Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 06.08.2013, Az.: 7 B 5860/13

Ermessen; Pingeln; Sondernutzungserlaubnis; Straßenhandel; Widerruf

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
06.08.2013
Aktenzeichen
7 B 5860/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 64369
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Unterscheidung von ambulantem Straßenhandel ("Pingeln") und befristetem ortsfestem Straßenhandel

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Auf entsprechende Anträge des Antragstellers vom 29. November 2012 erteilte ihm die Antragsgegnerin mit zwei Bescheiden vom 20. Dezember 2012 jeweils eine mit Widerrufsvorbehalt versehene Erlaubnis zur Sondernutzung an Ortsstraßen und Ortsdurchfahrten für einen ambulanten Straßenhandel im Umherziehen bzw. -fahren ("Pingelschein“) für den Zeitraum vom 01. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2013; die Erlaubnisse gelten jeweils für das gesamte Stadtgebiet der Antragsgegnerin außerhalb der Innenstadt und mit Ausnahme der D. und der Fußgängerzone der E. Straße.

Die Sondernutzungserlaubnisse umfassen jeweils den Handel mit Lebensmitteln, Getränken und Süßwaren auf einer Fläche von drei qm bzw. auf einem qm. In den Erlaubnisbescheiden heißt es, das beigefügte „Merkblatt“ werde Bestandteil des Bescheides. In diesem „Merkblatt“ definiert die Antragsgegnerin auf Seite 2 unter der Überschrift „Was ist ambulanter Handel („Pingeln“) im Gebiet der F.?“ das „Pingeln“ als Handel, welcher im Umherziehen und Umherfahren ausgeübt werde; das heiße, dass der Händler aus der Bewegung innehalte, um Kunden zu bedienen und sich anschließend sofort mit der Ware weiterbewege; dies könne z. B. zu Fuß, auf dem Fahrrad oder per Kraftfahrzeug ausgeübt werden. Wesentliches Merkmal sei, dass das Umherziehen bzw. -fahren nur zum ambulanten Verkauf unterbrochen werde.

Den Erlaubnissen ist als „Bedingungen und Auflagen“ u. a. die Regelung beigefügt, dass das Aufstellen zusätzlicher Einrichtungen wie Papierkörbe, Tische und Sitzgelegenheiten, Sonnenschirme o.ä. neben der Verkaufseinrichtung nicht gestattet ist.

Wegen der in dem Erlaubnisbescheid geregelten Gebietsbeschränkungen hat der Antragsteller Klage erhoben, die teilweise Erfolg hatte (Urteil der beschließenden Kammer vom 30.04.2013 - 7 A 498/13 -). Soweit der Antragsteller unterlegen ist, hat er hiergegen beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden ist (7 LA 44/13).

Die Antragsgegnerin hörte den Antragsteller mit Schreiben vom 29. Mai 2013, den Verfahrensbevollmächtigten zugestellt am 31. Mai 2013, zum beabsichtigten Widerruf der Sondernutzungserlaubnisse an. Bei Kontrollen im Bereich des Nordufers des Maschsees - anlässlich dreier Bundesliga-Spiele von G. - am 20. April 2013, am 04. Mai 2013 und am 18. Mai 2013 sowie im Bereich der H. -I. - anlässlich des J. -Konzertes in der K. -Arena - am 07. Mai 2013 und im Bereich Bahnhof Expo-Ost am 24. und 25. Mai 2013 - anlässlich des H. -I. -Festivals 2013 - seien Verstöße gegen die Auflagen, mit denen die Sondernutzungserlaubnisse versehen seien, festgestellt worden. Der Antragsteller betreibe tatsächlich einen stationären Verkaufsstand auf öffentlichen Flächen. Es sei über einen längeren Zeitraum keine Ortsveränderung vorgenommen worden, obwohl keine Kundschaft bedient worden sei. Der Aufbau des Standes und die angebotenen Artikel ließen ein Umherziehen auch nicht zu. Es sei bei zwei Gelegenheiten eine Lautsprecherbox auf einem Stativ platziert worden. Der Stand des Antragstellers werde regelmäßig von einem Kraftfahrzeug aus beliefert.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers nahmen hierzu mit Schreiben vom 14. Juni 2013 Stellung. Auf den Inhalt im Einzelnen wird verwiesen.

