Landgericht Göttingen
Urt. v. 20.02.2019, Az.: 9 O 4/18
Facebook; Gemeinschaftsstandards; Hassrede; Meinungsfreiheit; Nutzungsbedingungen; Social Media
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 20.02.2019
- Aktenzeichen
- 9 O 4/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 69572
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG - 05.03.2020 - AZ: 8 U 34/19
Rechtsgrundlagen
- § 311 Abs 1 BGB
- Art 5 Abs 1 GG
- Art 16 DSGVO
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, den am 02.04.2018 gelöschten Beitrag des Klägers auf ihrer Plattform mit dem Inhalt:
„Ich bin Nazi. „Nicht an Zuwanderung interessiert.““
wieder freizuschalten.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreites tragen der Kläger zu 92 % und die Beklagte zu 8 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 600,- €. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der Löschung eines Kommentars des Klägers durch die Beklagte auf deren Plattform sowie die Rechtmäßigkeit einer auf die Löschung folgenden Sperrung des Nutzerkontos des Klägers bei der Beklagten.
Die Beklagte ist eine europäische Tochtergesellschaft des US-amerikanischen Unternehmens „Facebook“ mit Sitz in Irland. Das Unternehmen Facebook unterhält eine, u.a. über die Internetseite … erreichbare, Plattform, die verschiedene auf weltweite Kommunikation ausgerichtete Dienstleistungen betreibt. Der Zugang zu diesen Dienstleistungen erfolgt über die Einrichtung eines Benutzerkontos, wobei Vertragspartner des diesbezüglich notwendigen Nutzungsvertrages, soweit die Einrichtung des Benutzerkontos von Deutschland aus erfolgt, die Beklagte ist.
Zur Einrichtung des Benutzerkontos ist es erforderlich, die Nutzungsbedingungen der Beklagten zu akzeptieren. Diese lauteten zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt, soweit unstreitig, auszugsweise wie folgt:
„[...]
3.
[...]
11. Du wirst jegliche Verstöße gegen diese Erklärung bzw. unsere Richtlinien weder unterstützen noch fördern.
[...]
5. [...]
2. Wir können sämtliche Inhalte und Informationen, die du auf Facebook postest, entfernen, wenn wir der Ansicht sind, dass diese gegen diese Erklärung bzw. unsere Richtlinien verstoßen.“
Diese Bedingungen wurden zwischenzeitlich, zuletzt am 19.04.2018, geändert und lauten nunmehr auszugsweise:
„3. Deine Verpflichtungen gegenüber Facebook und der Gemeinschaft
Wir stellen dir und anderen diese Dienste bereit, um unsere Mission voranzubringen, im Gegenzug ist es notwendig, dass du folgende Verpflichtungen eingehst:
1. Wer Facebook nutzen kann
[...]
2. Was du auf Facebook teilen und tun kannst
Wir möchten, dass Menschen Facebook nutzen, um sich auszudrücken und Inhalte zu teilen, die ihnen wichtig sind. Dies darf jedoch nicht auf Kosten der Sicherheit und des Wohlergehens anderer oder der Integrität unserer Gemeinschaft erfolgen. Du stimmst deshalb zu, dich nicht an den nachfolgend beschriebenen Verhaltensweisen zu beteiligen (oder andere dabei zu fördern oder zu unterstützen):
1. Du darfst unsere Produkte nicht nutzen, um etwas zu tun oder zu teilen, auf das Folgendes zutrifft:
- Es verstößt gegen diese Nutzungsbedingungen, unsere Gemeinschaftsstandards und sonstige Bedingungen und Richtlinien, die für deine Nutzung von Facebook gelten.
- Es ist rechtswidrig, irreführend, diskriminierend oder betrügerisch.
- Es verletzt bzw. verstößt gegen die Rechte einer anderen Person.
[...]
Wir können Inhalte entfernen, die du unter Verstoß gegen diese Bestimmungen geteilt hast, sowie gegebenenfalls aus den nachfolgend beschriebenen Gründen Maßnahmen bezüglich deines Kontos ergreifen. Wir können außerdem dein Konto deaktivieren, wenn du wiederholt die geistigen Eigentumsrechte anderer Personen verletzt. [...]“
Die in Bezug genommenen Gemeinschaftsstandards lauten auszugsweise wie folgt:
„EINLEITUNG
Millionen von Menschen nutzen Facebook täglich, um ihre Geschichten zu teilen, die Welt aus der Sicht anderer zu betrachten, sich mit Freunden zu verbinden und sich mit Themen zu beschäftigen, die ihnen wichtig sind. Die Unterhaltungen auf Facebook spiegeln die Vielfältigkeit dieser weltweiten Gemeinschaft wider. Die Nutzerinnen und Nutzer kommunizieren über Länder- und Kulturgrenzen hinweg und in Dutzenden Sprachen miteinander. Dabei posten sie die verschiedensten Dinge, von Texten bis hin zu Fotos und Videos.
Wir wissen, wie wichtig es ist, dass Facebook ein Ort ist und bleibt, an dem die Menschen sicher und unbesorgt miteinander kommunizieren können. Deshalb nehmen wir unsere Aufgabe sehr ernst, unseren Dienst vor jeglicher Art von Missbrauch zu schützen. Aus diesem Grund haben wir Gemeinschaftsstandards formuliert, die festlegen, was auf Facebook gestattet ist und was nicht. Unsere Standards gelten weltweit und für alle Arten von Inhalten. Sie sind bewusst umfassend, d. h. zum Beispiel, dass Inhalte, die eventuell nicht als Hassrede eingestuft werden, dennoch wegen eines Verstoßes gegen unsere Bullying-Richtlinien entfernt werden.
Das Ziel unserer Gemeinschaftsstandards ist es, die freie Meinungsäußerung zu unterstützen und dazu ein sicheres Umfeld zu schaffen. Unsere Richtlinien basieren auf Feedback sowohl von unseren Nutzerinnen und Nutzern als auch von Experten in Bereichen wie Technologie und öffentliche Sicherheit. Zudem beruhen sie auf folgenden Grundsätzen:
Sicherheit: Die Menschen müssen sich sicher fühlen, um Gemeinschaften zu bilden. Wir verpflichten uns, Inhalte zu entfernen, die Schäden in der realen Welt verursachen können. Dazu gehören sowohl körperliche und seelische Verletzungen als auch zum Beispiel finanzielle Schäden.
Ausdrucksmöglichkeiten: Auf Facebook geht es in erster Linie um Vielfalt - Vielfalt der Meinungen und der Sichtweisen. Im Zweifelsfall lassen wir Inhalte zu, selbst wenn manche sie für unangemessen halten. Sie werden jedoch entfernt, wenn dadurch ein konkreter Schaden verhindert werden kann. Außerdem lassen wir hin und wieder Inhalte zu, die eventuell gegen unsere Standards verstoßen, wenn sie nach unserer Ansicht berichtenswert, bedeutend oder wichtig für die Öffentlichkeit sind. Dies geschieht allerdings erst nach Abwägung des öffentlichen Interesses gegen das Risiko von Schäden in der realen Welt.
Gleichheit: Unsere Gemeinschaft ist global und vielfältig. Wenn unsere Richtlinien weit gefasst erscheinen, dann liegt das daran, dass wir sie einheitlich und fair auf eine Gemeinschaft anwenden, die sich über die verschiedensten Religionen, Kulturen und Sprachen erstreckt. Daher erscheinen unsere Gemeinschaftsstandards vielleicht manchmal weniger differenziert, als wir es uns wünschen würden, was dazu führt, dass sie am Ende nicht immer ihrer zugrundeliegenden Absicht entsprechen. Steht uns mehr Kontext zur Verfügung, entspricht unsere letztendliche Entscheidung eher dem Grundgedanken der Richtlinie als ihrem Wortlaut.
