Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 15.02.2007, Az.: 2 W 136/06
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 15.02.2007
- Aktenzeichen
- 2 W 136/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 59279
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2007:0215.2W136.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Göttingen - 15.08.2006 - AZ: 6 T 31/05
In der Notarkostenbeschwerdesache
betreffend die Kostenrechnung der Notarin
...
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht
... am 15. Februar 2007 beschlossen:
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde werden der Beschluss des Landgerichts Göttingen vom 15.08.2006 - Geschäftsnummer: 6 T 31/05 - sowie die Kostenrechnung der handelnden Notarin in der Fassung vom 14. April 2005, Rechnungsnummer ... in Höhe von 6 362,89 EUR aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens hat die handelnde Notarin zu tragen.
Der Wert des weiteren Beschwerdeverfahrens wird auf 6 362,89 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Durch den angefochtenen, hiermit in Bezug genommenen Beschluss hat das Landgericht Göttingen die Beschwerde des Kostenschuldners zurückgewiesen, mit der er sich gegen die Kostenrechnung der handelnden Notarin vom 14.04.2005 gewandt hat. Gegen diese dem Kostenschuldner am 25. August 2006 zugestellte Entscheidung wendet er sich mit seinem am 15. September 2006 beim Oberlandesgericht Braunschweig eingegangenen Rechtsmittel.
Er ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Landgerichts Göttingen auf Rechtsfehler im Sinne des § 27 FGG beruht. Die vom Landgericht Göttingen getroffene Feststellung, wonach er die handelnde Notarin in ihrer Eigenschaft als Notarin auch für die Antragstellung beim Grundbuchamt in Anspruch genommen habe und deswegen ein öffentlich-rechtliches Gebührenschuldverhältnis zustande gekommen sei, sei im Ergebnis falsch. Die dieser Feststellung zugrunde liegende Auslegung halte einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand, weil sie nicht alle auslegungsrelevanten Umstände berücksichtige. Insbesondere seien die neben dem Schreiben vom 18.03.2005 geführten Telefonate zu berücksichtigen. Zudem vernachlässige das Landgericht einen Brauch zwischen Notaren, wonach derartige Leistungen kostenlos erbracht würden. Darüber hinaus beruhe die landgerichtliche Auslegung auf unzutreffenden Vorstellungen bezüglich des Haftungsrisikos.
Im Übrigen hätte die handelnde Notarin, wenn sie entsprechend liquidieren will, ihn, den Kostenschuldner, zuvor darauf hinweisen müssen, dass es einen kostengünstigeren Weg für die Einreichung der Anträge gegeben habe.
Er beantragt,
- 1.
den bezeichneten Beschluss des Landgerichts aufzuheben und die Kostenrechnung der Beschwerdegegnerin vom 24.03.2005 in der Fassung vom 14.04.2005 nach Maßgabe der Anträge des Beschwerdeführers vom 1. Juni 2005 im Erstbeschwerdeverfahren aufzuheben bzw. zu ermäßigen,
- 2.
der Beschwerdegegnerin die gerichtlichen Auslagen und die außergerichtlichen Auslagen des Beschwerdeführers aufzuerlegen.
Die handelnde Notarin beantragt,
die Beschwerde vom 12. September 2006 kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II.
1.
Die weitere Beschwerde ist infolge ihrer Zulassung durch das Landgericht Göttingen statthaft, § 156 Abs. 2 Satz 2 KostO. Auch im Übrigen ist sie verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere ist sie gemäß § 156 Abs. 2 Satz 1 KostO binnen einer Notfrist von 1 Monat seit der Zustellung der Entscheidung des Landgerichts Göttingen eingelegt worden und somit zulässig.
2.
Das eingelegte Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Es ist begründet, denn die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 156 Abs. 2 Satz 3 KostO, § 545 Abs. 1 ZPO).
a) Der handelnden Notarin steht der mit der Kostenrechnung vom 14. April 2005 geltend gemachte Gebührenanspruch nicht zu. Voraussetzung der Erhebung einer Gebühr gemäß § 147 Abs. 2 KostO ist, dass ein Notar gerade im Auftrag eines Beteiligten tätig geworden ist, es sich dabei um eine speziell notarielle Tätigkeit handelt und keine andere gesetzliche Gebührenvorschrift besteht. Insbesondere darf kein Fall nach § 147 Abs. 1 KostO vorliegen. Diese Voraussetzungen sind jedoch schon deshalb nicht gegeben, weil die handelnde Notarin vom Kostenschuldner ausschließlich in ihrer Funktion als Notarin beauftragt worden ist, in das Grundbuch einzusehen, weshalb ihr lediglich ein Gebührenanspruch aus § 147 Abs. 1 Satz 1 KostO zustehen kann, den sie jedoch vorliegend nicht geltend macht.
