Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 04.11.2015, Az.: 1 B 1749/15
Dublin; Dublin III; Dublin III VO; Dublin III Verordnung; PTBS; Retraumatisierung; systemische Mängel; Ungarn
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 04.11.2015
- Aktenzeichen
- 1 B 1749/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 31968
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2015:1104.1B1749.15.0A
Rechtsgrundlagen
- VII VwGO 80
- AsylG 34a
Fundstelle
- NdsVBl 2016, 7
Entscheidungsgründe
Der Antragsteller begehrt mit seinem Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage im Hauptsachverfahren 1 A 529/15 gegen Ziffer 2 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 23. Februar 2015.
Der statthafte und zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache jederzeit, d.h. ohne Bindung an Fristen, von Amts wegen oder - wie hier - gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO auf Antrag eines Beteiligten einen Beschluss über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ändern oder aufheben. Das Verfahren trägt dem Umstand Rechnung, dass Veränderungen während des Hauptsacheverfahrens eintreten, auf die trotz Rechtskraft des Beschlusses zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes reagiert werden muss. Es dient nicht in der Art eines Rechtsmittelverfahrens der Überprüfung, ob die vorangegangene Entscheidung formell und materiell richtig ist. Maßgeblich ist somit eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- und Rechtslage. Prüfungsmaßstab für die Entscheidung ist allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage geboten ist. Soweit ein Beteiligter den Antrag stellt, kann der Antrag nur damit begründet werden, dass sich entscheidungserhebliche Umstände, auf denen die ursprüngliche Entscheidung beruhte, geändert haben oder im ursprünglichen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnten (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO). Prozessrechtliche Voraussetzung für die Ausübung der dem Gericht der Hauptsache eröffneten Abänderungsbefugnis ist somit eine Änderung der maßgeblichen Umstände, auf die die frühere Entscheidung gestützt war. Liegt eine solche Änderung nicht vor, ist dem Gericht eine Entscheidung in der Sache verwehrt, weil sie auf eine unzulässige Rechtsmittelentscheidung hinausliefe (BVerwG, Beschluss vom 25. August 2008 - 2 VR 1.08 -, ).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind vorliegend keine Veränderungen der für die Entscheidung maßgebenden Sach- oder Rechtslage ersichtlich, die eine andere Entscheidung rechtfertigen würden. Es steht immer noch fest, dass die Abschiebung des Antragstellers i.S. des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG durchgeführt werden kann.
Den vorgelegten Stellungnahmen des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. C., vom 17. September 2015 und vom 15. Oktober 2015 kann ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis nicht entnommen werden. Der Antragsteller ist insbesondere nicht reiseunfähig in Bezug auf Ungarn wegen der Gefahr einer Retraumatisierung bei einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).
Reiseunfähigkeit setzt voraus, dass die konkrete Gefahr besteht, der Gesundheitszustand des Ausländers werde sich durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern, und dass diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch den Transport als solchen wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmalig entstehen würde (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch dann, wenn sich durch die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorganges und unabhängig vom Zielstaat - der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne) (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 29.3.2011 - 8 LB 121/08 m.w.N.).
Zur Substantiierung eines Vorbringens einer Erkrankung an PTBS ist angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests notwendig. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben (BVerwG, Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 17.07 -, ).
Die vorgelegten Stellungnahmen genügen diesen Anforderungen nur unzureichend. Insbesondere wird die bestehende Reiseunfähigkeit des Antragstellers in Bezug auf Ungarn nicht nachvollziehbar dargelegt wird. Es mangelt an belastbaren Angaben darüber, auf welche traumatisierenden Erlebnisse des Antragstellers die Diagnose der PTBS konkret gestützt wird. Sofern pauschal auf Ereignisse des Bürgerkrieges in der Elfenbeinküste Bezug genommen wird, lässt sich der Zusammenhang zu einer drohenden Retraumatisierung des Antragstellers bei einer Überstellung nach Ungarn nicht herstellen. Soweit bei dem Antragsteller eine "latente Suizidalität" beschrieben wird, die sich bei einer Retraumatisierung verstärken soll, wird nicht erläutert, wieso gerade die Überstellung nach Ungarn verstärkend wirken soll. Im Übrigen wird bestätigt, dass die medikamentöse Behandlung des Antragstellers zu einer leichten Stabilisierung geführt hat.