Mit vorliegend angegriffenem Bescheid vom 10. Juli 2013 widerrief die Antragsgegnerin die zwei dem Antragsteller unter dem 20. Dezember 2012 erteilten Sondernutzungserlaubnisse und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Art des Handels, die der Antragsteller betreibe, sei durch die ihm erteilten Erlaubnisse offensichtlich nicht gestattet, weil er seine Verkaufsgefährte nicht bewege und sie vielmehr nach Art eines ortsfesten Standes platziere, obwohl zwischenzeitlich über längere Zeiträume keine Kunden bedient würden. Dies sei bei den in dem Anhörungsschreiben beschriebenen Gelegenheiten sowie - nach der erfolgten Anhörung - anlässlich des L. -Konzertes vor der M. -Arena am 29. Mai 2013, eines N. -Konzerts auf der H. -Plaza am 01. Juni 2013 - der Antragsteller wurde insofern ergänzend angehört durch Schreiben vom 05. Juni 2013 -, eines Konzertes der „O.“ am 07. Juni 2013, der P. -Show in der K. -Arena am 15. Juni 2013 und des Q. -Konzertes in der K. -Arena am 03. Juli 2013 jeweils auf der H. -Plaza beobachtet worden. Darüber hinaus habe er bei verschiedenen Gelegenheiten neben der Verkaufseinrichtung eine Lautsprecherbox platziert, einmal einen Sonnenschirm aufgestellt sowie verschiedentlich neben der Verkaufseinrichtung Getränkekisten und einmal einen Stuhl für die Mitarbeiter des Antragstellers abgestellt. Die Antragsgegnerin führt die näheren tatsächlichen Umstände des Handeltreibens durch den Antragsteller bzw. dessen Mitarbeiter in dem Widerrufsbescheid aus; hierauf wird verwiesen. Es stehe daher im Ermessen der Antragsgegnerin, die Sondernutzungserlaubnisse zu widerrufen. Zweck des in den Erlaubnissen verfügten Widerrufsvorbehaltes sei es unter anderem, eine missbräuchliche Nutzung des öffentlichen Straßenraums zu verhindern. Die über den Zeitraum von fast zwei Monaten dokumentierten Beobachtungen des vermeintlichen Pingelhandels des Antragstellers zeigten, dass dieser unter Berufung auf die ihm erteilten Pingelscheine Verkaufsstände betreibe. Für eine solche Nutzung sehe die städtische Satzung ein anderes Erlaubnisverfahren vor, welches die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erlaube. Diesem Verfahren entziehe sich der Antragsteller und nehme der Antragsgegnerin die Möglichkeit, die Vereinbarkeit von Sondernutzung und Gemeingebrauch zu gewährleisten. Erschwerend komme hinzu, dass der Antragsteller diesen unerlaubten Handel nur auf Aufforderung in jedem konkreten Einzelfall einstelle. Tatsächlich habe der Antragsteller bei jeder beobachteten Gelegenheit zunächst einen unerlaubten Stand aufgestellt. Durch die Straßennutzung ohne die erforderliche Erlaubnis verschaffe sich der Sondernutzer einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern. Zudem würde andernfalls der Eindruck vermittelt, dass durch das Ignorieren öffentlich-rechtlicher Vorschriften Tatsachen zum eigenen Vorteil geschaffen werden könnten. Es habe sich gezeigt, dass der Antragsteller weder im Zuge der Anhörung noch auch auf entsprechende Aufforderung städtischer Mitarbeiter vor Ort sein rechtswidriges Verhalten eingestellt habe. Das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Sondernutzungssatzung und dem darin festgelegten Rahmen eines ambulanten Verkaufs im Umherziehen sei auch höher einzustufen als das Interesse des Antragstellers an dem Belassen der Erlaubnisse. Dieser habe die Möglichkeit, sich im Rahmen der ihm erlaubten Sondernutzung wirtschaftlich zu betätigen, nicht genutzt.

