Landgericht Aurich
Beschl. v. 22.07.2010, Az.: 4 T 234/10
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 22.07.2010
- Aktenzeichen
- 4 T 234/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 47914
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Emden - 29.06.2010 - AZ: 9 K 109/07
- nachfolgend
- BGH - 25.05.2011 - AZ: V ZB 88/11
- BGH - 29.07.2011 - AZ: V ZB 88/11
- BGH - 15.09.2011 - AZ: V ZB 88/11
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 13.07.2010 gegen den Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Emden vom 29.06.2010 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 43.500,00 €.
Gründe
Das Amtsgericht Emden hat nach dem dritten Versteigerungstermin am 14.06.2010 durch Beschluss vom 29.06.2010 dem Meistbietenden den Zuschlag für ein Bargebot von 39.500,00 € erteilt. Der Verkehrswert war festgesetzt auf 83.000,00 €.
Gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 30.06.2010 zugestellten Beschluss - das Empfangsbekenntnis befindet sich nicht bei den Gerichtsakten - richtet die sich am 14.07.2010 eingelegte sofortige Beschwerde der Schuldnerin. Die Schuldnerin erhebt folgende Rügen:
1. Gemäß §§ 89, 87 InsO habe die betreibende Gläubigerin während des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin das Verfahren nicht betreiben dürfen.
2. Ferner habe die Bevollmächtigte der Gläubigerin, Rechtsanwältin G., den Fortsetzungsantrag nach § 31 ZVG am 13.07.2009 nicht wirksam stellen können. Die sofortige Beschwerde führt aus:
"Die Rechtsunwirksamkeit des Fortsetzungsantrages nach § 31 ZVG ergibt sich daraus, dass die im Termin vom 13.7.2009 Erschienene, Frau Rechtsanwältin G., nicht wirksam bevollmächtigt war und ausschließlich nach § 89 ZPO agiert hat. Die ihr erteilte Untervollmacht vom 10.7.2009 ist unwirksam, da die Vollmacht des sie Bevollmächtigtenden vom 5.6.2009 erfüllt nicht das Formerfordernis der §§ 127, 126 BGB. Die Vollmacht muss demnach eigenhändig durch Vertretungsberechtigte der Gläubigerin erteilt sein. Daran fehlt es ganz offensichtlich. Ausweislich der Vollmachtsurkunde vom 20.08.2003, welche sich in der Akte (Blatt 105) befindet, ist Frau P. vom damaligen vertretungsberechtigten Vorstand für Zwangsversteigerungsverfahren bevollmächtigt worden. Diese Vollmacht ist, da sie sich noch in der Akte befindet, ganz offensichtlich auch nicht widerrufen worden. Somit ist ausschließlich Frau P. befugt, Herrn Rechtsanwalt G. Vollmacht zu erteilen, da die Bevollmächtigte insofern den vertretungsberechtigten Vorstand ausschließt (vgl. Genhuber JZ 1995, 381). Die Vollmachtsurkunde vom 5.6.2009 weist jedoch nicht die eigenhändige Unterschrift von Frau P. auf, sondern die zweier anderer Personen, die zudem nicht identisch sind mit den Unterschriften der vertretungsberechtigten Personen in der Urkunde vom 20.08.2003 (UR 990/2003 Blatt 105 d. A.). Die eigenhändige Unterschrift setzt nach § 126 BGB zudem voraus, dass der Vertretervermerk aus der Urkunde ersichtlich ist (BAG NJW 2007, 250 [BAG 13.07.2006 - 8 AZR 382/05]; BGH NJW 2008, 2178 [BGH 07.05.2008 - XII ZR 69/06]). Dieser ergibt sich aus der Vollmachtsurkunde vom 5.6.2009 nicht, so dass dem Formerfordernis