Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 14.12.2015, Az.: 3 A 3025/13

alternative Versorgung; Beihilfe; Cochlea Implantat; einseitige Taubheit; Hochleistungshörgeräte; Körperersatzstück; Sachverständigengutachten

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
14.12.2015
Aktenzeichen
3 A 3025/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 37285
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2015:1214.3A3025.13.0A

Fundstelle

  • NdsVBl 2016, 8

Tatbestand

Der Kläger begehrt Beihilfe für ein Cochlea-Implantat für seine am F. 1950 geborene Ehefrau.

Die Ehefrau des im Dienst des Landes Niedersachsen stehenden Klägers ist mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt. Sie ist Diabetikerin und leidet seit einem am 18. Dezember 2012 erfolgten Hörsturz an einer rechtsseitigen Taubheit. Die Hörschwelle rechts beträgt pantonal 100 dB. Das rechte Hörvermögen konnte trotz Therapie nicht wiederhergestellt werden. Das rechte Innenohr ist normkonfiguriert. Zusätzlich leidet die Ehefrau des Klägers an einem Tinnitus im hörgeschädigten rechten Ohr. Linksseitig besteht eine leichte Hochtonschwerhörigkeit bis max. 50 bd bei 8 kHz. Im Übrigen ist sie bei einem Einsilberverstehen von 95 bei 60 dB linksseitig praktisch altersgerecht normalhörig.

Am 23. März 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten Beihilfeleistungen für die Anschaffung eines Cochlea-Implantats für seine Ehefrau und legte dem Antrag ein Schreiben vom 22. Februar 2013 der Medizinischen Hochschule G. (Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde) bei, in dem es unter der Überschrift "Therapieempfehlung" heißt:

"Nach Würdigung aller Befunde empfehlen wir die Versorgung der rechten Seite mit einem Cochlea-Implantat."

Auf Grundlage dieses Schreibens holte die Beklagte eine Stellungnahme vom Niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie ein. Mit Stellungnahme vom 8. Mai 2013 riet der zuständige Arzt des Landesamtes, Herr H., von der Kostenübernahme für das Implantat ab. Zur Begründung führte er u.a. an:

"Handelt es sich um Patienten in höherem Lebensalter, und ist die Schwerhörigkeit einseitig, ist der Nutzen einer derartigen Operation gering. Man hört immer so gut, wie man auf dem besseren Ohr hört. Das Gehirn hat sich im Laufe der Jahrzehnte fest an die bekannten Höreindrücke gewöhnt. Die neuralen Strukturen können die Impulse des Cochlear-Systems nicht mehr in verwertbare Informationen umsetzen. Die Patienten verspüren nach der Operation auf der operierten Seite Geräusche, entwickeln aber kein verbessertes Sprachverständnis. Dies gilt besonders dann, wenn dem Hörzentrum gleichzeitig "normale" Höreindrücke geboten werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit würden die "normalen" Höreindrücke bei Frau A. die Impulse eines CI (Cochlea-Implantat) überlagern. (...) Die Maßnahme ist medizinisch nicht zwingend erforderlich. Eine Kostenübernahme wird nicht empfohlen."

Mit Bescheid vom 16. Mai 2013 lehnte die Beklagte daraufhin die beihilferechtliche Berücksichtigung der Aufwendungen für die Implantation eines Cochlea-Implantats unter Hinweis auf die Stellungnahme des Landesamtes ab, weil sie medizinisch nicht zwingend erforderlich sei.