Jeder auf Facebook muss dazu beitragen, die Sicherheit der Plattform sowie einen respektvollen Umgang zu wahren. Deshalb appellieren wir an alle Nutzerinnen und Nutzer, sich dieser Verantwortung bewusst zu sein, wenn sie Beiträge posten oder teilen. Außerdem bitten wir sie, uns zu informieren, wenn ihnen etwas auffällt, das möglicherweise gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstößt. Wir haben ein einfaches Verfahren eingerichtet, uns Inhalte mit möglichen Verstößen zu melden, damit wir solche Inhalte überprüfen können. Hierbei kann es sich um Seiten, Gruppen, Profile, einzelne Beiträge und/oder Kommentare handeln. Darüber hinaus bieten wir die Möglichkeit, Personen und Beiträge zu blockieren, Abonnements zu beenden oder Beiträge zu verbergen, damit alle Nutzer ihr eigenes Erlebnis auf Facebook kontrollieren und gestalten können.
Verstöße gegen unsere Gemeinschaftsstandards haben Folgen. Wie diese Folgen konkret aussehen, hängt von der Schwere des Verstoßes und dem bisherigen Verhalten der jeweiligen Person auf Facebook ab. So können wir bei einem ersten Verstoß eine Verwarnung aussprechen. Bei einem Folgeverstoß können wir die Posting-Rechte des Nutzers/der Nutzerin einschränken oder das entsprechende Profil deaktivieren. Sind wir der Ansicht, dass nachvollziehbar eine Gefahr für Leib und Leben einer Person oder eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht, behalten wir uns vor, die Polizei zu informieren.
Unsere Gemeinschaftsstandards dienen als Leitfaden für die Kommunikation auf Facebook, und wir werden sie im Laufe der Zeit immer weiterentwickeln. In diesem Sinne bitten wir die Mitglieder der Facebook -Community, sich an diese Richtlinien zu halten.
[...]
Teil III.
Anstößige Inhalte
12. Hassrede
Wir lassen Hassrede auf Facebook grundsätzlich nicht zu. Hassrede schafft ein Umfeld der Einschüchterung, schließt Menschen aus und kann in gewissen Fällen Gewalt in der realen Welt fördern.
Wir definieren Hassrede als direkten Angriff auf Personen aufgrund geschützter Eigenschaften: ethnische Zugehörigkeit, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Geschlecht, Geschlechtsidentität, Behinderung oder Krankheit. Auch Einwanderungsstatus ist in gewissem Umfang eine geschützte Eigenschaft. Wir definieren Angriff als gewalttätige oder entmenschlichende Sprache, Aussagen über Minderwertigkeit oder Aufrufe, Personen auszuschließen oder zu isolieren. Wir teilen Angriffe wie unten beschrieben in drei Schweregrade ein.
Manchmal teilen Menschen Inhalte, die Hassrede einer anderen Person enthalten, um für ein bestimmtes Thema zu sensibilisieren oder Aufklärung zu leisten. So kann es vorkommen, dass Worte oder Begriffe, die ansonsten gegen unsere Standards verstoßen könnten, erklärend oder als Ausdruck von Unterstützung verwendet werden. Dann lassen wir die Inhalte zu, erwarten jedoch, dass die Person, die solche Inhalte teilt, ihre Absicht deutlich macht, so dass wir den Hintergrund besser verstehen können. Ist diese Absicht unklar, wird der Inhalt unter Umständen entfernt.
Wir lassen Humor und Gesellschaftskritik in Verbindung mit diesen Themen zu. Wir sind außerdem der Ansicht, dass die Nutzerinnen und Nutzer, die solche Kommentare teilen, verantwortungsbewusster handeln, wenn sie ihre Klarnamen verwenden.
[...]
Folgende Inhalte sind untersagt:
Angriffe mit Schweregrad 1 sind Angriffe, die auf eine Person oder Personengruppe abzielen, auf die eine der oben aufgeführten Eigenschaften oder der Einwanderungsstatus zutrifft (einschließlich aller Untergruppen, außer denen, die Gewaltverbrechen oder Sexualstraftaten begangen haben). Ein Angriff wird hier wie folgt definiert:
Jedwede gewalttätige Äußerung zu oder Unterstützung von Tod/Krankheit/Schaden Entmenschlichende Sprache oder Bilder. Hierzu gehört unter anderem Folgendes:
Bezugnahme auf oder Vergleich mit Schmutz, Bakterien, Krankheit oder Fäkalien
Bezugnahme auf oder Vergleich mit Tieren, die kulturell als intellektuell oder körperlich unterlegen gelten
Bezugnahme auf oder Vergleich mit Untermenschlichkeit
Die Verspottung des Konzepts „Hassverbrechen“ im Allgemeinen, konkreter Hassverbrechen oder der Opfer von Hassverbrechen, selbst wenn keine reale Person in einem Bild abgebildet ist
Bestimmte entmenschlichende Vergleiche sowohl in schriftlicher als auch in visueller Form
Angriffe mit Schweregrad 2 sind Angriffe, die auf eine Person oder Personengruppe abzielen, auf die eine der oben aufgeführten Eigenschaften zutrifft. Ein Angriff wird hier wie folgt definiert:
Aussagen oder Begriffe der Minderwertigkeit, die implizieren, dass eine Person oder eine Gruppe körperliche, geistige oder moralische Defizite aufweist
Körperlich (unter anderem „verunstaltet“, „unterentwickelt“, „abscheulich“, „hässlich“)
Geistig (unter anderem „zurückgeblieben“, „behindert“, „niedriger IQ“, „dumm“, „Idiot“)
Moralisch (unter anderem „Schlampe“, „Betrüger“, „billig“, „Schnorrer“)
Ausdrücke von Verachtung oder ihre bildliche Entsprechung, wie u. a.:
„Ich hasse"
„Ich mag X nicht“
„X sind die Schlimmsten“
Ausdrücke von Abscheu oder ihre bildliche Entsprechung, wie u. a.:
„ekelhaft“
„scheußlich“
„widerwärtig“
Beschimpfung von Personen oder Personengruppen, die geschützte Eigenschaften aufweisen
Angriffe mit dem Schweregrad 3 sind Angriffe, die zum Ausschluss oder der Isolation einer Person oder Personengruppe aufgrund der oben aufgeführten Eigenschaften aufrufen. Wir lassen Kritik an Einwanderungsgesetzen und Diskussionen über die Einschränkung dieser Gesetze zu.
Inhalte, die Personen verunglimpfend beschreiben oder sie mit Verunglimpfungen angreifen. Verunglimpfungen werden als Ausdrücke bzw. Wörter definiert, die üblicherweise als beleidigende Bezeichnungen für die oben aufgeführten Eigenschaften verwendet werden. [...]“.
Die Gemeinschaftsstandards enthielten zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Löschung auch Regelungen zum Verbot der Unterstützung von sogenannten „Hassorganisationen“, deren Inhalt zwischen den Parteien im Einzelnen streitig ist.
Im Falle von Verstößen gegen die Gemeinschaftsstandards behält sich die Beklagte bzw. deren Mutterunternehmen die Löschung entsprechender Beiträge und die Sperrung betroffener Nutzerkonten vor. Daneben räumt der Nutzer „Facebook“ umfangreiche Nutzungsmöglichkeiten an den eigenen Daten, insbesondere dem Nutzungsverhalten (etwa erstellte und geteilte Inhalte oder Informationen zur Interaktion mit Werbeanzeigen und gesponserten Inhalten) ein, die von „Facebook“ unter anderem zur Schaltung von Werbeanzeigen genutzt werden.
