Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 28.04.2023, Az.: 1 U 16/22

Großkundenrabatt; Rabattvereinbarung; Fiktive Schadensabrechnung; Wirtschaftlichkeitsgebot; subjektbezogene Schadensbetrachtung; markengebundenen Fachwerkstätten; zumutbare Inanspruchnahme; ohne Weiteres zugänglich; Schadensminderungspflicht; allgemeiner regionaler Markt; außergerichtliche Rechtsanwaltskosten; ex ante-Sicht; Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich; Mangel an geschäftlicher Gewandtheit; Geschäftsgewandtheit; einfach gelagerter Fall; mit Schadensabwicklung vertrautes Unternehmen; fiktive Reparaturkosten; Sachverständigenkosten; Wiederherstellungs- bzw. Wiederbeschaffungsaufwand; Honorartabelle

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
28.04.2023
Aktenzeichen
1 U 16/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 25075
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 18.03.2021 - AZ: 8 O 6183/20 (224)
LG Braunschweig - 26.08.2021 - AZ: 8 O 6183/20

Fundstellen

  • NJW-RR 2023, 1192-1194
  • NJW-Spezial 2023, 395
  • VRR 2023, 2

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die schadensrechtliche Abwicklung eines Verkehrsunfalls, an dem zwei Fahrzeuge beteiligt waren, stellt jedenfalls im Hinblick auf die Schadenshöhe regelmäßig keinen einfach gelagerten Fall dar (Anschluss an BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19 -, NJW 2020, 144).

  2. 2.

    Im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung sind dem Geschädigten eingeräumte Großkundenrabatte von markengebundenen Fachwerkstätten zu berücksichtigen, wenn er diese ohne Weiteres auch für die Reparatur eines Unfallfahrzeugs in Anspruch nehmen kann (Anschluss an BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19 -, NJW 2020, 144).

In dem Rechtsstreit
A. ...
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B,
gegen
C. ...
Beklagter und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt D.
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Richter am Oberlandesgericht Stephan als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 2023 für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 26. August 2021 - 8 O 6183/20 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Das Versäumnisurteil des Landgerichts Braunschweig vom 18. März 2021 bleibt mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 6.041,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. Februar 2021 zu zahlen.

  2. 2.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

  3. 3.

    Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  4. 4.

    Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 12.082,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zwecks Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen für noch 18 Verkehrsunfälle.

Der Hergang der Verkehrsunfälle und die daraus folgende Alleinhaftung der Versicherungsnehmer der Beklagten ist zwischen den Parteien nicht streitig. Die Beklagte wendet sich aber gegen die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Es sei nicht erforderlich gewesen, vorgerichtlich einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Die Klägerin sei regelmäßig und häufig mit Schadensfällen und deren Abwicklung befasst. Es könne ihr zugemutet werden, ein Sachverständigengutachten einzuholen und die Kosten gegenüber dem regulierungspflichtigen Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer zu beziffern. Daneben bestreitet die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin.

Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung der Klageforderungen mit Rückzahlungsansprüchen wegen - nach ihrer Rechtsauffassung- überzahlter Reparaturkosten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstoße die Geschädigte gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht, wenn sie Rabatte, wie zum Beispiel einen bestehenden Großkundenrabatt, bei der Schadensabrechnung nicht reparaturkostenreduzierend berücksichtige. Es sei hier davon auszugehen, dass die Klägerin, insbesondere im Hinblick auf ihre Ausrichtung und Unternehmensgröße, im Bereich der Fahrzeugreparatur einen auf Vereinbarungen mit dem regionalen Markt basierenden Großkundenrabatt von üblicherweise 20 % für sich in Anspruch nehme. Die klägerseits begehrten Reparaturkosten bzw. die tatsächlich erforderlichen Reparaturkosten würden sich daher um 20 % reduzieren. Diese Rabattmöglichkeit nutze die Klägerin nicht und verstoße damit gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands I. Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (S. 2 - 8 = Bl. 209R - 212R d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung ihrer vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von insgesamt 6.041 € aus §§ 7 StVG, 249 ff. BGB 115 VVG aufgrund der streitgegenständlichen Verkehrsunfälle. Es sei in diesen Fällen nicht erforderlich gewesen, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber der Beklagten einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei darauf abzustellen, wie sich die voraussichtliche Abwicklung der jeweiligen Schadensfälle aus Sicht der Klägerin dargestellt habe. Wenn die Verantwortlichkeit für den Schaden und die Haftung von vornherein dem Grunde und der Höhe nach derart klar sei, dass aus Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen könne, dass der Schädiger als Haftpflichtversicherer ohne weiteres seiner Einstandspflicht nachkommen werde, sei die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich.

