Verwaltungsgericht Hannover
v. 08.02.2008, Az.: 11 A 604/07

Cross-Compliance; Vor-Ort-Kontrolle

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
08.02.2008
Aktenzeichen
11 A 604/07
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2008, 45445
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2008:0208.11A604.07.0A

Amtlicher Leitsatz

Das Unmöglichmachen einer Vor-Ort-Kontrolle i.S.d. Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 ist objektiv zu bestimmen. Auf die Gründe, aus welchen der Betriebsinhaber oder sein Vertreter die Kontrolle verhindern, kommt es nicht an

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

  3. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Auszahlung der Betriebsprämie 2006.

2

Die Klägerin ist Nebenerwerbslandwirtin; in ihrem Betrieb in C. hält sie Kühe und Schweine. In dem Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2006 vom 06.05.2006, eingegangen bei der Beklagten am 11.05.2006, gab sie unter Punkt I.1.1. an, verantwortlicher Leiter des Unternehmens bzw. Vertretungsberechtigter sei D.. Sie verwies auf die der Beklagten bereits vorliegende unbefristete Vollmacht zugunsten ihres Sohnes D. vom 31.05.2005. In dem Antrag erklärte sie weiter, ihr sei bekannt, dass u.a. den näher bezeichneten Landesstellen und den von diesen beauftragten Stellen im Rahmen ihrer Befugnisse das Betreten der Geschäfts-, Betriebs- und Lagerräume sowie der Betriebsflächen während der Geschäfts- und Betriebszeiten zu gestatten sei sowie auf Verlangen die in Betracht kommenden Bücher, Aufzeichnungen, Belege, Schriftstücke, Datenträger, Karten und sonstige Unterlagen zur Einsicht zur Verfügung zu stellen seien, Auskunft zu erteilen und die erforderliche Unterstützung zu gewähren sei (Punkt VII.21, Unterpunkte 7 und 8). Die Klägerin verpflichtete sich außerdem, jede Abweichung von den Antragsangaben unverzüglich der zuständigen Dienststelle der Beklagten mitzuteilen (Punkt VII.24.)

3

Am 27.06.2006 wollten Vertreter des Veterinäramtes des Landkreises E. im Auftrag der Beklagten eine Vor-Ort-Kontrolle der Kennzeichnung und Registrierung von Schweinen der Klägerin im Rahmen der Cross-Compliance durchführen. Die beiden Prüfer trafen im Betrieb der Klägerin auf deren Sohn, D.. Dieser erklärte, er habe mit der Kontrolle nichts mehr zu tun, da er sich mit der Klägerin zustritten habe, und habe selbst auch keine Unterlagen, die er vorzeigen könne; die Klägerin sei nicht da.

4

Mit Bescheid vom 12.01.2007 lehnte die Beklagte den Antrag auf Auszahlung der Betriebsprämie mit der Begründung ab, die Klägerin habe die Vor-Ort-Kontrolle der Schweinehaltung verweigert.

5

Die Klägerin hat am 26.01.2007 Klage erhoben. Sie macht geltend, sie selbst habe keine Vor-Ort-Kontrolle verweigert. Ihr Sohn sei aus dem Betrieb ausgestiegen, sie verwahre die Unterlagen in ihrem Büro.

6

Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12.01.2007 zu verpflichten, ihr die Betriebsprämie für das Jahr 2006 auszuzahlen.

7

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen

8

Sie trägt zur Begründung vor, das Verhalten des D. sei der Klägerin zuzurechnen, weil sie ihm zum einen eine unbefristete Vollmacht im Jahr 2005 erteilt habe und diese der Beklagten vorgelegt habe und ihn zum anderen im Sammelantrag 2006 als verantwortlichen Leiter des Unternehmens bzw. Vertretungsberechtigten bezeichnet habe.

9

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht den Antrag der Klägerin auf Bewilligung (und Auszahlung) der Betriebsprämie für das Jahr 2006 abgelehnt; der Bescheid der Beklagten vom 12.01.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).

11

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung der Betriebsprämie für das Jahr 2006.

12

Gemäß Art. 36 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. Nr. L 270 v. 21.10.2003, S. 1) wird die Betriebsprämie unter Berücksichtigung der als beihilfefähig festgestellten Fläche im Rahmen der einem Betrieb zur Verfügung stehenden Zahlungsansprüche gewährt.

13

Der Bewilligung der Betriebsprämie für das Jahr 2006 steht jedoch Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates (ABl. Nr. L 141 v. 30.04.2004, S. 18) entgegen. Danach werden die betreffenden Beihilfeanträge abgelehnt, falls der Betriebsinhaber oder sein Vertreter die Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle unmöglich gemacht hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

14

Der Sohn der Klägerin, Herr D., handelte anlässlich der Vor-Ort-Kontrolle im Betrieb der Klägerin am 27.06.2006 als ihr Vertreter. Die Klägerin hatte ihn nämlich im Sammelantrag 2006 als solchen bezeichnet und die Beklagte auf die ihrem Sohn am 31.05.2005 erteilte Vollmacht verwiesen.