Der Kläger verfügt bei der Beklagten über ein Benutzerkonto mit dem Nutzernamen „K.“ und verfasste dort im Rahmen einer – nicht näher vorgebrachten – Diskussion den Beitrag:
„Ich bin Nazi. „Nicht an Zuwanderung interessiert.““
Dieser Beitrag wurde von der Beklagten am 02.04.2018 entfernt. Zugleich wurde das Benutzerkonto des Klägers für 30 Tage in den sogenannten „read only“-Modus versetzt. Der Kläger konnte hiernach für den genannten Zeitraum keine eigenen Beiträge mehr verfassen, diejenigen anderer Nutzer allerdings noch lesen. Darüber hinaus konnte er sich bei anderen Internetplattformen, die eine Anmeldung über das Nutzerkonto der Beklagten erlauben, für den genannten Zeitraum nicht anmelden. Die Beklagte speichert – im Einzelnen unbekannte – Informationen über registrierte Verstöße, eingeschlossen den gegenständlichen. Der Kläger unternahm daraufhin den Versuch, die Sperrung aufheben zu lassen, welcher allerdings erfolglos blieb. Hierauf wandte er sich an seinen Prozessvertreter, den er mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen beauftragte. Dieser holte bei der Rechtsschutzversicherung des Klägers eine Deckungszusage ein und zwar für die außergerichtliche Tätigkeit und für die gerichtliche Tätigkeit. Der Kläger berechnet seine Rechtsverfolgungskosten mit 201,71 € und 729,23 € für die Einholung dieser Deckungszusagen. Für außergerichtliche Tätigkeiten gegenüber der Beklagten errechnet der Kläger daneben weitere Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 562,16 €.
Der Kläger behauptet, die Gemeinschaftsstandards der Beklagten hätten zum Zeitpunkt der Löschung auch folgenden weiteren Inhalt gehabt:
„[...]
Teil I.
Gewalt und kriminelles Verhalten
[...]
2. Gefährliche Personen und Organisationen
Wir gestatten den folgenden (lebenden oder verstorbenen) Personen oder Gruppen nicht, eine Präsenz (beispielsweise ein Konto, eine Seite, eine Gruppe) auf unserer Plattform zu unterhalten:
[...]
Hassorganisationen, ihre Anführer und bekannte Mitglieder
Eine Hassorganisation wird wie folgt definiert:
Jedweder aus drei oder mehr Personen bestehender Zusammenschluss, der unter einem Namen, Zeichen oder Symbol organisiert ist und dessen Ideologie, Aussagen oder physische Handlungen Personen aufgrund bestimmter Eigenschaften, wie u.a. Rasse, religiöse Zugehörigkeit, Nationalität, ethnische Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung, schwere Erkrankung oder Behinderung, angreifen.
[...]
Inhalte, die irgendeine der oben genannten Organisationen oder Personen bzw. jedwede von ihnen begangenen Taten anpreisen, sind verboten.
[...]“
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Löschung des Beitrages und die Sperrung seines Nutzerkontos zu Unrecht erfolgt seien. Hierdurch sei er rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden, weshalb ihm auch die geltend gemachten Auskunftsansprüche zustünden.
Er ist außerdem der Auffassung, dass die Nutzungsbedingungen der Beklagten einer AGB-Kontrolle nicht standhalten würden. Es sei ihm nicht möglich, anhand transparenter Kriterien zu bestimmen, welche Inhalte er verbreiten könne und welche nicht. Daneben sei er durch die Nutzungsbedingungen in seiner Meinungsfreiheit erheblich beeinträchtigt. Diese sei wegen der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auch im Verhältnis der Beklagten zu ihm zu beachten. Meinungsäußerungen, die von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt seien, dürften durch die Nutzungsbedingungen der Beklagten nicht eingeschränkt werden, was durch die umfangreichen Löschungs- und Sperrungsvorbehalte indes geschehe. Dies insbesondere, weil die Nutzungsbedingungen der Beklagten derart weit gefasst seien, dass der Beklagten bei der Beurteilung, welche Inhalte erlaubt oder verboten seien, ein weiter Spielraum verbleibe. Dies führe dazu, dass über dem Nutzer der Dienstleistungen der Beklagten, stets das „Damoklesschwert“ der Löschung seiner Beiträge schwebe.
Der Beitrag des Klägers sei im Rahmen einer zulässigen Meinungskundgabe erfolgt und deshalb zulässig gewesen. Hierzu behauptet der Kläger, dass er mit dem Betrag lediglich im Sinne einer sarkastischen Äußerung habe provozieren wollen. Es sei ihm, so die Behauptung des Klägers, darum gegangen, zu kritisieren, dass Menschen, die einer Zuwanderung kritisch gegenüberstünden, pauschal als „Nazi“ betitelt würden.
Daneben falle seine Äußerung unter keinen Tatbestand der Nutzungsbedingungen, der eine Löschung und die vorgenommene Sperrung rechtfertigen könne.
Durch die Versetzung des Nutzerkontos in den „read-only“-Modus sei es dem jeweiligen Nutzer darüber hinaus nicht möglich, für diesen Zeitraum auf Beiträge anderer Nutzer auf dem eigenen Profil zu reagieren. Hierdurch könne der Nutzer in der Öffentlichkeit falsch dargestellt werden, weil Beiträge, die seiner Selbstdarstellung widersprechen würden, unkommentiert auf dem Profil verbleiben könnten. Die Sperrung des Nutzerprofils über die Löschung des Beitrages hinaus sei zudem unverhältnismäßig, zumal sie in den Nutzungsbedingungen nicht explizit genannt werde.
Der Kläger behauptet, dass ihm durch die Sperrung und den damit einhergehenden Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht ein Schaden in Höhe von 50,- € für jeden Tag der Sperrung, mithin von insgesamt 1.500,- €, entstanden sei. Ein entsprechender Anspruch bestehe aus Sicht des Klägers auch deshalb, weil die Beklagte während der Sperrung die Daten des Klägers weitergenutzt habe. Insoweit sei der Schaden durch eine Lizenzanalogie zu berechnen. Zuletzt ergebe sich ein entsprechender Anspruch auch aus der DSGVO, weil die Beklagte durch die Sperrung Daten des Klägers in einer der Datenschutzgrundverordnung widersprechenden Weise verarbeitet habe. Die durch den Kläger erteilte Einwilligung in die Datenverarbeitung habe wegen § 320 Abs. 1 BGB während der Sperrung nicht vorgelegen.
Zuletzt stehe ihm, so der Kläger, ein (Daten-)Berichtigungsanspruch bezüglich der bei der Beklagten hinterlegten Daten aus der DSGVO zur Seite, soweit durch diese eine – aus Sicht des Klägers falsche – Registrierung und Speicherung des gegenständlichen Vorfalls als Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen der Plattform erfolge.
Über die schon mit der Klageschrift vom 15.07.2018 angekündigten Klageanträge hinaus hat der Kläger mit Schriftsatz vom 14.01.2019 einen Hilfsantrag zu dem angekündigten Klageantrag zu 1. angekündigt, über den die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2019 verhandelt haben.
Der Kläger beantragt zuletzt,
1. festzustellen, dass die am 02.04.2018 vorgenommene Sperrung des Profils des Klägers (L./ K.) auf L rechtswidrig war;
2. der Beklagten aufzugeben, den nachfolgend sinngemäß wiedergegebenen, am 02.04.2018 gelöschten Beitrag des Klägers wieder freizuschalten:
„Ich bin Nazi. „Nicht an Zuwanderung interessiert.““
Für den Fall der Nichtvornahme ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, anzudrohen, die Ordnungshaft zu vollziehen an den Vorständen;
3. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, den Kläger für das Einstellen des in Ziffer 2 genannten Textes auf L. erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen; für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,- € oder Ordnungshaft, anzudrohen, die Ordnungshaft zu vollziehen an den Vorständen;
4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen, ob die Sperre gemäß Ziffer 1 durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgt und in letzterem Fall, durch welches;
5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen, ob sie konkrete oder abstrakte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat, und ggf. welche;
6. die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 1.500,- € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.04.2018 zu zahlen;
7. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von Rechtsanwaltskosten
a. für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 562,16 € und
b. für die Einholung einer Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 201,71 € und
c. für die Einholung einer Deckungszusage für die Klage in Höhe von 729,23 € durch Zahlung an seine Prozessbevollmächtigten freizustellen;
sowie hilfsweise, für den Fall der Abweisung des Klageantrages zu 1. wegen mangelnden Feststellungsinteresses,
die Beklagte zu verurteilen, die Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den am 02.04.2018 gelöschten Beitrag aus dem Datensatz gelöscht wird und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um einen Verstoß zurückgesetzt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, ihre Gemeinschaftsstandards hätten zum Zeitpunkt der Löschung den nachfolgenden weiteren Inhalt zur Frage der Unterstützung sogenannter „Hassorganisationen“ gehabt:
„Teil I.
