Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 25.04.2023, Az.: 1 UF 13/23

Anspruch eines volljährigen Kindes gegen seine Eltern auf Auskehrung des Kindergeldes

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
25.04.2023
Aktenzeichen
1 UF 13/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 43965
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2023:0425.1UF13.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Wolfenbüttel - 27.12.2022 - AZ: 22 F 112/22

Fundstellen

  • FuR 2023, 545-546
  • NJW 2023, 3026-3028
  • NJW-Spezial 2023, 485
  • NZFam 2023, 757
  • ZAP EN-Nr. 409/2023
  • ZAP EN-Nr. 409/2023

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Besteht wegen fehlender Bedürftigkeit kein Unterhaltsanspruch eines volljährigen Kindes gegen seine Eltern, so steht diesem auch kein unterhaltsrechtlicher Anspruch auf Auskehrung des von den Eltern bezogenen Kindergeldes zu.

  2. 2.

    Die einschlägigen steuer- und sozialrechtlichen Regelungen legen es nahe, dass das Kindergeld bei fehlender Bedürftigkeit des Kindes auch familienrechtlich den Eltern zusteht, so dass keine Grundlage für einen aus § 242 BGB hergeleiteten Auskehrungsanspruch ersichtlich ist.

Tenor:

Die Beteiligten werden gemäß §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 FamFG darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden und die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wolfenbüttel vom 27.12.2022 auf seine Kosten zurückzuweisen.

Ferner ist beabsichtigt, den Beschwerdewert auf 2.828,00 € festzusetzen.

Hierzu erhalten die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Auskehrung des von der Antragsgegnerin bezogenen Kindergeldes an den Antragsteller.

Der am 14.01.2003 geborene Antragsteller ist der volljährige Sohn der Antragsgegnerin, in deren Haushalt er bis einschließlich Juni 2021 gelebt hat. Seit September 2019 absolviert er eine Ausbildung, wobei aufgrund der Höhe seiner Ausbildungsvergütung keine Unterhaltsverpflichtung der Antragsgegnerin ihm gegenüber mehr besteht. Nach seinem Auszug ist das staatliche Kindergeld in Höhe von 219,00 € monatlich weiterhin an seine Mutter geflossen. Seit August 2021 leitete sie hiervon lediglich einen Anteil von monatlich 119,00 € an ihren Sohn weiter. Monatlich 100,00 € behielt sie für sich unter Verrechnung mit den ihrer Auffassung nach vom Antragsteller geschuldeten monatlichen Ratenzahlungen für ein Motorrad.

Im September 2022 stellte der Antragsteller bei der Familienkasse einen Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes. Diesem wurde mit Bescheid vom 16.12.2022 entsprochen, durch den ihm für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2022 ein monatlicher Abzweigungsbetrag i.H.v. 100,00 € und ab Januar 2023 i.H.v. 131,00 € gewährt wurde.

Der Antragsteller bestreitet das Vorliegen einer Vereinbarung über von ihm zu leistende Ratenzahlungen für das Motorrad.

Er hat erstinstanzlich beantragt,

• die Antragsgegnerin zu verpflichten, an ihn rückständige Kindergeldzahlungen aus der Zeit von August 2021 bis Juli 2022 in Höhe von 1.200,00 € zu zahlen,

• die Antragsgegnerin zu verpflichten, bis zum Zeitpunkt der wirksamen Abzweigung des Kindergeldes an ihn ab August 2022 das Kindergeld vollständig i.H.v. zurzeit 219,00 € monatlich an ihn zu erstatten.

Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich die Zurückweisung der Anträge beantragt.

Mit Beschluss vom 27.12.2022, auf den wegen der Einzelheiten seiner Begründung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Anträge zurückgewiesen. Es hat insbesondere ausgeführt, es gebe keinen eigenständigen, von Unterhaltspflichten unabhängigen Anspruch eines volljährigen Kindes auf Auskehrung des Kindergeldes.

