Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.08.1992, Az.: 12 L 7279/91

Anerkennung; Asyl; Familienasyl; Politische Verfolgung; Pakistan

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.08.1992
Aktenzeichen
12 L 7279/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 13417
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1992:0828.12L7279.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
6 VG A 192/88

Tenor:

Auf Die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 6. Kammer Stade - vom 28. Juni 1990 insoweit geändert, als den Klagen der Kläger zu 1) und 2) gegen den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. Juni 1988 stattgegeben worden ist. Diese Klagen werden abgewiesen.

Die Berufungen der Kläger zu 3) bis 5) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts werden zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Kläger sind pakistanische Staatsangehörige. Sie begehren ihre Anerkennung als Asylberechtigte.

2

Am 2. August 1987 verließ der 1955 in Faisalabath geborene Kläger zu 1) mit der ebenfalls in Faisalabath, und zwar im Jahre 1962 geborenen Klägerin zu 2), die er im Jahre 1981 geheiratet hatte, Pakistan auf dem Luftwege und gelangte über Dubai und Rom am darauffolgenden Tage in die Bundesrepublik Deutschland. In der Begleitung der Kläger zu 1) und 2) befanden sich ihre am 1. Februar 1984 in Rabwah, Provinz Punjab geborene Tochter ... - Klägerin zu 3) - und ihr am 1. Februar 1986 ebenfalls in Rabwah geborener Sohn ... - Kläger zu 4) -. Am 7. August 1987 wurde den Klägern zu 1) und 2) in Schwallbach am Taunus eine weitere Tochter mit Namen ... Klägerin zu 5) - geboren. Alle Kläger stellten am 13. August 1987 zur Niederschrift der damals zuständigen Ausländerbehörde in Schwallbach einen Asylantrag, den sie wie folgt begründeten: Der Kläger zu 1) sei in den Jahren 1977 bis 1980 in Karachi als Automechaniker tätig gewesen und habe dann seit dem Jahre 1980 in Rabwah ein Lebensmittelgeschäft betrieben. Sie seien als Angehörige der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft verfolgt worden. So habe man Steine in den Hof ihres Hauses geworfen. Dabei sei einmal ein Kind an der Wange verletzt worden. Der Kläger zu 1) sei in Rabwah von dem Pogrom des Jahres 1974 betroffen gewesen. Zwei entfernte Verwandte der Klägerin zu 2) seien im Jahre 1977 erschossen worden. Orthodoxe Moslems hätten vor ihrer Ausreise einen jungen Mann aus der Nachbarschaft entführt und dann erschossen. Weil auch ihr Leben gefährdet gewesen sei, hätten sie sich zur Ausreise nach Deutschland entschlossen.

3

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt), dem die Kläger zu 1) und 2) Bescheinigungen über ihre Mitgliedschaft in der Ahmadiyya-Muslim-Jamaat vom 12. Dezember 1987 vorgelegt hatten, lehnte diesen Asylantrag mit Bescheid vom 7. Juni 1988 als unbegründet ab. Daraufhin forderte die Ausländerbehörde, der Landkreis Verden, die Kläger zu 1) und 2) mit Verfügungen vom 16. Juni 1988 zur Ausreise auf und drohte ihnen anderenfalls die Abschiebung nach Pakistan an.

4

Die Kläger haben gegen die Bescheide vom 7. und 16. Juni 1988 fristgerecht Klage erhoben und ihr Asylbegehren weiter verfolgt. Dazu hat der Kläger zu 1) u.a. darauf hingewiesen, daß am 26. Juli 1989 einer seiner Brüder in Pakistan erschossen worden sei. Auch die Klägerin zu 2) hat geltend gemacht, am 8. Juni 1990 sei einer ihrer Brüder ermordet worden.

5

Die Kläger haben beantragt,

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1. (die Kläger zu 1) und 2)) die Bescheide des Landkreises Verden vom 16. Juni 1988 aufzuheben;

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2. (die Kläger zu 1) bis 5)) den Bescheid des Bundesamtes vom 7. Juni 1988 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen.

