Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 27.10.1998, Az.: 5 U 123/98

Zulässigkeit einer Restitutionsklage bei Beweisantritten im Vorprozess; Restitution auf Grund neuer Beweismittel neben dem Urkundenbeweis; Anforderungen an die Nachforschungspflichten innerhalb einer Restitutionsklage

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
27.10.1998
Aktenzeichen
5 U 123/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 28729
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:1027.5U123.98.0A

Fundstellen

  • JurBüro 1999, 276
  • NJW-RR 1999, 1443-1444 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 1999, 110-111

Amtlicher Leitsatz

Unzulässigkeit einer Restitutionsklage bei unterbliebenen Beweisantritten im Vorprozess - Keine Restitution aufgrund neuer Beweismittel neben dem Urkundebeweis.

Tatbestand

1

Durch rechtskräftiges Senatsurteil vom 11.11.1997 (5 U 167/96 OLG Oldenburg; Nichtannahmebeschluss des BGH vom 15.07.1998 - IV ZR 290/97) ist die vom Kläger erhobene Klage auf Zahlung des Pflichtteils nach der am 14.02.1990 verstorbenen Mutter der Parteien in Höhe von zuletzt 550.000,00 DM abgewiesen worden.

2

Gegenüber der vom erkennenden Senat im Vorprozess festgestellten Wirksamkeit der Pflichtteilsentziehung durch die Erblasserin wegen veruntreuender Vermögensverwaltung hatte der Kläger durchgängig behauptet, sämtliche Vermögensverfügungen in Kenntnis und mit Billigung seiner Mutter vorgenommen zu haben.

3

Mit seiner auf § 580 Nr. 7 b ZPO gestützten Restitutionsklage verfolgt der Kläger sein Pflichtteilsbegehren in vollem Umfang weiter.

4

Dazu trägt er vor: Nach Beendigung seiner Verwaltungstätigkeit habe er die Unterlagen darüber am 02.01.1979 dem Steuerberater B. übersandt. Mit Schriftsatz vom 07.10.1994 habe er im Vorprozess vergeblich versucht, diese Unterlagen - insbesondere ein grünes Kontobuch -, deren Existenz die Beklagten bestritten hätten, zurückzuerhalten. In diesem Schriftsatz habe er auch moniert, dass zwar die Kontounterlagen von den Beklagten vorgelegt seien, nicht jedoch dieses grüne Kontobuch. Das grüne Kontobuch sei ihm am Samstag, den 11.07.1998 per Post ohne Begleitschreiben und ohne Absender zugegangen. Mit ihm könne er beweisen, dass er seine Tätigkeit in Kenntnis und mit Einverständnis seiner Mutter ausgeübt habe. Ihr sei das Buch, in dem er periodengerecht die Einnahmen und Ausgaben der Jahre 1968 bis 1978 sorgfältig gegenübergestellt habe, jährlich anlässlich der Erstellung der Steuererklärungen für die Einkommens- und Vermögenssteuer vorgelegt worden; dieses Buch habe seine Mutter dann auch eingesehen einschließlich aller Depot- und Kontounterlagen, so dass sie über seine Verwaltungstätigkeit voll unterrichtet gewesen sei (Beweis: Zeugnis Steuerberater W. B.)

Entscheidungsgründe

5

Die gemäß § 589 ZPO statthafte, form- und fristgerecht erhobene Klage hat keinen Erfolg.

6

Der Kläger hat bereits seiner ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast nicht genügen können, dass er den von ihm geltend gemachten Restitutionsgrund ohne Verschulden nicht bereits im Vorprozess hat geltend machen können, § 582 ZPO (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 20. Aufl., § 582 Rn. 3). Die Benutzbarkeit einer Urkunde ist bereits immer dann anzunehmen, wenn dem späteren Restitutionskläger im Vorprozess der Antrag auf Vorlage dieser Urkunde möglich war (so schon RGZ 99, 170).