Gegen den seiner Verfahrensbevollmächtigten am 05.01.2023 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner am 02.02.2023 beim Amtsgericht eingegangenen und gleichzeitig begründeten Beschwerde. Er macht geltend, beim Kindergeld handele es sich grundsätzlich um Einkommen des Kindes, welches von dem bezugsberechtigten Elternteil auch dann an das Kind weiterzuleiten sei, wenn keine Unterhaltsverpflichtung bestehe. Ein entsprechender Anspruch bestehe mindestens gemäß § 242 BGB i.V.m. § 1612b BGB.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 27.12.2022 aufzuheben und seinen Anträgen stattzugeben.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Verweis auf deren Begründung sowie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen, insbesondere hinsichtlich der Verrechnung des Kindergeldes mit den nach ihrem Vortrag ihr gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten des Antragstellers.

II.

Die gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Auskehrung des von der Antragsgegnerin bezogenen Kindergeldes nach dem bisherigen Vorbringen der Beteiligten zu Recht zurückgewiesen.

Zwar geht mit der gesetzlichen Regelung in § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB, wonach das Kindergeld auf den Unterhaltsbedarf eines volljährigen Kindes vollumfänglich anzurechnen ist, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch ein Anspruch des Kindes auf Auskehrung des Kindergeldes einher (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2005 - XII ZR 34/03, juris Rn. 26; Urteil vom 17.01.2007 - XII ZR 166/04, juris Rn. 29). Das volljährige Kind kann daher neben dem Barunterhalt die Herausgabe des vollen Kindergeldes verlangen (BGH, Urteil vom 17.01.2007 - XII ZR 166/04, juris Rn. 29). Hierdurch soll einer Gefährdung des kindlichen Existenzminimums entgegengewirkt werden, indem auch bei volljährigen Kindern das Kindergeld immer erst für deren Unterhaltsbedarf zu verwenden ist (vgl. BGH, a.a.O.). Der Bundesgerichtshof hat sich jedoch nicht zu den Voraussetzungen des Auskehrungsanspruchs im Einzelnen geäußert, insbesondere nicht dazu, ob der Anspruch vollständig unabhängig von unterhaltsrechtlichen Grundsätzen besteht oder ob er eine unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit des Kindes voraussetzt.

Vorliegend muss nach dem bisherigen Vorbringen der Beteiligten, nach dem der Antragsteller aufgrund der Höhe seiner Ausbildungsvergütung unstreitig keinen Unterhaltsanspruch mehr gegen die Antragsgegnerin hat, davon ausgegangen werden, dass es an der Bedürftigkeit des Antragstellers i.S.v. § 1602 BGB fehlt. Bei dieser Ausgangslage lässt sich weder nach den Grundsätzen des Unterhaltsrechts noch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB unter Berücksichtigung des steuer- und sozialrechtlichen Regelungssystems ein Anspruch des Antragstellers auf Auskehrung des von der Antragsgegnerin bezogenen Kindergeldes herleiten.

1. Qualifiziert man den Anspruch auf Kindergeldauskehrung als in § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB besonders geregelten oder aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 1601 ff. BGB folgenden unterhaltsrechtlichen Anspruch (vgl. etwa MüKo/Langeheine, BGB, 8. Aufl. 2002, § 1612b Rn. 45; Staudinger/Klinkhammer, BGB, Neubearb. 2022, § 1612b Rn. 85; OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.01.2017 - 17 UF 193/16, juris Rn. 15), so ist er konsequenterweise ebenso wie jeder andere Unterhaltsanspruch von der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten abhängig zu machen. Der Anspruch besteht zwar nach einhelliger Auffassung aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 1612b Abs. 1 BGB unabhängig davon, ob der das Kindergeld beziehende Elternteil im Übrigen leistungsfähig zur Zahlung von Unterhalt ist oder nicht (vgl. etwa Weinreich/Klein/Eder, Familienrecht Kommentar, 6. Aufl. 2019, § 1612b Rn. 67; BeckOGK/Kiebisch, BGB, Stand 01.03.2023, § 1612b Rn. 93; Wendl/Dose/Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl. 2019, § 2 Rn. 733; Scholz, FamRZ 2007, 2021, 2027). Hieraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs des Kindes für den Auskehrungsanspruch generell keine Rolle spielt (missverständlich insoweit OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 17). Vielmehr ist danach zu differenzieren, aus welchen Gründen der Unterhaltsanspruch scheitert (vgl. Staudinger/Klinkhammer, a.a.O. § 1612b Rn. 87).

