Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 06.04.2023, Az.: 4 U 181/23

Annahmeverzug; Angebot; wörtliches Angebot; Aussetzung; Mitwirkung; notwendige Mitwirkung; Einigung; Übereignung; Übergabe; Rückgabe; tatsächliche Sachherrschaft; Besitz; offener Besitz; empfangsbereit; Besitzwechsel; öffentlicher Verkehrsraum; Verbraucherdarlehensvertrag; Widerruf; Vorleistungspflicht; Leistungsverweigerungsrecht; Verbrauchsgüterkauf

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
06.04.2023
Aktenzeichen
4 U 181/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 26488
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - AZ: 10 O 762/20

Fundstelle

  • VuR 2023, 300-303

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Bietet der Darlehensnehmer bei einem mit einem im stationären Handel geschlossenen Fahrzeugkaufvertrag verbundenen und von ihm widerrufenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag der Darlehensgeberin das gemäß § 357 Abs. 4 BGB zu übergebende Fahrzeug wörtlich unter Anerkennung seiner Vorleistungspflicht an ihrem Sitz an und fordert er sie auf, ihm den von ihr gewünschten Rückgabeort sowie eine Rückgabezeit zu nennen, so gerät die Darlehensgeberin gemäß § 293, § 295 Satz 1 2. Alt, Satz 2 BGB in den Annahmeverzug, wenn sie auf diese Aufforderung nicht reagiert.

  2. 2.

    Die für den Rückerhalt eines Fahrzeuges im Sinne des § 357 Abs. 4 BGB notwendige Verschaffung der tatsächlichen Sachherrschaft setzt eine Mitwirkungshandlung der Darlehensgeberin dergestalt voraus, dass sie dem Darlehensnehmer einen in ihrem Herrschaftsbereich oder im öffentlichen Verkehrsraum belegenen Abstellort benennt sowie eine Zeit und einen Ort angibt, zu der sich dort ein empfangsbereiter Mitarbeiter zur Erledigung der notwendigen Formalitäten (Notieren des Abstellortes, Entgegennahme der Fahrzeugpapiere und -schlüssel etc.) bereithält.

In dem Rechtsstreit
H. Y., ....,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltskanzlei M., Rechtsanwalt Y., .....,
Geschäftszeichen: ........
gegen
V. Bank GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer, ......,
Beklagter und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte G. Advokat Steuerberater Partnerschaft mbB, .....,
Geschäftszeichen: .....
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht X, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Y und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Z
am 6. April 2023 beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren wird in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO nach Anhörung beider Parteien im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 31. Januar 2022 - XI ZR 113/21, 144/21, 196/21, 215/21, 228/21, 279/21 und 304/21 - bis zur Entscheidung über das Vorlageersuchen ausgesetzt.

Gründe

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klage nicht deshalb ungeachtet der von dem Bundesgerichtshof mit der Entscheidung vom 31. Januar 2022 formulierten Vorlagefragen abweisungsreif, weil der Beklagten gegen den der Klagepartei ggf. zustehenden Anspruch auf Rückgewähr der von ihr geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen nach § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht zustünde, nachdem die Klagepartei der Beklagten kein hinreichend geeignetes wörtliches Angebot die Herausgabe des Fahrzeuges betreffend unterbreitet hätte (vgl. zum Leistungsverweigerungsrecht gem. § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB: BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19 - juris Rn. 29; Urteil vom 25. Januar 2022 - XI ZR 559/20 - juris Rn. 15 ff.; Urteil vom 22. Februar 2022 - XI ZR 155/21 - juris Rn. 13 ff.).

Zwar hat der Kläger der Beklagten das gegenständliche Fahrzeug nicht tatsächlich im Sinne der § 357 Abs. 4 S. 1, § 294 BGB an ihrem Sitz angeboten oder es an diese abgesandt. Die Beklagte ist dennoch vorliegend mit der Entgegennahme des Fahrzeuges im Annahmeverzug. Daher steht das von der Beklagten geltend gemachte Leistungsverweigerungsrecht ihrer Verurteilung nicht von vornherein entgegen. Vielmehr ist es dem Kläger gem. § 322 Abs. 2 BGB in entsprechender Anwendung grundsätzlich möglich, trotz Vorleistungspflicht auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung zu klagen.