Es bestehe ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung. Nur so sei zu verhindern, dass der Antragsteller durch Erhebung einer Klage mittels deren aufschiebender Wirkung seine erlaubniswidrige Vorgehensweise fortsetzen könne.

Der Bescheid wurde am 17. Juli 2013 zugestellt.

Der Antragsteller sucht mit einem am 30. Juli 2013 beim Verwaltungsgericht Hannover eingegangen Antrag um vorläufigen Rechtsschutz nach. Zur Begründung lässt er im Wesentlichen ausführen, in dem angegriffenen Widerrufsbescheid beziehe sich die Antragsgegnerin auch auf angebliche Verstöße des Antragstellers vom 07. und 15. Juni 2013 sowie vom 03. Juli 2013 als Begründung für den Widerruf; die Anhörung sei jedoch bereits unter dem 29. Mai 2013 erfolgt. Gründe für das Unterbleiben einer erneuten Anhörung lägen gemäß § 28 Abs. 2 VwVfG nicht vor. In formeller Hinsicht liege damit keine ausreichende Anhörung vor.

Ohne diese zusätzlichen Vorhaltungen der Antragsgegnerin fehle es an einer ausreichenden Begründung für den Widerruf.

Der Antrag sei begründet, da keine Verkaufstätigkeit erfolgt sei, die den Sofortvollzug des Widerrufs rechtfertige. Die Definition in § 11 der Sondernutzungssatzung der Antragsgegnerin stelle lediglich klar, dass der ambulante Handel im Gegensatz zu einer stationären Tätigkeit nicht ortsfest sein dürfe. Das Umherziehen erfordere eine Mobilität, sofern keine "Bedienung vorhandener Kunden" erfolge. Der Begriff "Bedienung" sei im Zusammenhang mit der Verkaufstätigkeit an Passanten zu verstehen. Diese Tätigkeit beginne mit dem Anpreisen der Ware auf öffentlichen Wegen. Damit stehe im unmittelbaren Zusammenhang das Aufrüsten der Verkaufseinrichtung. Der Antragsteller verwende einen Tresen auf Rollen. Unter der eigentlichen Verkaufsfläche befinde sich ein Vorratsraum. Das Befüllen des Vorratsraums und das Herrichten der Verkaufsfläche gehörten daher zum "Bedienen". Das „Bedienen“ müsse im Zusammenhang mit "Kunden" erfolgen. Diese müssten "vorhanden" sein. Was vorhandene Kunden im ambulanten Handel seien, definiere die Satzung nicht näher. Das Vorhandensein erfordere eine gewisse Beziehung zu den Passanten. Diese werde nicht durch eine Entfernungsangabe (z.B. 1 km oder 100 m) zu bestimmen sein. Es könne auch nicht darauf abgestellt werden, ob die Kunden sichtbar seien. Der mit einem Kraftfahrzeug ausgestattete Eisverkäufer beispielsweise läute mit seiner Glocke die Kinder aus den Spielplätzen, Wohnungen und Hinterhöfen. Daher sei der Rechtsbegriff "vorhandene Kunden" an eine zeitliche Komponente zu koppeln. Habe ein ambulanter Händler auf sich aufmerksam gemacht (durch visuelle oder akustische Signale), müsse ihm die Gelegenheit gegeben werden abzuwarten, ob sich potentielle Kunden seinem Verkaufsstand näherten. Das "Merkblatt" der Antragsgegnerin stelle eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift dar. Diese sei nicht Bestandteil der Erlaubnis sondern eine Auslegungsrichtlinie, die gegenüber dem Antragsteller nicht bindend sei. Für die Auslegung sei hier zu berücksichtigen, dass eine jahrelang andauernde Übung bestehe, von der die Antragsgegnerin Kenntnis gehabt habe. Sie habe dennoch die jeweils zum Jahresanfang neu beantragte Erlaubnis ("Pingelschein") ohne Wenn und Aber erteilt.