Dazu im Einzelnen:
aa) Das Landgericht Göttingen geht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend davon aus, dass es sich bei dem Stellen von Anträgen beim Grundbuchamt um eine notarielle Tätigkeit handeln kann. Dieses ergibt sich aus § 147 Abs. 4 Nr. 1 KostO, der diesbezüglich bestimmt, dass diese Tätigkeit keine zusätzliche Gebühr auslöst, wenn die Übermittlung des Antrags mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit des Notars im Zusammenhang steht. Damit die Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO entsteht und von der handelnden Notarin verlangt werden kann, ist aber weiterhin erforderlich, dass sie entsprechend beauftragt worden ist.
bb) Nicht zu beanstanden ist auch der weitere Ansatz des Landgerichts, dass sich eine solche Beauftragung aus dem Schreiben vom 18.03.2005 durch Auslegung ergeben kann. Eine Auslegung dieses Schreibens war nämlich geboten, weil aus ihm nicht eindeutig hervorgeht, in welchem Umfang und vor allen Dingen in welcher Eigenschaft die handelnde Notarin für den Kostenschuldner tätig werden sollte.
cc) Der weiteren Auslegung des Landgerichts kann sich der Senat indes nicht anschließen. Die Auslegung, dass dem Schreiben auch die Erklärung zu entnehmen sei, dass die handelnde Notarin in ihrer Funktion als Notarin zudem durch den Kostenschuldner mit der Antragstellung beim Grundbuchamt beauftragt worden ist, ist rechtsfehlerhaft.
Die Auslegung einer Erklärung kann im Rahmen der weiteren Beschwerde vom Senat nur daraufhin überprüft werden, ob die Vorinstanz alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt, gesetzliche und allgemein anerkannte Auslegungsregeln, allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze beachtet oder eine in Betracht kommende andere Auslegung überhaupt nicht erwogen hat. Solche Fehler liegen jedoch vor. Das Landgericht hat bei seiner Auslegung zum einen wesentliche Aspekte, auf die das Auftragsschreiben vom 18.03.2005 Bezug nimmt und die zudem von der handelnden Notarin unstreitig gestellt werden, nicht berücksichtigt, und zum anderen Überlegungen zum Haftungsrisiko in die Betrachtung mit einbezogen, die so nicht zutreffend sind.
(1) Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten muss davon ausgegangen werden, dass die handelnde Notarin mit dem Schreiben vom 18.03.2005 nicht den Auftrag erhalten sollte, eigenständig als Notarin haftungsbegründende Anträge beim Grundbuchamt zu stellen. Mit Schriftsatz vom 28.06.2005 (dort Seite 2 unten/Bl. 25 d. A.) hat die handelnde Notarin hierzu ausgeführt, dass im Anschluss an das Schreiben vom 18.03.2005 ein Gespräch zwischen Frau B...., einer Mitarbeiterin ihres Büros, und Herrn S...., einen Mitarbeiter des Kostenschuldners, explizit zu der Frage stattgefunden habe, was geschehen solle, falls im Rahmen der Grundbucheinsicht festgestellt werde, dass dort Anträge vorlägen. Daraufhin habe Herr S.... entgegnet, dass ungeachtet dessen die vom Kostenschuldner vorbereiteten und ihr übersandten Anträge einzureichen seien und damit unmissverständlich deutlich gemacht, dass die handelnde Notarin keine eigene Prüfungskompetenz ausüben solle, sondern lediglich, so wie vom Kostenschuldner vorgetragen, diesbezüglich eine schlichte Botentätigkeit auszuführen habe. Das Auftragsschreiben vom 18.03.2005 umfasste deshalb gerade nicht als Angelegenheit, Anträge beim Grundbuchamt als Notarin zu stellen, sondern diese, die der Kostenschuldner bereits vollständig vorbereitet hatte, nur dort abzugeben.