Gewalt und kriminelles Verhalten
[...]
2. Gefährliche Personen und Organisationen
Wir möchten Schaden in der realen Welt verhindern und erlauben daher Organisationen oder Personen, die an Folgendem beteiligt sind, keine Präsenz auf Facebook:
Terroristische Handlungen
Organisierter Hass
Massen- oder Serienmord
Menschenhandel
Organisierte Gewalt oder kriminelle Handlungen
Wir entfernen auch Inhalte, die Gruppen, Anführer oder Personen unterstützen oder verherrlichen, die an derartigen Handlungen beteiligt sind.“
Die Beklagte ist der Auffassung, den Beitrag des Klägers anhand der Gemeinschaftsstandards, insbesondere der Bestimmungen zum Verbot der Unterstützung von „Hassorganisationen“ zu Recht gelöscht zu haben und das Nutzerkonto des Klägers zu Recht für 30 Tage in den „read only“-Modus versetzt zu haben. Der Kläger habe gegen die Nutzungsbedingungen der Beklagten verstoßen. Mit seinem Beitrag habe er eine gefährliche, offen fremdenfeindliche und nationalistische Organisation, nämlich die NSDAP als Partei der Nationalsozialisten, und damit eine solche im Sinne des Teils I. Nummer 2. der Gemeinschaftsstandards unterstützt, indem er sich dieser Organisation als verbunden gezeigt habe. Zudem habe der Beitrag einen Verstoß gegen die Grundsätze zur „Hassrede“ dargestellt.
Die Gemeinschaftsstandards der Beklagten seien darauf ausgerichtet, die Nutzer der Dienste der Beklagten zu schützen, um diese unbeeinträchtigt von bestimmten Störungen nutzen zu können. Der Beitrag des Klägers sei geeignet gewesen, Dritte in der ungestörten Nutzung der Dienste der Beklagten zu beeinträchtigen. Um dies zu verhindern, seien die streitgegenständlichen Maßnahmen notwendig gewesen. Da Löschung und Sperrung rechtmäßig erfolgt seien, stünden dem Kläger die weiteren geltend gemachten Ansprüche schon dem Grunde nach nicht zu. Der Feststellungsantrag sei darüber hinaus unzulässig. Die Behauptungen zum entstandenen Schaden seien nicht substantiiert, wobei aus Sicht der Beklagten durch die Löschung kein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers erfolgt sei, ein etwaiger Eingriff jedenfalls aber nicht den notwendigen Schweregrad für die Begründung eines Anspruchs auf Geldentschädigung gehabt habe. Ein Schadensersatzanspruch ergebe sich auch weder aus der Datenschutzgrundverordnung noch könne er im Wege einer Lizenzanalogie berechnet werden.
Auch der Hilfsantrag ist aus Sicht der Beklagten bereits unzulässig. Dieser sei als Klageänderung ohne Zustimmung der Beklagten nur dann zulässig, wenn er sachdienlich sei. An einer Zustimmung fehle es ebenso wie an einer Sachdienlichkeit.
Entscheidungsgründe
I.
1.
Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger mit dieser beantragt, festzustellen, dass die am 02.04.2018 vorgenommene Sperrung des Profils des Klägers (L./ K.) auf L. rechtswidrig war.
Dem Kläger fehlt es insoweit schon an dem notwendigen Feststellungsinteresse. Ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO besteht nur dann, wenn einem Recht aufgrund einer unklaren Rechtslage eine gegenwärtige Gefahr droht und diese durch das angestrebte Urteil beseitigt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2014 – VIII ZR 79/14, NJW 2015, 873, 874 Rn. 29 f.).
Dies ist hier nicht der Fall, weil etwaige Unsicherheiten in dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis durch die begehrte Feststellung nicht beseitigt würden. Die (teilweise) Sperrung des Nutzerkontos des Klägers erfolgte auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Sperrung geltenden Nutzungsbedingungen, die in dieser Form zum Entscheidungszeitpunkt keine Gültigkeit mehr beanspruchen und auch zukünftig weiteren Änderungen unterliegen können. Die letztmalige Änderung der Nutzungsbedingungen erfolgte, soweit hier von Relevanz, am 19.04.2018, mithin nach der teilweisen Sperrung des Kontos am 02.04.2018. Eine Sperrung unter den Bedingungen, wie sie der streitgegenständlichen Sperrung zugrunde lagen, ist zukünftig nicht (mehr) zu erwarten. Eine etwaige Sperrung nach den – insoweit nicht relevanten – aktuellen Nutzungsbedingungen, wäre an diesen sowie dem Kontext, in den der die Sperrung veranlassende Beitrag eingefügt wäre (vgl. hierzu OLG München, Beschluss vom 17.07.2018 – 18 W 858/18, MMR 2018, 760, 762 Rn. 52), zu messen. Die gerichtliche Feststellung, dass die Sperrung unter den nicht mehr gültigen Nutzungsbedingungen rechtswidrig war, würde dem Kläger im Falle einer erneuten Sperrung keinen Vorteil verschaffen.
Ein Feststellunginteresse käme nach dem zuletzt beschriebenen Merkmal der Kontextbezogenheit auch von vornherein allenfalls insoweit in Betracht, wie sich die Feststellung auch auf den Kontext des konkreten, die Sperrung auslösenden Beitrages bezöge. Das insoweit durch den Feststellungsantrag konkretisierte Rechtsschutzziel ist indes unproblematisch mit der Leistungsklage durchsetzbar, die der Kläger hier mit dem Antrag, die Beklagte zur Wiedereinstellung des Beitrages zu verpflichten, auch erhoben hat. Denn wenn die Löschung des Beitrages, der zur Sperrung führte, in der konkreten Situation rechtswidrig war und der Beitrag auch nach den zuletzt geltenden Nutzungsbedingungen noch auf der Plattform der Beklagten veröffentlicht werden kann, impliziert dies, dass auch die auf die Löschung des Beitrages erfolgte Einschränkung der Kontofunktionen rechtswidrig war.
2.
Im Übrigen ist die Klage zulässig.
a)
Das Landgericht Göttingen ist als Wohnsitzgericht des Klägers für die Entscheidung gemäß Art. 17 Abs. 1 EuGVVO insbesondere international zuständig (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 08.08.2018 – 4 W 577/18, zit. nach juris Rn. 12; OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.09.2018 – 4 W 63/18, BeckRS 2018, 23885 Rn. 19), was von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 27. Februar 2018 - VI ZR 489/16 -, zit. nach juris Rn. 15 m.w.N.). Da es sich bei dem betroffenen Nutzerkonto um das private Nutzerkonto des Klägers handelt, ist er Verbraucher.
b)
Keine Bedenken im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage bestehen auch bezüglich des Hilfsantrages. Dabei ist der Beklagten zuzugeben, dass es sich bei der nachträglichen objektiven Klagehäufung um eine Klageänderung handelt (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.1985 – III ZR 93/83, NJW 1985, 1841, 1842; a.A. Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 15. Auflage 2018, § 263 Rn. 4), indes hat die Beklagte – entgegen der eigenen Auffassung – dieser Änderung jedenfalls gemäß § 267 ZPO konkludent zugestimmt, indem sie nach Antragstellung zur Sache verhandelt hat, ohne der Änderung zu widersprechen (vgl. Musielak/Voit/Ball, ZPO, 15. Auflage 2018, § 533 Rn. 4). Im Übrigen ist die Änderung – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch sachdienlich, weil die geänderte Klage objektiv prozesswirtschaftlich ist (vgl. Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 15. Auflage 2018, § 263 Rn. 7). Die vollständige Erledigung des Rechtsstreites bleibt auch nach Klageänderung möglich und im Rahmen der Entscheidung wird über eine zwischen den Parteien im bestehenden, streitgegenständlichen Rechtsverhältnis streitige Rechtsfrage entschieden, die im Falle der Nichtzulassung der Klageänderung in einem gesonderten Rechtsstreit zu klären wäre.