§ 11 der Sondernutzungssatzung schränke die Grundrechte aus der Berufsfreiheit und allgemeinen Handlungsfreiheit ein. Aus der sog. Wesentlichkeitstheorie und dem sich abgeleiteten Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes folge die Verpflichtung für Behördenhandeln, dass dies ein hinreichendes Maß an Klarheit, Vollständigkeit und Verständlichkeit aufweisen müsse, um den Geboten des Rechtsstaatsprinzips stand zu halten. Diesem Gebot habe die Antragsgegnerin mit der Definition des ambulanten Handelns jedoch nicht ausreichend Rechnung getragen. Die Antragsgegnerin habe die Kontrollen des ambulanten Handels verschärft, um Konkurrentenschutz zu betreiben. Soweit der angegriffene Widerrufsbescheid bestimmte Vorkommnisse an einzelnen Tagen benenne, sei dem entgegen zu halten, dass neben der Verkaufseinrichtung bisweilen Getränkekästen platziert worden seien, um den Käufern die Entsorgung unmittelbar zu ermöglichen. Am 01. Juni 2013 hätten keine Verkaufsbemühungen stattgefunden, weil die Mitarbeiter des Antragstellers von den Kontrollpersonen der Antragsgegnerin bedrängt worden seien. Am 15. Juni 2013 und am 03. Juli 2013 habe der Antragsteller sehr wohl eine Ortsveränderung durchgeführt, nachdem der Besucherstrom abgerissen sei. Im Übrigen habe der Antragsteller am 15. Juni 2013 einen Caterer vor der K. -Arena beobachtet, der seinen Verkaufsstand unter Verletzung diverser Vorschriften betreiben habe, ohne von der Antragsgegnerin behelligt worden zu sein. Der Antragsteller habe die an diesem Tag neben dem Verkaufstresen aufgestellte Lautsprecherbox abgebaut, sobald er von den Mitarbeitern der Antragsgegnerin darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass dies nicht erlaubt sei. Er sei davon ausgegangen dies werde von der Antragsgegnerin geduldet, weil die Lautsprecherbox bis dahin nicht beanstandet worden sei. Im Rahmen der Abwägung sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller seinen Lebensunterhalt durch Straßenhandel verdiene. Die Einnahmen während des „R. festes“ im Jahr 2012 hätten über die Hälfte seines Jahresgewinns ausgemacht.

Der Antragsteller beantragt,

die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 10.07.2013 erlassene Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Sondernutzungserlaubnisse des Antragstellers vom 20.12.2012 mit der Maßgabe vorläufig aufzuheben, dass der Antragsteller eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid bis zum 19.08.2013 erhebt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie tritt dem Antrag entgegen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte zu diesem und des Retents zu dem Verfahren 7 A 498/13 verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist nicht begründet.

Das Gericht kann gemäß § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung einer vom Antragsteller erst noch zu erhebenden Anfechtungsklage gegen den formell gemäß § 80 Abs. 3 VwGO ordnungsgemäß mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen Widerruf der dem Antragsteller erteilten Sondernutzungserlaubnisse wiederherstellen, wenn das private Interesse des Antragstellers an der weiteren Ausnutzung der Erlaubnisse das besonders begründete öffentliche Interesse an der sofortigen Einstellung der Sondernutzung überwiegt. Der Antragsteller kann dabei den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gemäß Satz 2 der Vorschrift schon vor Erhebung der Anfechtungsklage stellen.

Vorliegend überwiegt das private Interesse des Antragstellers nicht, weil sich der Widerruf der ihm erteilten Sondernutzungserlaubnisse bei der - vorliegend nur möglichen - summarischen Überprüfung als rechtmäßig erweist und im Gegenteil zu befürchten ist, dass der Antragsteller bei Ermöglichung der Fortsetzung seiner Verkaufstätigkeit weitere straßenrechtliche Verstöße begehen wird.