Im Einzelnen:

Neben dem tatsächlichen Angebot vermag auch ein wörtliches Angebot unter den Voraussetzungen des § 295 BGB einen Annahmeverzug zu begründen. Danach genügt ein wörtliches Angebot des Schuldners, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat.

Insoweit kann dahinstehen, ob die Beklagte die Annahme einer ordnungsgemäß angebotenen Leistung im Sinne des § 295 Satz 1 1. Alt. BGB verweigert hat. Denn die Beklage ist jedenfalls gem. §§ 293, 295 Satz 1 2. Alt, Satz 2 BGB in den Annahmeverzug geraten, indem sie der konkreten Aufforderung des Klägers, eine für die Leistungserbringung notwendige Mitwirkungshandlung zu erbringen, nicht nachgekommen ist. Eines (weiteren) wörtlichen Angebotes zur Leistungserbringung bedarf es insofern nicht (vgl. BeckOK/Lorenz, BGB, 65. Ed. 1.2.2023, § 295 Rn. 9), indes muss der Schuldner sich mit der Aufforderung zugleich bereit erklären, die seinerseits notwendigen Leistungen oder Handlungen vorzunehmen (vgl. Staudinger/Feldmann, BGB, Stand 2019, § 295 Rn. 20).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

1.

Der Kläger hat sich zur Bewirkung der Leistung, so wie sie von ihm zu erbringen ist, bereit erklärt.

Im Falle von § 357 Abs. 4 BGB schuldet der Verbraucher die (Rück-)Übereignung des Fahrzeuges an den Unternehmer (vgl. Staudinger/Herresthal, BGB, 2021, § 358 Rn. 204 c), wobei es sich dabei - wie bereits dargestellt - um eine Bring- oder Schickschuld handelt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19 -, Rn. 24, juris). Die Übereignung wiederum setzt gem. § 929 Satz 1 BGB voraus, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt, beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll und dem Übertragenden eine Verfügungsbefugnis zusteht.

Der Kläger hat der Beklagten das Fahrzeug spätestens im Schriftsatz vom 13. Juni 2022 unter Bezugnahme auf die Schreiben vom 10. März 2022 und 25. Mai 2022 unter Anerkennung seiner Vorleistungspflicht (vgl. Seite 3 des Schriftsatzes) wörtlich an ihrem Sitz angeboten und die Beklagte aufgefordert, "den möglichen Rückgabeort und die Rückgabezeit" mitzuteilen.

Dass es dem Kläger entsprechend der Ansicht der Beklagten an der Leistungsbereitschaft mangele und er das Fahrzeug aus rein verfahrenstaktischen Gründen angeboten habe, spiegelt sich in dem seitens des Klägers formulierten Angebot nicht wider. Insoweit handelt es sich um eine Mutmaßung der Beklagten. Anders als in dem von ihr zitierten Fall des Oberlandesgerichts Stuttgart (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 22. März 2022 - 6 U 79/19 -, Rn. 37, juris) hat sich der Kläger vorliegend uneingeschränkt bereit erklärt, die geschuldete Rückgabe des Fahrzeugs vorleistend zu erbringen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten erfordert ein ordnungsgemäßes Angebot - auch unter dem Blickwinkel der Einigung gem. § 929 Satz 1 BGB - nicht, dass gleichzeitig mit dem Herausgabeangebot Wertersatz und eine Nutzungsentschädigung geleistet werden muss. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 85 mit Bezugnahme auf die Vorinstanz OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 - 5 U 1318/18 -, Rn. 12, juris; BGH, Urteil vom 02. Februar 2021 - VI ZR 449/20 -, Rn. 9, juris mit Bezugnahme auf die Vorinstanz OLG Köln, Urteil vom 19. März 2020 - 7 U 199/19 -, Rn. 3, juris), auf der erkennbar diese Ansicht der Beklagten fußt, ist zum Annahmeverzug im Rahmen einer Zug-um-Zug Verurteilung ergangen und auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar. Das Rückgabeangebot Zug-um-Zug steht unter der Bedingung der Rückzahlung, z.B. des Kaufpreises. Diese Forderung, von deren Begleichung das Angebot abhängig gemacht wird, darf nicht überhöht sein. In der vorliegenden Konstellation erfolgt die Rückgabe des Fahrzeuges indes im Rahmen einer Vorleistungspflicht und kann gerade nicht an Bedingungen geknüpft werden (dies verkennend: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 9. März 2022 - 4 U 36/21 -, Rn. 47, juris). Die Beklagte kann gem. § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB die Rückzahlung der ggf. geschuldeten Zins- und Tilgungsleistungen bis zum Rückerhalt der gelieferten Ware oder der Erbringung des Nachweises ihrer Absendung durch den Verbraucher verweigern. Allein auf den "Rückerhalt der gelieferten Ware" bezieht sich das für einen Annahmeverzug der Beklagten notwendige Angebot des Klägers. Angeboten werden muss die Rückführung der Ware an den Sitz der Beklagten, nicht hingegen die Zahlung eines Wertersatzes. Die Vorleistungspflicht des Käufers dient gerade dazu, dem Unternehmer die Bemessung seines Wertersatzanspruchs erst zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2022 - XI ZR 559/20 -, Rn. 17, juris).