Fehlt es an einer Leistungsfähigkeit der Eltern im Hinblick auf einen über das Kindergeld hinausgehenden Barunterhalt, so steht es im Einklang mit den Grundsätzen des Unterhaltsrechts, gleichwohl einen Anspruch auf Kindergeldauskehrung zu bejahen. Denn aufgrund der Zweckbindung des Kindergeldes, welches von den Eltern zur Deckung des Unterhaltsbedarfs des Kindes zu verwenden ist, sind diese in Höhe des Kindesgeldes immer leistungsfähig (vgl. Staudinger/Klinkhammer, a.a.O. § 1612b Rn. 89; Wendl/Dose/Klinkhammer, a.a.O., § 3 Rn. 733; MüKo/Langeheine, a.a.O., § 1612b Rn. 45; BeckOGK/Diebisch, a.a.O., § 1612b Rn. 93). Bei der Weiterleitung des Kindergeldes an das Kind handelt es sich demgemäß bei ansonsten fehlender elterlicher Leistungsfähigkeit um einen Mindestbeitrag für den Unterhaltsbedarf des Kindes (vgl. Schürmann, FamRZ 2017, 710).

Anders liegt es hingegen, wenn ein Unterhaltsanspruch des Kindes - wie im hiesigen Fall - an der fehlenden Bedürftigkeit des Kindes gemäß § 1602 BGB scheitert. In diesem Fall lässt sich kein unterhaltsrechtlicher Anspruch des Kindes auf Auskehrung des von seinen Eltern bezogenen Kindergeldes begründen. Wird der Unterhaltsbedarf des Kindes bereits durch sein eigenes Einkommen vollständig gedeckt, so ist die Verwendung des Kindesgeldes für dessen Barbedarf weder möglich noch erforderlich und der Auskehrungsanspruch muss ebenso entfallen wie der Unterhaltsanspruch im Übrigen (vgl. ebenso Staudinger/Klinkhammer, a.a.O., § 1612b Rn. 89; Wendl/Dose/Klinkhammer, a.a.O., § 2 Rn. 734; MüKo/Langeheine, a.a.O., § 1612b Rn. 45; Göppinger/Rakete-Dombek/Pfeil, Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung, 11. Aufl. 2018, 4. Teil, Rn. 323; Scholz, FamRZ 2007, 2021, 2027; Schürmann, FamRZ 2017, 710, 711). Auch der vom Bundesgerichtshof genannte Zweck des Kindergeldes, einer Gefährdung des Existenzminimums entgegenzuwirken, ist in diesem Fall nicht gegeben. Angesichts dessen greift es zu kurz, den Anspruch auf Kindergeldauskehr nur davon abhängig zu machen, dass der in Anspruch genommene Elternteil das Kindergeld bezieht (so jedoch OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.01.2007 - 17 UF 193/16, juris Rn. 17; ablehnend hierzu Schürmann, FamRZ 2017, 710 f.).

2. Darüber hinaus legen es die einschlägigen steuer- und sozialrechtlichen Regelungen ebenfalls nahe, dass das Kindergeld bei fehlender Bedürftigkeit des Kindes auch familienrechtlich den Eltern zusteht, so dass keine Grundlage für einen aus § 242 BGB hergeleiteten Auskehrungsanspruch ersichtlich ist.