des § 126 BGB nicht genügt ist und damit die Vollmacht vom 5.6.2009 rechtsunwirksam mit der Folge, das auch die Untervollmacht für Frau G. vom 10.7.2009 keine Rechtswirksamkeit entfalten kann. Der von ihr gestellte Fortsetzungsantrag nach § 31 ZVG ist damit nach §§ 180 BGB, 80 ZPO nichtig und kann daher nicht Grundlage für eine Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens sein. Dementsprechend war das Vollstreckungsgericht daher rechtlich gehindert, einen Zwangsversteigerungstermin anzuberaumen Da somit die Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens unzulässig ist, hätte der Zuschlag nach § 83 Nr. 6 ZVG versagt werden müssen …"
3. Ferner macht die sofortige Beschwerde geltend, die Zwangsversteigerung sei unzulässig, weil die Fortsetzung des Verfahrens am 13.07.2009 vor der Einstellung des Verfahrens nach § 33 ZVG beantragt worden sei. Damit sei der Fortsetzungsantrag unbeachtlich gewesen. Die sofortige Beschwerde führt aus:
" … Darüberhinaus ist die Zwangsversteigerung auch aus § 83 Nr. 5 ZVG unzulässig. Diese Vorschrift erfasst alle Gesetzesverletzungen, durch die allein Rechte eines Beteiligten betroffen werden. Hierzu gehört auch der Fortsetzungsantrag nach § 31 I Nr. 1 ZVG (BGH vom 19.11.2009 V ZB 118/09 lexetius.com/2009, 3625). Der Fortsetzungsantrag steht in der alleinigen Disposition des Gläubigers. Zu beachten ist jedoch, dass Grundlage dieses Antrages die Einstellung des Verfahrens ist (BGH a.a.O.). Dementsprechend kann der Fortsetzungsantrag auch nur nach Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens gestellt werden (BGH a.a.O; Böttcher ZVG § 31 RN 3). Die Besonderheit des vorliegenden Verfahrens ist es jedoch, das im Termin vom 13.7.2009 vor Einstellung des Verfahrens nach § 33 ZVG sowohl die Bewilligung der Einstellung nach § 30 ZVG als auch die Fortsetzung des Verfahrens nach § 31 ZVG zeitgleich erklärt wurde, wie sich aus dem Protokoll unschwer entnehmen lässt.
Damit ist der im Termin vom 13.7.2009 erklärte Fortsetzungsantrag nach § 31 ZVG unbeachtlich. Da jedoch ab dem 13.7.2009 binnen 6 Monate kein Fortsetzungsantrag gestellt wurde, war die Anordnung der Fortsetzung des Verfahrens vom 14.10.2009 unrichtig da ihm kein Antrag nach § 31 ZVG zugrunde lag und die amtswegige Fortsetzung den §§ 15, 31 ZVG und der darin enthaltenen Dispositionsbefugnis des Gläubigers widerspricht. Das Zwangsversteigerungsverfahren und deren Fortsetzung ist daher nach § 83 ZVG unzulässig … "
4. Die sofortige Beschwerde rügt ferner eine Verletzung des § 85 a ZVG. Sie führt aus:
"Die Beschwerde ist jedoch auch begründet als eine Verletzung des § 85 a ZVG gegeben ist. Die vom Vollstreckungsgericht zu beachtenden Wertgrenzen des § 85 a ZVG dienen auch dem Schutz der Vollstreckungsschuldnerin. Nach der auch dem Gericht bekannten Rechtsprechung des BGH fallen die Wertgrenzen des § 85 a ZVG nicht fort, wenn ein unwirksames Gebot nicht nach § 71 ZVG zurückgewiesen wurde. In dem Zwangsversteigerungstermin vom 16.2.2009 ist als Gläubigerinvertreterin Frau P. sowie Herr O. D. erschienen, der beruflich Vertriebsdirektor der B. Immobilien GmbH L. ist und damit der Gläubigerin sehr nahe steht.
