vertragsformverbot zur Nichtigkeit des Vertrages. Dabei ist der auch vor dem Inkrafttreten des VwVfG im Verwaltungsrecht anerkannte Grundsatz, dass bei Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB der Vertrag nichtig ist, anwendbar. Zwar war das Vertragsformverbot zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht als ausdrückliche Norm kodifiziert, es galt aber – wie dargelegt – als vor dem Inkrafttreten des NRealvG vorherrschender Rechtsgrundsatz. Auch ein Rechtsgrundsatz kann als gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB qualifiziert werden (so Sack/Seibl, in: Staudinger, BGB, Stand: 2017, § 134 Rn. 22 m. w. N.; in diese Richtung auch BVerwG, Urt. v. 5.6.1959 – VII C 83.57 –, juris Rn. 19 bezüglich des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung).
2. Ferner ist die Beklagte nicht aus örtlichem Gewohnheitsrecht, sog. Observanz, gegenüber der Klägerin zur Wiederherstellung der Barnbruchsbrücke verpflichtet.
Gewohnheitsrecht entsteht durch längere tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird (BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 – 2 BvR 667/72 –, juris Rn. 23 m. w. N.). Observanz stellt als Unterfall örtlich begrenztes Gewohnheitsrecht dar (BVerwG, Beschl. v. 31.8.1978 – VII B 127.77 –, juris Rn. 6; Nds. OVG, Beschl. v. 30.12.2016 – 10 LA 69/16 –, juris Rn. 16; Hessischer VGH, Urt. v. 6.9.1988 – 2 UE 1126/86 –, juris Rn. 24; Thomas/Tesmer, NRealvG, 10. Aufl., Einf. S. 57). Neben der dauernden Übung ist maßgeblich für die Entstehung von Gewohnheitsrecht, dass eine Rechtsüberzeugung der Beteiligten vorliegt, die darauf gerichtet ist, dass Rechtsbeziehungen innerhalb eines bestimmten Bereichs durch einen ungeschriebenen Rechtssatz geordnet sind (BVerwG, Beschl. v. 31.8.1978 – VII B 127.77 –, juris Rn. 6; Nds. OVG, Beschl. v. 13.2.2009 – 13 LA 183/07 –, juris Rn. 8; Hessischer VGH, Urt. v. 6.9.1988 – 2 UE 1126/86 –, juris Rn. 24).
Entgegen den Ausführungen der Beklagten, ist die Barnbruchsbrücke Teil des Rezesses gewesen und es ist davon auszugehen, dass sie bis zum Neubau im Jahr 1972 bestand, sodass die Unterhaltung dieser Brücke im Sinne einer für das Gewohnheitsrecht notwendigen dauernden Übung wahrgenommen wurde. Die streitgegenständliche Brücke ist in § 10 Nr. 9 des Rezesses erwähnt. In dieser Bestimmung heißt es:
„Die über die Aller führenden Wege No 634 und 649 d. K. sind in Folge Anlage einer neuen Brücke verlegt und sind in Folge dessen die angrenzenden Koppeln verändert.“
Bei den in dieser Bestimmung bezeichneten Wegen Nr. 634 und 649 der Karte handelt es sich um die hier streitgegenständlichen Straßen „K.“ und „L.“, die durch die Barnbruchsbrücke verbunden werden (siehe § 7 des Rezesses: Weg mit der laufenden Nr. 83 bzw. Nr. 634 der Karte und Weg mit der laufenden Nr. 100 bzw. Nr. 649 der Karte). Wie sich dem der Klagebegründung beigefügten Zeitungsausschnitt (Anlage K 11, Bl. 49 der Gerichtsakte) entnehmen lässt, war bis zum Jahr 1972 diese Brücke auch als Holzübergang errichtet, sodass von dem Vorhandensein der Barnbruchsbrücke auch in den Jahren nach Abschluss des Rezesses auszugehen ist.
Es kann aber weder eine solche dauernde Übung ausgemacht werden, wonach die Beklagte gegenüber der Klägerin zur Wiederherstellung der Barnbruchsbrücke im Sinne eines subjektiven, einklagbaren Rechts verpflichtet ist, noch liegt eine auf das Bestehen einer solchen Pflicht gerichtete Rechtsüberzeugung beider und nicht nur einer Beteiligten vor.
