Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 29.07.2013, Az.: 10 B 5753/13
Bad Nenndorf; Buchstabenkombination; Erstanmelderprinzip; Gegenversammlung; Prioritätsgrundsatz; Rednerliste; Routenänderung; Wincklerbad; Zahlenkombination
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 29.07.2013
- Aktenzeichen
- 10 B 5753/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 64353
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 8 GG
- § 8 Abs 1 VersammlG ND
- § 37 Abs 1 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zu den Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Routenänderung im Hinblick auf eine Gegenversammlung.
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19.07.2013 wird wiederhergestellt, soweit sie sich gegen Ziffer 8 Absatz 2 des Bescheides und die Wendung in Ziffer 5 „oder in den Augen der breiten Öffentlichkeit einen solchen Eindruck hervorrufen können“ richtet.
Darüber hinaus wird die aufschiebende Wirkung der Klage mit folgender Maßgabe wieder hergestellt:
Die Versammlung nimmt den im Bescheid vom 19.07.2013 festgelegten Verlauf. Abweichend hiervon kann die Versammlung von der Poststraße in die Bahnhofstraße geführt werden, wo vor dem Wincklerbad eine Zwischenkundgebung abgehalten werden kann.
Die Versammlung beginnt um 14:00 Uhr und endet um 20:00 Uhr. Die Einmündung der Poststraße in die Bahnhofstraße darf nicht vor 16:00 Uhr passiert werden.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsteller trägt 1/4, der Antragsgegner trägt 3/4 der Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000.00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegenüber versammlungsrechtlichen Beschränkungen.
Der Antragsteller meldete am 19.09.2009 für das „Gedenkbündnis Bad Nenndorf“ einen Aufzug unter dem Motto „Gefangen, gefoltert, gemordet - Damals, wie heute: Besatzer raus!“ an, die am 03.08.2013 in Bad Nenndorf stattfinden soll. Seit 2006 werden in Bad Nenndorf Anfang August sogenannte Trauermärsche durchgeführt, mit denen die Nutzung des Wincklerbades durch die britischen Besatzungskräfte in den Jahren 1945 bis 1947 als Verhörzentrum und Gefangenenlager thematisiert wird. Parallel zu diesen Versammlungen werden jährlich ebenfalls wiederkehrende Gegendemonstrationen veranstaltet.
Die für den 03.08.2013 geplante Versammlung des Antragstellers soll um 11.00 Uhr beginnen und bis 21.30 Uhr dauern. Erwartet werden etwa 500 Teilnehmer. Angezeigt wurde folgender Aufzugsweg:
Bahnhofsvorplatz, Bahnhofstraße zum Wincklerbad, Kramerstraße, Wilhelmstraße, Bahnhofstraße zurück zur Kurhausstraße, Am Thermalbad, Horster Straße, Kreuzstraße, über Bornstraße zurück zum Bahnhof.
Kundgebungen sollen in der Bahnhofstraße in Höhe Poststraße, An der Kreuzung Am Thermalbad/ Horster Straße und am Bahnhofsvorplatz stattfinden.
Mit Schreiben vom 28.11.2012 zeigte der Beigeladene zu 1) für den 03.08.2013 eine Versammlung an, die in der Zeit von 10.30 Uhr bis 18.00 Uhr stattfinden soll. Angezeigt wurde folgender Aufzugsweg:
Bornstraße/ Nähe Bahnhof (Auftaktkundgebung), Bornstraße, Kreuzstraße, Hauptstraße, Kurhausstraße, Mahnmal zur Reichspogromnacht (Zwischen-kundgebung), Kurpark, Parkstraße, Lehnhast, Lindenallee, Wilhelmstraße, Doudevillestraße, Horster Straße, Grünfläche Horster Straße/ Parkplatz vor der Sporthalle (Abschlusskundgebung).
Für die Initiative „Bad Nenndorf ist bunt - Bündnis gegen Rechtsextremismus e.V.“ zeigte deren 2. Vorsitzende am 05.06.2013 für den 03.08.2013 eine Versammlung an, die in der Zeit von 11.30 Uhr bis 20.00 Uhr stattfinden soll. Angezeigt wurde folgender Aufzugsweg:
Bahnhofstraße/Höhe Kleines Gymnasium (Auftaktkundgebung), Bahnhofstraße, Wincklerbad (12.30 Uhr bis 20.00 Uhr Kundgebung mit Kulturprogramm).