Es ist davon auszugehen, dass der Antragsteller in Ungarn wegen psychischer Leiden weiter behandelt werden kann. Asylsuchende, anerkannte Flüchtlinge und unter subsidiären Schutz Stehende genießen in Ungarn freie Gesundheitsfürsorge, Rehabilitation, psychologische Behandlung und Psychotherapie und zwar im gleichen Maße wir ungarische Staatsangehörige, soweit der Bedarf von einem Mediziner festgestellt wird (dazu Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Düsseldorf zum Az. 13 K 501/14.A vom 19.11.2014, Gz. 508-9-516.80/48135, Antwort zu den Fragen 7 und 8). In den offenen und geschlossenen Aufnahmeeinrichtungen wird die ärztliche Grundversorgung durch Ärzte und Medikamente sichergestellt. Die Regelungen beinhalten auch, dass in schwerwiegenden Fällen, in denen die Behandlung vor Ort nicht ausreichend ist, eine Zuweisung in die Allgemein- oder Spezialeinrichtungen des ungarischen Gesundheitssystems durch den behandelnden Arzt erfolgen kann, wenn er dies aus medizinischen Gründen für notwendig erachtet. Die Kosten der Behandlung tragen in diesen Fällen der ungarische Staat bzw. seine Gesundheitseinrichtungen. In einigen Aufnahmeeinrichtungen wird zudem psychologische Betreuung durch Spezialisten und Psychologen der Cordelia Stiftung (vgl. www.cordelia.hu) gewährt. Wenn der Mitgliedsstaat Ungarn vorab unterrichtet wird, dass der Zurückzuführende behandlungsbedürftig oder selbstmordgefährdet ist bzw. damit gedroht hat, unterrichtet die Dublin-Koordinationseinheit die Behörden, die den Zurückzuführenden übernehmen, so dass entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, dass der Zurückzuführende ärztlicherseits in Empfang genommen wird und auch in Folge die nötige Behandlung und Aufsicht erfährt (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 19.11.2014, a.a.O.).
Das Gericht vermag auch angesichts der neuesten politischen Entwicklungen nicht zu erkennen, dass dem Antragsteller bei seiner Abschiebung nach Ungarn im Asylverfahren systematisch eine Verletzung der in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantierten Rechte drohen würde. Dabei besteht - wie bereits im Beschluss des Gerichts vom 17. Juli 2015 (1 B 1060/15) ausgeführt - im europäischen Asylsystem die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Eine Widerlegung der Vermutung ist wegen der gewichtigen Zwecke des gemeinsamen europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder jeder Richtlinienverstoß genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass ein Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Bei der Bewertung der in Ungarn anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind dabei diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation der Antragsteller zutreffen. Maßgeblich ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Antragstellers auswirken können. Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehren zu betrachten, die - wie der Antragsteller - vor ihrer Ausreise aus Ungarn dort bereits einen ersten Asylantrag gestellt haben, über den materiell noch nicht entschieden worden ist (zum Ganzen vgl. VG Dresden, Beschluss vom 9.9.2015 - 2 L 719/15.A -, m.w.N.).
Hier ist das Gericht auch bei Berücksichtigung der aktuellen Berichterstattung und Erkenntnismittel zur Lage der Flüchtlinge in Ungarn, spezielle der "Dublin-Rückkehrer", nicht zu der für die Widerlegung der Vermutung erforderlichen Überzeugungsgewissheit gelangt.