In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof zuletzt noch einmal betont, dass die Vorleistungspflicht des Käufers dazu dient, dem Unternehmer die Bemessung seines Wertersatzanspruchs zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2023 - XI ZR 152/22 -, Rn. 40, juris). Wenn aber der Wertersatz erst nach dem Rückerhalt der Ware bemessen werden kann, kann dem Kläger nicht abverlangt werden, dass Fahrzeug bereits unter Anrechnung eines Wertersatzes anzubieten.

Die von der Beklagten für ihre Ansicht angeführte Rechtsprechung hat ganz überwiegend eine Zug-um-Zug Leistung zum Gegenstand.

2.

Zur Leistungserbringung des Klägers bedarf es einer Mitwirkung der Beklagten.

Ob die Mitwirkung des Gläubigers notwendig ist, ist im Wege der Auslegung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu ermitteln (vgl. MüKo/Ernst, BGB, 9. Aufl. 2022, § 295 Rn. 8; BeckOK/Lorenz, BGB, 65. Ed. 1.2.2023, § 295 Rn. 4). Die erforderliche Mitwirkung des Gläubigers kann in rein tatsächlichen Handlungen bestehen, die über die bloße Annahme hinausgehen (vgl. Beispiele in Staudinger/Feldmann, BGB, 2019, § 295 Rn. 15), aber auch darin, dass der Gläubiger rechtserhebliche Erklärungen abgeben muss (vgl. BeckOGK/Dötterl, BGB, 1.10.2022, § 295 Rn. 41).

Vorliegend bedarf es für die Eigentumsübertragung des Fahrzeuges vom Kläger auf die Beklagte einer Mitwirkungshandlung der Beklagten, die über das "bloße Zugreifen" hinausgeht. Sie muss nicht nur die Annahme des Einigungsangebotes ausdrücklich oder konkludent erklären (dazu unter a)), sondern auch für die Übergabe bedarf es einer über das "bloße Zugreifen" hinausgehenden Mitwirkung der Beklagten (dazu unter b)).

a)

Die Übereignung einer beweglichen Sache setzt zunächst voraus, dass Veräußerer und Erwerber sich darüber einig sind, dass das Eigentum der Sache vom Veräußerer auf den Erwerber übergehen soll. Bei dieser Willenseinigung handelt es sich um einen Vertrag, der naturgemäß durch Angebot und Annahme zustande kommt (vgl. BeckOGK/Klinck, BGB, 01.03.2023, § 929 Rn. 30).

Bereits an dieser Stelle erforderte die Eigentumsübertragung eine Mitwirkungshandlung der Beklagten, die über ein "bloßes Zugreifen" hinausgeht. Die Beklagte müsste ausdrücklich, jedenfalls aber konkludent zum Ausdruck bringen, dass sie das Einigungsangebot der Klagepartei, ihr das Fahrzeug zu übereignen, auch annimmt. In dem Schweigen der Beklagten auf das Leistungsangebot des Klägers kann keine Annahme des vom Kläger formulierten Einigungsangebots erblickt werden. Das Gesetz weist dem Schweigen keinen grundsätzlichen Erklärungswert dergestalt zu, dass Selbiges immer als Zustimmung zu werten sei. Es bedarf vielmehr weiterer Umstände, um dem Schweigen einen konkludenten Erklärungswert zuzuweisen. Erforderlich ist mithin eine Mitwirkung der Beklagten dergestalt, dass sie zum Ausdruck bringen muss, dass Einigungsangebot des Klägers annehmen zu wollen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1991 - V ZR 229/90 -, Rn. 18, juris). Daran fehlt es vorliegend.

b)

Auch an der für den Eigentumserwerb notwendigen Übergabe müsste die Beklagte vorliegend über ein "bloßes Zugreifen" hinaus mitwirken.