Hiergegen legte der Kläger unter dem 29. Mai 2013 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er an, dass bei seiner Frau eine 100-prozentige Ertaubung des rechten Ohres vorliege. Daraus resultiere eine 50-prozentige Behinderung, die sie beruflich stark einschränke, da sie nicht räumlich hören könne. Durch die Implantation des Cochlea-Implantats könne die Erwerbsfähigkeit seiner Ehefrau wiederhergestellt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2013 wies die Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf das Ergebnis der eingeholten Stellungnahme vom 8. Mai 2013 zurück und führte ergänzend aus, dass ein Cochlea-Implantat weder bei den beihilfefähigen Hilfsmitteln in Anlage 7 noch bei den nicht beihilfefähigen Hilfsmitteln in der Anlage 8 zu § 20 Abs. 1 Satz 4 NBhVO vorgesehen sei. In diesen Fällen seien Aufwendungen nur beihilfefähig, wenn das Hilfsmittel mit einem der in Anlage 7 genannten Hilfsmittel vergleichbar sei und die dort genannten Voraussetzungen vorlägen oder die Beihilfefähigkeit aus Gründen der Fürsorgepflicht geboten erscheine. Das Cochlea-Implantat sei jedoch mit keinem der in Anlage 7 aufgeführten Hilfsmittel vergleichbar. Auch aus Gründen der Fürsorgepflicht sei die Aufwendung nicht erstattungsfähig, da der Gutachter des Landesamtes keine medizinische Notwendigkeit gesehen habe.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2013 bestätigte die private Krankenversicherung der Ehefrau des Klägers die Übernahme der Kosten für die stationäre Behandlung zur Versorgung mit einem Cochlea-Implantat.

Mit einem am 14. August 2013 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er ist der Auffassung er könne eine beihilferechtliche Förderung des Cochlea-Implantas verlangen. Das Hörvermögen seiner Frau könne nur über die Versorgung mit einem Implantat wiederhergestellt werden. Alternativen zu dieser Methode seien nicht gegeben. Die Ausführungen in der Stellungnahme vom 8. Mai 2013 seien medizinisch nicht tragbar. Zudem steigere sich die Gefahr eines Hörsturzes des bisweilen nicht betroffenen linken Ohres, da seine Ehefrau als Diabetespatientin grundsätzlich ein erhöhtes Risiko hierfür trage.

Zur Unterstützung seines Vorbringens verweist er auf Schreiben der Medizinischen Hochschule G. (Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde) vom 22. Februar 2013 und 19. Oktober 2013, jeweils ausgestellt von Prof. Prof. h.c. Dr. med. I. (Direktor) und Prof. Dr. med. A. J. (Oberärztin). Der Kläger legt zusätzlich ein Schreiben der Medizinischen Hochschule G. (Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde) vom 8. Juli 2014, eine "Ärztliche Bescheinigung zur Vorlage bei der Beihilfe für Frau A., K." der L. Klinken (Klinikum A-Stadt, Hals-Nasen-Ohren-Klinik) vom 14. Januar 2014 sowie ein Schreiben der L. Klinken (Klinikum A-Stadt, Hals-Nasen-Ohren-Klinik) vom 24. April 2014, jeweils ausgestellt von Prof. Dr. med. M., vor.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, die Anschaffung eines Cochlea-Implantats als beihilfefähig zugunsten seiner Ehefrau anzuerkennen, Beihilfe in gesetzlicher Höhe zu gewähren und den Bescheid vom 16. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt im Wesentlichen Bezug auf die Stellungnahmen des Landesamtes vom 8. Mai 2013, 24. April 2014 sowie 20. Mai 2014. Weder die medizinische Notwendigkeit, noch die Angemessenheit der Maßnahme seien bislang ausdrücklich bestätigt. Zudem fehle es an einer ärztlichen Verordnung. Sowohl die Medizinische Hochschule G. als auch die L. Kliniken hätten mit den Schreiben vom 22. März 2013 bzw. 14. Januar 2014 lediglich Empfehlungen für die Implantation eines Cochlea-Implantats gegeben, nicht jedoch ausdrücklich festgestellt, dass ausschließlich eine Versorgung mit einem solchen Implantat medizinisch indiziert sei. Die vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen vermögen die Zweifel nicht auszuräumen. Des Weiteren habe eine Kostenübernahmebestätigung für tarifliche Leistungen seitens der privaten Krankenkasse keine Auswirkungen auf die Entscheidung über die Beihilfefähigkeit. Soweit das Cochlea-Implantat auch zum Zwecke der Behandlung des Tinnitus empfohlen werde, sei nicht mit einer wesentlichen Verbesserung zu rechnen. Diesbezüglich beziehe sie sich auf die Stellungnahme des H. vom 20. Mai 2014.