Bei den streitgegenständlichen Fällen handele es sich durchgehend um solche, bei denen der Fahrer oder die Fahrerin des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs ohne weiteres die jeweiligen Unfälle alleine verursacht und verschuldet habe. Die Eintrittspflicht der Beklagten sei deshalb zweifelsfrei gewesen. Es sei in jedem Einzelfall um eklatante und evidente Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung gegangen. Es habe der entsprechend qualifizierten Klägerin klar sein müssen, dass kein vernünftiger Zweifel daran bestanden habe, dass die Beklagte ihrer Ersatzpflicht nachkommen würde. Der Argumentation der Klägerin, bei Abrechnung der fiktiven Reparaturkosten auf Basis eines Sachverständigen sei so gut wie immer mit Einwendungen zu rechnen, weswegen es sich bei diesen Fällen nie um einfach gelagerte Fälle handele, folge die Kammer nicht. Das Argument sei schon dadurch widerlegt, dass die Beklagte im vorliegenden Verfahren in einer Vielzahl von Fällen ohne Einwendungen vollständig reguliert habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen (S. 8 - 12 = Bl. 212R - 215R d.A.).

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit dem am 30. September 2021 bei Gericht eingegangenen (Bl. 225 d.A.) Schriftsatz vom selben Tage Berufung eingelegt, die sie nach antragsgemäßer Fristverlängerung mit dem rechtzeitig am 1. Dezember 2021 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 239 d.A.) wie folgt begründet hat.

Die Entscheidung des Landgerichts stehe nicht im Einklang mit der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung. In der vom Landgericht zitierten Entscheidung habe der Bundesgerichtshof ausgeführt, jedenfalls dann, wenn zwei Fahrzeuge (aktiv) an einem Verkehrsunfallgeschehen beteiligt seien, liege zumindest im Hinblick auf die Schadenshöhe regelmäßig kein einfach gelagerter Fall vor. Bei einem Fahrzeugschaden, an dem zwei Fahrzeuge beteiligt seien, werde die rechtliche Beurteilung beinahe jeder Schadenspositionen in Rechtsprechung und Lehre intensiv und kontrovers diskutiert. Die vielschichtige und teilweise uneinheitliche Rechtsprechung hierzu werde nach wie vor fortentwickelt. Es komme hinzu, dass zwischen den hochspezialisierten Abteilungen der Haftpflichtversicherer nicht selten um einzelne Beträge bis in die letzte Gerichtsinstanz gestritten werde. Aus Sicht des BGH sei es deshalb bei Unklarheiten jedenfalls im Hinblick auf die Höhe der Ersatzpflicht, wie sie typischerweise bei Fahrzeugschäden nach einem Verkehrsunfall bestehen würden, nicht zu beanstanden, dass in dieser Situation auch und gerade der mit der Schadensabwicklung von Verkehrsunfällen vertraute Geschädigte vernünftige Zweifel daran haben dürfe, dass der Schädiger oder jedenfalls sein Haftpflichtversicherer ohne weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde. Es sei dabei unerheblich, dass der erfahrene Geschädigte durchaus in der Lage sein werde, den Unfallhergang zu schildern und auch aus seiner Sicht zu ersetzende Schadenspositionen zu beziffern. Mit dieser Argumentation des Bundesgerichtshofs setze sich das Landgericht nicht auseinander. Der Umstand, dass ein Haftpflichtversicherer im Nachhinein, also nach Geltendmachung der Ansprüche durch einen Rechtsanwalt diese vorbehaltlos reguliere, bedeute im Umkehrschluss gerade nicht, dass dann ein einfach gelagerter Fall vorgelegen habe. Vielmehr müsse auch der erfahrene Geschädigte davon ausgehen, dass es zumindest zur Höhe einzelner Schadenspositionen zu einem Streit kommen könne. Dies zeige auch gerade der vorliegende Fall, in dem zwar die Forderungen zunächst reguliert worden seien, aber jedenfalls die Ersatzposition Rechtsanwaltskosten abgelehnt werde und zudem im Prozessverfahren nun doch Einwände gegen die Schadenshöhe erhoben würden, die im Wege der Aufrechnung aus ungerechtfertigter Bereicherung verfolgt würden.