Die Übergabe bezeichnet die Verschaffung der tatsächlichen Sachherrschaft über das Fahrzeug. Insoweit erforderlich ist, dass die Klagepartei ihren Besitz vollständig aufgibt und die Beklagte den Besitz an der Sache erlangt. Dabei kann der Besitzerwerb nach § 854 Abs. 1 BGB durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erfolgen, gleichermaßen aber auch über § 854 Abs. 2 BGB durch eine Einigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers zum Besitzerwerb, solange nur der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben.

Je nachdem, welche Form des Besitzerwerbs vorliegend von den Parteien gewählt wird, bedürfte es jedoch einer konkreten Mitwirkungshandlung der Beklagten, ohne die ein Besitzwechsel nicht vollzogen werden kann.

aa)

Die Übergabe des Fahrzeuges vom Kläger an die Beklagte kann durch Verschaffung der tatsächlichen Sachherrschaft (§ 854 Abs. 1 BGB) erfolgen.

Ob nach der Verkehrsanschauung die tatsächliche Sachherrschaft des (angehenden) Besitzers begründet und damit eine rechtlich anerkannte Besitzstellung erworben wurde, ist anhand einer wertenden Betrachtung der Gesamtumstände des Einzelfalls festzustellen. Zu betrachten sind die tatsächliche Herrschaftsbeziehung, die räumliche Beziehung zu der Sache, die Erkennbarkeit der Herrschaftsbeziehung und ihre Dauer, wobei das äußere Erscheinungsbild wertend zu beurteilen ist (vgl. BeckOGK/Götz, BGB, 1.1.2023, § 854 Rn. 59). Die tatsächliche Herrschaftsbeziehung des (angehenden) Besitzers muss für einen etwaigen Betrachter erkennbar sein; gleichermaßen muss die Aufgabe der tatsächlichen Herrschaftsbeziehung durch den (scheidenden) Besitzer äußerlich erkennbar sein (vgl. BeckOGK/Götz, BGB, 1.1.2023, § 854 Rn. 69). Aus diesem Grund genügen rein symbolische Akte für eine Übergabe nicht. So kann etwa in der Übergabe des Kfz-Briefs (Zulassungsbescheinigung Teil II) oder des Fahrzeugschlüssels nicht zugleich eine Übergabe des Kfz erblickt werden (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 1978 - VIII ZR 46/77 -, Rn. 9, juris m.w.N; OLG Karlsruhe, Urteil vom 15. März 2005 - 17 U 180/04 -, Rn. 21, juris). Es bedarf der Begründung eines wirklichen, tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses über die Sache (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2015 - V ZR 8/15 -, Rn. 16, juris).

Es liegt in der Natur der gegenständlichen Sache, dass es dem Kläger verwehrt ist, der Beklagten an ihrem Sitz das Fahrzeug "in die Hand zu legen". Der Kläger müsste vielmehr das Fahrzeug für die Begründung eines wirklichen, tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses so in den Herrschaftsbereich der Beklagten einbringen, dass es als in ihrem (Allein-)Gewahrsam stehend angesehen werden kann. Weil symbolische Akte nicht ausreichen, kann dies im Rahmen von § 854 Abs. 1 BGB jedenfalls nicht dergestalt erfolgen, dass die Klagepartei das Fahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum - sei es ein öffentlicher Parkplatz oder auch ein Kundenparkplatz - abstellt und lediglich die Fahrzeugpapiere und den Schlüssel der Beklagten in die Hand gibt. Denn dadurch allein würde an dem insoweit weiterhin zulassungs- und versicherungspflichtigen Fahrzeug (§ 1 PflVG i.V.m. § 1 StVG), für das der Kläger als scheidender Besitzer zunächst weiterhin insbesondere betriebsverantwortlich i.S.d. § 31 StVZO, § 7 StVG bliebe, kein tatsächliches Herrschaftsverhältnis der Beklagten in der Weise begründet werden können, dass sich hierdurch die Aufgabe der tatsächlichen Herrschaftsbeziehung durch den Kläger als (scheidender) Besitzer manifestieren würde.