Am 15. Dezember 2014 hat eine mündliche Verhandlung in dieser Sache stattgefunden. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15. Dezember 2014 Bezug genommen.

Das Gericht hat mit Beweisbeschluss vom 28. April 2015 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben.

Wegen der Einzelheiten des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das HNO-fachärztliche Gutachten des LOA Priv.-Doz. Dr. med. C., Universitätsklinikum N. (O.), Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde vom 1. September 2015 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben durch Schriftsätze vom 15. Oktober 2015 (Kläger) und durch Schriftsatz vom 30. Oktober 2015 (Beklagte) zu dem Gutachten vom 1. September 2015 Stellung genommen und gleichzeitig auf die weitere Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entschieden wird, hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO). Dem Kläger steht ein Anspruch darauf, die Anschaffung eines Cochlea-Implantats als beihilfefähig zugunsten seiner Ehefrau anzuerkennen und ihm hierfür Beihilfe in gesetzlicher Höhe zu gewähren, nicht zu.

Rechtsgrundlage für eine Erstattung von Aufwendungen im Rahmen der Beihilfe ist § 80 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 NBG i.V.m. § 20 Abs. 1 NBhVO. Danach erhalten berücksichtigungsfähige Ehegatten von Beihilfeberechtigten, Beihilfe für die nachgewiesenen und angemessenen Aufwendungen für medizinisch notwendige Aufwendungen zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit, soweit der Gesamtbetrag ihrer Einkünfte im zweiten Kalenderjahr vor Stellung des Beihilfeantrags 18.000 € nicht überstiegen hat. Hinsichtlich der Beihilfefähigkeit von Hilfsmitteln bestimmt § 20 Abs. 1 Satz 1 NBhVO, dass die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung der in Anlage 7 genannten Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle sowie Körperersatzstücke unter den in Anlage 7 genannten Voraussetzungen beihilfefähig sind, wenn die Anschaffung ärztlich verordnet und erforderlich ist, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Dies gilt nicht für die in Anlage 8 zu § 20 Abs. 1 NBhVO genannten Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle. Liegen die genannten Voraussetzungen vor, besteht auf die Gewährung von Beihilfe ein Rechtsanspruch.

Der dem Grunde nach mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigten Ehefrau des Klägers steht nach diesen Bestimmungen kein Beihilfeanspruch für das Cochlea-Implantat zu. Denn es ist hier bereits nicht nachgewiesen, dass diese Versorgungsmethode medizinisch notwendig ist, um die Gesundheit der Ehefrau des Klägers wiederherzustellen bzw. den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern.

Die vom Kläger begehrte Versorgung seiner Ehefrau mit einem Cochlea-Implantat dient zweifellos dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, weil ein Cochlea-Implantat ein Körperersatzstück im Sinne von § 20 Abs. 1 i.V.m. Anlage 7 NBhVO darstellt (vgl. SG Aachen, Urteil vom 15.02.2010 - S 15 (21) KR 12/07 - zitiert nach ) und unmittelbar auf die mindestens teilweise Wiederherstellung des körpereigenen Hörvermögens und nicht lediglich auf den Ausgleich mittelbarer Behinderungsfolgen ausgerichtet ist. Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Ziel der Versorgung ist die Angleichung an das Hörvermögen hörgesunder Menschen; solange dieser Ausgleich im Sinne eines Gleichziehens mit deren Hörvermögen nicht vollständig erreicht ist, kann eine höherwertige Versorgung nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass nur für die Aufrechterhaltung eines - wie auch immer zu bestimmenden - Basishörvermögens aufzukommen sei (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R -; SG Aachen, Urteil vom 18.02.2010 - S 15 (21) KR 12/07 - zitiert nach ). Begrenzt wird der so umrissene Anspruch lediglich durch das, was medizinisch für notwendig und im wirtschaftlichen Sinne für angemessenen gehalten wird. Demzufolge verpflichtet § 80 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 NBG i.V.m. § 20 Abs. 1 NBhVO nicht dazu, dem Beihilfeberechtigten jede gewünschte, von ihm für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen, sondern nur diejenigen Aufwendungen, die im konkreten Fall medizinisch geboten erscheinen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche für kostenintensive Hilfsmittel, wenn eine Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls mit einer kostengünstigeren Alternative erreicht wird.