Bei allen streitgegenständlichen Fällen sei es nicht nur um fiktiven Schadensersatz hinsichtlich des Fahrzeugschadens gegangen, sondern in der Regel auch um die Regulierung von Sachverständigenkosten und um die Position Wertminderung. Gerade diese beiden Positionen seien oftmals Kernpunkt einer Auseinandersetzung, bei dem auch über Kleinstbeträge gestritten werde. Speziell die Beklagte sei dafür bekannt, dass sie die Schadensposition Sachverständigenhonorar unter Bezugnahme auf das sogenannte "HUK Tableau" gerne kürze und die Berechtigung der geforderten Summe in Abrede nehme. Gleiches gelte für die Position Wertminderung, die sehr häufig pauschal ohne wirkliche inhaltliche Begründung nicht vollständig reguliert werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 1. Dezember 2021 (Bl. 239 - 242 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

Das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 26. August 2021 zum Geschäftszeichen 8 O 6183/20 abzuändern und das Versäumnisurteil des Landgerichts Braunschweig vom 18. März 2021 unter Zurückweisung des Einspruchs mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, an sie 6.041,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. Februar 2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Der Bundesgerichtshof habe gerade nicht entschieden, dass bereits aufgrund der Beteiligung zweier Fahrzeuge stets von einem nicht einfach gelagerten Fall auszugehen sei. Der Bundesgerichtshof habe vielmehr durch die Wortwahl "regelmäßig" deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ein solcher Automatismus nicht existiere. Die vom Bundesgerichtshof insoweit herausgestellte Regelmäßigkeit könne allenfalls für Fälle gelten, in denen der Versicherer bekannterweise regelmäßig Positionen der Höhe nach kürze und die Geschädigten daher von entsprechenden Kürzungen ausgehen dürften.

Es sei auch unzutreffend, dass die Beklagte für (unrechtmäßige) Kürzungen bekannt sei. Das vorliegende Verfahren beweise gerade das Gegenteil. Der zuständigen Kammer des Landgerichts sei auch aus weiteren Verfahren bekannt, dass die Beklagte gerade ohne Einwendungen zur Schadenshöhe reguliert habe. Soweit die Klägerin geltend mache, dass die Beklagte sich mit einer Aufrechnung aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung verteidige, habe dies nichts mit dem vorgerichtlichen Regulierungsverhalten der Beklagten zu tun. Die Klägerin vermenge hier die strategische Verteidigung der Beklagten im Klageverfahren mit dem - hier allein relevanten - vorgerichtlichen beanstandungslosen Regulierungsverhalten.

Im Übrigen werde die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten.