Soweit in Ungarn am 1. August 2015 ein Gesetz in Kraft getreten ist, welches die Rechte von Asylsuchenden (nochmals) einschränkt, führt dieser Umstand nicht zu einer systematisch drohenden Verletzung der Rechte des Antragstellers. Auch angesichts dieser Verschärfungen sind Empfehlungen des UNHCR, die einen Überstellungsstopp nach Ungarn fordern, nicht bekannt. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (so auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 11.5.2015 - 22 L 1329/15.A -, ). Derzeit beobachtet der UNHCR die Situation in Ungarn zwar kritisch, geht aber offenbar nicht davon aus, dass die neuen gesetzlichen Regelungen als solche einen Verstoß gegen internationales und europäisches Recht darstellen. Denn dort wird lediglich dazu aufgerufen, die Umsetzung des neuen Rechtsregimes und die Abschiebung nicht schutzbedürftiger Personen in Einklang mit den internationalen und europäischen Vorgaben sicherzustellen (s. Statement by Vincent Cochetel, UNHCR's Regional Refugee Coordinator for the Refugee Crisis in Europe vom 8.9.2015 - http://www.unhcr.org/55ef16616.html). Hingegen wird - anders als in der Vergangenheit etwa bei Bulgarien (UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria vom 2.1.2014 - http://www.refworld.org/docid/52c598354.html) - nicht von einer Überstellung von Flüchtlingen nach Ungarn abgeraten.
Die Einzelfallschilderungen im neuesten Bericht von Amnesty International aus Oktober 2015 "Fenced Out - Hungary's violations of the rights of refugees and migrants" (https://www.amnesty.org/en/documents/eur27/2614/2015/en/) lassen nicht den Schluss darauf zu, dass systemische Mängel des ungarischen Asyl- und Aufnahmesystems vorliegen. Soweit dort die Anwendung von Zwang geschildert wird, stand dieser regelmäßig im Zusammenhang mit einer Weigerung der Betroffenen, sich in Ungarn als schutzsuchend registrieren zu lassen.
Die materielle Verschärfung des Asylrechts insbesondere dergestalt, dass Asylanträge abgelehnt werden dürfen, wenn Asylsuchende über sichere Transitstaaten (Serbien) eingereist sind, führt nicht per se zum Vorliegen systemischer Mängel. Auch das deutsche Asylrecht kennt derartige einschränkende Bestimmungen, vgl. § 26a AsylG (VG Augsburg, Urteil vom 3.8.2015 - Au 5 K 15.50347 -, ). Dass dem Antragsteller, der eigenen Angaben zu Folge über Serbien nach Ungarn eingereist ist, als Dublin-Rückkehrer konkret eine Überstellung nach Serbien drohen würde, kann den aktuellen Berichten nicht entnommen werden. Im neuesten Bericht von Amnesty International aus Oktober (a.a.O.) wird beschrieben, wie aus Serbien kommende Flüchtlinge in sogenannten "Transit-Zonen" am Überschreiten der ungarischen Staatsgrenze gehindert werden. Diese Situation betrifft den Antragsteller als Dublin-Rückkehrer nicht. Seine Überstellung in einen Staat, dessen Asyl- und Aufnahmesystem möglicherweise nicht den europäischen Mindeststandards genügt (dazu UNHCR, Serbia as a country of asylum, August 2012 - http://www.refworld.org/docid/50471f7e2.html), ist nicht hinreichend wahrscheinlich. Eine theoretische Möglichkeit begründet jedoch keinen systemischen Mangel des ungarischen Asyl- und Aufnahmesystems in Bezug auf Dublin-Rückkehrer. Hinzu kommt, dass das Asyl- und Aufnahmesystem in Serbien sich in der Zeit seit 2012 entscheidend verbessert hat. Dem aktuellen Bericht von Amnesty International über die Lage in Serbien (Europe's Borderlands: Violations against refugees and migrants in Macedonia, Serbia and Hungary vom 6. Juli 2015, - https://www.amnesty.org/en/documents/eur70/1579/2015/en/) lässt sich entnehmen, dass es dort in der jüngeren und jüngsten Vergangenheit zu deutlichen Verbesserungen gekommen ist. Problematisch ist immer noch, dass die Bearbeitung von Antragsverfahren viel Zeit in Anspruch nimmt. Allerdings ist die langsame Asylbürokratie maßgeblich darauf zurückzuführen, dass Serbien bislang fast ausschließlich ein Transitland für Flüchtlinge auf dem Weg nach Westeuropa ist (vgl. S. 37). Asylbewerber werden dort in Aufnahmezentren untergebracht; Asylanträge werden - wenn auch teilweise langsam - bearbeitet und inhaltlich geprüft. Flüchtlinge, die über Mazedonien eingereist sind, können in Serbien offenbar einen Schutzstatus erhalten und werden nicht automatisch weiter geschoben (vgl. grauer Kasten auf S. 41).
