Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 05.09.2002, Az.: 3 A 288/01

Lebensversicherung; Unterhaltsbeitrag

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
05.09.2002
Aktenzeichen
3 A 288/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43622
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Kürzung eines ihr gewährten Unterhaltsbeitrages.

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Die Klägerin wurde 1928 geboren. Ab 1949 war die Klägerin verheiratet. Der Ehemann der Klägerin stand unter anderem als Beamter in den Diensten der S. O..

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Die Ehe der Klägerin wurde durch Urteil des Landgerichts Stade (Az. 6 R 69/76) vom 03.06.1976 geschieden. Ausweislich des Tenors ist der beklagte Ehemann der Klägerin schuld an der Scheidung. Mit Unterhaltsvergleich vom gleichen Tage verpflichtete sich der Ehemann der Klägerin, an diese ab dem 1.7.1976 monatlich einen Unterhalt von 700,00 DM zu zahlen.

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Am 9.5.2000 verstarb der Ehemann der Klägerin.

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Im Mai 2000 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung eines Unterhaltsbeitrages. Ihrem Antrag fügte die Klägerin Kontoauszüge bei, aus denen sich ergibt, dass sie im Zeitraum Dezember 1999 bis Mai 2000 von ihrem Ehemann einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 1000,00 DM erhalten hat.

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Mit Bescheid der Beklagten vom 13.7.2000 wurde der Klägerin ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 107,00 DM gewährt. In den Erläuterungen zu dem Bescheid wird darauf hingewiesen, das der von der Klägerin bei der BfA gestellte Antrag auf Gewährung einer Geschiedenen-Witwenrente im Rahmen einer Neuberechnung berücksichtigt werden müsse; dies gelte auch für eine vom Ehemann der Klägerin zu ihren Gunsten und zu Gunsten der gemeinsamen vier Kinder abgeschlossenen Lebensversicherung. Bis zur Klärung dieser Fragen erfolge die Zahlung unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

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Unter dem 27.7.2000 erging der Rentenbescheid der BfA, mit dem der Klägerin eine „Große Witwenrente an Geschiedene“ gewährt wurde. Die Rentenhöhe beträgt ab dem 1.10.2000 monatlich 548,43 DM. Für den Zeitraum Juni bis September 2000 wurde eine Nachzahlung in Höhe von 2.039,36 DM gewährt. Diesen Bescheid legte die Klägerin der Beklagten vor. Ferner legte sie der Beklagten eine Bestätigung des Versicherungsunternehmens vor, aus der sich ergibt, dass ihr aufgrund der von ihrem verstorbenen Ehemann abgeschlossenen Lebensversicherung ein Betrag von 18.123,50 DM überwiesen wurde.

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Mit den angegriffenen Bescheid vom 2.11.2000 setzte die Beklagte den Unterhaltsbeitrag für die Klägerin rückwirkend ab dem 1.6.2000 neu fest. Ausgehend von einem monatlichen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 1.000,00 DM ergab sich ein an die Klägerin zu leistender Zahlbetrag von ca. 315,00 DM pro Monat. Dieser Betrag wurde ermittelt, indem einerseits eine Anrechnung der von der BfA gewährten Witwenrente in Höhe von ca. 540,00 DM erfolgte. Andererseits hatte die Beklagte ermittelt, dass der auf die Klägerin entfallende Anteil aus der von ihrem verstorbenen Ehemann abgeschlossenen Lebensversicherung bei einer Verrentung einen monatlichen Betrag von 145,10 DM ergibt. Dieser Betrag wurde ebenfalls von dem zu gewährenden Unterhaltsbeitrag abgezogen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält der Bescheid vom 02.11.2000 nicht.

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Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 22.11.2000 Widerspruch ein und bat um Mitteilung der Rechtsgrundlage für die Anrechnung des verrenteten Lebensversicherungsbetrages. Nach entsprechender Antwort der Beklagten wies die Klägerin mit weiterem Schreiben vom 14.12.2000 darauf hin, dass ihrer Auffassung nach die Lebensversicherungssumme als solches nicht anrechenbar sei. Im Übrigen sei die Anrechnung auch in Anbetracht der geringen Versorgung der Klägerin unverhältnismäßig. Nach weiterem Schriftwechsel wies die Beklagte den so begründeten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2001 zurück unter Hinweise auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zurück.