Diese verfüge über ein luxemburgisches Tochterunternehmen mit der Bezeichnung V. S.A. Mit diesem sowie weiteren Vertragspartnern habe die Klägerin ein sogenanntes "servicing agreement" verfasst, auf dessen Grundlage die Klägerin des Öfteren Fahrzeuge an die V. S.A. übereigne. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dies auch auf die hier unfallbeteiligten Fahrzeuge zutreffe. Zudem sei der Beklagten eine Dienstleistungs- und Kooperationsvereinbarung zwischen der Klägerin und der W. AG bekannt. § 4 dieser Vereinbarung enthalte die Regelung, dass der Eigentumserwerb der Klägerin durch ein Besitzkonstitut vollzogen werde. Es werde bestritten, dass die in diesem Zuge vereinbarte Abtretung des aus dem Eigentum folgenden Herausgabeanspruchs der W. AG an die Klägerin betreffend der hier streitgegenständlichen Fahrzeuge erfolgt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 7. Januar 2022 (Bl. 250 - 253 d.A.), 12. Januar 2022 (Bl. 255, 256 d.A.) und 9. Juli 2022 (Bl. 320, 321 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat ergänzend mit Schriftsatz vom 18. Mai 2022, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 316 ff. d.A.), Stellung genommen. Es sei zutreffend, dass es zu Transaktionszwecken durchaus vorkomme, dass die Klägerin Fahrzeuge aus ihrem Bestand sicherungsübereigne. Dies betreffe Fahrzeuge mit "regulären" Leasingverträgen. Bei den hier zugrundeliegenden Verkehrsunfallgeschehen seien aber Fahrzeuge aus dem Portfolio der Klägerin betroffen. Fahrzeuge aus diesem Portfolio würden nicht sicherungsübereignet.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen K. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 21. April 2023 (Bl. 349 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der ihr entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 6.041,00 Euro aus § 7 Abs. 1 StVG, § 115 VVG. Die Klägerin ist für die geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert (dazu 1.). Ihr Schadensersatzanspruch umfasst auch die ihr entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (dazu 2.). Die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung mit nach ihrer Auffassung bestehenden Rückzahlungsansprüchen aufgrund einer behaupteten Überzahlung auf die Reparaturkosten greift nicht durch (dazu 3.).

1. Die Klägerin ist für die geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert. Die Beklagte hat erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragen, die streitgegenständlichen Fahrzeuge seien von der Klägerin möglicherweise an die V. S.A. sicherungsübereignet worden. Das hiermit verbundene Bestreiten der Aktivlegitimation der Klägerin stellt ein neues Verteidigungsmittel i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO dar. Es sind keine Umstände vorgetragen, die zu einer Zulassung dieses Verteidigungsmittels gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 - 3 ZPO führen könnten. Gleiches gilt für den Vortrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 9. Juli 2022 zur Frage der Eigentumsverhältnisse an den Fahrzeugen im Hinblick auf eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Klägerin und der W. AG vom 2. Januar 2006. Der Vortrag ist auch nicht unstreitig. Die Klägerin hat unter Beweisantritt vorgetragen, dass die streitgegenständlichen Fahrzeuge nicht sicherungsübereignet waren. Sie hat ferner vorgetragen, die hier streitgegenständlichen Fahrzeuge seien nicht von der Kooperationsvereinbarung der Klägerin mit der W. AG betroffen.

2. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin umfasst auch die ihr entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Die Pflicht zum Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten setzt voraus, dass die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts aus ex ante-Sicht erforderlich und zweckmäßig war. Maßgeblich ist die ex ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person. Hierbei sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt (st. Rspr., vgl. etwa: BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 - VII ZR 320/21 -, Rn. 18, juris).

Ist die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar, dass aus Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger (oder dessen Haftpflichtversicherer) ohne Weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde, so wird es grundsätzlich nicht erforderlich sein, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger oder dessen Versicherer einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. In derart einfach gelagerten Fällen kann der Geschädigte grundsätzlich den Schaden selbst geltend machen, so dass sich die sofortige Einschaltung eines Rechtsanwalts nur unter besonderen Voraussetzungen als erforderlich erweisen kann, etwa wenn der Geschädigte aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden selbst anzumelden (BGH, Urteil vom 29.10.2019 - VI ZR 45/19, Rn. 21, NJW 2020, 144 [147]).