7

Ebenso schließt gemäß § 582 ZPO ein schuldhaftes Unterlassen von Nachforschungen die Restitution aus (vgl. Zöller/Greger a.a.O. § 580 Rn. 24 und § 582 Rn. 6 m.w.N.).

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Diese gesetzlichen Subsidiaritätsvoraussetzungen, die § 582 ZPO an die Zulässigkeit der Restitutionsklage stellt, dass es zu einer Wiederaufnahme eines rechtskräftigen abgeschlossenen Verfahrens nur kommen soll, wenn der Grund auch bei sorgfältiger Prozessführung nicht schon im Verfahren selbst hätte geltend gemacht werden können, erfüllt das Vorbringen des Klägers nicht. Es fehlt bereits an der Darlegung, welche Anstrengungen er bis zum Zurückerhalt des Kontobuches während des Vorprozesses unternommen hat, um es zurückzubekommen bzw. dessen Vorlage zu erreichen.

9

Bereits mit Schriftsatz vom 18.06.1992 hat der Kläger als Anlage 6 sein Schreiben vom 02.01.1979 vorgelegt, mit dem er dem Steuerberater B. seine "Verwaltungsarbeiten über das Vermögen seiner Mutter"übersandt hatte, und gegenüber den Beklagten bzw. deren Bevollmächtigten den Vorwurf erhoben, die Unterlagen manipuliert zu haben (GA II 16 H; 19, 20, 36 f). Im September, Oktober und November 1983 hat er dann die unvollständige Rückgabe der Unterlagen beanstandet (Anlage VII zum vorgenannten Schriftsatz - GA II 41 f; Anlage 9 zum Schriftsatz der Beklagten vom 02.02.1994 - GA IV 237). Mit Schriftsatz vom 07.10.1994 hat er sich dann erneut ausdrücklich auf sein Schreiben vom 02.01.1979 unter Hervorhebung des fehlende "dem Zeugen W. B zugesandten grünen Kontobuchs" bezogen und vorgetragen, "gleichwohl (werde) bereits aufgrund der bisher vorgelegten Unterlagen eine vorsätzliche falsche Darstellung der Beklagten bewiesen".

10

Ging aber der Kläger im Vorprozess davon aus, dass sich die jetzt angebotene Unterlage bei einem Dritten - dem Steuerberater - oder den Beklagten bzw. deren Prozessbevollmächtigten befunden hat, war er in der Lage, die Beweisanträge gemäß §§ 421, 428 ZPO zur Vorlage dieser Urkunde zu stellen. Abgesehen davon hätte er seine entsprechenden Auskunfts- und ggfls. Herausgaberechte in dem dafür vorgesehenen prozessualen Weg geltend machen können und müssen. Die bloße Mitteilung über fehlende Unterlagen unter Bezugnahme auf einen vorliegenden vorprozessualen Schriftverkehr reicht für den Beleg, er sei seiner Nachforschungspflicht gemäß § 582 ZPO ordnungsgemäß nachgekommen, um den Vorwurf schuldhafter Unterlassungen zu begegnen, nicht aus, zumal er sich erkennbar damit zufriedengegeben hat, weil er auch ohne diese Unterlagen glaubte, bereits mit den vorliegenden den Vortrag der Gegenseite widerlegen zu können.

11

Die von der Berufung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Bezug genommene Entscheidung BGH VersR 1962, 175 ff bezieht sich auf die Notfrist des § 586 ZPO und betrifft zudem eine andere Fallgestaltung in der der Kläger erstmalig nach Verfahrensbeendigung über von Dritten verfasste Unterlagen (Krankenblatt, Operationsbuch) Kenntnis erhalten hatte. Hier handelt es sich aber um ein vom Kläger selbst über einen Zeitraum von gut 10 Jahren geführtes Kontobuch mit ausschließlich eigenen Eintragungen, das er zudem auch noch - wie ausgeführt - ausdrücklich in sein erstinstanzliches Vorbringen mit einbezogen hat.