Demgegenüber könnte der Kläger das Fahrzeug für eine tatsächliche Übergabe ebenso zwar auf einen im alleinigen Herrschaftsbereich der Beklagten stehenden und nicht dem öffentlichen Verkehrsraum zuzuordnenden (Firmen-)Parkplatz abstellen, wozu jedoch wiederum zumindest eine Äußerung der Beklagten mit Angaben zu Ort und Zeit der Übergabe erfolgen sowie zumindest ein empfangsbereiter Mitarbeiter der Beklagten zur Erledigung der notwendigen Formalitäten und Übergabe der Papiere und Schlüssel benannt werden müsste. Erst hierdurch würde es dem Kläger ermöglicht werden, die tatsächliche Sachherrschaft zu übertragen und den vollständigen Besitzwechsel am Fahrzeug zu vollziehen.

In beiden Fällen erforderte die Besitzverschaffung i.S.d. § 854 Abs. 1 BGB demnach eine konkrete Mitwirkungshandlung der Beklagten, die vorliegend jedoch ausgeblieben ist.

bb)

Eine Übergabe des Fahrzeuges durch Übertragung des offenen Besitzes gem. § 854 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 1979 - VIII ZR 302/77 -, Rn. 9 ff., juris; BeckOGK/Klinck, BGB, 1.1.2022, § 929 Rn. 76) erforderte ebenfalls eine über das "Zugreifen" hinausgehende Mitwirkung der Beklagten.

Der Besitzübergang im Sinne dieser Vorschrift kann zwar allein durch eine Einigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers zum Besitzerwerb erfolgen, solange nur der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben.

Stellte der Kläger das Fahrzeug in Ermangelung eines der Beklagten zuordenbaren und außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums liegenden Parkplatzes im öffentlichen Verkehrsraum ab, so würde dies einer Besitzverschaffung nach § 854 Abs. 2 BGB zwar grundsätzlich nicht entgegenstehen. Erforderlich wäre allerdings zunächst, dass der Kläger der Beklagten hierfür zumindest Schlüssel und Papiere übergibt und ihr den konkreten Abstellort offenbart. Denn dies wäre zwingend notwendige Voraussetzung, um die Beklagte überhaupt erst in die Lage versetzen zu können, auch die tatsächliche Gewalt über das Fahrzeug auszuüben. Darüber hinaus müsste der Kläger mit der Beklagten auch eine konkrete Einigung betreffend den Besitzübergang erzielen, so dass es auch für diese Form der Übergabe eines Mehr als des "bloßen Zugreifens" der Beklagten bedürfte. Hierzu müsste die Beklagte als juristische Person zunächst einmal über eine natürliche Person die Informationen des Klägers zum Abstellort des Fahrzeuges entgegennehmen. Vor allem muss die Beklagte ausdrücklich, jedenfalls aber konkludent ihr Einverständnis damit formulieren, dass die Klagepartei ihr den offenen Besitz überträgt.

An ein konkludent formuliertes Einverständnis dürfen keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Denn regelmäßig hat der Veräußerer eines Fahrzeuges das berechtigte Interesse, dass vom Zeitpunkt des vollständigen Besitzwechsels an die Betriebsverantwortlichkeit vollständig auf den Erwerber übergeht. Selbiges gilt insbesondere für das Einstehen für die notwendige Pflichtversicherung (§ 1 PflVG) und die Kraftfahrzeugsteuer (§ 1 KraftStG). Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass der Kläger sich schon gehindert sehen dürfte, ein im öffentlichen Verkehrsraum abgestelltes Fahrzeug ohne konkrete Übernahmeverpflichtung der Beklagten abzumelden und das Nummernschild zu entfernen. Gem. § 1 StVG müssen Kraftfahrzeuge, die auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt werden, zugelassen sein, wobei die Zulassung gem. § 1 Satz 2 StVG durch die Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens erfolgt. Auch ein am Straßenrand abgestelltes Fahrzeug befindet sich im Betrieb im Sinne des § 1 StVG (vgl. BeckOGK/Walter, StVG, 1.1.2022, § 7 Rn. 94.1 m.w.N. zur Rechtsprechung).

