Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 20.02.2002, Az.: 2 U 261/01
Abrechnung; Allgemeine Versicherungsbedingungen; Anerkenntnisverbot; Anerkennungsverweigerung; Anspruchsanerkenntnis; Auktionator; Ausnahmeregelung; Berufshaftpflichtversicherung; Einlieferer; Einstandspflicht; Gebotsstundung; Haftpflichtanspruch; Haftungsübernahme; Leistungsausschluss; Nichteingang; Obliegenheitsverletzung; offenbare Unbilligkeit; Ratenzahlungsvereinbarung; Schadenminderungspflicht; Unwirksamkeit; Vermögenschadenshaftpflichtversicherung; Versteigerungserlös; Zuschlagserteilung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 20.02.2002
- Aktenzeichen
- 2 U 261/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43741
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG - 20.02.2002 - AZ: 5 O 899/98
Rechtsgrundlagen
- § 154 Abs 2 VVG
- § 5 Nr 2 VermSchAVB
- § 5 Nr 3 VermSchAVB
- § 6 Nr 13 VermSchAVB
- § 5 Abs 5 AHB
- § 6 Abs 3 VVG
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. Oktober 2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Aurich wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die zweite Instanz und der Wert der Beschwer betragen 5.624,21 €.
Gründe
<Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofes: Der Tatbestand wurde vom Gericht nicht mitgeteilt.>
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Landgericht hat dem Kläger zu Recht einen Anspruch auf die Versicherungsleistung aus der von ihm bei der Beklagten u. a. für seine berufliche Tätigkeit als Auktionator unterhaltenen Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung zuerkannt.
1. Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch. Bei Eingang der Klageschrift am 02.09.1998 war die Klageforderung (soeben) noch nicht verjährt. Die Verjährung hatte mit dem Ablauf des Jahres 1995 begonnen, sie war aber zwischenzeitlich ausreichend lange gehemmt gewesen, und zwar, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, bereits seit dem Eingang des Schreibens vom 09.01.1997 und bis zum Eingang der Leistungsablehnung der Beklagten am 17.09.1998. Das Schreiben vom 09.01.1997 enthielt nicht lediglich eine allgemeine Anfrage zum Versicherungsschutz. Der Kläger hat vielmehr deutlich gemacht, daß er beabsichtigte, die Beklagte aus der Versicherung in Anspruch zu nehmen, weil ein Auktionskäufer nicht bezahlt hatte. Die Beklagte hat dieses Schreiben ersichtlich auch so verstanden, da sie mit Schreiben vom 22.01.1997 eine genaue Schilderung des Sachverhalts erbeten hat, um beurteilen zu können, ob eine Deckungszusage erteilt werden konnte. Der Beklagten war somit bewußt, daß sie aus der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung in Anspruch genommen werden sollte. Das ihr das Schreiben vom 09.01.1997 abweichend vom gewöhnlichen Postlauf nicht alsbald zugegangen ist, zeigt die Berufung nicht auf.
2. Auch der Einwand der Berufung, der Kläger habe durch Auszahlung des Versteigerungserlöses, das heißt hier auch des an ihn vom Bieter S... bei Fälligkeit am 11.09.1995 nicht gezahlten Betrages, für den u. a. der Schlepper IHC 120 PS (Nr. 87 der Versteigerungs-Niederschrift) zugeschlagen worden war, unter Verstoß gegen § 5 Nr. 3 a) Abs. 2 der vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVB) den Haftpflichtanspruch gegenüber dem Landwirt B... mit der Folge von Leistungsfreiheit der Beklagten gemäß § 6 Nr. 1 AVB anerkannt, greift letztlich nicht durch.
a) Von der - unwiderlegt - vorsätzlichen Verletzung einer vertraglich übernommenen Obliegenheit ist insoweit freilich auszugehen. Versicherungsschutz bestand nach den durch den Versicherungsschein belegten besonderen Vereinbarungen für die berufliche Tätigkeit des Klägers als Auktionator für den Fall, daß der Kläger bei einer Versteigerung den Zuschlag gegen vereinbarte Ratenzahlung oder Stundung des Gebotes erteilte und die Haftung für den Eingang des Versteigerungserlöses übernommen hatte. So war es hier nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme geschehen. Der Versicherungsfall ist deshalb nach dem Nichteingang des Versteigerungserlöses bis zum 25.09.1995 mit der Inanspruchnahme des Klägers durch seinen Auftraggeber eingetreten, also spätestens, als der Kläger mit seinem Auftraggeber abrechnete und dabei seiner Einstandspflicht trotz Nichteingangs des hier in Rede stehenden Versteigerungserlöses genügte. Der Kläger hat darum zugleich spätestens durch die Auszahlung des Abrechnungsbetrages am 30. 11.1995 ohne Rücksicht auf die bis dahin noch nicht bei ihm eingegangenen Zahlungen die in § 5 Nr. 3 a) Abs. 2 AVB vereinbarte (Unterlassungs-)Obliegenheit verletzt.