II.
Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freischaltung des am 02.04.2018 gesperrten Beitrages. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über die Nutzung der Plattform der Beklagten (§§ 311 Abs. 1, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB).
Bei dem gegenständlichen Vertrag handelt es sich um einen typengemischten Vertrag eigener Art im Sinne des § 311 Abs. 1 BGB (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.09.2018 – 4 W 63/18, BeckRS 2018, 23885 Rn. 20; ähnlich OLG München, Beschluss vom 24.08.2018 – 18 W 1294/18, MMR 2018, 753, 754 Rn. 18), dessen Bestand und Wirkungen nach deutschem Recht zu beurteilen sind (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2018 – III ZR 183/17, NJW 2018, 3178, 3179 Rn. 20), wobei sich aus dem Gesamtkontext der Nutzungsbedingungen – unabhängig von der im Einzelnen streitigen Frage einer Gegenleistung und einer etwaig synallagmatischen Verknüpfung etwaiger Leistungen – die (wenigstens konkludente) Verpflichtung der Beklagten ergibt, dem jeweiligen Vertragspartner die eigenen Leistungen verbindlich zur Verfügung zu stellen (vgl. Mafi-Gudarzi, MMR 2018, 678, 679; a.A. Beurskens, NJW 2018, 3418, 3419). Hieraus resultiert für den Kläger ein (Hauptleistungs-)Anspruch gegen die Beklagte, dass diejenigen Inhalte, die im Rahmen der Nutzungsbedingungen über das Nutzerkonto eingestellt werden, dort auch abrufbar bleiben.
Problematisch erscheint, ob dieser vertragliche Anspruch auch eine hinreichende Grundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Wiedereinstellung eines zunächst gelöschten Beitrages (sogenannter „Restore-Anspruch“) bietet.
Verschiedentlich wird insoweit vertreten, der zwischen Facebook und dem jeweiligen Nutzer geschlossene Vertrag begründe – wegen der mittelbaren Drittwirkung von Art. 5 Abs. 1 GG – eine Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB), die dem Nutzer der Plattform der Beklagten ein Recht darauf vermittle, Meinungsäußerungen „ohne Furcht vor Sperren“ tätigen zu können (OLG München, Beschluss vom 17.07.2018 – 18 W 858/18, MMR 2018, 760, 761 Rn. 25 ff. unter Bezugnahme auf LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 – 2-03 O 182/18, BeckRS 2018, 14915 Rn. 11; Müller-Riemenschneider/Specht, MMR 2018, 545, 547). Ein entsprechender Anspruch soll bei Verletzung dieser Nebenpflicht entweder über eine analoge Anwendung des § 1004 Abs. 1 BGB (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.09.2018 – 4 W 63/18, BeckRS 2018, 23885 Rn. 22; LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 – 2-03 O 182/18, BeckRS 2018, 14915 Rn. 8) oder aber im Wege des Schadensersatzes (§§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 BGB, vgl. Müller-Riemenschneider/Specht, MMR 2018, 545, 547 [LG Frankfurt am Main 14.05.2018 - 2-03 O 182/18]) verlangt werden können.
Diese Ansicht überzeugt die Kammer nicht. Leitet man, wie die Kammer dies tut, aus dem Vertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten einen Anspruch für den Kläger her, sich im Rahmen der Vertragsbedingungen über das angelegte Profil frei äußern zu dürfen, handelt es sich bei der Bereitstellung der Plattform durch die Beklagte um den von den vertraglichen Vereinbarungen determinierten Hauptleistungsanspruch und eben gerade nicht um die Erfüllung bloßer vertraglicher Nebenpflichten (so auch Beurskens, NJW 2018, 3418, 3419 f.).
Dies bedeutet in der Konsequenz, dass der Kläger die Leistungen der Beklagten grundsätzlich von vornherein nur unter den vertraglich vereinbarten Beschränkungen verlangen kann (§ 241 Abs. 1 BGB). Ein grundsätzliches Recht darauf, die eigene Meinung „ohne Furcht vor Sperren“ (so LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 – 2-03 O 182/18, BeckRS 2018, 14915 Rn. 11) kundtun zu dürfen, kann der Kläger für sich hiernach nicht in Anspruch nehmen, weil sich sein Anspruch, dass seine Meinung veröffentlicht wird, von vornherein grundsätzlich nur im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen bewegt.
Dagegen trifft die Beklagte nach den Nutzungsbedingen gemäß § 241 Abs. 2 BGB eine Nebenpflicht, zugunsten der Nutzergemeinschaft und damit auch zugunsten des einzelnen Nutzers, auf die Einhaltung der Nutzungsbedingungen zu bestehen. Dies wird insbesondere auch aus den Gemeinschaftsstandards ersichtlich, in denen es unter anderem heißt, „…wie wichtig es ist, dass Facebook ein Ort ist und bleibt, an dem die Menschen sicher und unbesorgt miteinander kommunizieren können. Deshalb nehmen wir unsere Aufgabe sehr ernst, unseren Dienst vor jeglicher Art von Missbrauch zu schützen. Aus diesem Grund haben wir Gemeinschaftsstandards formuliert, die festlegen, was auf Facebook gestattet ist und was nicht. Unsere Standards gelten weltweit und für alle Arten von Inhalten. Sie sind bewusst umfassend, d. h. zum Beispiel, dass Inhalte, die eventuell nicht als Hassrede eingestuft werden, dennoch wegen eines Verstoßes gegen unsere Bullying-Richtlinien entfernt werden.
Das Ziel unserer Gemeinschaftsstandards ist es, die freie Meinungsäußerung zu unterstützen und dazu ein sicheres Umfeld zu schaffen. Unsere Richtlinien basieren auf Feedback sowohl von unseren Nutzerinnen und Nutzern als auch von Experten in Bereichen wie Technologie und öffentliche Sicherheit.“
Inwieweit es in Einschränkung dieser Grundsätze wegen der allgemein anerkannten mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 11.04.2018 – 1 BvR 3080/09, NVwZ 2018, 813 ff.) einer Beschränkung der vertraglichen Rechte der Beklagten etwa über § 242 BGB bedarf, muss an dieser Stelle ebenso wenig entschieden werden, wie die Frage der Wirksamkeit der Nutzungsbedingungen der Beklagten.
Eine Wiederherstellung gelöschter Inhalte kommt nach der hier vertretenen Auffassung auch nicht über § 1004 Abs. 1 BGB analog (im Sinne eines Beseitigungsanspruches) in Betracht, weil diese Vorschrift auf relative Rechte grundsätzlich nicht anwendbar ist (Beurskens, NJW 2018, 3418, 3419).
Der entsprechende Wiederherstellungsanspruch ergibt sich allerdings aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes, dessen Voraussetzungen vorliegen.
a)
Die gegenständliche Löschung des Beitrages des Klägers wegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen und die Gemeinschaftsstandards der Beklagten erfolgte vertragswidrig. Dahingestellt bleiben kann an dieser Stelle weiterhin, ob die Nutzungsbedingungen der Beklagten, bei denen es sich unzweifelhaft um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt (vgl. auch BGH, Urteil vom 12.07.2018 – III ZR 183/17, Rn. 25 ff.), wirksam in den Vertrag einbezogen wurden.
Die gegenständliche Löschung des Beitrages des Klägers erfolgte schon nach den Nutzungsbedingungen der Beklagten nicht rechtmäßig.