1. Der Widerruf ist - entgegen der Ansicht des Antragstellers - nicht etwa bereits deshalb rechtwidrig, weil sich die Antragsgegnerin in dem angegriffenen Widerrufsbescheid auch auf solche Verstöße des Antragstellers gegen die Regelungen ihrer Sondernutzungssatzung bzw. gegen die den Sondernutzungserlaubnissen beigegeben Auflagen stützt, die aus der Zeit nach der Anhörung des Antragstellers mit den Schreiben vom 29. Mai 2013 und 05. Juni 2013 datieren. Der Antragsteller ist in dem Anhörungsschreiben dem Grunde nach mit all denjenigen Erwägungen konfrontiert worden, auf die die Antragsgegnerin die Widerrufsentscheidung zu stützen beabsichtigte und dann auch gestützt hat. Bereits darin hatte sie dem Antragsteller vorgehalten, es seien Verstöße gegen die Auflagen, mit denen die Sondernutzungserlaubnisse versehen seien, festgestellt worden. Der Antragsteller betreibe tatsächlich einen stationären Verkaufsstand auf öffentlichen Flächen, weil über einen längeren Zeitraum trotz fehlender Kundschaft keine Ortsveränderung vorgenommen worden sei. Der Aufbau des Standes und die angebotenen Artikel ließen ein Umherziehen auch nicht zu. Es seien u. a. Tische, ein Sonnenschirm und eine Lautsprecherbox aufgestellt worden. Soweit die Antragsgegnerin in dem angegriffenen Bescheid weitere Vorkommnisse aus dem danach liegenden Zeitraum zur Begründung des Widerrufs heranzieht, wird damit nicht - im Verhältnis zur Anhörung - ein anderer/neuer Sachverhalt der behördlichen Entscheidung zugrunde gelegt; vielmehr werden lediglich weitere Beispielsfälle beschrieben, die belegen, dass der Antragsteller die einschlägigen Satzungsregelungen bzw. die Auflagen, mit denen die Sondernutzungserlaubnisse versehen sind, nicht einhält.

2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den angegriffenen Widerruf der dem Antragsteller erteilten zwei Sondernutzungserlaubnisse liegen vor.

Gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen - wie hier durch § 18 Abs. 2 des Nds. Straßengesetzes -NStrG- und § 15 Abs. 2 der Satzung der Antragsgegnerin über die „Sondernutzung an Ortsstraßen und Ortsdurchfahrten in der F.“ vom 13. November 2008 (Gem. ABl. S. 467), geändert durch Satzung vom 24.5.2012 (Gem. ABl. S. 264) - Sondernutzungssatzung -SNS- oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist (Nr. 1), oder wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat (Nr. 2).

Gemäß § 18 Abs. 2 Sätze 1 und 2 NStrG darf eine Sondernutzungserlaubnis nur auf Zeit oder Widerruf erteilt werden; sie kann mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden.

Nach § 15 Abs. 2 lit. b) SNS kann der Widerruf der nach § 13 SNS erteilten Sondernutzungserlaubnis insbesondere ausgesprochen werden, wenn der Erlaubnisnehmer die ihm gestellten Bedingungen und Auflagen nicht erfüllt.

Der Widerruf ist vorliegend - wie dargelegt - durch Rechtsvorschrift und im Erlaubnisbescheid selbst vorbehalten.