Bis zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist kein örtliches Gewohnheitsrecht entstanden. Nach Abschluss des Rezesses nahm die politische Gemeinde G. zumindest seit Anfang des 20. Jahrhundert die Unterhaltung der Wege, Gräben und Brücken wahr (siehe Protokoll der Gemeindeversammlung G. vom 17.1.1927 (Bl. 39 der Gerichtsakte), Schreiben des Landkreises M. vom 27.6.1961 (Bl. 40 der Gerichtsakte)). Die daraus resultierenden Meinungsverschiedenheiten über die Beteiligung der Klägerin an der Unterhaltung sollten durch den Vertrag vom I. beigelegt werden (siehe Beschluss des Gemeindesrats G. vom 7.12.1961 (Bl. 42 der Gerichtsakte), Einleitung in § 1 des Vertrages). Bereits die Einleitung in § 1 des Vertrages verdeutlicht, dass bis zum Vertragsschluss weder die Klägerin noch die Rechtsvorgängerin der Beklagten von einer solchen rechtsverbindlichen Übung ausgingen, dass eine tatsächliche Unterhaltungspflicht gegenüber der Klägerin bestand. Vielmehr lässt sich dem Schreiben des Landkreis M. vom 27. Juni 1961 (Bl. 40 der Gerichtsakte) entnehmen, dass immer noch die Überzeugung bestand, dass die rezessrechtliche Regelung des § 16 weiter fort galt. Darauf hatte das damalige Kulturamt ausdrücklich hingewiesen.
Auch ab dem Vertragsschluss lässt sich eine solche Observanz nicht ausmachen. Die Klägerin und die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin gingen nach Schluss des Vertrages davon aus, dass die Unterhaltung für die im Vertrag übereigneten Wege, Gräben und Brücken auf die Beklagte bzw. deren Rechtvorgängerin wirksam übertragen wurde. Trotz eines solchen Irrtums der Parteien war die Bildung von Observanz neben der vertraglich getroffenen Vereinbarung grundsätzlich möglich (vgl. Hessischer VGH, Urt. v. 6.9.1988 – 2 UE 1126/86 –, juris Rn. 24). Es lässt sich jedoch auch nach Vertragsschluss keine Entstehung einer solchen Observanz ausmachen, die für die Klägerin ein subjektives Recht auf Wiederherstellung der Barnbruchsbrücke begründen würde. Übereinstimmend gehen die Beteiligten davon aus, dass die Beklagte die Unterhaltung der nichtöffentlichen Wege und Brücken als Aufgabe seit dem Vertragsschluss wahrgenommen hat und auch in Zukunft wahrnehmen wird. Jedoch folgt daraus kein für die Klägerin einklagbarer Anspruch gegenüber der Beklagten. Die Klägerin konnte nicht darlegen, dass die Beklagte durch Wahrnehmung der Unterhaltung auch eine Verpflichtung gegenüber der Klägerin einging. Aus der tatsächlichen Durchführung der Unterhaltung folgt nicht zwingend, dass diese auf der Annahme einer Unterhaltungspflicht beruht (vgl. ebenso Nds. OVG, Beschl. v. 13.2.2009 – 13 LA 183/07 –, juris Rn. 8).
Vielmehr haben die Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ergeben, dass sich keine solche übereinstimmende Rechtsüberzeugung gebildet hat, welche die Beklagte zur Unterhaltung gegenüber der Klägerin verpflichtet. Die Unterhaltung der nichtöffentlichen Straßen und Brücken wird durch die Beklagte in der Art und Weise wahrgenommen, dass je nach Bedarf Schäden ausgebessert oder umfangreichere Instandsetzungen oder Neubauten vorgenommen werden. Dabei erfolgt die Initiative zur bedarfsmäßigen Unterhaltung aufgrund eigener Kontrollen der Beklagten oder aufgrund von Eingaben z.B. aus der Landwirtschaft. Gründe für die Wahrnehmung der Unterhaltung sind nach Angabe der Beklagten zum einen die Erfüllung der ihr als Eigentümerin obliegenden Verkehrssicherungspflicht, zum anderen die Angleichung der Wirtschaftswege an die landwirtschaftliche Entwicklung. Letztlich erfolgt die Wahrnehmung daher ähnlich wie bei öffentlichen Straßen, bei welcher die Beklagte zwar eine Unterhaltungslast, aber keine einklagbare Verpflichtung obliegt (siehe dazu unter 3.). Dass die Unterhaltung nicht als Pflicht gegenüber der Klägerin wahrgenommen wird, zeigt auch der geringe jährliche Haushaltsetat der Beklagten für die Unterhaltung der Wirtschaftswege. Dieser beträgt 50.000 € für alle in dem Gebiet der Beklagten liegenden Wirtschaftswege und ist damit eher gering. Dies wird aus der Angabe der