Etwas anderes hat die handelnde Notarin bzw. der von ihr amtlich bestellte Vertreter letztlich auch nicht getan. Dieses ergibt sich auch aus den zur Akte gereichten Unterlagen, welche mit dem Zusatz "Sicherstellung AV!!!" überschrieben sind (Bl. 8-14 d. A.). Darin erklärt der amtlich bestellte Vertreter der handelnden Notarin ausdrücklich, dass er vor Antragsabgabe das Grundbuch eingesehen und den neuesten Stand ergänzt habe. Auch wenn diese Erklärung textlich vom Kostenschuldner so vorgefertigt waren, muss sich die handelnde Notarin den Erklärungsinhalt zurechnen lassen, weil sie diesen vor der Unterzeichnung geprüft und so für richtig befunden hat. Schließlich handelt es sich insoweit um die Abgabe einer eigenen Erklärung in ihrer Funktion als Notarin. Sie wurde nämlich in dieser Funktion beauftragt, das Grundbuch einzusehen und das Ergebnis mitzuteilen.
(2) Eine andere Betrachtungsweise bezüglich des Auftragsumfangs drängt sich auch nicht vor dem Hintergrund etwaiger Haftungsfragen auf. Entgegen der in der angefochtenen Entscheidung dargelegten Rechtsansicht ist nicht ersichtlich, warum die handelnde Notarin bei der Abgabe der Anträge zur Minimierung des Haftungsrisikos in ihrer Funktion als Notarin eingeschaltet werden musste. Die Anträge hätte der Kostenschuldner bei gleichem Haftungsrisiko auch direkt an das Grundbuchamt übersenden können. Indem er die Anträge der handelnden Notarin mit der Bitte übersandte, diese im Anschluss an die Einsicht der Grundbücher dort abzugeben, verringert sich das Haftungsrisiko nicht. Soweit das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausführt, dass der Kostenschuldner "die Notarin bzw. den Notarvertreter in ihrer Eigenschaft als Amtsperson in Anspruch nehmen wollte, um der Erfüllung seiner Pflicht gegenüber den Vertragsparteien gewiss zu sein", erschließt sich dem Senat nicht, wieso hierdurch eine höhere Gewissheit entstehen sollte. Die Übersendung der Anträge an die handelnde Notarin birgt dasselbe postalische Verlustrisiko wie die Übersendung an das Grundbuchamt. Die Übersendung an die handelnde Notarin führt allenfalls zu einem höheren Verlustrisiko, weil eine weitere sachgerechte Behandlung der Anträge im Notariat der handelnden Notarin notwendig wird. Auch die Überwachung des Zuganges ist gleich schwierig bzw. zuverlässig möglich. Ob die Anträge das Grundbuchamt erreichen, kann nämlich ebenso wie die erfolgreiche Übersendung der Anträge an die handelnde Notarin durch telefonische Nachfrage bei dem jeweiligen Adressaten erfragt werden. Es bestand deshalb sowohl objektiv als auch für die handelnde Notarin erkennbar kein sachgerechtes Interesse des Kostenschuldners, diese für ein ansonsten kostenfreies Nebengeschäft (§ 147 Abs. 4 Nr. 1 KostO) zusätzlich mit einer kostenauslösenden Stellung der Anträge beim Grundbuchamt zu beauftragen.
(3) Bei Abwägung sämtlicher Umstände ergibt sich daher, dass der Kostenschuldner ausschließlich die handelnde Notarin mit dem Schreiben vom 18.03.2005 in ihrer Funktion als Notarin mit der Einsicht in das Grundbuch beauftragt hat, weil sie aufgrund ihrer Stellung als Notarin und der personellen Ausstattung hierfür am kompetentesten erschien. Soweit er darüber hinaus um die Abgabe der von ihm vorgefertigten Anträge beim zuständigen Grundbuchamt bat, liegt darin keine zusätzliche Beauftragung der handelnden Notarin als Notarin vor. Einzige plausible Erklärung für diese Vorgehensweise ist, dass damit der handelnden Notarin der Zeitpunkt für die Einsichtnahme in die Grundbücher erleichtert wird, weil ihr es an die Hand gegeben wird, die beim Grundbuchamt zu stellenden Anträge selbst abzugeben. Anderenfalls müsste sie sich möglicherweise wiederholt beim Grundbuchamt erkundigen, ob die vom Kostenschuldner einzureichenden Anträge schon eingegangen sind, um dann den Auftrag betreffend der Grundbucheinsicht zeitnah und korrekt abzuwickeln.
dd). Selbst wenn man der Auffassung des Landgerichts folgen sollte, dass die handelnde Notarin auch mit der Einreichung der Anträge beim Grundbuchamt beauftragt worden sei, könnte sie den daraus erwachsenden Gebührenanspruch nicht verlangen.