15

Die Klägerin kann dem nicht entgegenhalten, dass ihr Sohn infolge eines Streits mit seinem Vater über eine etwa drei Wochen vor der hier maßgeblichen Vor-Ort-Kontrolle stattgefundene Kontrolle mit diesem überworfen und "alles hingeschmissen" hatte. In der mündlichen Verhandlung schilderte zunächst der anwesende Ehemann der Klägerin, Herr F., den Streit, sodann der erst dann in den Sitzungssaal gekommene D.. Beide berichteten übereinstimmend, dass der Vater den Sohn nicht von einer im voraus angekündigten Vor-Ort-Kontrolle in Kenntnis gesetzt hatte, der Sohn vom Erscheinen der Prüfer überrascht worden sei und eigentlich einen anderen Termin hätte wahrnehmen müssen. Dieses Ereignis sei Anlass eines heftigen Streits gewesen, der schließlich dazu geführt habe, dass Herr D. seinen Eltern erklärt habe, mit den Kontrollen nichts mehr zu tun zu haben. Auf die tatsächlichen Verhältnisse kommt es für die Vertretereigenschaft im vorliegenden Einzelfall nicht an; maßgeblich sind vielmehr die Angaben der Klägerin im Sammelantrag 2006. Aus Art. 12 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 ergibt sich, dass der Sammelantrag alle zur Feststellung der Beihilfefähigkeit erforderlichen Informationen enthalten muss. Erfolgt keine Berichtigung der Angaben im Antragsformular, das gem. Art. 22 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 von der zuständigen Behörde ausgehändigt wird, muss der Betriebsinhaber diese Angaben nur dann nicht gegen sich gelten lassen, wenn ein Fall des (für die Behörde) offensichtlichen Irrtums nach Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 vorliegt. Nur in einem solchen Fall korrigiert die Behörde von sich aus den Antrag. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, weil der Beklagten nicht erkennbar sein konnte, dass der Sohn der Kläger drei Wochen vor der Kontrolle gegenüber seinen Eltern erklärte, dass er mit den Kontrollen nichts mehr zu tun haben wolle.

16

Die Klägerin kann sich ebenso wenig darauf berufen, dass ihr Ehemann nach eigenem Bekunden in der mündlichen Verhandlung einen Mitarbeiter der Außenstelle G. der Beklagten nach dem besagten Streit, aber noch vor der hier maßgeblichen Vor-Ort-Kontrolle am 27.06.2006 davon in Kenntnis gesetzt haben will, dass der Sohn nun nicht mehr Vertreter der Klägerin sei. Sollte dies zutreffen, würde die Klägerin dadurch gleichwohl nicht entlastet. Denn mangels eigener Vollmacht kann ihr Ehemann an ihrer Stelle weder die Vollmacht vom 31.05.2005 widerrufen noch die Angaben im Sammelantrag 2006 rechtswirksam gegenüber der Beklagten ändern. Auf eine eigene Vollmacht hat sich der Ehemann der Klägerin in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht berufen; auch die Klägerin hat nicht vorgetragen, ihn bevollmächtigt zu haben.

17

Der Sohn der Klägerin hat die Vor-Ort-Kontrolle am 27.06.2006 auch unmöglich gemacht, indem er den Prüfern des Veterinäramtes des Landkreises E. den Zugang zu den Schweinebestandsregistern verweigerte, den die Prüfer begehrten. Der Betriebsinhaber oder sein Vertreter macht die Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle dann unmöglich i.S.d. Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004, wenn die Kontrolle aus Gründen, die in der Person des Betriebsinhabers oder seines Vertreters liegen, nicht stattfindet, sie mithin verhindert wird. Insoweit kann auf den Wortlaut der weitestgehend wortgleichen, nunmehr außer Kraft getretenen Vorschrift des Art. 17 Abs. 3 VO (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 mit Durchführungsbestimmungen zum mit der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates eingeführten integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. Nr. L 327 v. 12.12.2001, S. 11) zurückgegriffen werden. Dort heißt es anstelle von "unmöglich machen" "verhindern". Ein Vergleich verschiedener Sprachfassungen von Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 und Art. 17 Abs. 3 VO (EG) Nr. 2419/2001 zeigt, dass die Wortlautänderung keine inhaltliche Änderung bedeutet; so ist sowohl in der englischen ("prevents") als auch der französischen ("empêche") Fassung der Wortlaut der beiden Vorschriften identisch.