Unter dem 05.07.2013 teilte der Beigeladene zu 1) dem Antragsgegner unter Bezugnahme auf das am 04.07.2013 durchgeführte Kooperationsgespräch mit, statt der bisher vom DGB - Region Niedersachsen-Mitte, Bad Nenndorf ist bunt e.V., der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke sowie H. (Kreisverband Schaumburg Bündnis 90/Die Grünen) für den 03.08.2013 in Bad Nenndorf angemeldeten Veranstaltungen hätten sich sämtliche Veranstalter darauf geeinigt, nur eine einzige Veranstaltung durchzuführen. Die Veranstaltung beginne um 10.30 Uhr an der Bornstraße und führe über Hauptstraße, Kurhausstraße, Kleines Gymnasium Nenndorf/Bahnhofstraße zum Wincklerbad/Bahnhofstraße. Es seien mehrere Zwischenkundgebungen und eine Abschlusskundgebung vor dem Wincklerbad in der Bahnhofstraße bis 20:00 Uhr geplant. Erwartet würden bis zu 2.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Am 11.07.2013 zeigte der Beigeladene zu 2) ebenfalls für den 03.08.2013 in Bad Nenndorf eine Versammlung an, die von 9:00 Uhr bis 20:00 dauern und folgenden Verlauf nehmen soll:
Bornstraße (Auftaktkundgebung), Martin-Luther-Straße, Mittelwiese, Hauptstraße (durch die Fußgängerzone), Parkstraße, Bahnhofstraße. Zwischenkundgebungen sollen am Eingang zum Kurpark (Ecke Kurhausstraße/Hauptstraße) und an der Einmündung der Parkstraße in die Bahnhofstraße stattfinden; eine Abschlusskundgebung ist für die Ecke Bahnhofstraße/ Kramerstraße geplant.
Mit Bescheid vom 19.07.2013 bestätigte der Antragsgegner dem Antragsteller die Anzeige einer Versammlung für den 03.08.2013 und verfügte u.a. folgende Beschränkungen:
Der Zeitraum der Durchführung der Versammlung wird auf 12:00 Uhr bis 18:00 Uhr festgelegt. Die Versammlung ist durch den Versammlungsleiter bzw. seinen Stellvertreter spätestens um 18:00 Uhr zu beenden.
Die Aufzugsroute muss folgenden Verlauf nehmen:
Bornstraße, Höhe Bahnhof (Auftaktkundgebung) – Bornstraße – Kreuzstraße – Horster Straße – Am Thermalbad – Kampstraße – Hauptstraße (Fußgängerzone) – vor Haus Kassel rechts in die Poststraße – Poststraße zum Wincklerbad (dort Zwischenkundgebung, ausgehend von der Bahnhofstraße ab Beginn der Grenze des Grundstücks Poststraße 2) – Poststraße Richtung Hauptstraße (Fußgängerzone) – Hauptstraße (Fußgängerzone) – Kampstraße – Am Thermalbad – Horster Straße (Zwischenkundgebung Kreuzung Am Thermalbad/Horster Straße) – Horster Straße – Kreuzstraße – Bornstraße – Bornstraße, Höhe Bahnhof (Abschlusskundgebung).
…
5.
Die Versammlungsteilnehmer dürfen keine Embleme oder Tätowierungen sichtbar tragen, die in Verbindung mit dem Nationalsozialismus stehen, „Hass“ bedeuten (z. B. Bilder von Totenköpfen, Schriftzug „Hass“) oder in den Augen der breiten Öffentlichkeit einen solchen Eindruck hervorrufen können. Das Tragen von Bekleidungsstücken mit Aufschriften, aus denen durch teilweises Überdecken die Buchstaben- bzw. Zahlenfolge wie „NS“, „NSD“, „NSDA“, „NSDAP“, „SS“, „SA“, „A.C.A.B.“, „14“, „18“, „88“ oder die Abkürzungen bzw. erkennbare Abkürzungsteile weiterer verbotener Parteien oder Gruppierungen ergeben kann, ist verboten.
…
8.
…..
Die Redner und Rednerinnen sind eine Stunde vor Beginn der Versammlung gegenüber der Polizei oder Versammlungsbehörde zu benennen.
