Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 29.06.2012, Az.: 2 Ws 168/12

Zulässigkeit der weiteren Beschwerde bei Unzuständigkeit der bisher angerufenen Gerichte

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.06.2012
Aktenzeichen
2 Ws 168/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 20985
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2012:0629.2WS168.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildeheim - 20.3.2012

Amtlicher Leitsatz

Die weitere Beschwerde gemäß § 310 StPO ist auch dann zulässig, wenn weder das Amtsgericht noch das Beschwerdegericht für die angefochtene Entscheidung zuständig waren.

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Hildesheim vom 20.03.2012 wird der angefochtene Beschluss aufgehoben. Die Sache wird an die Generalstaatsanwaltschaft Celle zur erneuten Vorlage an den Einzelrichter des Senats zurückgegeben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen im Beschwerdeverfahren werden der Landeskasse auferlegt.

Gründe

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I. Das Amtsgericht Gifhorn hat den Betroffenen am 17.10.2011 wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zur Zahlung eines Bußgeldes in Höhe von 320 € verurteilt und ein zweimonatiges Fahrverbot angeordnet. Mit dem von ihm selbst verfassten und unterzeichneten Schriftsatz vom 17.10.2011, bei Gericht eingegangen am 20.10.2011, legte der Betroffene gegen das Urteil Rechtsbeschwerde ein. Die schriftliche Ausfertigung des angefochtenen Urteils wurde dem Betroffenen am 26.11.2011 förmlich zugestellt. Mit Verfügung vom 27.01.2012 teilte das Amtsgericht Gifhorn dem Betroffenen mit, dass die Staatsanwaltschaft beantragt habe, seine Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen, da binnen der gesetzlichen Rechtsmittelbegründungsfrist weder durch einen Rechtsanwalt noch durch den Betroffenen zu Protokoll der Geschäftsstelle eine wirksame Rechtsmittelbegründung erfolgt sei. Daraufhin erschien der Betroffene am 13.02.2012 persönlich beim Amtsgericht Gifhorn und gab unter Bezugnahme auf die von ihm überreichten schriftlichen Unterlagen eine Rechtsmittelbegründung zu Protokoll. Weiterhin beantragte er die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bezüglich der Rechtsmittelbegründungsfrist. Mit Beschluss vom 14.02.2012, dem Betroffenen zugestellt am 18.02.2012, hat das Amtsgericht Gifhorn den Wiedereinsetzungsantrag des Betroffenen als unzulässig verworfen. Das hiergegen eingelegte Rechtsmittel hat das Landgericht Hildesheim mit dem angefochtenen Beschluss vom 20.03.2012 als unbegründet verworfen. Gegen diesen Beschluss, der dem Betroffenen formlos übersandt wurde, wendet der Betroffene sich mit seinem weiteren Rechtsmittel, eingegangen am 05.04.2012.

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Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, auf die weitere Beschwerde des Betroffenen den angefochtenen Beschluss aufzuheben, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand jedoch zu versagen.

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II. Die weitere Beschwerde des Betroffenen ist zulässig, hat aber in der Sache nur insoweit Erfolg, als der angefochtene Beschluss des Landgerichts Hildesheim aufzuheben war. Für eine Sachentscheidung hinsichtlich des Wiedereinsetzungsantrages des Betroffenen und auch hinsichtlich der vom Betroffenen eingelegten Rechtsbeschwerde ist der Einzelrichter des Bußgeldsenates gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG zuständig, dem das Verfahren vorzulegen ist.

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1. Die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht ist zulässig, § 310 Abs. 2 StPO steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen. Zwar findet nach dieser Vorschrift eine weitere Anfechtung der auf eine Beschwerde ergangenen Entscheidungen vom Landgericht nur statt, wenn einer der in § 310 Abs. 1 StPO genannten Fälle vorliegt, was hier nicht der Fall ist. In Rechtsprechung und Literatur ist jedoch anerkannt, dass von diesem Grundsatz dann eine Ausnahme zu machen ist, wenn das Landgericht zur Entscheidung über die Beschwerde nicht zuständig war oder wenn weder das Amtsgericht noch das Beschwerdegericht zuständig waren (so genau für die vorliegende Fallkonstellation OLG Frankfurt, NJW 1980, 1808; vgl. ferner OLG Celle, NJW 73, 1710; OLG Hamm, NJW 72, 1725 [OLG Hamm 24.05.1972 - 4 Ws 106/72]; OLG Karlsruhe, Die Justiz 2002, 23; OLG Koblenz, NZV 2001, 314 [OLG Koblenz 13.11.2000 - 1 Ws 649/00]; OLG Koblenz, NStZ-RR 2011, 211 [OLG Koblenz 07.12.2010 - 1 Ws 563/10; 1 Ws 564/10]; Meyer-Goßner, 54. Aufl., § 310 Rdnr. 2). Für diese Auffassung spricht, dass die in Art. 19 Abs. 4 GG vorgesehene Rechtsweggarantie sich auf den gesetzlich vorgesehenen Rechtsweg bezieht. Dieser wird zwar gemäß § 310 Abs. 2 StPO eingeschränkt, auch diese Einschränkung kann sich im Wege verfassungskonformer Auslegung aber nur auf den gesetzlich vorgesehenen Rechtsweg beziehen. Dieser Rechtsweg ist hier gerade nicht beschritten worden. Für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde ist gemäß § 46 Abs. 1 StPO nicht das Amtsgericht, sondern das Oberlandesgericht zuständig (vgl. dazu auch OLG Düsseldorf, wistra 1990, 276 [OLG Düsseldorf 26.02.1990 - 5 Ss (OWi) 43/90]). Gegen eine in fehlerhafter Annahme der Zuständigkeit ergangene ablehnende Wiedereinsetzungsentscheidung des Amtsgerichts kann der Betroffene Beschwerde einlegen, über die dann in sachlicher Hinsicht wiederum allein das Oberlandesgericht zu entscheiden hat, vgl. dazu OLG Celle, NZV 1998, 258 [OLG Koblenz 26.02.1997 - 2 Ss 401/96]. Das Landgericht war für die Verwerfung der sofortigen Beschwerde gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung als unbegründet nicht zuständig (vgl. dazu auch Göhler, 54. Aufl.,§ 79 Rdnr. 34 d). Mithin haben hier sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht entschieden, obwohl beide Gerichte unzuständig waren. Die weitere Beschwerde ist daher als zulässig anzusehen.

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2. Auf die weitere Beschwerde war der Beschluss des Landgerichts Hildesheim vom 20.03.2012 aufzuheben, da das Landgericht für eine Sachentscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag nicht zuständig war (s. o.).

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3. Zuständig für eine Sachentscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist der Einzelrichter des Bußgeldsenats. Diesem ist die Sache vorzulegen. Der Senat gibt die Sache daher an die Generalstaatsanwaltschaft zurück, damit diese die Sache dem Einzelrichter des Bußgeldsenats erneut vorlegen kann.

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III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren der Landeskasse aufzuerlegen, da der Betroffene im Beschwerdeverfahren obsiegt hat.