In Anwendung dieser Kriterien bestehen nach Überzeugung der Kammer Versorgungsalternativen für den angestrebten Ausgleich der Behinderung der Ehefrau des Klägers.

Voranzustellen ist, dass in der Wissenschaft Übereinstimmung darüber besteht, dass die Versorgung mit einem bzw. zwei Cochlea-Implantaten bei beidseitig hörgeschädigten Patienten nach dem heutigen Stand der Medizin zu den standardisierten Verfahren gehört. Demgegenüber ist die Versorgung von Patienten mit - wie hier - einseitiger Taubheit eine noch relativ junge Behandlungsmethode (Deutsches Ärzteblatt 2013, Vol. 110, abrufbar unter: http://www.aerzteblatt.de/archiv/136885/Cochlea-Implantate-Wenn-Hoergeraete-nicht-mehr-helfen, m.w.N; ebenso HNO 5, 20111, S. 437 (439). Dass die Versorgung der Ehefrau des Klägers mit einem Cochlea-Implantat wegen ihrer einseitigen Taubheit die einzige medizinische Möglichkeit darstellt, um das beeinträchtigte Hörvermögen zu erhalten bzw. wiederherzustellen und sogar zu verbessern, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts nicht fest. Vielmehr folgt aus der Beweisaufnahme, dass vorrangig die konventionellen Methoden mit der Verwendung von Hochleistungshörgeräten wie CROS- und BAHA einzusetzen sind, ehe eine medizinische Notwendigkeit eines Cochlea-Implantats festgestellt werden kann.

Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Feststellungen in dem HNO-fachärztlichen Gutachten des Sachverständigen Priv. Doz. Dr. med. C. vom 1. September 2015, dass unter Einbeziehung der gesamten Inhalts der Gerichtsakte und unter Beachtung der bisherigen Angaben der Ehefrau des Klägers im Rahmen der Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2014 sowie nach einer HNO-gutachterlichen Untersuchung der Ehefrau des Klägers vom 4. Juni 2015 erstellt worden ist, steht nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass ausschließlich ein Cochlea-Implantat medizinisch notwendig ist, um die mit der einseitigen Taubheit verbundenen Beeinträchtigungen auszugleichen.

Die Ehefrau des Klägers leidet an einer funktionellen Ertaubung (Hörverlust 100 %, s. Bl. 5 d. Gutachtens) des rechten Ohres mit intermittierendem Tinnitus rechts sowie einem altersentsprechen Normalgehör links. Ausweislich des Sachverständigengutachtens ist die Ehefrau des Klägers durch die einseitige Ertaubung in Umgebungen mit erhöhtem Geräuschpegel und in halligen Räumen spürbar beeinträchtigt. Die einseitige Ertaubung führt zu Sprachverständigungsproblemen sowie zu einem eingeschränkten Richtungshören mit einer teilweise fehlenden Wahrnehmung von Geräuschen auf der tauben Seite. Dies kann kurzzeitig durch eine erhöhte Konzentration und optische Fokussierung auf das Lippenbild des Gesprächspartners kompensiert werden, führe aber zu frühzeitiger Ermüdung mit häufiger Frustration und sozialer Isolierung.