Zur Begründung heißt es u.a.: Eine weitere Versammlung an diesem Tage habe einen engen zeitlichen und örtlichen Bezug zum Wincklerbad, auch dieser sei im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens die Gelegenheit zu geben, die bestimmende Örtlichkeit des Versammlungszwecks im Rahmen der Routenführung gerade an diesem Tag zu erreichen, da auch hier der Demonstrationsgrund liege. Um dem Erstanmelderprinzip gerecht zu werden, sei auch für die Versammlung des Antragstellers explizit sichergestellt, dass die gewünschte Kundgebung am Wincklerbad stattfinde. Das Erstanmel-derprinzip umfasse grundsätzlich nicht vollumfänglich jegliche Gesichtspunkte der angezeigten Demonstration. Im Rahmen der Abwägung grundrechtlicher Interessen aller Beteiligten und im Wege der praktischen Konkordanz könne eine gesetzliche Regelung im Versammlungsrecht, die eine unbeschränkte Anmeldung bzw. Anzeige für Jahre im Voraus möglich mache, nicht die Grundrechte Dritter einschränken, die Gleiches für sich in Anspruch nehmen wollten. Dem Erstanmelderprinzip sei hinsichtlich des Ortsbezugs hinreichend Rechnung getragen worden. Aufgrund der weitaus geringeren Teilnehmerzahl der Versammlung des Antragstellers sei auch aus rechtlicher Sicht eine Routenänderung im Hinblick auf Rettungswege, polizeiliches Schutzkonzept und praktische Durchführbarkeit des Versammlungsgeschehens verfahrensfehlerfrei. Dem Einwand, die Poststraße sei mangels ausreichender Größe nicht für die Zwischen-kundgebung geeignet, sei entgegenzuhalten, dass die dem Antragsteller zugewiesene Fläche tendenziell größer sei als das in den Vorjahren genutzte Areal. Dass der Demonstrationszug an dieser Stelle etwas in die Länge gezogen werde, behindere niemanden in seiner Versammlungsfreiheit, da es jedem Versammlungsteilnehmer möglich sei, die Inhalte der Versammlung wahrzunehmen. Aufgrund ihrer Lage und baulichen Beschaffenheit seien die Kramer- und Wilhelmstraße im Hinblick auf die versammlungsrechtliche Gesamtsituation am 03.08.2013 nicht für den vom Antragsteller geplanten Aufzug geeignet.
Rechtsextremisten zeigten ihre Gesinnung durch ihr zum Teil nahezu einheitliches Erscheinungsbild. Zudem würden innerhalb dieser Szene Kleidungsstücke bestimmter Marken bevorzugt. Hierbei sei nicht der modische Aspekt entscheidend, sondern vielmehr die Tatsache, dass abhängig davon, wie dieses Kleidungsstück getragen werde, verschiedene Buchstabenkonstellationen erschienen, wie z.B. NS, NSD, NSDA oder NSDAP. Neben diesen Buchstabenkombinationen würden in der Szene auch Zahlenkombinationen verwendet. So bedeute die Zahlenkombination 88 „Heil Hitler“; die 8 beziffere den 8. Buchstaben des Alphabets - H. Das sichtbare Tragen derartiger Kleidungsstücke bei der Demonstration des Antragstellers sei daher zu untersagen.
Die Verpflichtung, Redner und Rednerinnen vor Beginn der Veranstaltung zu benennen, sei erforderlich, um feststellen zu können, ob der Auftritt von Rednern oder Rednerinnen geplant sei, von denen Äußerungen mit strafbarem Inhalt zu erwarten seien. Anlässlich der Demonstration am 02.08.2008 in Bad Nenndorf sei gegen einen Redner ein Strafbefehl durch das Amtsgericht Stadthagen wegen Volksverhetzung ergangen.
Mit Bescheid vom 19.07.2013 bestätigte der Antragsgegner dem Beigeladenen zu 1) die von ihm angezeigte Versammlung und verfügte u.a. folgende Beschränkungen:
Die Versammlung beginnt um 10:30 Uhr.
Die Aufzugsroute muss folgenden Verlauf nehmen:
- Mündungsbereich der Fußgängerzone in die Horster bzw. Hauptstraße (Auftaktkundgebung), Hauptstraße (Fußgängerzone), Kurhausstraße bis zum jüdischen Mahnmal (Zwischenkundgebung), Kurhausstraße, Bahnhofstraße bis zur Außenstelle des Gymnasiums Bad Nenndorf (sog. Kleines Gymnasium, Bahnhofstraße 60, 31542 Bad Nenndorf, Zwischenkundgebung), Bahnhofstraße bis zum Wincklerbad (Abschlusskundgebung, Bahnhofstraße 11, in der Höhe des Café Frenkel, bis Bahnhofstraße 15, Friseur Rehse).
- Die Zwischenkundgebung am jüdischen Mahnmal ist ausschließlich in der Kurhausstraße abzuhalten, dabei ist die Einmündung zur Fußgängerzone freizuhalten.
- Die Kurhausstraße muss bis 11:30 Uhr in Richtung Bahnhofstraße verlassen worden sein.
- Die Versammlung hat sich insbesondere im Bereich der Fußgängerzone ständig fortzubewegen.