Stellte also der Kläger das Fahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum ab, um anschließend der Beklagten den offenen Besitz zu übertragen, so müsste er es zunächst noch angemeldet halten. Damit wiese das Kennzeichen zunächst noch den Kläger als Halter aus. Deshalb wäre bei der Übertragung des offenen Besitzes zu Gunsten des Klägers zumindest zu fordern, dass die Beklagte - durch einen autorisierten Mitarbeiter - ihr Einverständnis zum konkreten Besitzübergang deutlich kommuniziert und mit dem Übertragenden eine Einigung dergestalt erzielt, dass vom Moment des vollständigen Besitzwechsels an Unterhalt und Betriebshaftung für das Fahrzeug vollständig auf die Beklagte übergehen. Bloße Mutmaßungen sind dem Kläger an dieser Stelle nicht zumutbar.

3.

Der Kläger hat die Beklagte mithin aufgefordert, die notwendige Mitwirkung zu leisten und dem Kläger mitzuteilen, wo und wann sie das Fahrzeug entgegennehmen wird.

Die Obliegenheitsverletzung der Beklagten ist entgegen ihrer Ansicht nicht darin zu erblicken, dass sie dem Kläger nicht geholfen habe, ein Leistungsangebot zu unterbreiten. Der Kläger hat sich zur Bewirkung der Leistung, so wie sie von ihm zu erbringen ist, bereit erklärt. Eine Mithilfe in diesem Zusammenhang wurde der Beklagten nicht abverlangt.

4.

Indem die Beklagte dieser Aufforderung zur Mitwirkung nicht nachgekommen ist und insoweit - trotz zwischenzeitlich erfolgter Stellungnahmen ihrerseits - weiterhin die Ansicht vertritt, der Kläger habe das Fahrzeug nicht ordnungsgemäß angeboten, ist sie in den Annahmeverzug geraten. Eines (weiteren) wörtlichen Angebotes der Klagepartei zur Leistungserbringung bedarf es deshalb nicht (vgl. BeckOK BGB/Lorenz, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 295 Rn. 9).

5.

Entgegen der von der Beklagten angeführten Ansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 11. Februar 2022 - 24 U 33/21 -, Rn. 17, juris) beschränken sich die in § 295 BGB geregelten Mitwirkungspflichten nicht auf die Abholung der Ware. Das ergibt sich zwanglos aus dem Gesetzeswortlaut, wonach es insbesondere (Hervorhebung durch den Senat) die Pflicht zur Abholung der Ware ist, die eine Mitwirkungspflicht begründen kann. Eine Ausschließlichkeit ist insoweit nicht normiert.

Auch die Ansicht des Oberlandesgerichts Koblenz, wonach es keiner Benennung eines Herausgabeorts oder eines -zeitpunkts bedarf, weil der Leistungsort der Sitz der Beklagten sei, deren Anschrift im Darlehensvertrag und in der Widerrufsinformation genannt werde (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 1. Juli 2022 - 8 U 841/21 -, Rn. 57, juris), weiß nicht zu überzeugen. Wegen der Größe eines Fahrzeuges ist es einem Kläger gerade nicht möglich, es der Beklagten an deren Sitz "in die Hand zu legen". Der Kläger muss auch nicht davon ausgehen, dass die Beklagte - eine Bank - unter ihrer im Darlehensantrag angegebenen Adresse eine Möglichkeit vorhält, Fahrzeuge so abzustellen, dass die Kläger sie anschließend abmelden können, ohne Nachteile befürchten zu müssen. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Bank und nicht um einen Fahrzeughersteller oder einen Fahrzeughändler. Deshalb kann der Kläger gerade nicht darauf verwiesen werden, dass ihm der Sitz der Beklagten bekannt sei und er dort einfach erscheinen könne. Die Beklagte räumt selbst ein, dass sie bei der einvernehmlichen Rückabwicklung regelmäßig mit der jeweiligen Partei Zeit und Ort der Rückgabe vereinbare.