Nach den überzeugenden Feststellungen des Gutachters ist nicht nachgewiesen, dass eine Kompensation dieser Beeinträchtigungen ausschließlich unter Verwendung eines Cochlea-Implantats möglich ist. So führt der Gutachter aus, dass die Ehefrau des Kläger bei Betrachtung der Gesamtorgans "Mensch" auch unversorgt in der Lage sein könne, zu hören und zu verstehen, wenn auch mit Einschränkungen. Zur Verbesserung der Situation könne durch eine CROS-Hörgeräteversorgung der Schall auf der tauben Seite aufgenommen und dem normalhörenden linken Ohr zugespielt werden (Überleitung durch Brille; Haarreif oder kabellos möglich). Hierdurch werde ein kompletter Schallschatten der rechten Seite verhindert und ein Pseudorichtungshören ermöglicht. Dass die Versorgung mit einem Cochlea Implantat hier alternativlos die einzige Methode ist, ist diesen Ausführungen nicht zu entnehmen. Vielmehr zeigt der Gutachter eindeutig auf, dass - auch wenn man allein das betroffene Organ "Ohr" betrachte - dieses versuchsweise mit einem Hochleistungshörgerät versorgt werden könne. Erst wenn eine Verbesserung der Hörleistung mit einem Hörgerät nicht möglich sein könne, sei das rechte Ohr mit einem Cochlea-Implantat suffizient zu versorgen, wenn ein besseres Sprachverständnis und Richtungshören erreicht werden solle. Ob diese konventionellen Methoden der Versorgung mit Hochleistungsgeräten CROS und BAHA im Ergebnis zu einer Verbesserung des Ton- und Sprachvermögens führen könnten, könne erst beurteilt werden, wenn diese Methoden zumindest probatorisch zur Anwendung gekommen seien, was bislang aber nicht geschehen sei.

Die Richtigkeit dieser Einschätzung des Sachverständigen wird auch durch das Vorbringen der Ehefrau des Klägers im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2015 bestätigt. Dort erklärte die Ehefrau des Klägers auf Nachfrage, ob die alternative Versorgung mit den Hochleistungsgeräten CROS und BAHA von ihren behandelnden Ärzten diskutiert worden sei, dass diese Methoden mit ihr erörtert worden seien. Diese Möglichkeit komme ihrer Meinung nach für sie nicht in Betracht, da sich für sie aufgrund ihrer Diabetes-Erkrankung auch auf dem linken Ohr ein Hörsturz mit Ertaubung einstellen könnte. Deshalb sei es aus ihrer Sicht eher sachdienlich, auf dem rechten Ohr ein Cochlea-Implantat zu erhalten, weil mit der Cochlea-Implantat-Versorgung auch eine Zeit des Eingewöhnens und des Verstehens von Lauten verbunden sei, so dass sie im Falle einer Ertaubung auf dem linken Ohr jedenfalls bereits auf dem rechten Ohr besser hören könne. Eine versuchsweise Versorgung mit den Hochleistungshörgeräten habe deshalb nicht stattgefunden.

Diese Eigeneinschätzung der Ehefrau des Klägers findet indes in den weiteren Ausführungen des Sachverständigen keine Stütze. Dem Gutachten ist nicht zu entnehmen, dass aus der Diabetes-Erkrankung der Ehefrau des Klägers eine medizinische Notwendigkeit eines Cochlea-Implantats folgt. Denn der Gutachter stellt eindeutig fest, dass für die Ehefrau des Klägers keine akute Gefahr besteht, auf dem normalhörigen linken Ohr zu ertauben. Das Cochlea-Implantat könne die Gefahr einer akuten Ertaubung auf der kontralateralen Seite nicht verringern, auch wenn - wie die Ehefrau des Klägers meint - ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Schwerhörigkeit bei Patienten mit Diabetes im Vergleich zu Nicht-Diabetikern vorliege. Dieses gelte allerdings nur für Patienten im Altersbereich bis 60 Jahre und eher im hochfrequenten Bereich von 10.000 - 14.000 Hz. Die 1950 geborene Ehefrau des Klägers falle daher aus dem Bereich der gefährdeten Personen heraus. Anhaltspunkte dafür, dass diese Aussage der medizinischen Sachkunde des Gutachters entbehrt, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Soweit der Kläger den Ausführungen des Gutachters in seinem Schriftsatz vom 30. Oktober 2015 entgegenhält, dass bereits aus der Aussage des Gutachters, wonach eine ausbleibende Versorgung der rechten Seite zu einer Degeneration der dort beteiligten Hörbahnen führen würde, die ab einem gewissen Zeitraum irreversibel sei (vgl. Bl. 15 d. Gutachtens), eine medizinische Notwendigkeit des Cochlea-Implantats abzuleiten sei, folgt die Kammer dem nicht. Denn nach ihrem erkennbaren Inhalt und unter Beachtung des Gesamtkontextes der Aussage bezieht sich diese eindeutig auf das Ausbleiben jeglicher Versorgung des hörgeschädigten Ohres. Denn zuvor führt der Gutachter an dieser Stelle nachvollziehbar aus, dass durch eine CROS-Hörgeräteversorgung bereits eine Verbesserung der Situation durch die Herstellung eines Pseudorichtungshörens ermöglicht werde.