12

Dieses Vorbringen gab im Vorprozess mangels dargetaner Erheblichkeit und entsprechender Beweisanträge auch keinen Anlass zu richterlichen Hinweisen oder sonstigen gerichtlichen Anordnungen und Maßnahmen gem. §§ 139, 425 ff ZPO, wie die Berufung in der mündlichen Verhandlung gemeint hat.

13

Abgesehen davon sind solche Verfahrensrügen im Revisionsverfahren zu berücksichtigen und nicht im Restitutionsverfahren zu erheben.

14

Beides - unterbliebene Beweisanträge (vgl. zusätzlich RGZ 9,5) und unzureichende Nachforschungen - gereichen daher dem insoweit prozessual belasteten Kläger zum Nachteil und schließen die Restitution des abgeschlossenen Verfahrens aus.

15

Im übrigen fehlt es auch an der schlüssigen Darlegung der Eignung des grünen Kontobuchs, die erforderliche richterliche Überzeugung davon zu gewinnen, die Erblasserin sei von ihm ausreichend über sämtliche Vermögensverfügungen unterrichtet gewesen.

16

Der Senat hat ausweislich der Gründe der angefochtenen Entscheidung (LGU 10, 2. Abs. -LGU 11, 1. Abs.) seine Feststellung über die fehlenden Kenntnisse und das fehlende Einverständnis der Erblasserin mit der daher veruntreuenden Vermögensverwaltung aufgrund einer umfangreichen Beweiswürdigung unter Einbeziehung insbesondere belegter Äußerungen der Erblasserin, Zeugenaussagen und der Mittelverwendung zur Mehrung fremden Vermögens getroffen. Es ist nicht erkennbar und nachvollziehbar, inwieweit demgegenüber Aufzeichnungen des Verwalters selbst über die Vermögensverwaltungsvorgänge in dem Kontobuch über die Eingaben und Ausgaben entsprechendes Wissen und ein sich darauf gründendes Einverständnis der Erblasserin mit der Vermögensverwaltung gerade auch zugunsten Dritter vermitteln können soll. Die bloße Zusammenstellung von Fakten über durchgeführte finanzielle Transaktionen bei der Vermögensverwaltung kann ihre erforderliche umfassende in Kenntnissetzung keineswegs auch nur indiziell stützen. Die vorgelegte Urkunde ist daher nicht geeignet, die vom Senat gewürdigten Beweise und das darauf beruhende Beweisergebnis in Frage zu ziehen und die mit der gehandhabten bezweckten Mehrung fremden Vermögens als vom Wissen und vom Wollen der Erblasserin mit entsprechenden Willenserklärungen gedeckt mit der erforderlichen Sicherheit zu belegen. Die Erblasserin müsste zudem etwaige darauf gerichtete Erläuterungen seitens des Klägers auch vollständig verstanden haben, wogegen bereits die von ihr bemängelte Geldknappheit streitet.

17

Soweit sich der Kläger auf die jährliche Einsichtnahme des Buches durch die Erblasserin nach seiner Vorlage anlässlich der Besprechung der Steuererklärungen beruft und dies in das Zeugnis des Steuerberaters W. B stellt, kann er im Restitutionsverfahren damit nicht gehört werden. Es ist allgemein anerkannt, dass kein Restitutionsgrund vorliegt, wenn die Urkunde nur in Verbindung mit neuen Beweismitteln wie etwa Zeugenaussagen erheblich ist (vgl. statt aller nur Zöller/Greger a.a.O.

18

§ 580 Rn. 27 und Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 53. Aufl., § 580 Rn. 20). Dieses jetzt in Bezug auf das grüne Kontobuch vorgebrachte zusätzliche Beweismittel für die Unterrichtung der Erblasserin war auch nicht bereits im Vorprozess eingebracht worden (vgl. das angefochtene Senatsurteil LGU 11 letzter Absatz). Weitergehende Inhalte, die für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne des Klägervorbringens auch nur indiziell sprechen könnten, lassen sich entgegen der Berufung dem Kontobuch nicht entnehmen.

19

Die Restitutionsklage war daher mit den Nebenfolgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 546 ZPO insgesamt abzuweisen.