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Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage. Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine Änderung der Verhältnisse, die auf der Grundlage des § 146 Abs. 2 NBG bei der Bemessung des Unterhaltesbeitrages berücksichtigt werden, die der verstorbene Beamte oder Ruhestandsbeamte nicht mehr erlebt hat und die im Erlebensfall Einfluss auf die Höhe der Unterhaltsverpflichtung haben würde, nicht vorliege. Demzufolge könne die Lebensversicherungssumme hier nicht berücksichtigt werden. Im Erlebensfalle hätte die Auszahlung dieses Betrages an den verstorbenen Ehemann keinen Einfluss auf die Höhe seiner Unterhaltsverpflichtung gehabt, weil dieser nicht verpflichtet gewesen wäre, sein nach der Ehescheidung erworbenes Vermögen für den Unterhalt einzusetzen. Vielmehr richte sich der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau allein nach den Einkommensverhältnissen zum Zeitpunkt der Ehescheidung und deren Weiterentwicklung.

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Ergänzend ist die Klägerin der Ansicht, dass die Anrechnung des aus der Lebensversicherung erlangten Betrages unbillig sei, weil sie diesen verbraucht habe.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 01.11.2000 und ihren Widerspruchsbescheid vom 31.01.2001 aufzuheben, soweit hiermit eine Anrechnung der verrenteten Versicherungsleistung in Höhe von 145,10 DM monatlich erfolgt.

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Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Ansicht, auf der Grundlage des § 146 Abs. 2 NBG zu Recht die verrentete Versicherungsleistung abgezogen zu haben. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Klägerin aufgrund des Todes ihres geschiedenen Ehemannes nicht besser gestellt werden dürfe. Dies zeige sich auch daran, dass die Klägerin, wie sie selbst vorträgt, im Falle einer Auszahlung der Versicherungssumme an ihren verstorbenen Ehemann von diesem keine höheren Unterhaltsleistungen erlangt hätte. Eine Besserstellung der Klägerin wäre in diesem Fall nicht erfolgt. Nichts anderes könne im vorliegenden Fall gelten, in dem die Klägerin durch die erlangte Versicherungssumme eine Besserstellung über die bestehende Unterhaltsverpflichtung hinaus erlangt habe.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Die ergangene Bescheide erweisen sich als rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die hier ausgesprochene Kürzung ist § 146 Abs. 2 Satz 2 NBG i.V.m. § 86 BeamtVG.

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§ 146 Abs. 2 NBG - die Vorschrift ist, abgesehen von ihrer Fortgeltung im Rahmen der Übergangsvorschrift des § 86 BeamtVG, mit Erlass des BeamtVG zum 1.1.1977 aufgehoben worden - lautet:

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„Ist ein Beamter oder Ruhestandsbeamter verstorben, dessen Ehe aus einem alleinigen oder überwiegenden Verschulden oder ohne Schuldausspruch geschieden war, so ist der geschiedenen Ehefrau, die bei Fortbestehen der Ehe Witwengeld erhalten hätte, ein Unterhaltsbeitrag bis zur Höhe des Witwengeldes insoweit zu gewähren, als ihr der Verstorbene zur Zeit seines Todes Unterhalt zu leisten hatte. Eine später eingetretene oder eintretende Änderung der Verhältnisse kann berücksichtigt werden.“

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Satz 2 der genannten Vorschrift rechtfertigt die hier vorgenommene Kürzung. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung des Unterhaltsbeitrages auf der Grundlage des Satzes 1 der genannten Vorschrift hat. Dies steht zwischen den Beteiligten, ausgehend von dem zuletzt vom verstorbenen Ehemann gewährten Unterhalt in Höhe von 1.000,00 DM, nicht im Streit.

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Die Voraussetzungen für die hier vorgenommene Kürzung liegen vor. Zutreffend führt die Beklagte im Widerspruchsbescheid unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus, dass eine später eingetretene Änderung der Verhältnisse gegeben ist, weil Änderungen im Sinne dieser Vorschrift alle Änderungen sind, die gleichzeitig mit dem Tode oder nach dem Tode des Unterhaltspflichtigen eingetreten sind. Dabei ist die Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts, auf die die Klägerin abstellt und nach der es sich um eine Änderung der Verhältnisse handelt, die der verstorbene Beamte nicht mehr erlebt hat und die im Erlebensfall Einfluss auf die Höhe seiner Unterhaltsverpflichtung gehabt haben würden, missverständlich. Insbesondere kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf einen etwaigen Unterschied zwischen einer Risiko- und einer Kapitallebensversicherung an. Insoweit bleibt die Fragestellung, ob die Auszahlung der Versicherungssumme bei einer Kapitallebensversicherung im Erlebensfalle zu einer Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung geführt hätte, ohne Bedeutung, allein weil die Klägerin wegen der nicht gegebenen Voraussetzungen des § 146 Abs. 2 Satz 1 NBG - es fehlte am Tod des Beamten - bereits dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung eines Unterhaltsbeitrages nicht hätte.