Im Verfahren der Notarkostenbeschwerde ist auch über Einwendungen zu entscheiden, die aus einer behaupteten Pflichtverletzung des Notars hergeleitet werden. Hat der Notar eine schuldhafte Amtspflichtverletzung begangen, macht der daraus resultierende Schadensersatzanspruch des Beteiligten (in Höhe der Kostenforderung des Notars) die in der Geltendmachung des Kostenanspruchs liegende Rechtsausübung unzulässig (vergleiche BayObLG FGPrax 1998, 195, 196). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Notar nicht nur zur richtigen, sondern auch zur kostensparenden und damit grundsätzlich zur billigsten Sachbehandlung verpflichtet ist (§ 16 Abs. 1 KostO). Stehen mehrere verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Wahl, so hat er auf den billigsten Weg hinzuweisen, wenn dieser eine für die Erreichung des gewollten Erfolges angemessene oder zumindest in gleicher Weise sichere und zweckmäßige Form darstellt. Insbesondere bei Nebengeschäften ist zu beachten, dass, wenn nach der Sachlage ein solches Nebengeschäft nicht notwendig ist oder gebührenfrei abgewickelt werden kann, eine Belehrung erforderlich ist, da es sich dann um vermeidbare Kosten handelt (Bengel/Tiedke in Korinthenberg/Lappe/Bengel/Reimann, Kostenordnung, 15. Aufl., § 16 Rdnr. 54 m.w.N.).
Aus den dargelegten Umständen ergibt sich, dass ein kostengünstigerer Weg bestand. Der Kostenschuldner hätte die für das Grundbuchamt vorgesehenen Anträge direkt an das Grundbuchamt übersenden können. Ein höheres Haftungsrisiko wäre daraus nicht erwachsen, weshalb die Wege als gleich sicher zu bezeichnen sind. Sofern die handelnde Notarin dem Auftragsschreiben vom 18.03.2005 entnehmen will, dass sie als antragstellende Notarin beim Grundbuchamt aufzutreten hat, hätte sie deshalb in Erfüllung dieser aus § 24 BNotO (vergleiche Korinthenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO Kommentar, 15. Auflage, § 16 Rd.-Nr. 49 ff.) herrührenden Pflicht, den Kostenschuldner über die gebührenrechtlichen Konsequenzen zu belehren gehabt. Indem sie dieses unterließ, ist es ihr verwehrt, die durch die unrichtige Vorgehensweise verursachten Mehrkosten gemäß §§ 141, 16 Abs. 1 KostO zu erheben (vergleiche Kammergericht DNotZ 1970, 437, 438).
Unerheblich ist, dass der Kostenschuldner selbst Notar ist. Hierdurch entfällt nicht ihre Belehrungspflicht. Sinn und Zweck der Belehrung ist es, Irrtümer über die Kostenfolge zu vermeiden und auf den kostengünstigsten Weg hinzuweisen. Diese Pflicht besteht unabhängig von einer Vorkenntnis des Auftraggebers.
Auch vor diesem rechtlichen Hintergrund steht der handelnden Notarin deshalb der geltend gemachte Gebührenanspruch keinesfalls zu.
3.
Da eine andere Entscheidung in der Sache, außer einer Aufhebung der Kostenrechnung vom 14.04.2005 nicht möglich ist und auch kein weiterer Aufklärungsbedarf besteht, konnte der Senat selbst in der Sache entscheiden. Ob der handelnden Notarin ein anderweitiger Gebührenanspruch zusteht, ist im Rahmen dieser Entscheidung nicht zu klären. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist ausschließlich die Kostenrechnung vom 14.04.2005. Weitere Kostenrechnungen hat die handelnde Notarin hilfsweise nicht vorgelegt.
4.
Die Entscheidung bezüglich der Gerichtskosten folgt aus §§ 156 Abs. 5 Satz 2, 131 Abs. 2 KostO. Die Entscheidung bezüglich der außergerichtlichen Kosten ergibt sich aus § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.