In diesem Rahmen hat sich inzwischen in der Rechtsprechung die Auffassung verbreitet, dass eine Löschung, weil wegen der Möglichkeit der Meinungskundgabe bei der Beklagten Grundrechtsrelevanz vorliege und es deshalb zu einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte komme, nur dann in Betracht kommt, wenn diese unter Abwägung der Rechte der Beklagten mit dem Grundrecht des Nutzers aus Art. 5 Abs. 1 GG gerechtfertigt erscheint (vgl. statt vieler zuletzt OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.09.2018 – 4 W 63/18, BeckRS 2018, 23885 Rn. 29). Der gelöschte Beitrag ist hiernach in jedem Einzelfall in seinem Gesamtkontext zu betrachten. Bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten ist die für den Nutzer günstigste Auslegung heranzuziehen, wobei dies schon – die Wirksamkeit der Nutzungsbedingungen der Beklagten weiterhin unterstellt – unter Anwendung der Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen gilt. Denn § 305c Abs. 2 BGB regelt, dass Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders (hier der Beklagten) gehen. Stellt sich die Frage, ob ein Beitrag gegen die Nutzungsbedingungen, insbesondere die Gemeinschaftsstandards, verstößt und lässt sich diese Frage, insbesondere unter Beachtung des Bedeutungsgehaltes der Erklärung und deren Gesamtkontext nicht zweifelsfrei klären, müssen diese Zweifel zu Lasten der Beklagten gehen. Eine Löschung hat in diesen Fällen nach den vertraglichen Regelungen zu unterbleiben.
Zu berücksichtigen ist vorliegend insbesondere, dass weder der Kläger noch die Beklagte den Kontext des Beitrages mitgeteilt haben. Die Beklagte hat zwar die Übermittlung eines Screenshots des Beitrages angekündigt, diesen ihrer Klageerwiderung indes nicht beigefügt. Der Beitrag ist deshalb isoliert zu betrachten, ohne dass ein etwaig den Bedeutungsgehalt verschärfender oder entschärfender Kontext bei der Beurteilung Berücksichtigung finden kann.
aa)
Dies zugrunde gelegt, kann der Beitrag des Klägers „Ich bin Nazi.“, isoliert betrachtet ohne weiteres der von der Beklagtenseite zugesprochene Sinngehalt, nämlich, dass sich der Kläger einer Gruppe zugehörig fühlt, die die nationalsozialistische Ideologie im Sinne eines fremdenfeindlichen, insbesondere aggressiv antisemitischen, nationalistischen und absolutistischen Weltbildes auch heute noch weiterverfolgt, beigemessen werden. Außer Frage steht insoweit auch, dass es sich bei der durch die Beklagte in Bezug genommenen NSDAP um eine mit dem nationalsozialistischen Regime auf das Engste verbundene Organisation handelte, die als eine „Hassorganisation“ im Sinne der Gemeinschaftsstandards der Beklagten einzuordnen ist und dies unabhängig davon, welche der vorgebrachten Versionen der Vertragsbedingungen man auf den gegenständlichen Sachverhalt für anwendbar hält. Ob man hieraus – wie die Beklagte dies sieht – zwangsläufig den weitergehenden Schluss ziehen muss, dass der Kläger sich durch den Beitrag ausdrücklich zur NSDAP bekennt oder ob der Beitrag auch eine Interpretation dahingehend zulässt, dass der Kläger sich einer rechtsgerichteten Gruppe zugehörig fühlt, die keine „Hassorganisation“ im Sinne der Nutzungsbedingungen der Beklagten darstellt, kann dahingestellt bleiben.
Der Kläger hat seine Äußerung jedenfalls – ungeachtet der inkorrekten Interpunktion – durch den Zusatz „Nicht an Zuwanderung interessiert.“ erheblich relativiert. Der durchschnittliche Leser kann, auch ohne dass dies durch eine entsprechende Groß- und Kleinschreibung gesondert kenntlich gemacht wurde, jedenfalls erkennen, dass es sich bei dem zweiten Teil des Beitrages um die Auflösung des vorangestellten Akronyms handelt.
Der Beitrag kann hiernach auch dahingehend verstanden werden, dass der Kläger – wie er behauptet – sich gerade nicht zum Nationalsozialismus bekennen wollte, sondern zum Ausdruck bringen wollte, dass in seinem Verständnis nicht jeder, der gegen Zuwanderung ist bzw. die in der aktuellen Politik häufig diskutierte Frage der Zuwanderung für sich dahingehend beantwortet, dass er an Zuwanderung „kein Interesse“ hat, ein „Nazi“ ist und dass man – in der Konsequenz – ihn, wenn man anderer Auffassung sei, als „Nazi“ bezeichnen könne/müsse, weil er jedenfalls an seiner ablehnenden Haltung gegenüber Einwanderern festhalte. Da nach den Regelungen der Nutzungsbedingungen der Beklagten zu „Hassorganisationen“, wie sie der Kläger vorbringt, lediglich Inhalte, „…die irgendeine der oben genannten Organisationen oder Personen bzw. jedwede von ihnen begangenen Taten anpreisen“, verboten sind und nach den Nutzungsbedingungen wie die Beklagte sie vorbringt, nur Inhalte entfernt werden, „…die Gruppen, Anführer oder Personen unterstützen oder verherrlichen, die an derartigen Handlungen beteiligt sind.“, wäre der Beitrag in der Auslegung, wie der Kläger sie für sich in Anspruch nehmen möchte, von den Bedingungen nicht im Sinne eines Verbotes erfasst, weshalb nach den dargestellten Grundsätzen – auch weil eine kontextbezogene Auslegungsmöglichkeit fehlt – zugunsten des Klägers von diesem Verständnis auszugehen ist.
bb)
Dieselben Argumente sind auch bei der Beurteilung heranzuziehen, ob der Beitrag gegen die Regelungen der Beklagten zur „Hassrede“ verstößt.
Dabei ist insbesondere zu beachten, dass die Gemeinschaftsstandards der Beklagten eine Diskussion zur Einwanderungspolitik explizit zulassen, nämlich dahingehend, dass geregelt ist: „Wir lassen Kritik an Einwanderungsgesetzen und Diskussionen über die Einschränkung dieser Gesetze zu.“
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der Kläger seine mit dem Beitrag „Nicht an Zuwanderung interessiert.“ nach Gemeinschaftsstandards zulässig zum Ausdruck gebrachte, lediglich pauschale Ablehnung von Zuwanderung dadurch im Sinne einer „Hassrede“ verschärft hat, dass er seine Aussage in den Kontext einer Zugehörigkeit zur Gruppe der „Nazis“ stellte und hierdurch den Eindruck vermittelte, seine ausgrenzende Haltung ggf. mit den radikalen und menschenunwürdigen Mitteln des Nationalsozialismus durchzusetzen, insbesondere sich Einwanderern in diesem Sinne gewalttätig gegenüberzustellen bereit ist. Eine derartige Auslegung des Beitrages des Klägers erscheint – ebenso wie die obige, vom Kläger für sich in Anspruch genommene – möglich.
In den Gemeinschaftsstandards ist der Begriff „Hassrede“ als direkter Angriff auf Personen aufgrund geschützter Eigenschaften definiert. Dabei werden insbesondere die ethnische Zugehörigkeit, die nationale Herkunft und die religiöse Zugehörigkeit als derartige Eigenschaften anerkannt. Der Einwanderungsstatus soll in gewissem Umfang unter die geschützten Eigenschaften fallen. Ein Angriff wird als gewalttätige oder entmenschlichende Sprache, sowie Aufruf, Personen auszuschließen oder zu isolieren, definiert. Daneben wird die „Hassrede“ in unterschiedliche Stufen eingeteilt, wobei schon für die erste Stufe der „Hassrede“ eine erhebliche direkte Entmenschlichung der Zugehörigen der benannten Kreise verlangt wird (Vergleich mit Dreck, Keimen oder Tieren) oder aber der Beitrag Ausdruck einer generell rücksichts- und gefühllosen Einstellung gegenüber den benannten Personengruppen sein muss (Verspottung des „Konzepts „Hassverbrechen““).