Steuerrechtlich dient das nach §§ 62 ff. EStG gewährte Kindergeld gemäß § 31 Satz 2 EStG der Förderung der Familie, sofern es nicht zur Steuerfreistellung des Existenzminimums des Kindes erforderlich ist (vgl. Staudinger/Klinkhammer, a.a.O. § 1612b Rn. 88). Soweit das Kindergeld der Förderung der Familie dient, ist es dazu bestimmt, die allgemeinen Lebenshaltungskosten zu mindern und stellt eine den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gleichartige Leistung an den Bezugsberechtigten dar (vgl. BFH, Beschluss vom 05.06.2014 - VI R 15/12, juris Rn. 25, 30). Kindergeldbezugsberechtigt ist grundsätzlich ein Elternteil; eine Auszahlung an das Kind selbst sieht § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG nur für den Fall vor, dass der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Nach § 74 Abs. 1 Satz 3 EStG gilt dies auch dann, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrags zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Die Abzweigung des Kindergeldes an das Kind selbst knüpft mithin grundsätzlich an das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs und eine Verletzung der elterlichen Unterhaltspflicht an. Fehlt es an einem Unterhaltsanspruch des Kindes, so ermöglicht § 74 Abs. 1 Satz 3 EStG die Abzweigung nach seinem Wortlaut nur dann, wenn die Unterhaltsverpflichtung mangels Leistungsfähigkeit des Kindergeldberechtigten nicht oder nur eingeschränkt besteht (vgl. BFH, Urteil vom 16.04.2002 - VIII R 50/01, juris Rn. 19; FG Düsseldorf, Urteil vom 07.04.2016 - 16 K 1697/15 Kg, juris Rn. 17). Zwar kommt eine analoge Anwendung des § 74 Abs. 1 EStG in Betracht, wenn Kindergeldleistungen nicht für das betroffene Kind verwendet werden, selbst wenn der Kindergeldberechtigte aus anderen Gründen nicht unterhaltsverpflichtet ist (BFH, a.a.O.). Eine solche Analogie erscheint aber nicht geboten, wenn das Kind aufgrund eines ausreichenden eigenen Einkommens nicht unterhaltsbedürftig ist (FG Düsseldorf, a.a.O., juris Rn. 20 ff.). Eigenes Einkommen des Kindes steht einer Abzweigung vielmehr nur dann nicht entgegen, wenn hierdurch sein Existenzminimum nicht gesichert ist (vgl. FG Münster, Beschluss vom 29.10.2009 - 8 V 2848/09 Kg, juris Rn. 22). Kann sich ein Kind hingegen vollständig selbst unterhalten, so fehlt es an einem schutzbedürftigen Interesse seinerseits an einer Abzweigung (vgl. ähnlich FG Düsseldorf, a.a.O., juris Rn. 21 f.).

Soweit der Bundesgerichtshof als Argument für eine vollumfängliche Anrechnung des Kindergeldes auf den Unterhaltsbedarf volljähriger Kinder ausführt, aus § 74 Abs. 1 Satz 3 EStG lasse sich entnehmen, dass die Eltern volljähriger Kinder durch das Kindergeld nur bis zum Umfang ihrer Unterhaltsleistungen entlastet werden sollten und das Kindergeld im Übrigen dem volljährigen Kind selbst zustehe (BGH, Urteil vom 26.10.2005 - XII ZR 34/03, juris Rn. 32), liegt kein Widerspruch zu der obengenannten finanzgerichtlichen Rechtsprechung vor. Denn für den Fall des Fehlens einer unterhaltsrechtlichen Bedürftigkeit aufgrund eines eigenen bedarfsdeckenden Einkommens des volljährigen Kindes hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung keine Aussage getroffen.

Hinzu kommt, dass das Kindergeld auch sozialrechtlich grundsätzlich dem Einkommen des kindergeldberechtigten Elternteils zuzuordnen ist. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II und § 82 Abs. 1 Satz 4 SGB XII ist es nur insoweit dem zu einer Bedarfsgemeinschaft gehörenden Kind als Einkommen zuzurechnen, wie es von diesem zur Sicherung seines Lebensunterhalts benötigt wird. Im Übrigen wird es als Einkommen der Eltern behandelt (vgl. Staudinger/Klinkhammer, a.a.O., § 1612b Rn. 88; Scholz; FamRZ 2007, 2021, 2027). Auch das Kindergeld für volljährige Kinder, die außerhalb der Bedarfsgemeinschaft in einem eigenen Haushalt leben, ist grundsätzlich bei dem jeweiligen kindergeldberechtigten Elternteil als Einkommen zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 9/09 R, juris Rn. 16). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Kindergeld entweder nach § 74 Abs. 1 EStG an das außerhalb des elterlichen Haushalts lebende volljährige Kind abgezweigt wird oder wenn es von dem Bezugsberechtigten tatsächlich innerhalb eines Monats nach Auszahlung an dieses weitergeleitet wird. Nur dann kann angenommen werden, dass das Kindergeld dem Elternteil nicht zur Verfügung steht, sondern in Erfüllung einer möglichen Unterhaltspflicht zur Deckung des Bedarfs des Kindes verwendet wird (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 23/06 R, juris Rn. 17 f.).