geschätzten Kosten für den Neubau der Barnbruchsbrücke deutlich. Die Beklagte gibt an, dass für die Ausgestaltung der Barnbruchsbrücke mit einer Tragfähigkeit von 40 t ein Neubau in Höhe von ca. 320.000 € nötig wäre. Dabei greift sie auf die Baukosten eines äquivalenten Brückenbaus im Jahr 2012 mit Kosten in Höhe von ca. 263.000 € zurück. Ein dazu in Relation gesetzter jährlicher Etat von 50.000 € für die Unterhaltungsaufgabe zeigt, dass die Beklagte nicht davon ausgeht, dass sie, sobald die Klägerin an sie herantritt, verpflichtet werden kann bestimmte Unterhaltungsmaßnahmen durchzuführen. Ein solches Verhalten konnte die Klägerin auch nicht vortragen. Zwar macht sie in der mündlichen Verhandlung geltend, dass sie auch gegenüber der Beklagten in der Vergangenheit Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen angeregt hat. Jedoch trägt die Klägerin gleichzeitig vor, dass sie sich an einer Unterhaltungsmaßnahme für einen Wirtschaftsweg mit eigenen, teilweise auch privaten Mitteln beteiligt hat. Dies sei aus Sicht der Klägerin geschehen, da die Beklagte ansonsten die Unterhaltungsmaßnahme nicht durchgeführt hätte. Dieses Verhalten zeigt bereits, dass die Klägerin selbst auch nicht der Überzeugung war, die Unterhaltung von der Beklagten als Pflicht einklagen zu können. Eine freiwillige Beteiligung an einer Unterhaltungsmaßnahme hätte es dann nicht bedurft; die Klägerin hätte ihr Ziel auf dem Klageweg erreichen können. Ferner konnte die Klägerin nicht darlegen, dass es in der Vergangenheit – bis auf die streitgegenständliche Barnbruchsbrücke – jemals zu solchen Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten über die Unterhaltung der Wirtschaftswege und Brücken gekommen wäre, dass sich die Beklagte der Unterhaltung letztlich gebeugt und diese ausgeführt hätte. Dies hätte aber für eine Verpflichtung aus Sicht der Beklagten gesprochen. Der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin ist es nicht gelungen, eine solche Unterhaltungs- bzw. Wiederherstellungsverpflichtung als ein ihr zustehendes subjektives, einklagbares Recht vorzutragen.
Auch trägt die Klägerin keine Beeinträchtigung eines anderen subjektiven Rechts vor, welches durch die nicht wahrgenommene Unterhaltung verletzt sein und damit mittelbar eine Einklagbarkeit der Unterhaltung begründen könnte (so im Bereich der Gewässerunterhaltung für den Fall, dass mit der Verletzung der Unterhaltungsaufgabe eine Eigentumsverletzung einhergeht: Hessischer VGH, Urt. v. 26.2.1997 – 7 UE 2907/94 –, juris Rn. 23; VG Lüneburg, Urt. v. 26.5.2004 – 3 A 43/04 –, juris Rn. 21). Insbesondere liegt keine Eigentumsbeeinträchtigung i.S.v. Art. 14 Grundgesetz (im Folgenden: GG) vor. Zwar macht die Klägerin geltend, dass die Interessenten durch Sperrung der Barnbruchsbrücke Umwege zu ihren landwirtschaftlichen Flächen fahren müssten und die Umwegstrecken teilweise wegen der Größe der landwirtschaftlichen Maschinen schwer befahrbar seien. Alle landwirtschaftlichen Flächen können aber erreicht werden, der Zugang zu den jeweiligen Eigentumsflächen wird nicht abgeschnitten.
Da bereits keine Verpflichtung aus Oberservanz zur Wiederherstellung der Barnbruchsbrücke besteht, muss der Einwand der Beklagten, dass vom Begriff der Unterhaltung nur die laufende Reinigung und Instandsetzung und nicht auch ein grundlegender Ersatzbau umfasst ist, nicht abschließend geklärt werden (vgl. für eine weite Auslegung des Unterhaltungsbegriffs die Rechtsprechung für den Bereich des Wasserrechts: BVerwG, Urt. v. 5.12.2001 – 9 A 13/01 –, juris Rn. 31, 35; Nds. OVG, Urt. v. 22.8.1969 – III A 143/65 –, VerwRspr 1970, 925 (925, 927); für den Bereich des Straßenrechts: BVerwG, Beschl. v. 6.4.1961 - BVerwG I C 146/58, NJW 1961, 1495 (1495); OVG Berlin, Beschl. v. 1.3.1994 – 1 S 136.93 –, juris Rn. 3 f.; zur Auflage einer „dauernden Unterhaltung“ bei einem Planfeststellungsbeschluss: BVerwG, Urt. v. 16.3.1984 – 4 C 46/80 –, juris Rn. 13; für den Bereich des (früheren) Eisenbahnkreuzungsrechts: BVerwG, Urt. v. 6.12.1967 – IV C 93.65 –, juris Rn. 9 f.).