Nach diesen Grundsätzen kann sich eine etwaige Geschäftsgewandtheit des Geschädigten - insbesondere Sach- und Fachkenntnisse im Zusammenhang mit der Abwicklung vergleichbarer Schadensfälle - (nur) in zweierlei Hinsicht auswirken: Erstens bei der Beurteilung, ob aus Sicht des entsprechend qualifizierten Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger (oder dessen Haftpflichtversicherer) ohne Weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde. Zweitens hat der Geschädigte, wenn es sich nach den genannten Kriterien um einen derart einfachen, aus seiner Sicht zweifelsfreien Fall handelt, sein Wissen bei der erstmaligen Geltendmachung des Schadens einzusetzen, darf also die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts (zunächst) nicht für erforderlich erachten. Handelt es sich hingegen nicht um einen einfach gelagerten Fall, ist der Geschädigte, gleich ob Privatperson, Behörde oder Unternehmen, ungeachtet etwaiger Erfahrungen und Fachkenntnisse zur eigenen Mühewaltung bei der Schadensabwicklung nicht verpflichtet. Demnach kann es auch einem mit Schadensabwicklungen vertrauten Unternehmen nicht verwehrt werden, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, sofern nicht zweifelsfrei ist, dass und inwieweit der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners den Schaden regulieren wird (BGH, a.a.O., Rn. 22). Die schadensrechtliche Abwicklung eines Verkehrsunfalls, an dem zwei Fahrzeuge beteiligt waren, stellt jedenfalls im Hinblick auf die Schadenshöhe regelmäßig keinen einfach gelagerten Fall dar (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 24, juris). Bei einem Fahrzeugschaden wird die rechtliche Beurteilung nahezu jeder Schadensposition in Rechtsprechung und Lehre seit Jahren intensiv und kontrovers diskutiert. Die umfangreiche, vielschichtige und teilweise uneinheitliche Rechtsprechung hierzu wird nach wie vor fortentwickelt. Dementsprechend wird zwischen den Geschädigten und den in der Regel hoch spezialisierten Rechtsabteilungen der Haftpflichtversicherer nicht selten um einzelne Beträge bis in die letzte Gerichtsinstanz gestritten (BGH, a.a.O., Rn. 25). Insbesondere der Umfang der ersatzfähigen Sachverständigenkosten ist gerichtsbekannt häufig höchst umstritten (vgl. BGH, a.a.O.). Die Position Sachverständigenkosten sowie auch die Abrechnung fiktiver Reparaturkosten rechtfertigen die Annahme, es liege kein einfach gelagerter Fall vor (BGH, a.a.O.).

Nach diesen Maßgaben handelt es sich bei den hier streitgegenständlichen Fällen nicht um einfach gelagerte Fälle. Wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall liegt der Schadensberechnung hier jeweils (mit Ausnahme der Fälle Nr. 4, 5, 10, 16 und 19) eine fiktive Abrechnung zugrunde. Zudem werden in sämtlichen Fällen Sachverständigenkosten geltend gemacht. Sowohl um die Erforderlichkeit eines vom Sachverständigen ermittelten Wiederherstellungs- bzw. Wiederbeschaffungsaufwands als auch und insbesondere um die Angemessenheit der Höhe der Sachverständigenkosten wird nicht selten - auch um Kleinstbeträge - intensiv gestritten. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob die Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten an der Honorartabelle des Gesprächsergebnisses des Bundesverbandes Freiberuflicher und Selbständiger Kfz-Sachverständiger (BVSK) bzw. dem Honorartableau der hiesigen Beklagten zu messen ist.

Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt. Handelt es sich bei dem Geschädigten um ein großes Unternehmen, enthält die fiktive Abrechnung aber keinen Großkundenrabatt, wird zunehmend um die Frage gestritten, ob dem Geschädigten auf dem regionalen Markt Großkundenrabatte eingeräumt worden sind, die er ohne Weiteres auch für die Reparatur des Unfallfahrzeugs in Anspruch nehmen könnte (vgl. etwa BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, NJW 2020, 144). Auch unter diesem Gesichtspunkt konnte die Klägerin nicht zweifelsfrei davon ausgehen, dass die Beklagte ohne Weiteres ihrer Ersatzpflicht nachkommen werde. Diesen Einwand hat die Beklagte im vorliegenden Verfahren auch tatsächlich erhoben.