Mit Bescheid vom 24.07.2013 bestätigte der Antragsgegner dem Beigeladenen zu 2) die von ihm angezeigte Versammlung und verfügte u.a. folgende Beschränkungen:
Die Versammlung beginnt um 09:00 Uhr und endet um 20:00 Uhr.
Die Aufzugsroute muss folgenden Verlauf nehmen:
Beginn Bahnhofstraße, vom Bahnhof aus gesehen (Auftaktkundgebung) – Bahnhofstraße Richtung Innenstadt – Parkplatz am Sportzentrum – Große Kreissporthalle (Bahnhofstraße 65) / Vereinsheim des VfL Bad Nenndorf bzw. Mehrgenerationenhaus (Bahnhofstraße 67), Abschlusskundgebung
- Die Bahnhofstraße muss um 10:00 Uhr verlassen worden sein.
Der Antragsteller hat am 22.07.2013 Klage gegen den Bescheid vom 19.07.2013 erhoben (10 A 5752/13), soweit mit ihm eine bestimmte Aufzugsstrecke angeordnet wurde. Ferner wendet er sich gegen Ziffer 5 und Ziffer 8, 2. Absatz des Bescheides. Im Umfang der Klageerhebung hat er zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und macht zur Begründung im Wesentlichen geltend: Ganz offensichtlich habe sich der Antragsgegner bei der Festlegung der Aufzugsstrecke in nicht zu übersehender parteiischer Weise vom Gedanken an eine allmähliche „Austrocknung“ des Trauermarsches leiten lassen. Der Platz vor dem Wincklerbad nehme im Rahmen des Sinnes seiner Versammlung eine zentrale Bedeutung ein, da ja gerade an Vorgänge in diesem Gebäude erinnert werden solle. Demgegenüber richte sich die Gegenversammlung einfach nur gegen „Nazis“; das Wincklerbad spiele hierbei keine Rolle. 2012 habe der Trauerzug in der breiten Bahnhofstraße an einer dort platzierten Betonpyramide vorbeigeführt werden können. Das werde in den nunmehr vom Antragsgegner verfügten Straßen nicht möglich sein. Die Wegstrecke von der Hauptstraße in die Poststraße sei kein öffentlichkeitswirksamer Weg, sondern ein für den Kraftverkehr gesperrter Parkweg. Die Trennung der beiden konkurrierenden Versammlungen sei auch in zeitlicher Hinsicht zu gewährleisten. Die Gegenveranstaltung solle um 10:30 Uhr beginnen, der Trauermarsch um 12:00 Uhr. Die üblichen Kontrollen seiner Teilnehmer, die Einteilung der Ordner, das Verlesen der Auflagen und die Auftaktkundgebung ließen einen Beginn des Aufzugs vor 16:00 Uhr nicht erwarten. Der Trauermarsch würde also erst sechs Stunden nach der Gegenveranstaltung am Wincklerbad erscheinen können. Der Antragsgegner werde durch entsprechende Auflagen gewährleisten können, dass bis dahin der Bereich vor dem Wincklerbad geräumt sei. Der Antragsteller sei sogar bereit, den Beginn seiner Versammlung um weitere zwei Stunden nach hinten zu verlegen. Im Kern gehe es dem Antragsteller um eine repräsentative Aufzugsstrecke, die vor das Wincklerbad führe und er die Versammlung nicht hinter diesem in einer schmalen Seitenstraße quasi am Katzentisch abhalten müsse. Den Versammlungsteilnehmern sei zu ermöglichen, den Bezugspunkt ihrer Versammlung vor Augen zu haben. Das sei beim momentanen Standort nur eingeschränkt für die Spitze des Zuges möglich.
Die Ziffer 5 des Bescheides sei völlig unbestimmt. Kein Ordner könne die Einhaltung dieser Anordnung gewährleisten. Was die Zahlen- und Buchstabenkombinationen angehe, sei die Auflage erheblich zu weit, da bei der modernen, jugendtypischen Bekleidung gar nicht absehbar sei, welche Kombinationen sich ergeben könnten. Die Anordnung, Redner spätestens 1 Stunde vor Redebeginn zu melden, verstoße gegen das Zensurverbot.