Betrachtet man vor dem Hintergrund dieser Wertung den Beitrag des Klägers, fehlt diesem jedenfalls in der für ihn günstigen Auslegungsvariante der notwendige direkte eigenschaftsbezogene Angriff auf die Personengruppe der Einwanderer, die aufgrund der Nutzungsbedingungen der Beklagten – durch die Beklagte gewollt – allenfalls partiellen Schutz genießt.
b)
Nachdem der Beitrag des Klägers noch im Bereich des nach den Gemeinschaftsstandards Zulässigen lag und die Löschung des Beitrages entgegen der vertraglichen Bestimmungen erfolgte, wird das für den Schadensersatzanspruch notwendige Verschulden gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Die Beklagte hat sich insoweit nicht, etwa durch Vorbringen über eine hinreichende Prüfungstiefe vor der Löschung, entlasten können.
c)
Die Durchsetzung des Anspruches ist auch nicht gemäß § 242 BGB ausgeschlossen. Ein derartiger Ausschluss käme in Betracht, wenn die Löschung zwar nach den zum Zeitpunkt der Löschung geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen unrechtmäßig erfolgt wäre, eine Löschung aufgrund bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geänderter Bedingungen jedoch zulässig wäre. Der Anspruchsinhaber kann in einem solchen Fall kein billigenswertes Interesse an einer Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes haben, weil dieser nach geänderter Vertragslage unrechtmäßig und deshalb sogleich wieder zu beseitigen wäre. Dieser Einwand wäre auch von Amts wegen zu berücksichtigen. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus dem Vorbringen der Parteien allerdings nicht.
d)
Rechtsfolge des den Schadensersatzanspruch auslösenden Verhaltens der Beklagten ist gemäß § 241 Abs. 1 BGB, dass sie denjenigen Zustand wiederherzustellen hat, der ohne das Ereignis vorliegen würde. Hierzu gehört jedenfalls, dass sie den gelöschten Beitrag wieder in den Diskussionsverlauf einstellt.
2.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Unterlassungsanspruch, wie er ihn mit seinem Klageantrag zu 3. geltend macht.
Entsprechend geltend gemachte Ansprüche sind durch verschiedene Gerichte in der Vergangenheit zwar in vergleichbaren Fällen zugesprochen worden (vgl. etwa LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 – 2-03 O 182/18, BeckRS 2018, 14915 Rn. 8; LG Berlin, Beschluss vom 23.03.2018 – 31 O 21/18, unveröffentlicht), für einen entsprechenden Anspruch fehlt es aus Sicht der Kammer indes an schlüssigem Vorbringen, worauf der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 16.01.2019 auch hingewiesen wurde.
a)
Der Kläger kann einen entsprechenden Anspruch insbesondere nicht aus §§ 241 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog herleiten.
Die Kammer geht, wie bereits dargestellt, davon aus, dass die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger die Nutzungsmöglichkeiten an seinem Profil vertragsgemäß einzuräumen, eine Hauptleistungspflicht darstellt. Im Hinblick auf eine Verletzung der vertraglichen Hauptleistungspflichten ist der Kläger auf seinen Leistungsanspruch verwiesen. § 1004 Abs. 1 BGB kann daneben allein schon wegen der fehlenden Regelungslücke keine Anwendung finden (a.A. LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 – 2-03 O 182/18, BeckRS 2018, 14915 Rn. 8).
b)
Auch ein Anspruch aus §§ 311 Abs. 1, 241 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, weil Hauptleistungspflicht des gegenständlichen Vertrages gerade keine Unterlassung, sondern eine Leistung (Gewährleistung der Nutzungsmöglichkeiten des Profils im vertraglich vereinbarten Rahmen) ist.
c)
Zuletzt kommt auch ein Anspruch des Klägers auf Unterlassung wegen eines Eingriffes in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht (§§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) nicht in Betracht.
aa)
Dabei ist ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorliegend nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger der Beklagten durch die Akzeptanz der Nutzungsbedingungen – erneut unterstellt, sie seien wirksam in den Vertrag einbezogen worden – einen regulierenden Zugriff auf seine Beiträge gestattet hat. Da den Vertragsbedingungen allenfalls modifizierender Charakter im Hinblick auf die Frage der Rechtswidrigkeit eines etwaigen Eingriffes in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Nutzer der Plattform der Beklagten zukommt, können sie rechtswidrige Eingriffe nicht vollständig ausschließen.
Da die Beklagte dem Kläger mit der Plattform unstreitig ein Forum zur Außendarstellung mit einem potentiell erheblichen Empfängerkreis zur Verfügung stellt, ließe sich aus Sicht der Kammer im vorliegenden Fall jedenfalls vertreten, einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch die Beklagte dann anzunehmen, wenn die Beklagte erheblich vertragswidrig durch die Sperrung zu einer tatsächlichen und spürbaren Beeinträchtigung der Außendarstellung des Klägers beigetragen hätte. Dies lässt sich dem – insoweit lediglich pauschalen – Sachvortrag des Klägers indes nicht entnehmen, worauf er in der mündlichen Verhandlung am 16.01.2019 hingewiesen wurde, ohne hierauf weiteren Vortrag – etwa zu konkreten Beiträgen Dritter in seinem Profil, die er nicht habe kommentieren können – zu halten, zumal der Kläger das von ihm genutzte Profil lediglich unter einem Pseudonym betreibt.
bb)
Ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann – entgegen der Auffassung des Klägers – auch nicht in einer etwaig kommerziellen Verwertung seiner Daten während der teilweisen Sperrung der Funktionen seines Kontos gesehen werden. Der Kläger hat der Verwertung im Rahmen des Vertragsschlusses zugestimmt und diese Zustimmung zu keinem Zeitpunkt widerrufen. Eine im Rahmen dieser Einwilligung fortgesetzte Verwertung wäre jedenfalls gerechtfertigt gewesen.
3.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die mit den Klageanträgen zu 4. und 5. geltend gemachten Auskunftsansprüche. Der Kläger beruft sich insoweit unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 01.12.1999 – I ZR 49/97, GRUR 2000, 709) darauf, dass ihm entsprechende Ansprüche als unselbstständige Ansprüche aufgrund des von ihm angenommenen rechtswidrigen Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht zustehen würden. Da der Kläger allerdings bereits zu einer entsprechenden Verletzung nicht hinreichend vorgetragen hat, können ihm auch die geltend gemachten Auskunftsansprüche schon dem Grunde nach nicht zustehen.
4.
a)
Selbiges gilt für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Geld, soweit der Antragsteller diesen aus einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes herleiten möchte, wobei darüber hinaus zu beachten ist, dass ein derartiger Anspruch ohnehin nur im Falle einer besonders schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung in Betracht käme, die vor dem Hintergrund des streitgegenständlichen Sachverhaltes fernliegt.
b)
Auch ein Schadensersatzanspruch in Geld aus Vertrag wegen der Weiternutzung der Daten des Klägers für Werbezwecke im Sperrzeitraum steht dem Kläger nicht zu. Die Datennutzung durch Facebook dürfte – was im Ergebnis dahinstehen kann – schon nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Leistung der Beklagten stehen (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.08.2018 – 18 W 1294/18, MMR 2018, 753). Als Gegenleistung für Leistungen der Beklagten könnte allenfalls die Einwilligung in die Datennutzung selbst anzusehen sein. Da der Kläger der Beklagten auch nach Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit seines Kontos die Nutzung der Bestandsdaten nicht untersagte, erfolgte eine etwaige Nutzung jedenfalls mit Einwilligung des Klägers und damit vertragsgemäß ohne gesonderte Vergütungspflicht. Vor diesem Hintergrund kommt eine Schadensberechnung im Wege der Lizenzanalogie nicht in Betracht.