Der Einwand der Beklagten, ihr tatsächliches Regulierungsverhalten im hiesigen Verfahren bzw. in Parallelverfahren widerlege die Annahme, dass berechtigte Zweifel an ihrer Regulierungsbereitschaft bestanden hätten, greift nicht durch. Entscheidend ist allein, ob die Klägerin ex-ante vernünftige Zweifel daran haben durfte, dass die Beklagte ihrer Ersatzpflicht ohne Weiteres vollständig nachkommen werde. Dies ist hier - wie ausgeführt - schon im Hinblick auf die geradezu typischen Streitpunkte der Angemessenheit des fiktiv berechneten Wiederherstellungs- bzw. Wiederbeschaffungsaufwands und der Angemessenheit der Sachverständigenkosten der Fall. Im Übrigen zeigt auch der Streit über die mögliche Inanspruchnahme eines Großkundenrabatts im hiesigen Verfahren, dass die Annahme der Klägerin, eine vollständige Erfüllung der geltend gemachten Ansprüche durch die Beklagte sei nicht zweifelsfrei, zutreffend war. Soweit die Beklagte dem entgegenhält, der Einwand eines zu erlangenden Großkundenrabatts sei bei der vorgerichtlichen Abrechnung gerade nicht erhoben worden und beruhe auf prozesstaktischen Erwägungen, greift auch dies nicht durch. Die Klägerin konnte ex-ante nicht wissen, ob bzw. zu welchem Zeitpunkt die Beklagte diesen Einwand erheben würde. Unter diesen Umständen konnte sie nicht zweifelsfrei davon ausgehen, dass keine Einwendungen gegen die Schadenshöhe erhoben würden.

Es handelt sich hier nach alledem nicht um einfach gelagerte Fälle, so dass die Klägerin die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich erachten durfte. Sie musste insbesondere auch nicht erst einmal abwarten, wie die Beklagte auf die Geltendmachung des Anspruchs reagiert (BGH, Urteil vom 29.10.2019 - VI ZR 45/19, Rn. 25 a.E., NJW 2020, 144 [148].

Der Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht in Höhe von insgesamt 6.041,00 Euro und setzt sich wie folgt zusammen:

Fall 1:805,20 Euro
Fall 2:805,20 Euro
Fall 3:480,20 Euro
Fall 4:413,90 Euro
Fall 5:347,60 Euro
Fall 6:347,60 Euro
Fall 8:281,30 Euro
Fall 9:281,30 Euro
Fall 10:281,30 Euro
Fall 11:281,30 Euro
Fall 12:281,30 Euro
Fall 13:281,30 Euro
Fall 14:215,00 Euro
Fall 15:215,00 Euro
Fall 16:215,00 Euro
Fall 17:169,50 Euro
Fall 18:169,50 Euro
Fall 19:169,50 Euro

3. Die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung mit nach ihrer Auffassung bestehenden Rückzahlungsansprüchen aufgrund einer behaupteten Überzahlung auf die Reparaturkosten greift nicht durch. Die Beklagte hat den ihr obliegenden Nachweis, dass sie insoweit ohne Rechtsgrund i.S.d. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB geleistet hat, nicht erbracht. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest, dass der Klägerin ohne weiteres ein Großkundenrabatt zugänglich gewesen wäre.

Der von der Beklagten erhobene Einwand, der Klägerin sei ein Großkundenrabatt zugänglich gewesen, ist grundsätzlich auch im Rahmen einer fiktiven Schadensberechnung beachtlich. Ist wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Eigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte. Der Geschädigte ist nach diesem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Verursacht also von mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten eine den geringeren Aufwand, so ist der Geschädigte grundsätzlich auf diese beschränkt; denn nur der für diese Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Herstellung erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, Rn. 9, NJW 2020, 144). Sind dem Geschädigten von markengebundenen Fachwerkstätten auf dem allgemeinen regionalen Markt Großkundenrabatte für Fahrzeugreparaturen eingeräumt worden, die er ohne Weiteres auch für die Reparatur des Unfallfahrzeugs in Anspruch nehmen könnte, so ist dies ein Umstand, der im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung grundsätzlich zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19, Rn. 14, NJW 2020, 144 [145]).