Der in der mündlichen Verhandlung nicht vertretene Antragsteller beantragt schriftsätzlich,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19.07.2013 hinsichtlich der angeordneten Streckenführung, der Ziffer 5 und der Ziffer 8, zweiter Absatz wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung beruft er sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides, die polizeiliche Gefahrenprognose vom 19.07.2013 sowie die Stellungnahme der Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg vom 24.07.2013 und trägt ergänzend vor, entgegen der Auffassung des Antragstellers habe das Motto der Versammlung des Beigeladenen zu 1) sowohl einen engen örtlichen Bezug zum Wincklerbad als auch einen zeitlichen Bezug zum 03.08.2013. Das ergebe sich bereits aus dessen Motto „Friedlicher Protest gegen die jährlichen Naziaufmärsche vor dem Wincklerbad“. Nach der Rechtsprechung würde die Einräumung einer zeitlichen Priorität für den Erstanmelder einer Versammlung dem Anliegen, die Versammlungsfreiheit grundsätzlichen allen Grundrechtsträgern zu ermöglichen, widersprechen. Hier sei, wie in dem angefochtenen Bescheid dargelegt, der erforderliche Interessenausgleich vorgenommen und versucht worden, mit der gebotenen inhaltlichen Neutralität eine sachgerechte Lösung herbeizuführen. Die Behauptung des Antragstellers, die Gegendemonstration des Beigeladenen zu 1) diene dem Zweck, seine Versammlung zu verhindern, treffe nicht zu. Hinsichtlich der Blockadeaufrufe sei klarzustellen, dass die zitierte Webseite der Initiative „Kein Naziaufmarsch in Bad Nenndorf“ und nicht dem Beigeladenen zu 1) zuzuordnen sei. Dieser habe öffentlich zu einer friedlichen Demonstration aufgerufen und sich auch in den Kooperationsgesprächen deutlich von den Blockadeaufrufen distanziert. Die Bedenken des Antragstellers gegen die Rechtmäßigkeit der Ziffer 5 des Bescheides seien im Wesentlichen unbegründet, wie sich aus einer früheren Entscheidung des VG Hannover ergebe. Auch die Forderung, dass sich die Redner spätestens eine Stunde vor Redebeginn bei der Polizei zu melden hätten, sei rechtmäßig. Sie sei erforderlich, um feststellen zu können, ob der Auftritt von Rednern geplant sei, von denen Äußerungen mit strafbarem Inhalt zu erwarten seien. Im Hinblick auf die Verurteilung eines Redners anlässlich der Demonstration am 02.08.2008 wegen Volksverhetzung sei die Befürchtung gerechtfertigt, dass es auch in diesem Jahr zu Reden mit strafbarem Inhalt kommen könne.
Der Beigeladene zu 1) tritt dem Vorbringen des Antragstellers mit näherer Begründung entgegen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.
Der Beigeladene zu 2) hat sich nicht geäußert.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sämtliche Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Der zulässige Antrag ist teilweise begründet.
Die vom Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende Ermessensentscheidung setzt eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen voraus, in die auch die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs einzubeziehen sind. Hierbei ist bei Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Sofortvollzug der angegriffenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist die Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu prüfen, im Übrigen kommt es auf eine sorgsame Interessenabwägung an (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233, 341/81 -, BVerfGE 69, 315, 363f. - "Brockdorf II"), in die wiederum die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs in der Hauptsache mit einzubeziehen sind.
Nach diesen Grundsätzen überwiegt hier das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse am Sofortvollzug in den aus dem Tenor ersichtlichen Punkten. Maßgeblich für die Interessenabwägung ist dabei, dass die Klage des Antragstellers nach derzeitigem Sachstand voraussichtlich nur in diesem Umfang Erfolg haben wird. Die versammlungsrechtlichen Beschränkungen werden sich aller Voraussicht nach nur teilweise als rechtmäßig erweisen.
Rechtsgrundlage für versammlungsrechtliche Beschränkungen ist § 8 Abs. 1 des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes (NVersG) vom 07.10.2010 (Nds. GVBl. S. 465). Danach kann die zuständige Behörde eine Versammlung unter freiem Himmel beschränken, um eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren.
Der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" umfasst dabei den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht. Unter "öffentlicher Ordnung" wird die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln verstanden, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird (BVerfGE 69, 315, 352).
Die "unmittelbare Gefährdung" i.S.d. § 15 Abs. 1 VersG setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an den der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgütern führt. Die Gefährdung muss nach dem gewöhnlichen Ablauf der Dinge unmittelbar bevorstehen, der Eintritt der Störung aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte bzw. nachweisbarer Tatsachen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen für sich allein nicht aus (BVerfGE 69, 315, 353 f.; BVerfGE 87, 399, 409; BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 2793/04 -, NVwZ 2008, 671, 672; BVerfG, Beschl. v. 04.09.2009 - 1 BvR 2147/09 - NJW 2010, 141, 142). Gefordert sind vielmehr konkrete ordnungsbehördliche Erkenntnisse als Grundlage der Gefahrenprognose, so z.B. je nach Gefahrentyp über die Zahl und den Kreis der zu erwartenden Versammlungsteilnehmer, über Aufrufe zu Gewalttaten oder sonstige konkrete Indizien für befürchtete Straftaten (BVerfG, Beschl. v. 21.04.2000 - 1 BvQ 10/00 -, NVwZ-RR 2000, 554, 555).
