Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 28.10.1998, Az.: 2 U 175/98
Leistungsfreiheit eines Versicherers wegen vorsätzlicher Verletzung der Aufklärungspflicht; Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers; Falschangabe der Anzahl der erhaltenen Schlüssel beim Autokauf im "Zusatzfragebogen Kfz-Diebstahl"; Erörterung der drucktechnischen Hervorhebung einer Belehrung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 28.10.1998
- Aktenzeichen
- 2 U 175/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 28717
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1998:1028.2U175.98.0A
Rechtsgrundlagen
- § 6 Abs. 3 VVG
- § 7 AKB
Fundstellen
- NJW-RR 2000, 246-247 (Volltext mit amtl. LS)
- NVersZ 2000, 137
- OLGReport Gerichtsort 1999, 302-303
- VersR 1999, 1406-1407 (Volltext mit red. LS)
Amtlicher Leitsatz
Sachversicherung: Anforderungen an die Belehrung durch den Versicherer bei folgenlos gebliebener Aufklärungspflichtverletzung.
Gründe
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Beklagte wegen vorsätzlicher Verletzung der Aufklärungspflicht durch den Kläger leistungsfrei ist (§ 6 Abs. 3 VVG i.V.m. § 7 I Nr. 2 AKB).
Der Kläger ist vorliegend seiner Verpflichtung, im Rahmen seiner Aufklärungspflicht die für die Feststellung der Eintrittspflicht oder den Umfang der Entschädigung maßgeblichen Angaben richtig zu machen, nicht nachgekommen (§ 7 I Nr. 2 S. 3 AKB). Er hat in dem
"Zusatzfragebogen Kfz-Diebstahl" vom 23.07.1997 auf die Frage "Wie viele Kfz-Schlüssel erhielten Sie beim Kauf" angegeben "zwei". Diese Angabe war objektiv falsch, wie nunmehr unstreitig ist, denn der Kläger hatte drei Schlüssel erhalten.
Mangelnden Vorsatz hat der Kläger darzutun und zu beweisen, und insofern trägt er bereits nicht hinreichend vor (wird ausgeführt).
Die Leistungsfreiheit der Beklagten tritt nach den Umständen ein, die die Rechtsprechung für derartige Fälle nachträglich - folgenloser - Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers entwickelt hat (BGH NJW 1973, 365; BGH VersR 1975, 752 = VVGE § 7 AKB Nr. 3). Danach kommt Leistungsfreiheit nur in Betracht, wenn die Verletzung der Obliegenheit generell geeignet gewesen ist, die Interessen des Versicherers ernstlich zu gefährden, wenn dem Versicherungsnehmer ein schweres Verschulden trifft und wenn eine hinreichende Belehrung erfolgt ist. Alle diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Die Anzahl der beim Kauf ausgehändigten Schlüssel kann für die Entschädigungspflicht eines Fahrzeugversicherers von erheblicher Bedeutung sein, so dass die Verletzung der Obliegenheit generell geeignet war, die Interessen der Beklagten ernsthaft zu gefährden. Fehlt ein Schlüssel, so kann der Versicherer berechtigterweise den Verdacht hegen, mit diesem sei das Fahrzeug entfernt worden oder dieser habe als Vorlage für die Herstellung von Nachschlüssel gedient.
Den Kläger trifft zudem ein erhebliches - nicht widerlegtes - Verschulden; es handelt sich hier nicht um ein Fehlverhalten, das auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag (vgl. BGH VersR 1984, 228, 229).
Der Belehrungspflicht ist in dem "Zusatzfragebogen Kfz-Diebstahl" sowohl vom Inhalt als auch von der Form her genüge getan. Bezüglich des Inhalts wird das auch vom Kläger nicht angezweifelt; er meint aber, es fehle an einer erforderlichen drucktechnischen Hervorhebung der Belehrung. Dem folgt der Senat jedenfalls für die vorliegende Gestaltung des Fragebogens nicht.
Der BGH hat bisher - soweit ersichtlich - eine drucktechnische Hervorhebung der Belehrung nicht verlangt. In einer Entscheidung vom 08.05.1967 (NJW 1967, 1756 [BGH 08.05.1967 - II ZR 17/65]) spricht er von einem "äußerlich auffallenden und allgemein verständlichen Hinweis"; in der Entscheidung vom 20.12.1968 (NJW 1969, 607, 608 [BGH 20.12.1968 - IV ZR 510/68]) [BGH 20.12.1968 - IV ZR 510/68] ist von einer "klar und unmissverständlichen" Belehrung die Rede sowie von "einer nicht zu übersehenden Weise"; ähnlich heißt es in der Entscheidung vom 30.11.1977 (VersR 1978, 121, 122), die Belehrung müsse "klar und unmissverständlich" oder "deutlich" sein. - Das OLG Nürnberg (NJW RR 1996, 544 [OLG Nürnberg 11.05.1995 - 8 U 3815/94]) und das OLG Hamm (NJW RR 1997, 476) haben daraus abgeleitet, der Hinweis müsse drucktechnisch hervorgehoben sein, und der Senat (OLG Oldenburg NJW RR 1998, 30 [OLG Oldenburg 20.08.1997 - 2 U 138/97]) ist dem für einen Fall gefolgt, wo sich die Belehrung - wie üblich - am Schluss der Schadenanzeige unmittelbar vor dem vorgesehenen Raum für die Unterschrift befand. Hier liegt der Fall indessen anders: Die entsprechende Belehrung ist am Anfang des Zusatzfragebogens abgedruckt. Unmittelbar nach dem Eingangssatz, der Bitte, den Fragebogen "gewissenhaft und vollständig" auszufüllen, erfolgt die - inhaltlich zutreffende - Belehrung in einem eigenständigen Absatz. Der Senat hält dies im Sinne der zitierten BGH-Rechtsprechung für eine hinreichend klar und unmissverständlich, in nicht zu übersehender Weise ausgedrückte Belehrung. Denn durch die Stellung der Belehrung am Anfang des Fragebogens wird der Versicherungsnehmer sogleich deutlich, noch vor dem Ausfüllen der einzelnen Fragen, auf die Notwendigkeit zutreffender Beantwortung hingewiesen und kann sich von vornherein entsprechend einstellen. Zumindest für eine derartige Fallgestaltung hält der Senat eine drucktechnische Hervorhebung für entbehrlich.