Auch im Rahmen der konkreten Schadensberechnung ist grundsätzlich zu berücksichtigen, ob der Geschädigte ohne weiteres einen Großkundenrabatt hätte in Anspruch nehmen können. Unterlässt der Geschädigte eine ihm zumutbare Inanspruchnahme des Rabatts kommt ein Verstoß gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB in Betracht.

Der Beklagten ist aber der ihr obliegende Beweis, dass der Klägerin ein solcher Großkundenrabatt ohne weiteres zugänglich war, nicht gelungen. Der zu dieser Beweisfrage vernommene Zeuge K. hat erklärt, es gebe für die hier streitgegenständlichen Dienstfahrzeuge keine Rabattvereinbarungen mit örtlichen Fachwerkstätten für Haftungsfälle. Aus der Schilderung des Zeugen ergibt sich auch nicht, dass der Klägerin eine solche Rabattvereinbarung mit den örtlichen Werkstätten ohne weiteres möglich wäre. Der Zeuge K. hat hierzu vielmehr nachvollziehbar und plausibel erklärt, die Verhandlungsmacht der Klägerin sei insoweit erheblich eingeschränkt, als die Auswahl der Werkstatt im Schadensfall durch die jeweiligen Fahrzeugnutzer getroffen werde. Die Klägerin sei deshalb gerade nicht in der Lage, ein gewissen Aufkommen an Reparaturaufträgen für bestimmte Werkstätten in Aussicht zu stellen bzw. eine "Drohkulisse" aufzubauen. Hiermit steht nicht im Widerspruch, dass die Klägerin in Bezug auf die mit ihren Leasingverträgen angebotenen Serviceleistungen feste Stundenverrechnungssätze mit - nach der Schilderung des Zeugen - 99 Prozent der Fachwerkstätten vereinbart haben. Der Zeuge hat auch insoweit nachvollziehbar erläutert, dass den Fachwerkstätten eine solche Vereinbarung im Hinblick auf das berechtigte Anliegen der Planungssicherheit der Klägerin zu vermitteln sei. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin nur in der Lage sei, ihren Kunden Serviceleistungen als Teil des Leasingvertrages anzubieten, wenn die Preise für sie vernünftig kalkulierbar seien. Hiervon würden die Händler dadurch profitieren, dass Leasingnehmer sich zu anderen Herstellern orientieren würden, wenn die Klägerin das Produkt nicht mehr so anbieten könne, wie bisher. Demgegenüber bestehe aus den oben genannten Gründen kein Anreiz für die Werkstätten eine Rabattvereinbarung im Hinblick auf Haftungsschäden zu treffen. Auf der Grundlage der Schilderung des Zeugen K. lässt sich damit nicht feststellen, dass der Klägerin ohne weiteres ein Großkundenrabatt zugänglich war.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der Zeuge K. geschildert hat, die Klägerin habe keinen Anlass gesehen, über eine entsprechende Rabattvereinbarung zu verhandeln. Aus der Darstellung des Zeugen ergibt sich, dass die Klägerin bzw. die in der Fachabteilung tätigen Mitarbeiter keine Erfolgsaussicht für eine Verhandlung über einen Rabatt für Haftungsfälle mit den in Betracht kommenden Fachwerkstätten ohne Gegenleistung der Klägerin gesehen haben. Die Beklagte hat nicht den ihr obliegenden Beweis führen können, dass diese Einschätzung unzutreffend war.

Weitere Beweismittel hat die Beklagte nicht angeboten. Sie ist damit für ihre Behauptung, der Klägerin sei ohne weiteres ein Großkundenrabatt zugänglich gewesen, beweisfällig geblieben.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Der Streitwert war entsprechend dem geltend gemachten Interesse an der Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung mit der Höhe des Zahlungsantrags sowie der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten bestrittenen Gegenforderung festzusetzen, § 3 ZPO, §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 45 Abs. 3 GKG.

Stephan