Die einschlägigen Vorschriften der Sondernutzungssatzung sind nicht einer Auslegung zugänglich, wie sie der Antragsteller favorisiert. Die Sondernutzungssatzung der Antragsgegnerin unterscheidet für den öffentlichen Straßenraum in § 11 SNS ambulanten Handel („Pingeln“) durch den Betrieb von Straßenhandelsstellen einerseits und befristeten ortsfesten Handel andererseits. Gemäß § 11 Abs. 1 SNS ist ambulanter Handel der im Umherziehen bzw. -fahren ausgeübte Verkauf, wobei das Verweilen an einer Stelle lediglich der Bedienung vorhandener Kunden dienen darf und das Aufstellen zusätzlicher Einrichtungen wie Papierkörbe, Tische, und Stühle, Sonnenschirme o.ä. neben der Verkaufseinrichtung nicht gestattet ist. Abweichend hiervon wird in § 11 Abs. 3 SNS unter befristetem ortsfesten Handel u.a. das Aufstellen von ortsfesten und beweglichen Verkaufshäuschen oder -ständen verstanden. Entsprechend differenziert auch § 3 Abs. 1 und 2 SNS und Nrn. 1 sowie 2 der Anlage I zur Sondernutzungssatzung. Danach ist wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen dem „Pingeln“ einerseits und dem „befristeten ortsfesten Handel“, der auch aus einem beweglichen Verkaufsstand heraus möglich ist, andererseits, dass das „Pingeln“ (1.) im Umherziehen ausgeübt wird, (2.) dass der Verkäufer an einer Stelle nur zur Bedienung vorhandener Kunden verweilen darf und (3.), dass Nebeneinrichtungen wie z.B. Sonnenschirme und Musikanlagen unzulässig sind. Zieht der Verkäufer nicht umher oder wartet er an einem Punkt der Straße eine nicht nur unwesentliche Zeitspanne auf einen Neukunden oder versieht er seinen Verkaufsstand mit einer Nebeneinrichtung, wie z.B. einem Sonnenschirm, „pingelt“ er nicht mehr, sondern übt befristeten ortsfesten Handel - ggf. auch aus einem beweglichen Verkaufsstand heraus - aus. Dafür bedarf der Verkäufer einer anderen Sondernutzungserlaubnis; eine solche ist dem Antragsteller von der Antragsgegnerin nicht erteilt worden.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers enthalten die widerrufenen Sondernutzungserlaubnisse jeweils eine Definition des „Pingelns“. In den Erlaubnisbescheiden heißt es, das beigefügte Merkblatt werde Bestandteil des Bescheides. Die darin auf Seite 2 unter der Überschrift „Was ist ambulanter Handel („Pingeln“) im Gebiet der Landeshauptstadt Hannover?“ gegebene Definition des „Pingelns“ weicht nicht vom Regelungsgehalt des § 11 Abs. 1 SNS ab; ebenso stehen die den Erlaubnissen beigegebenen Nebenbestimmungen im Einklang mit § 11 SNS.

Die Unterscheidung zwischen „Pingeln“ und „befristetem ortsfesten Handel“ in der Sondernutzungssatzung der Antragsgegnerin verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Denn der Antragsgegnerin ist von § 18 NStrG kein „numerus clausus“ von regelbaren Sondernutzungen vorgegeben. Auch nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StVO ist das Anbieten von Waren und Leistungen aller Art auf der Straße nur dann verboten, wenn dadurch Verkehrsteilnehmer in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können. Diese Voraussetzung hat der Satzungsgeber ersichtlich beim „Pingeln“ in seinem Straßenraum verneint, das er zudem gemäß § 11 Abs. 2 SNS vom Besitz einer Reisegewerbekarte nach § 55 GewO abhängig macht.

Der Antragsteller hat gegen diese rechtlichen Vorgaben verstoßen und mit seiner Verkaufstätigkeit keinen ambulanten Straßenhandel im Umherziehen ausgeübt, sondern einen befristeten ortsfesten Handel betrieben, für den er weder eine Erlaubnis beantragt hatte, noch eine entsprechende Erlaubnis innehat, indem er auch bei Ausbleiben von Kunden seinen Verkaufsstand nicht fortbewegt hat und indem er zusätzliche Einrichtungen wie Tische, einen Sonnenschirm und Lautsprecher verwendet hat. Dies hat die Antragsgegnerin vorliegend hinreichend dargelegt:

Am 20. April 2013, am 04. Mai 2013 und am 18. Mai 2013 - anlässlich dreier Bundesliga-Spiele von G. - habe der Antragsteller jeweils im Bereich des Nordufers des Maschsees mit kleinen Rollen versehene Tresenteile mit Sonnenschirmen nebeneinander sowie eine Lautsprecherbox auf einem Stativ aufgestellt sowie daneben eine Vielzahl von Bierkästen und weitere Getränkekisten abgestellt. Am 04. Mai 2013 und am 18. Mai 2013 sei die Verkaufseinrichtung über einen längeren Zeitraum nicht bewegt worden, obwohl keine Kundschaft bedient worden sei. Die Verkaufseinrichtung sei von einem Kraftfahrzeug vom Typ S. beliefert worden, der hinter der Verkaufseinrichtung platziert worden sei.

Am 07. Mai 2013 habe der Antragsteller im Bereich der H. -Plaza anlässlich des J. -Konzertes in der K. -Arena den beschriebenen Verkaufsstand aufgebaut und eine Lautsprecherbox mit Stromgenerator aufgestellt. Die Verkaufseinrichtung sei über einen längeren Zeitraum nicht bewegt worden, obwohl keine Kundschaft bedient worden sei. Die Verkaufseinrichtung sei von einem Kraftfahrzeug vom Typ S. beliefert worden, der hinter der Verkaufseinrichtung platziert worden sei.

Am 24. Mai 2013 - anlässlich des T. -Festivals auf der H. -Plaza - am 25. Mai 2013 - anlässlich der sogenannten „U. Starshow" auf der H. -Plaza - und am 01. Juni 2013 - anlässlich des N. -Konzertes auf der Expo-Plaza - seien im Wesentlichen die gleichen Beobachtungen wie am 07. Mai 2013 gemacht worden.

Am 15. Juni 2013 - anlässlich der P. -Show in der K. -Arena - habe der Antragsteller wiederum Tresenteile, welche mit kleinen Rollen versehen seien, nebeneinander auf der H. -Plaza aufgestellt. Neben der Verkaufseinrichtung seien leere Bierkästen gestapelt worden. Eine wesentliche Ortsveränderung der Verkaufseinrichtung sei auch nicht erfolgt, als keine Kunden mehr bedient worden seien.

Am 03. Juli 2013 - anlässlich des Q. -Konzertes in der K. -Arena - habe der Antragsteller wiederum den bereits beschriebenen Verkaufsstand auf der H. -Plaza aufgestellt. In unmittelbarer Nähe zur Verkaufseinrichtung sei ein Kraftfahrzeug des Typs S. platziert gewesen, in dem laut Auskunft der Mitarbeiter des Antragstellers Würstchen und Getränke gelagert worden seien. Eine wesentliche Ortsveränderung der Verkaufseinrichtung sei auch dann nicht erfolgt, als keine Kunden mehr bedient worden seien. Eine Mitarbeiterin des Antragstellers habe auch auf Aufforderung ein Umherziehen nicht gewährleisten können.

Die Sachverhalte sind in dem vorgelegten Verwaltungsvorgang jeweils durch Fotos und Vermerke von Mitarbeitern der Antragsgegnerin oder eine schriftliche Mitteilungen eines Mitarbeiters der V. GmbH belegt. Der Antragsteller bestreitet diese tatsächlichen Umstände in seinem Antragsvorbringen auch nicht substantiiert. Vielmehr vertritt der Antragsteller die Ansicht, dass sich die Art und Weise seines Handeltreibens (noch) in dem Rahmen hält, den die Regelungen des § 11 SNS und die Nebenbestimmungen, die den widerrufenen Erlaubnissen beigegeben sind, beschreiben. Dies ist jedoch - wie bereits dargelegt - nicht der Fall.

3. Die gebotenen summarische Prüfung lässt nicht erkennen, dass die Antragsgegnerin ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.