Der vom Antragsgegner im angefochtenen Bescheid verfügte Routenverlauf des vom Antragsteller angezeigten Aufzugs ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. Soweit die Abweichung von der angezeigten Route darauf beruht, dass der Antragsgegner die vom Beigeladenen zu 1) angezeigte Versammlung mit dem im Tatbestand wiedergegebenen Routenverlauf bestätigt hat, hält dies einer rechtlichen Überprüfung stand.
Es ist im Hinblick auf die Versammlungsfreiheit des Antragstellers nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner der Versammlung des Antragstellers nicht allein deshalb den Vorrang bei der Benutzung der Bahnhofstraße und hier insbesondere im Bereich vor dem Wincklerbad eingeräumt hat, weil die Anmeldung schon vorlag, bevor die Pläne für die konkrete Ausgestaltung der Gegenversammlung Niederschlag in einer Versammlungsanzeige gefunden hatten. Zum Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters gehört zwar die Entscheidung über Ort und Zeitpunkt der geplanten Versammlung. Kommt es zur Rechtsgüterkollision, kann das Selbstbestimmungsrecht aber durch Rechte anderer beschränkt sein. In diesem Fall ist für die wechselseitige Zuordnung der Rechtsgüter mit dem Ziel ihres jeweils größtmöglichen Schutzes zu sorgen. Wird den gegenläufigen Interessen Dritter oder der Allgemeinheit bei der Planung der angemeldeten Versammlung nicht hinreichend Rechnung getragen, kann die praktische Konkordanz zwischen den Rechtsgütern durch versammlungsbehördliche Auflagen hergestellt werden (vgl. BVerfGE 104, 92, 111; BVerfG, Beschl. v. 06.05.2005 - 1 BvR 961/05 -, NVwZ 2005, 1055, 1056). Der Prioritätsgrundsatz wird erst maßgebend, wenn die spätere Anmeldung allein oder überwiegend zu dem Zweck erfolgt, die zuerst angemeldete Versammlung an diesem Ort zu verhindern. Die zeitlich nachrangig angemeldete Veranstaltung hat allerdings nicht schon deshalb zurückzutreten, weil die geplante Versammlung des Erstanmelders einen Anstoß zur Durchführung der später angemeldeten Versammlung gegeben hat. Aufrufe zu Versammlungen reagieren häufig auf aktuelle Anstöße. Kommt es zu konkurrierenden Nutzungswünschen, ist eine praktische Konkordanz bei der Ausübung der Grundrechte unterschiedlicher Grundrechtsträger herzustellen. Dabei kann die Behörde aus hinreichend gewichtigen Gründen unter strikter Berücksichtigung des Grundsatzes inhaltlicher Neutralität von der zeitlichen Reihenfolge der Anmeldung einer Versammlung abweichen (BVerfG, NVwZ 2005, 1055, 1057).
Die Versammlung des Beigeladenen zu 1) ist zwar nicht darauf gerichtet, die Versammlung des Antragstellers zu verhindern, sie zielt aber doch darauf ab, in diesem Jahr selbst Teile der Bahnhofstraße und dort insbesondere den Platz vor dem Wincklerbad nutzen zu können und damit eine gleichzeitige Nutzung durch den Antragsteller auszuschließen. Motiv hierfür ist die Absicht, der - aus Sicht des Beigeladenen zu 1) - einseitig negativen Darstellung des Wincklerbades durch die Trauermärsche der rechten Szene entgegenzutreten und deutlich zu machen, dass sich mit dem Wincklerbad mehr verbindet als dessen Funktion als Verhörzentrum und Gefangenenlager in den Jahren 1945 bis 1947. Wie aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlich ist und durch die Äußerungen der Vertreter des Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung bekräftigt wurde, will man durch eine Versammlung am Wincklerbad als dem maßgeblichen Bezugspunkt der unterschiedlichen Sichtweisen einer breiten Öffentlichkeit deutlich machen, dass das Wincklerbad heute ein modernes Gesundheitszentrum ist, dessen Rolle in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg keiner Thematisierung durch die rechte Szene bedarf. Damit gewinnt der Raum vor dem Wincklerbad auch für die Versammlung des Beigeladenen zu 1) eine prägende Bedeutung, die der Antragsgegner bei seiner Entscheidung, in welcher Weise die konfligierenden Routenanzeigen bestätigt werden können, zu berücksichtigen hat. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller sehr frühzeitig lange im Voraus - bis zum Jahr 2030 - Versammlungen für den ersten Samstag im August auf der streitgegenständlichen Route angezeigt hat, was die - versammlungsrechtlich nicht billigenswerte - Absicht vermuten lässt, Gegenversammlungen auf dieser Strecke zu verhindern.