Eine medizinische Notwendigkeit folgt auch nicht aus der Tinnitus-Erkrankung der Ehefrau des Klägers. Zwar führt das Gutachten hierzu aus, dass keine alternative konservative Methode zur Tinnitus-Suppression beitragen könne, diese vielmehr nur über ein Cochlea-Implantat erreicht werden könne. Der Kläger hat diesbezüglich aber nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass die mit dem Tinnitus verbundenen Beeinträchtigungen der Ehefrau so stark seien, dass sie einem pathologischen Zustand gleichkämen, der zwingend über das Cochlea-Implantat zu beheben wäre. Hiergegen spricht bereits, dass der Tinnitus nicht dauerhaft auftritt und sich bei der Untersuchung durch den Gutachter am 4. Juni 2015 nicht zeigte.

Die Beihilfefähigkeit des Cochlea-Implantats resultiert auch nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherren nach § 20 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 NBhVO i.V.m. § 45 BeamtStG.

Danach hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien einzustehen. Die Beihilfevorschriften des Dienstherrn eines Beamten enthalten im Grundsatz eine abschließende Konkretisierung dessen, was der Dienstherr für diesen Rechtsbereich aufgrund seiner Fürsorgepflicht an - den diesbezüglichen Anteil in der Besoldung ergänzenden - Leistungen u.a. in Krankheitsfällen für geboten und angemessen ansieht. Sie sind eine den durchschnittlichen Verhältnissen angepasste Regelung, bei der in Kauf genommen werden muss, dass nicht in jedem Einzelfall eine volle Deckung der Aufwendungen erreicht wird. Auch verlangt die Fürsorgepflicht keine "lückenlose" Erstattung sämtlicher krankheitsbedingter Aufwendungen des Beamten und seiner berücksichtigungsfähigen Angehörigen. Unbeschadet dessen kann es jedoch in atypisch gelagerten Einzelfällen ausnahmsweise geboten sein, einen "Beihilfeanspruch" unmittelbar auf der Grundlage der Fürsorgepflicht zu gewähren, wenn nämlich diese ansonsten in ihrem Wesenskern verletzt würde (vgl. BVerwG, z.B. Urteile vom 10.06.1999 - 2 C 29.98 - zitiert nach [...]; vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - zitiert nach [...] und vom 31.01.2002 - 2 C 1.01 - zitiert nach ). Anhaltspunkte dafür, dass die Ablehnung der Beihilfe für ein Cochlea-Implantat den Wesenskern der Fürsorgepflicht des Dienstherrn antastet sind weder vorgetragen noch erkennbar. Außerhalb des Wesenskerns der Fürsorgepflicht des Dienstherrn muss sich der Kläger darauf verweisen lassen, dass es ihm möglich ist, durch eine entsprechend erweiterte Versicherung oder die Bildung von Rücklagen selbst Vorsorge zu treffen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.05.2002 - 2 A 11758/01- zitiert nach ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.