Durchgreifende Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Antragsgegnerin einen hinsichtlich der entscheidungserheblichen Umstände unzutreffenden und/oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, sind von dem Antragsteller - der bei der rechtlichen Wertung des von der Antragsgegnerin ermittelten Sachverhalts lediglich zu einem anderen Ergebnis gelangt - nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Weiterhin hat die Antragsgegnerin ihr Ermessen nach dem Sinn und Zweck der zugrunde liegenden Vorschriften ausgeübt. Dieser liegt darin zu prüfen, ob die streitgegenständliche Nutzung mit straßenrechtlichen Belangen in Einklang zu bringen ist und ob insbesondere die Schutzgüter der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs aufgrund der Nutzung beeinträchtigt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die angestellten Erwägungen einen Bezug zur Straße aufweisen.

Die Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin sind nach diesem Maßstab rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit diese darauf abhebt, Zweck des in den Erlaubnissen verfügten Widerrufsvorbehaltes sei es unter anderem, eine missbräuchliche Nutzung des öffentlichen Straßenraums zu verhindern; für die von dem Antragsteller vorgenommene Nutzung sehe die städtische Satzung ein anderes Erlaubnisverfahren vor, welches die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erlaube; diesem Verfahren entziehe sich der Antragsteller und nehme der Antragsgegnerin die Möglichkeit, die Vereinbarkeit von Sondernutzung und Gemeingebrauch zu gewährleisten, stellt sie auf den dargelegten Sinn und Zweck straßenrechtlicher Vorschriften ab.

Die Antragsgegnerin hat in dem angegriffenen Bescheid die wirtschaftlichen Konsequenzen des Widerrufs für den Antragsteller berücksichtigt und ist dabei zu dem nicht zu beanstandenden Ergebnis gekommen, dass ein schützenswertes Vertrauen des Antragstellers in den Fortbestand der ihm erteilten Sondernutzungserlaubnis aufgrund des Widerrufsvorbehalts nicht entstehen konnte.

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht erkennbar. Die Antragsgegnerin ist neben dem Antragsteller auch gegen denjenigen weiteren „Pingelscheininhaber“, bei dem sie ebenfalls ein nicht mit § 11 SNS in Einklang stehendes Handeltreiben festgestellt hat, mit einer Widerrufsentscheidung vorgegangen (vgl. das Parallelverfahren 7 B 5861/13). Dass die Antragsgegnerin etwa gegen andere Inhaber einer solchen Sondernutzungserlaubnis, die in ähnlicher Weise wie der Antragsteller gegen die einschlägigen Vorschriften und Nebenbestimmungen verstoßen, nicht einschreitet, ist nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller in seiner Antragschrift auf einen Caterer verweist, der am 15. Juni 2013 vor der K. -Arena einen Verkaufsstand unter Verletzung diverser Vorschriften betrieben habe, ohne von der Antragsgegnerin behelligt worden zu sein, ist dieser Vortrag zu wenig substantiiert, weil der Caterer weder zu identifizieren ist, noch Informationen geliefert werden, dass dieser nicht über eine entsprechende Erlaubnis verfügt hat.

Der Widerruf erweist sich auch als verhältnismäßig. Die Antragsgegnerin hat in dem angegriffenen Bescheid nachvollziehbar und beanstandungsfrei dargelegt, dass der Widerruf ein geeignetes, hier erforderliches und nicht überzogenes Mittel darstellt, um den Antragsteller davon abzuhalten, weiterhin gegen die einschlägigen straßenrechtlichen Vorschriften zu verstoßen, weil der Antragsteller seinen unerlaubten Handel nur auf Aufforderung in jedem konkreten Einzelfall einstelle; tatsächlich habe der Antragsteller bei jeder beobachteten Gelegenheit zunächst einen unerlaubten Stand aufgestellt; weder im Zuge der Anhörung, noch auch auf entsprechende Aufforderung städtischer Mitarbeiter vor Ort habe er sein rechtswidriges Verhalten eingestellt.

Zutreffend weist die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Antragsteller die Möglichkeit, sich im Rahmen der ihm erlaubten Sondernutzung wirtschaftlich zu betätigen, nicht genutzt habe.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1 und 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und folgt der Wertangabe des Antragstellers.