Als rechtlich nicht tragfähig erweist sich allerdings die Entscheidung des Antragsgegners, dem Antragsteller lediglich eine Zwischenkundgebung neben dem Wincklerbad in der Poststraße zu genehmigen. Wie sich insbesondere in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, ist es vielmehr möglich, sowohl dem Beigeladenen zu 1) als auch dem Antragsteller eine dem jeweiligen Anliegen gerecht werdende Versammlung in der Bahnhofstraße vor dem Wincklerbad zu ermöglichen. Die Versammlung des Beigeladenen zu 1) soll um 10:30 Uhr beginnen und mit einer Kundgebung in der Bahnhofstraße vor dem Wincklerbad enden. Der Beginn dieser Kundgebung ist für 12:30 Uhr vorgesehen. Angesichts dieser vom Beigeladenen zu 1) selbst gesetzten zeitlichen Vorgaben ist es nach Auffassung der Kammer zumutbar, die Versammlung um 14:00 Uhr zu beenden, um die nachfolgende Nutzung des Bereichs der Abschlusskundgebung durch den Antragsteller zu ermöglichen. Wie sich aus der Stellungnahme der in der mündlichen Verhandlung anwesenden Einsatzleiterin Frau Arnhold von der Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg ergibt, ist nach polizeilicher Einschätzung damit zu rechnen, dass jedenfalls zwei Stunden nach Beendigung der Versammlung des Beigeladenen zu 1) der Raum vor dem Wincklerbad für die Versammlung des Antragstellers zur Verfügung stehen wird, selbst wenn Teilnehmer der Versammlung nach deren Beendigung noch dort verbleiben sollten. Kann sonach eine Zwischenversammlung des Antragstellers vor dem Wincklerbad um 16:00 Uhr beginnen, ist es gerechtfertigt, den Beginn seiner Versammlung auf 14:00 Uhr festzusetzen und zusätzlich anzuordnen, dass die Einmündung von der Poststraße in die Bahnhofstraße erst ab 16:00 Uhr passiert werden darf. Unter Berücksichtigung des Routenverlaufs und der Absicht, eine Auftaktkundgebung durchzuführen, ermöglichen diese zeitlichen Vorgaben dem Antragsteller eine weitgehend seinen Vorstellungen entsprechende Versammlung; dies gilt auch dann, wenn es zu einer Verzögerung des Versammlungsbeginns etwa durch langdauernde Kontrollen oder Blockademaßnahmen kommen sollte. Er erhält eine repräsentative Aufzugsstrecke, die vor das Wincklerbad führt, wie es seinem in der Antragschrift formulierten Kernanliegen entspricht.
Schließlich steht der vom Antragsgegner bestätigten Routenführung auch nicht entgegen, dass diese über eine kurze Strecke mit der dem Beigeladenen zu 1) bestätigten Route identisch ist. Selbst wenn es in diesem Bereich zu Blockademaßnahmen kommen sollte, ist angesichts des großen zeitlichen Versatzes der Versammlung des Antragstellers damit zu rechnen, dass die Strecke bis dahin freigeräumt ist. Im Übrigen hat die Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, die Versammlung des Antragstellers selbst bei einer Blockade im Bereich der Fußgängerzone in die Poststraße führen zu können.
Soweit der Antragsgegner mit Ziffer 5 des Bescheides vom 19.07.2013 angeordnet hat, dass die Versammlungsteilnehmer keine Embleme oder Tätowierungen sichtbar tragen dürfen, die in den Augen der breiten Öffentlichkeit den Eindruck hervorrufen können, in Verbindung mit dem Nationalsozialismus zu stehen oder „Hass“ zu bedeuten, ist die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, weil sich dieses Verbot als rechtswidrig erweist. Der übrige, ebenfalls vom Antragsteller angegriffene Verfügungsteil ist rechtmäßig, so dass der Antrag insoweit abzuweisen ist. Die Kammer hat mit Urteil vom 17.12.2007 (10 A 3583/06) zu einer inhaltsgleichen Verfügung ausgeführt:
„Die Verfügung war zu unbestimmt. Inhaltlich hinreichende Bestimmtheit im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG setzt voraus, dass insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsakts die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann (Vgl. BVerwG, Urteil v. 29. September 1992, - 1 C 36.89 - juris). Es reicht aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheides, insbesondere aus seiner Begründung, unzweifelhaft erkennen lässt (BVerwG, Urteil v. 25. April 2001 - 6 C 6/00 - (BVerwGE 114, 160 (166 ff.) ). Dies ist hinsichtlich des Inhalts der genannten Verfügung nicht der Fall. Für den Betroffenen war unklar und nicht erkennbar, was in den Augen der breiten Öffentlichkeit den Eindruck erwecken könnte, „Hass“ zu bedeuten. Unklar war auch, wer mit der „breiten Öffentlichkeit“ gemeint war. Dies ergab sich auch nicht im Zusammenhang mit dem übrigen Inhalt der Verfügung.