18

Das Unmöglichmachen i.S.d. Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 ist nach Auffassung des Gerichts objektiv zu bestimmen. Auf die Gründe, aus welchen der Betriebsinhaber oder sein Vertreter die Kontrolle verhindert, kommt es nicht an. Denn die Kommission als Verordnungsgeberin hat erkennbar die Anforderungen an die Betriebsinhaber (und ihre Vertreter) bei den Vor-Ort-Kontrollen gegenüber älteren Regelungen verschärft. In der Vor-vorgängervorschrift zu Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004, Art. 13 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilfereglungen (ABl. Nr. L 391 v. 31.12.1992, S. 36), heißt es noch, dass ein Beihilfeantrag außer in Fällen höherer Gewalt zurückzuweisen ist, wenn eine Kontrolle vor Ort aus Gründen, die dem Antragsteller anzulasten waren, nicht durchgeführt werden konnte. Ein Vergleich mit der englischen Sprachfassung, in der von der Schuld des Betriebsinhabers die Rede ist (".[...], if an on-the-spot check cannot be made through the fault of the farmer the application shall be rejected."), zeigt, dass es nach der älteren Regelung nicht allein auf das objektive Unmöglichmachen der Kontrolle ankam. Weil die Kommission diese Regelung weder in die VO (EG) Nr. 2419/2001 noch die hier maßgebliche VO (EG) Nr. 796/2004 übernommen, sondern neu gefasst und sowohl die Entlastung durch höhere Gewalt als auch die Exkulpationsmöglichkeit gestrichen hat, soll es nach Auffassung des Gerichts auf die Gründe für die Verhinderung der Kontrolle im derzeit gültigen Regime für Vor-Ort-Kontrollen nicht ankommen. Aus den genannten Gründen kann sich das Gericht nicht der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen vom 14.12.2007 (Az. 6 K 1575/06, juris) anschließen, das zur Auslegung des Begriffs der "Verhinderung" i.S.d. Art. 17 Abs. 3 VO (EG) Nr. 2419/2001 auf Art. 13 VO (EWG) Nr. 3887/92 zurückgegriffen und nach sachlichen Gründen für die Verhinderung der Kontrolle gefragt hat.

19

Mithin ist es unbeachtlich, ob der Sohn der Klägerin den Prüfern erklärte, dass er nicht mehr zuständig sei und seine Mutter die Unterlagen habe - wie es der Ehemann und der Sohn der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bekundeten -, oder ob der Sohn der Klägerin den Prüfern vielmehr erklärte, dass der Betrieb zu oft kontrolliert werde und er keine Zeit habe, wie es sich aus dem Prüfbericht über die Vor-Ort-Kontrolle ergibt.

20

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihr Sohn, der auf dem elterlichen Hof eine eigene Wohnung bewohnt und als LWK-Fahrer tätig ist, aufgrund einer Absprache mit seinen Eltern den elterlichen Wohnbereich einschließlich des Büros seiner Mutter nicht betritt. Entsprechendes haben im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung Herr D. und sein Vater, Herr F., angegeben. Herr D. verwies auf das anhaltend schwierige Verhältnis zu seinen Eltern. Die im Innenverhältnis der Familie der Klägerin herrschenden Verhältnisse mögen einen nachvollziehbaren Grund für den Sohn der Klägerin dargestellt haben, den Prüfern den Zugang zu den Schweinebestandsregistern des Betriebs der Klägerin zu versagen; jedoch kommt es nach dem oben Gesagten auf die Motive für das Unmöglichmachen der Kontrolle durch den Vertreter nicht an.

21

Die Klägerin wird schließlich nicht dadurch entlastet, dass die Vor-Ort-Kontrolle unangekündigt stattfand. Den Kontrollstandard legt Art. 23 VO (EG) Nr. 796/2004 fest. Danach werden die Vor-Ort-Kontrollen so durchgeführt, dass zuverlässig geprüft werden kann, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfen eingehalten wurden. Die niedersächsischen Dienstanweisungen für die Prüfer sehen vor, dass im Falle einer ausschließlich systematischen Cross-Compliance die Überprüfung in eingeschränktem Umfang angekündigt werden darf (nicht: muss), eventuelle Ankündigungen den Prüfungszweck aber nicht gefährden dürfen. Sind die Fachüberwachungsbehörden der Auffassung, dass die Ankündigung den Prüfungszweck gefährdet, erfolgt die Prüfung unangekündigt. Aus einer vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung zu den Verwaltungsvorgängen nachgereichten Auflistung von Kontrollen nach der Schweinehaltungshygiene-Verordnung, die von der Klägerin nicht bestritten wurde, ergibt sich, dass zwischen Juni 2005 und der hier maßgeblichen Vor-Ort-Kontrolle am 27.06.2006 der klägerische Betrieb mehrfach kontrolliert wurde. So konnte nach der Auflistung am 03.06.2005 eine Kontrolle der Dokumentation nicht stattfinden, weil D. nicht anwesend war. Nach einer Anhörung der Klägerin und Vorlage eines Teils der Dokumentation durch den Sohn der Klägerin - der in der mündlichen Verhandlung behauptete, er wisse nicht, wie die Unterlagen aussähen - fand laut Auflistung am 08.12.2005 eine Nachkontrolle statt, bei der festgestellt wurde, dass die Mängel nur teilweise behoben waren. Am 14.12.2005 erging eine Ordnungsverfügung mit Zwangsgeldandrohung an die Klägerin unter Hinweis, dass Dokumentation und Kennzeichnung der Tiere für die Cross-Compliance jederzeit verfügbar und nachvollziehbar sein müssten. Vor diesem Hintergrund waren die Prüfer nicht gehalten, die Prüfung anzukündigen.