3. Schließlich lässt sich aus anderen Anspruchsgrundlagen keine Verpflichtung der Beklagten ableiten.
Straßenrechtliche Normen können nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Zwar gehören nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Nds. Straßengesetz (im Folgenden: NStrG) auch Brücken als sog. Straßenkörper zu den öffentlichen Straßen, sodass auch für Brücken eine Bau- und Unterhaltungsverpflichtung nach §§ 9, 10 NStrG besteht (vgl. VG Göttingen, Urt. v. 31.5.2005 – 1 A 249/03 –, juris Rn. 18). Das NStrG gilt ausweislich §§ 1, 2 NStrG allerdings nur für öffentliche Straßen. Bei den Wegen, die die Barnbruchsbrücke verbindet, handelt es sich aber um nichtöffentliche Wege. Solche Wege bzw. Straßen unterliegen gerade nicht den Verpflichtungen aus §§ 9, 10 NStrG (vgl. VG Göttingen, Urt. v. 31.5.2005 – 1 A 249/03 –, juris Rn. 18 f.; siehe auch zu Vorgängerreglungen des NStrG bei nichtöffentlichen Wegen Nds. OVG, Urt. v. 11.3.1959 – III OVG A 102/58 –, OVGE 14, 445 (449)). Im Straßenbestandsverzeichnis der Beklagten sind die durch die Brücke verbundenen Straßen „K.“ und der „N.“ sowie die Barnbruchsbrücke selbst – als mögliche eigenständige, von den angrenzenden Wegen gesonderte Straße – nicht erwähnt.
Ebenso ist das von der Klägerin angeführte Notwegerecht aus § 917 BGB nicht einschlägig. Nach § 917 BGB kann der Eigentümer von den Nachbarn eine Duldung der Nutzung der Nachbargrundstücke verlangen, wenn einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt. Unabhängig davon, ob dieser Anspruch auf dem Verwaltungsrechtsweg überhaupt eingeklagt werden kann (vgl. VG Stade, Urt. v. 13.5.2004 – 1 A 1424/01 –, juris Rn. 25; siehe auch BVerwG, Urt. v. 26.3.1976 – IV C 7.74 –, juris Rn. 25 ff.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.4.1989 – 9 U 252/88 –, juris Rn. 20, 29), ist dafür Voraussetzung, dass ein öffentlicher Weg vorliegt. Ob ein Weg öffentlich ist, richtet sich nach dem jeweiligen Landesstraßenrecht (Brückner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl., § 917 Rn. 7; Gursky, in: Staudinger, BGB, Stand: 2016, § 917 Rn. 10). Weder die Barnbruchsbrücke noch die durch sie verbundenen Wege sind öffentliche Straßen. Darüber hinaus räumt § 917 BGB lediglich einen Duldungsanspruch ein (VG Göttingen, Urt. v. 24.7.2014 – 1 A 221/12 –, juris Rn. 29). Der Berechtigte des Notwegerechts hat den Notweg auf eigene Kosten herzustellen und zu unterhalten (BGH, Urt. v. 6.4.1995 – III ZR 27/94 –, juris Rn. 23; Brückner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl., § 917 Rn. 39; Gursky, in: Staudinger, BGB, Stand: 2016, § 917 Rn. 35).
III. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (im Folgenden: ZPO).
IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (im Folgenden: GKG). Der Streitwert war auf 5.000 € festzusetzen, da sich keine genügenden Anhaltspunkte zur Bestimmung des Streitwertes aus dem Sach- und Streitstand geboten haben. Der Streitwert ließ sich nicht gemäß § 52 Abs. 1 GKG aus der dem Antrag der Klägerin für sie ergebende Bedeutung der Sache ermitteln. Die Klägerin hat als Interesse an der Klage dargelegt, die Barnbruchsbrücke mit land- und forstwirtschaftlichen Maschinen überfahren zu wollen, um Umwege zu landwirtschaftlichen Flächen von einigen Kilometern zu vermeiden. Dieses Interesse ist nicht mit einem messbaren Wert bestimmbar, sodass der Auffangstreitwert heranzuziehen war.