8.
Die Verfügung, dass die Versammlungsteilnehmer keine Embleme oder Tätowierungen mit Bildern von Totenköpfen oder dem Schriftzug „Hass“ sowie keine Bekleidungsstücke mit Aufschriften, aus denen sich durch teilweises Überdecken die Buchstaben- bzw. Zahlenfolgen "NS", "NSD", NSDA", NSDAP", "SS", "SA", "ACAB", "18", "88" oder die Abkürzung bzw. erkennbare Abkürzungsteile weiterer verbotener Parteien oder Gruppierungen ergeben kann bzw. können, tragen durften, war rechtmäßig.
Diese Auflagen rechtfertigen sich wegen der ansonsten ernsthaft bestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Untersagung des Schriftzuges „Hass“ ist darauf zurückzuführen, dass dieser Begriff in der rechtsextremistischen Szene als Abkürzung für Begriffe wie „Ausländerhass“, „Judenhass“ oder „Nationalhass“ zu verstehen ist. Durch das sichtbare Tragen des Schriftzuges bei der Versammlung bestand die Gefahr der Erfüllung des Straftatbestandes des § 130 StGB (Volksverhetzung). Sofern die Auflage in der rechtsextremistischen Szene verwendete und nicht verbotene Ersatzsymbole bzw. Identifikationsmerkmale wie z.B. die Darstellung von Totenköpfen u.ä. betraf, bestand die Gefahr einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung durch eine einschüchternde Wirkung auf die Bevölkerung. Im Übrigen bestand die Gefahr, dass durch das gezielte Zurschaustellen der in der Verfügung genannten oder bedeutungsähnlicher Buchstaben- oder Zahlenfolgen auf Kleidungsstücken im Rahmen der Versammlung des Klägers der Straftatbestand des § 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, insbesondere einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation) erfüllt und damit die öffentliche Sicherheit gefährdet worden wäre.“
Der Vortrag der Beteiligten in diesem Verfahren bietet keine Veranlassung, von dieser Bewertung abzurücken.
Die unter Ziffer 8 zweiter Absatz des Bescheides vom 19.07.2013 enthaltene Forderung, die Redner und Rednerinnen eine Stunde vor Beginn der Versammlung gegenüber der Polizei oder Versammlungsbehörde zu benennen, dürfte sich im Klageverfahren als rechtswidrig erweisen, so dass insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen ist.
Die Rechtmäßigkeit einer solchen Beschränkung setzt voraus, dass die durch Tatsachen gestützte Befürchtung besteht, durch Äußerungen eines Redners werde die öffentliche Sicherheit oder Ordnung unmittelbar und nennenswert gefährdet. Zur Begründung einer derartigen Gefahr weist der Antragsgegner darauf hin, im Gefolge einer Versammlung in Bad Nenndorf im Jahr 2008 sei es wegen eines Redebeitrags zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Volksverhetzung gekommen. Auch wenn man von der Richtigkeit dieses Vortrags ausgeht, fehlt es an dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zu der Versammlung des Antragstellers, um ohne Hinzutreten weiterer - hier nicht benannter - Umstände die Vorlage einer Rednerliste zu verlangen. Unbenommen hiervon bleibt der Versammlungsbehörde die Befugnis, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Redner mit einem Redeverbot zu belegen.
Die Entscheidung über die Kostenverteilung beruht auf § 155 Absatz 1 Satz 1 VwGO und berücksichtigt den Umfang des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens. Anlass, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 für erstattungsfähig zu erklären, besteht nicht.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des festgesetzten Streitwertes folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Da bei Verfahren der vorliegenden Art durch die Entscheidung im Eilverfahren die Entscheidung in der Hauptsache faktisch vorweggenommen wird, ist es nicht gerechtfertigt, den im Hauptsacheverfahren mit dem Auffangwert anzunehmenden Streitwert für das vorläufige Rechtsschutzverfahren zu reduzieren.