Ebenso scheidet ein Anspruch aus Art. 82 Abs. 1, 2 Satz 1 der DSGVO von vornherein aus. Eine etwaige Datenverarbeitung durch die Beklagte erfolgte – entgegen der Auffassung des Klägers – mit fortbestehender Einwilligung des Klägers. Selbst wenn man, wie der Kläger meint, § 320 Abs. 1 BGB im vorliegenden Vertragsverhältnis für anwendbar hielte, handelte es sich bei § 320 Abs. 1 BGB doch um eine Einrede, die hätte geltend gemacht werden müssen.
5.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die von ihm geltend gemachte Datenberichtigung. Ein solcher Anspruch könnte sich zwar grundsätzlich aus Art. 16 DSGVO ergeben. Hiernach hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen unverzüglich die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten zu verlangen. Berichtigungsfähig sind nach dieser Vorschrift allerdings nur Tatsachen (vgl. Kühling/Buchner/Herbst, DSGVO, 2. Auflage 2018, Art. 16 Rn. 8 ff.). Der Kläger begehrt von der Beklagten mit seinem Hilfsantrag, dass diese die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend berichtigt, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den am 02.04.2018 gelöschten Beitrag aus dem Datensatz gelöscht wird und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um einen Verstoß zurückgesetzt wird. Indes handelt es sich bei der Frage, ob ein Verstoß gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vorliegt, nicht um eine Tatsache, sondern – wie dargestellt – um ein Ergebnis, zu dem man im Rahmen einer umfassenden Abwägung gelangt. Betreffend derartige Abwägungsergebnisse kann – unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 16 DSGVO im Übrigen – eine Berichtigung nicht beansprucht werden (vgl. Kühling/Buchner/Herbst, DSGVO, 2. Auflage 2018, Art. 16 Rn. 9). Berichtigt werden können allenfalls unrichtig gespeicherte Tatsachen, die dem Bewertungsergebnis zugrunde liegen.
6.
a)
Nachdem der Kläger keinen Anspruch auf die mit seinem Antrag zu 6. geltend gemachte Zahlung hat, hat er auch keinen Anspruch auf die diesbezüglich geltend gemachten Zinsen.
b)
Ebenso wenig hat der Kläger einen Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Zu einem entsprechenden Anspruch hat der Kläger nicht schlüssig vorgetragen.
Dabei ist schon unklar, ob die Einholung der Deckungszusage durch den Klägervertreter zu einer Übernahme der Kosten durch den Rechtsschutzversicherer des Klägers geführt hat. Wenn dies der Fall sein sollte, wäre der geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlichen Kosten schon unschlüssig, weil der Anspruch nicht dem Kläger, sondern dessen Rechtsschutzversicherer zustehen würde. Eine Abtretung oder eine Befugnis zur Geltendmachung in Prozessstandschaft wird durch den Kläger nicht geltend gemacht.
Daneben könnte der Kläger ohnehin allenfalls diejenigen Kosten ersetzt verlangen, die ihm durch die außergerichtliche Inanspruchnahme seines Prozessvertreters dadurch entstanden sind, dass er den Anspruch auf Wiedereinstellung seines Beitrages bei der Beklagten eingefordert hat, weil darüberhinausgehende Ansprüche schon nicht bestehen.
Soweit der Kläger Kosten der Einholung von Deckungszusagen bei seinem Rechtsschutzversicherer geltend macht, handelt es sich bei diesen Kosten darüber hinaus auch nicht um Kosten der Rechtsverfolgung. Bei der Einholung einer Deckungszusage handelt es sich schon nicht um eine besondere Angelegenheit im Sinne des § 18 RVG, für die ein Rechtsanwalt eine Vergütung verlangen könnte (str., vgl. Mayer, in Formularbibliothek Zivilprozess – Mayer Arbeitsrecht, § 2 Rn. 208; wie hier auch OLG München, Urteil vom 04.12.1990 – 13 U 3085/90, FH ZivR 39, Nr. 9359).
c)
Zuletzt war auch den Vollstreckungsanträgen nicht stattzugeben. Für den mit dem Klageantrag zu 3. gestellten Vollstreckungsantrag gilt dies schon deshalb, weil der Kläger mit diesem unterlegen ist.
Im Hinblick auf den Klageantrag zu 2. hat der Kläger zwar mit seiner Klage obsiegt. Die Vollstreckung dieses Anspruches richtet sich jedoch nicht nach § 890 ZPO, sondern nach § 888 ZPO. Die Androhung eines Ordnungsgeldes kommt hiernach nicht in Betracht. Die Androhung eines Zwangsgeldes ist demgegenüber nicht erforderlich.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO und entspricht dem Obsiegen und Unterliegen der Parteien gemessen am Wert der Klageanträge, wie er sich aus dem am heutigen Tage verkündeten Streitwertbeschluss ergibt. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht für den Kläger auf § 709 Satz 1 ZPO und für die Beklagte auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
F. G. H.
Landgericht Göttingen | Verkündet am: |
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Beschluss
In dem Rechtsstreit
des Herrn B.,
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: C. Anwaltskanzlei,
gegen
D., vertreten durch die Vorstände
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. E.,
wird der Streitwert des Verfahrens auf
6.400,- EUR
festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts des Verfahrens richtet sich nach §§ 63 Abs. 2 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1, 43 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 2 ff. ZPO.
I.
Dabei misst die Kammer den Klageanträgen zu 1. und 3. einen Wert von jeweils 1.500,- € bei. Beide Anträge richten sich im Kern auf die Durchsetzung desselben Rechtsschutzziels, welches die Kammer gemäß § 3 ZPO auf 1.500,- € schätzt. Bei dieser Schätzung hat sich die Kammer an den durch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 07.09.2018 – 16 W 38/18, BeckRS 2018, 25532 aufgestellten Grundsätzen orientiert. Die Kammer teilt insbesondere die dort vertretene Auffassung, dass sich die vorliegend geltend gemachten Ansprüche aus einem Vertragsverhältnis herleiten und mit Ansprüchen wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, etwa durch unwahre Tatsachenbehauptungen oder Schmähkritik, nicht vergleichbar sind. Dies schon deshalb, weil im Rahmen zuletzt genannter Verletzungen regelmäßig Auswirkungen über den Rechtskreis von unmittelbarem Störer und Verletzten hinaus bestehen, an denen es hier fehlt und zwar nach dem Vorbringen des Klägers auch insoweit, wie er mit dem Vertragsverstoß zugleich eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes rügt.
Die durch den Kläger angefochtene (teilweise) Sperrung seines Nutzerprofils hat, vor dem Hintergrund der vielfältigen anderen Möglichkeiten, am politischen Diskurs teilzunehmen und deren eingeschränkter Dauer, auch keine tiefgreifenden Auswirkungen auf die Lebensführung des Klägers. Auch insoweit schließt sich die Kammer den Ausführungen des Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main in dem zitierten Beschluss, dessen Grundsätze auch auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt übertragbar sind, an. Die Kammer hatte auf diesen Umstand bereits bei der Wertfestsetzung in dem zwischen den Parteien geführten einstweiligen Verfügungsverfahren (Az.: 9 S 1/18) abgestellt.
II.
Dem Klageantrag zu 2. misst die Kammer, ebenfalls unter Anwendung des § 3 ZPO und in Anschluss an die zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main, einen Wert von 500,- € bei.
III.
Den Wert der Klageanträge zu 4. und 5. schätzt die Kammer gemäß § 3 ZPO mit jeweils 200,- €.
IV.
Dem Zahlungsantrag zu 6. ist ein Wert von 1.500,- € beizumessen.
V.
Dem Zahlungsantrag zu 7. kommt gemäß § 43 Abs. 1 GKG kein eigenständiger Wert zu.
VI.
Dem Hilfsantrag kommt gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG ein eigenständiger Wert zu, den die Kammer unter Anwendung der genannten Grundsätze gemäß § 3 ZPO auf 1.000,- € schätzt.