In diesem Termin hat Herr D. ein nicht zuschlagfähiges Gebot von 40.000,- Euro abgegeben. Dieses diente nicht dem Eigenerwerb sondern ausschließlich dem Zweck, die Wertgrenze des § 85 a ZVG für den zweiten Versteigerungstermin zu Fall zu bringen. Ein Gebot jedoch, das nicht dem Schuldnerschutz dient sondern die Rechtsfolgen des § 85 a ZVG herbeiführen soll, ist rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam (BGH vom 10.5.2007 V ZB 83/06 lexetius.com/2007, 2595). Hinzu kommt, dass die Gläubigerinvertreterin, Frau P., es unterlassen hat, einen Antrag nach § 74 a ZVG zu stellen, was dafür spricht, dass sie mit diesem dem Schuldnerschutz widersprechenden Gebot einverstanden war, obwohl dies ihrer arbeitsvertraglichen Pflicht zur höchstmöglicheren Verwertung des Grundstücks widersprach (vgl. so ausdrücklich BGH a.a.O.). Es spricht daher viel für ein kollusives Zusammenwirken von Frau P. und Herrn D. zu Lasten des Schuldnerschutzes. Hierfür spricht auch, dass Frau P. aufgrund der ihr erteilten Vollmacht vom 20.8.2003 (Blatt 105 d. A.) zur Abgabe von Geboten ermächtigt. Von dieser, vom BGH jetzt für unwirksam erklärten Befugnis brauchte Frau P. keinen Gebrauch machen, da ein Gebot von Herrn D. (nach Absprache?) abgegeben wurde. Das Gebot von Herrn D. ist daher als rechtsunwirksam anzusehen und hätte nach § 71 ZVG zurückgewiesen werden müssen (BGH a.a.O). Das Gebot von Herrn D. war daher nicht geeignet, die Wertgrenze des § 85 a ZVG zu Fall zu bringen. Der Termin vom 16.2.2009 ist daher als ergebnislos anzusehen mit der Folge, dass auch bei Ergebnislosigkeit die Wertgrenze von 7/10 für den zweiten Zwangsversteigerungstermin fortbestand (BGH a.a.O.) Herr O. D. hat im Versteigerungstermin vom 13.7.2009 wieder ein Gebot abgegeben, welches aus den oben schon genannten Gründen nach der Rechtsprechung des BGH als rechtsunwirksam anzusehen ist und daher durch das Vollstreckungsgericht nach § 71 ZVG als unwirksam hätte zurückgewiesen werden müssen. Das Gebot der Eheleute B. in Höhe von 20.500,00 Euro ist, da es unter 5/10 des Verkehrswertes liegt unwirksam und hätte ebenfalls nach § 71 ZVG zurückgewiesen werden müssen (BGH a.a.O.). Auch der Versteigerungstermin vom 13.7.2009 ist als ergebnislos anzusehen weil die Einstellung des Verfahrens bewilligt und der Zuschlag nach § 33 ZVG versagt wurde (BGH vom 18.10.2007 V ZB 141/06 lexetius.com/2007, 3173) und die Wertgrenze von 7/10 galt demnach auch für den Versteigerungstermin vom 14.6.2010 fort (BGH a.a.O). Der Zuschlag hätte daher nach § 85 a ZVG versagt werden müssen weil das Gebot von 39.500 Euro unter 5/10 liegt. Da eine Verletzung des § 85 a ZVG als gegeben anzusehen ist, ist die Beschwerde auch in diesem Punkt begründet …"
5. Weiterhin führt die sofortige Beschwerde aus, der Zuschlag habe nicht erteilt werden dürfen, weil der Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom 13.07.2009 gemäß § 33 ZVG über die Versagung des Zuschlags rechtkräftig sei. Die sofortige Beschwerde führt aus:
"Dies hat nach § 86 ZVG die Wirkung wie eine Aufhebung des Verfahrens insofern als die Fortsetzung des Verfahrens unzulässig ist. Die Unzulässigkeit der Fortsetzung ergibt sich einmal aus der Nichtbeachtung des Einzelvollstreckungsverbotes nach § 89 I insO, andererseits aus der Rechtsunwirksamkeit des Fortsetzungsantrages gemäß §§ 180 BGB, 89 sowie aus der Nichtbeachtung des § 77 II2. ZVG. Da das Verfahren wegen zweimaliger Ergebnislosigkeit schon längst hätte aufgehoben werden müssen, ist die Fortsetzung unzulässig. Dies bedeutet, dass das Zwangsversteigerungsverfahren seit Juli 2009 nach § 86 ZVG als aufgehoben zu gelten hat. Dem Zwangsversteigerungstermin vom 14.6.2010 liegt damit kein das Verfahren neu einleitender Antrag nach § 15 ZVG zugrunde, so dass die Zwangsversteigerung vom 14.6.2010 mangels Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen unzulässig ist und der Zuschlag daher nicht hätte erteilt werden dürfen. Selbst wenn man den Termin vom 14.6.2010 als ersten neuen Termin sähe, hätte der Zuschlag versagt werden müssen nach § 85 a I wegen Nichtbeachtung der 7/10 Grenze. Die Beschwerde ist daher insgesamt als begründet anzusehen."