Vor dem Hintergrund dieses steuer- und sozialrechtlichen Regelungssystems kommt es für die Fälle, in denen ein unterhaltsrechtlicher Auskehrungsanspruch mangels Bedürftigkeit des Kindes scheitert, nicht in Betracht, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB einen generellen Anspruch auf Auskehrung des Kindergeldes an ein volljähriges Kind mit eigenem Haushalt herzuleiten. Denn da das Kindergeld nach der steuer- und sozialrechtlichen Grundwertung dem Einkommen des Bezugsberechtigten zuzuordnen ist, wenn es nicht zur Sicherung des Existenzminimums des Kindes benötigt wird, machen es dessen schutzwürdige Interessen nicht erforderlich, ihm einen bedarfsunabhängigen Anspruch auf Kindergeldauskehrung zuzusprechen.

Nach alledem fehlt es vorliegend an einer Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Antragstellers auf Auskehrung des von der Antragsgegnerin bezogenen Kindergeldes, so dass dahinstehen kann, ob die von ihr vorgenommene Verrechnung mit nicht geleisteten Ratenzahlungen des Antragstellers für das Motorrad rechtlich zulässig war.

Hinsichtlich des Zeitraums seit Oktober 2022, für den in Höhe des von der Antragsgegnerin einbehaltenen Kindergeldanteils eine Abzweigung zu Gunsten des Antragstellers erfolgt ist, dürfte das Anliegen des Antragstellers zudem erledigt sein - zumindest wenn die Antragsgegnerin den nicht abgezweigten Anteil des Kindergeldes weiterhin freiwillig an den Antragsteller auskehrt. Nach alledem mag der Antragsteller innerhalb der oben genannten Drei-Wochen-Frist eine etwaige Anpassung seiner Anträge prüfen und außerdem überlegen, ob eine Rücknahme der Beschwerde in Betracht kommt.

III.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur persönlichen Anhörung vor dem Senat erscheint nicht erforderlich, da hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind, zumal die Entscheidung nach den obigen Ausführungen von einer reinen Rechtsfrage abhängig ist. Darauf sind die Beteiligten gemäß §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 FamFG hinzuweisen.

Die beabsichtigte Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 40, 51 Abs. 1 und 2 FamGKG. Für den Zeitraum von August 2021 bis Juli 2022 wird ein Rückstand i.H.v. 1.200,00 € begehrt. Hinsichtlich des laufenden Auskehrungsanspruchs für den Zeitraum nach Antragseingang, mithin ab August 2022, hat der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung auf seinen erstinstanzlichen Antrag auf Auskehrung des vollen Kindergeldes i.H.v. zurzeit 219,00 € bis zum Wirksamwerden einer Abzweigung Bezug genommen. Erstinstanzlich ist das Amtsgericht aufgrunddessen für das laufende Kindergeld zutreffend von einem Jahreswert i.H.v. 2.628,00 € (12 x 219,00 €) ausgegangen, da der Abzweigungsantrag noch nicht beschieden war. In der Beschwerdeinstanz hat der Antragsteller jedoch mitgeteilt, dass für ihn von Oktober bis Dezember 2022 monatlich 100,00 € des Kindergeldes abgezweigt wurden und ab Januar 2023 - aufgrund der Kindergelderhöhung auf 250,00 € - monatlich 131,00 €. Soweit eine Abzweigung erfolgt ist, entfällt die Beschwer des Antragstellers. Damit reduziert sich der Beschwerdewert für den Zeitraum ab Oktober 2022 auf den nicht von der Abzweigung umfassten Anteil des Kindergeldes, mithin auf monatlich 119,00 €. Es errechnet sich ein Jahreswert von 1.628,00 € (2 x 219,00 € + 10 x 119,00 €), so dass sich ein Gesamtbeschwerdewert von 2.828,00 € ergibt.

Der Senat erwägt, gemäß § 70 Abs. 2 FamFG die Rechtsbeschwerde zuzulassen.