Systemische Mängel des ungarischen Asylsystems ergeben sich ferner nicht aus den aktuellen Presseberichten, auch nicht aus dem Bericht auf Spiegel Online vom 3. Oktober 2015 (http://www.spiegel.de/politik/ausland/ungarn-urteilt-fluechtlinge-im-schnellverfahren-ab-a-1055892.html). Sofern dort über den Bau eines Grenzzaunes zu Serbien und die Schließung des Aufnahmelagers in Röszke berichtet wird, betrifft dies die Situation des Antragstellers als Dublin-Rückkehrer nicht. Insofern kommt auch der Kritik des UNHCR an dem Grenzzaun (dazu http://www.unhcr.org/559641846.html vom 3. Juli 2015) für den vorliegenden Fall keine maßgebliche Bedeutung zu. Auch der schnellen und grenznahen gerichtlichen Bearbeitung von Verfahren im Zusammenhang mit illegalen Grenzübertritten lässt sich nicht entnehmen, dass das Ungarische Asylsystem systemische Mängel aufweist.
Daraus, dass der Österreichische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. September 2015 (Aktenzeichen Ra 2015/18/0113 bis 0120, abrufbar unter https://www.vwgh.gv.at/medien/ra_2015180113.pdf?529d19) die Überstellung einer alleinerziehenden Mutter mit mehreren minderjährigen Kindern vorläufig angehalten hat, ergibt sich ebenfalls keine Vermutung von systemischen Mängeln im ungarischen Asyl- und Aufnahmesystem. Der Begründung des Beschlusses des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs ist zu entnehmen, dass die Überstellung zum einen angesichts der besonders vulnerablen Lage der Betroffenen und zum anderen aufgrund von Begründungsmängeln der Vorinstanz angehalten wurde. Diese hatte nicht anhand aktueller Berichte die Frage klärt, ob systemische Mängel im ungarischen Asyl- und Aufnahmesystem vorliegen. Über die Frage, "ob die aktuelle Lage in Ungarn einer Rücküberstellung von asylwerbenden Parteien im Allgemeinen entgegensteht", hat der Österreichische Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich nicht entschieden.
Ein systemischer Mangel ergibt sich schließlich nicht daraus, dass das ungarische Asyl- und Aufnahmesystem wegen dauerhafter Überlastung keine freien Kapazitäten mehr aufweist. Vielmehr achtet Ungarn bei der Durchführung von Dublin-Überstellungen darauf, dass tatsächlich Kapazitäten vorhanden sind. Dies ist aus zahlreichen hier anhängigen Gerichtsverfahren bekannt. Auch die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Magdeburg vom 28. September 2015 (Gz. 508-9-516.80/48518) konnte eine Erschöpfung der ungarischen Aufnahmekapazitäten für Dublin-Rückkehrer nicht bestätigen. Vielmehr waren die bestehenden Aufnahmeeinrichtungen zum Zeitpunkt der Stellungnahme nicht voll belegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO; 83b AsylG.