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RpflG, 96, 98, 100 Abs. 1 ZVG, 567 ff. ZPO zulässig, jedoch nicht begründet. Die von der sofortigen Beschwerde erhobenen Beschwerdegründe greifen nicht durch:
1. Über das Vermögen der Schuldnerin ist am 22.10.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Mit Erklärung vom 12.11.2007, der Schuldnerin zugestellt am 14.11.2007, hat der Insolvenzverwalter die Freigabe des versteigerten Grundstücks aus dem Insolvenzbeschlag erklärt. Der im Grundbuch eingetragene Insolvenzvermerk ist am 21.11.2007 gelöscht worden. Damit stand dem Zwangsversteigerungsantrag der betreibenden Gläubigerin vom 19.12.2007 und seine Anordnung durch Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom 10.01.2008 das Insolvenzverfahren nicht mehr im Wege.
2. Die Rüge, Rechtsanwältin G. habe den Fortsetzungsantrag mangels wirksamer Vollmacht nicht stellen können, greift bereits deshalb nicht durch, weil das Beschwerdegericht über die Rechtmäßigkeit des Fortsetzungsbeschlusses vom 14.10.2009 aufgrund des Antrags der Rechtsanwältin G. bereits rechtskräftig durch Beschluss vom 29.03.2010 - 4 T 101/10 - entschieden hat. Selbst wenn die Wirksamkeit der Untervollmacht nochmals im Rahmen der Zuschlagsbeschwerde zu prüfen wäre, greift die Rüge nicht durch, denn entgegen der Auffassung der Schuldnerin war die betreibende Gläubigerin nicht gehindert, neben ihrer anderen Bevollmächtigten Rechtsanwalt G. für das Verfahren eine wirksame Vollmacht zu erteilen. Rechtsanwalt G. hat dementsprechend wirksam Rechtsanwältin G. Untervollmacht erteilt.
3. Die Rüge, die Fortsetzung sei zur Einstellung des Verfahrens am 13.07.2009 beantragt worden, greift ebenfalls nicht durch, weil über die Rechtsmäßigkeit der Fortsetzung durch den oben genannten Beschluss vom 29.03.2010 - 4 T 101/10 - rechtskräftig entschieden ist. Selbst wenn diese Rüge nochmals im Rahmen der Zuschlagsbeschwerde zu prüfen wäre, greift sie nicht durch. Aus § 31 Abs. 2 a ZVG folgt, dass lediglich die 6-Monatsfrist für den Fortsetzungsantrag erst mit der Einstellung des Verfahrens beginnt, so dass keine Bedenken bestehen, wenn der Antrag bereits vor Fristbeginn gestellt wird. Zumindest wäre der im Versteigerungstermin am 13.07.2009 gestellte Antrag - wenn er denn verfrüht gestellt wäre - als wirksam zu behandeln, da nach den Grundsätzen einer fairen Verfahrensführung das Vollstreckungsgericht dann die antragstellende Unterbevollmächtigte auf die verfrühte Antragstellung hätte hinweisen müssen.
4. Die gerügte Verletzung des § 85 a ZVG ist nicht ersichtlich, weil die Wertgrenze des § 85 a Abs. 1 ZVG gemäß § 85 a Abs. 2 ZVG auf das im dritten Versteigerungstermin abgegebene Gebot keine Anwendung mehr findet. Die Richtigkeit der Behauptung der sofortigen Beschwerde, dass das im ersten Termin abgegebene Meistgebot im kollusiven Zusammenwirken mit der betreibenden Gläubigerin abgegeben worden sei, um im Folgetermin die Wertgrenze des § 85 a ZVG zu unterlaufen, kann dahinstehen, weil auch ein derart abgegebenes Gebot wirksam ist mit der Folge, dass § 85 a Abs. 1 ZVG im Folgetermin keine Anwendung findet (vgl. Stöber, ZVG, 19. Auflg., § 85 a RN 2.3).
5. Die rechtskräftige Versagung des Zuschlags vom 13.07.2009 hindert die Erteilung des Zuschlags auf das Gebot des Meistbietenden ebenfalls nicht, da rechtzeitig die Fortsetzung des Verfahrens beantragt worden ist. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
6. Die weiteren, gemäß §§ 100 Abs. 3, 83 Nr. 6 und 7 ZVG von Amts wegen zu prüfenden Zuschlagsversagungsgründe liegen nicht vor. Insbesondere sind die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen (Titel, Klausel, Zustellung) gegeben und die Vorschriften über die Terminsbestimmung und die Bieterstunde eingehalten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Beschwerdewert wird auf die Differenz zwischen dem festgesetzten Verkehrswert und dem Meistgebot festgesetzt.
Gegen diese Entscheidung wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.