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Dessen ungeachtet ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck des § 146 Abs. 2 NBG, dass unter einer Änderung der Verhältnisse alle finanziellen Gesichtspunkte zu verstehen sind, die die wirtschaftliche Situation der geschiedenen Ehefrau beeinflussen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwGE 41, 207 ff ) entschieden, dass der Unterhaltsbeitrag i.S.d. § 125 Abs. 2 BBG - die Vorschrift ist wortgleich mit der Vorschrift des § 146 Abs. 2 NBG - keinen Alimentationscharakter hat. Vielmehr soll der Unterhaltsbeitrag die Härten mildern, die darin liegen, dass die schuldlos geschiedene Ehefrau eines Beamten oder Ruhestandsbeamten mit der Scheidung unverschuldet ihre Anwartschaft auf Witwenversorgung verliert. Dieser Härteausgleich wird in der Weise gewährt, dass der Dienstherr des Verstorbenen in dessen Unterhaltspflicht gegenüber seiner schuldlos geschiedenen Frau mit der Maßgabe „eintritt“, dass an die Stelle des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruches gegen den Ehemann ein gegen den öffentlich-rechtlichen Dienstherrn gerichteter öffentlich-rechtlicher Anspruch tritt. Die geschiedene Ehefrau des verstorbenen Beamten oder Ruhestandsbeamten, die sich auf die bisherigen Unterhaltsleistungen eingerichtet hat, soll damit wirtschaftlich gesichert bleiben. Hieraus kann jedoch nicht ohne weiteres gefolgt werden, dass - abweichend vom Gesetzeswortlaut - der geschiedenen Ehefrau für ihren Unterhalt in jedem Fall der Betrag zur Verfügung stehen muss, der ihr zu Lebzeiten des früheren Ehemannes zur Verfügung gestanden hat und dass deshalb eine Änderung der Verhältnisse vom Dienstherrn zu tragen ist. Vielmehr rechtfertigt im Grundsatz eine Änderung der Verhältnisse in der Form, dass die wirtschaftliche Situation der geschiedenen Ehefrau aus anderen Gründen gesichert ist, eine Änderung der Höhe des Unterhaltsbeitrages, wobei es ohne Bedeutung ist, ob die geänderten Umstände tatsächlicher oder rechtlicher, privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art sind (so ausdrücklich: BVerwG, Urteil v. 30.8.1963, bei Buchholz, 232, Nr. 11 zu § 125 BBG ). Diese Grundsätze rechtfertigen etwa die Berücksichtigung einer Witwenversorgungsrente nach dem verstorbenen geschiedenen Ehemann, wie es das Bundesverwaltungsgericht wiederholt entschieden hat; die hier vorgenommene Kürzung des Unterhaltsbeitrages aufgrund der Rentenanrechnung hat die Klägerin dementsprechend zu Recht auch nicht angegriffen.

24

Nichts anderes kann gelten, wenn die wirtschaftliche Situation der geschiedenen Ehefrau aus anderen (hier: privatrechtlichen, vgl. oben) Gründen ändert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Änderung ihren tatsächlichen Grund im Tode des geschiedenen Ehemannes findet. Dieses hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 10.8.1971 (bei Buchholz, 232, Nr. 26 zu § 125 ) ausgeführt und in dieser Entscheidung den Fall einer Rente, „welche die geschiedene Ehefrau infolge des Todes des Beamten aus einer von ihm zu ihren Gunsten abgeschlossenen privaten Lebensversicherung erhält“, ausdrücklich erwähnt. Ob damit eine wirtschaftliche Veränderung aus privatrechtlichen Gründen, die völlig unabhängig von der Person des geschiedenen Ehemannes eingetreten ist (etwa Lottogewinn oder Erbschaft von dritter Seite) die Kürzung des Unterhaltsbeitrages rechtfertigen würde, bedarf anlässlich des vorliegenden Falles keiner Entscheidung.

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Auf die weiteren Ausführungen der Klägerin hinsichtlich ihrer Bedürftigkeit - die Richtigkeit der entsprechenden Angaben unterstellt - kommt es hier nicht an. Dem Versorgungsrecht der Beamten und ihrer Hinterbliebenen ist die Berücksichtigung individueller Merkmale des Lebensbedarfes fremd. Die Versorgungshöhe richtet sich nach abstrakten Merkmalen und ist nicht auf den Einzelfall abgestellt. Dies gilt um so mehr für die Klägerin, die nur einen Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag hat, der nicht zur Alimentation und damit nicht zur Existenzsicherung bestimmt ist (so VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.12.1979, Az. IV 372/78, zitiert nach JURIS ).