b) Gleichwohl ist Leistungsfreiheit der Beklagten nicht eingetreten, weil sie für den vorliegenden Fall nicht wirksam vereinbart war. In § 6 Nr. 1 AVB ist allerdings allgemein bestimmt, daß der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, wenn eine Obliegenheit verletzt wird, die nach § 5 ihm gegenüber zu erfüllen ist. Indessen gilt § 154 Abs. 2 VVG; in § 6 Nr. 1 AVB fehlt - anders als etwa in § 5 Nr. 5 AHB - eine gesetzeskonforme Ausnahmeregelung dahin, daß Leistungsfreiheit nicht eintritt, wenn der Versicherungsnehmer nach den Umständen die Befriedigung oder Anerkennung des Haftpflichtanspruchs nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigern konnte, wie es hier - ersichtlich - der Fall war. Im Blick auf die - halbzwingende - Regelung des § 154 Abs. 2 VVG greift § 6 Nr. 1 AVB folglich in einem Fall der vorliegenden Art nicht, soweit das vereinbarte Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot in Rede steht (vgl. auch Späte, Haftpflichtversicherung, § 5 AHB Rdnr. 58).
3. Schließlich besteht auch keine Leistungsfreiheit der Beklagten wegen der – an sich offensichtlichen - Verletzung der Obliegenheit des Klägers zur Anzeige des Versicherungsfalls spätestens innerhalb einer Woche nach Eintritt gemäß § 5 Nr. 2 Abs. 1 i. V. m. § 6 Nr. 1 AVB.
a) Das Landgericht hat hierzu mit näherer Begründung festgestellt, daß der Kläger nicht vorsätzlich gehandelt habe. Das greift die Berufung nicht an, so daß weiterhin von fehlendem Vorsatz auszugehen ist.
b) Die Berufung wendet sich lediglich gegen die Ausführungen des Landgerichts dahin, daß die grob fahrlässige Verletzung der Anzeigepflicht durch den Kläger „nicht relevant“ geworden sei, so daß sie für den Kläger „folgenlos“ bleibe, weil die Beweisaufnahme ergeben habe, „daß auch die Beklagte zur Sicherung und Durchsetzung ihrer Ansprüche in Rumänien nicht mehr erreicht hätte als der Kläger.“
Das ist im rechtlichen Ansatz nicht überzeugend, jedenfalls mißverständlich formuliert; die tatsächliche Feststellung, auch die Beklagte hätte zur Sicherung und Durchsetzung - natürlich nicht „ihrer“ Ansprüche, sondern - der Ansprüche des Klägers in Rumänien nicht mehr erreicht als der Kläger, rechtfertigt aber die Anwendung der Regelung des § 6 Nr. 1 Satz 2 und 3 AVB, die das Landgericht im Sinn gehabt haben könnte. Danach bleibt - insoweit entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 VVG - der Versicherer bei grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit aus § 5 AVB zur Leistung insoweit verpflichtet, als die Verletzung Einfluß weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat; handelt es sich hierbei um die Verletzung von Obliegenheiten zwecks Abwendung oder Minderung des Schadens, so bleibt der Versicherer zur Leistung insoweit verpflichtet, als der Umfang des Schadens auch bei gehöriger Erfüllung der Obliegenheiten nicht geringer gewesen wäre.
Die angesprochene tatsächliche Feststellung hat das Landgericht zu Recht aufgrund der erhobenen Beweise getroffen. Ob der Schlepper mittels des Carnet -TIR nach R... hätte ein- und wieder ausgeführt werden können, spielt dabei schon keine Rolle. Entscheidend ist nämlich, daß er tatsächlich ohne das TIR-Verfahren nach Rumänien verbracht worden ist. Sowohl der Zeuge S... als auch der Zeuge S... haben bekundet, daß die Rückführung letztlich daran gescheitert ist, daß die von S... ersteigerten landwirtschaftlichen Geräte ohne reguläre, zur Wiederausfuhr geeignete Einfuhrpapiere nach R... verbracht worden waren. Der Aussage des Zeugen S... kommt dabei besonderes Gewicht zu, da er selbst Maschinen im Wert von einer halben Million DM an den Zeugen S... veräußert und somit ein erhebliches Interesse an einem Rücktransport hatte. Dieser war jedoch in der konkreten Situation nicht möglich.
Demgegenüber könnten die von der Beklagten gegenbeweislich angebotenen Auskünfte bzw. ein Sachverständiger allenfalls die nicht auf die tatsächlichen Besonderheiten des vorliegenden Falls abgestimmte Frage klären, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen theoretisch alsbald nach einer Schadensmeldung noch im Jahr 1995 eine Rückführung auf Veranlassung der Beklagten möglich gewesen wäre. Einen konkreten Weg hierfür, den die Beklagte bei früherer Anzeige des Versicherungsfalls - mit einiger Erfolgsaussicht - eingeschlagen hätte, zeigt indessen auch die Berufung nicht auf, so daß der in Rede stehenden Feststellung des Landgerichts zu folgen ist (§ 286 ZPO).
4. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO a.F., §§ 542, 543 ZPO n.F.