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Die Beklagte und der Landkreis Verden haben jeweils beantragt,

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die gegen sie gerichteten Klagen abzuweisen.

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Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 28. Juni 1990 den Bescheid des Bundesamtes vom 7. Juni 1988 aufgehoben, soweit er die Kläger zu 1) und 2) betrifft, und die Beklagte verpflichtet, die Kläger zu 1) und 2) als Asylberechtigte anzuerkennen. Im übrigen hat es die Klagen abgewiesen. Hierzu hat es im wesentlichen ausgeführt:

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Die Kläger zu 1) und 2) seien als Asylberechtigte anzuerkennen, weil ihnen als Angehörige der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft bei Rücckehr nach Pakistan aufgrund des Art. 298 C des Pakistanischen Strafgesetzbuches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare staatliche politische Verfolgung drohe. Demgegenüber sei die Klage gegen den Landkreis Verden abzuweisen; denn nach den der Ausländerbehörde im Juni 1988 zur Verfügung stehenden Erkenntnissen hätten sich die Kläger zu 1) und 2) auf keine asylunabhängigen Aufenthaltsgründe im Sinne des § 28 AsylVfG berufen können. Auch die Asylklage der Kläger zu 3) bis 5) sei unbegründet, weil diese nicht vorverfolgt seien und ihnen als kleinen Kindern keine politische Verfolgung bei Rückkehr nach Pakistan drohen würde. Eine Berufung gegen sein Urteil hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragten), der Beklagten und der Kläger zu 3) - 5) zugelassen. Das Urteil ist den Klägern am 30. Juli 1990 und dem Bundesbeauftragten sowie der Beklagten am 3. August 1990 zugestellt worden.

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Mit Schriftsatz vom 9. August 1990 - beim Verwaltungsgericht am 14. August 1990 eingegangen - hat der Bundesbeauftragte gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade vom 28. Juni 1990 Berufung mit dem Antrag eingelegt,

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"die Klage gegen die Beklagte zu 1) unter Abänderung des Urteils abzuweisen.

14

Soweit es die Klägerin zu 1) betrifft."

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Zur Begründung hat er ausgeführt, "den Klägern" drohe "bei Rückkehr in ihre Heimat nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung von staatlicher Seite", auch sei die Gefahr einer staatlich zu verantwortenden Gruppenverfolgung seitens fanatischer Moslems gegenwärtig und für die absehbare Zukunft mit hinreichender Sicherheit auszuschließen. In einem am 8. November 1990 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 5. November 1990 hat der Bundesbeauftragte seinen Berufungsantrag "berichtigt". Hierzu macht er geltend, der ursprüngliche Berufungsantrag sei mit einem offensichtlichen Schreibfehler behaftet gewesen, der bisher übersehen worden sei. Aus der Berufungsbegründung ergebe sich aber eindeutig, daß mit der Berufung das Urteil des Verwaltungsgerichts angegriffen werden sollte, soweit die Kläger zu 1) und 2) als Asylberechtigte anerkannt worden seien; denn eine "Klägerin zu 1)" gebe es im vorliegenden Verfahren nicht.

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Der Bundesbeauftragte beantragt,

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die Klage gegen die Beklagte zu 1) unter Abänderung des Urteils abzuweisen, soweit es die Kläger zu 1) und 2) betrifft.

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Die Kläger zu 3) und 5) haben am 30. August 1990 ebenfalls Berufung eingelegt.

19

Alle Kläger vertreten zu der Berufung des Bundesbeauftragten die Auffassung, daß diese unzulässig sei. Insbesondere könne sich der Bundesbeauftragte auch nicht mit dem Hinweis auf seine formularmäßige Berufungsbegründung "aus der Klemme" ziehen; denn der individuell und spezifiziert gestellte Berufungsantrag könne nicht - durch eine allgemein und formularmäßig gehaltene Berufung und dazu noch erweiternd - ausgelegt werden. Schließlich komme eine nachträgliche Heilung der (fehlerhaften) Berufungsschrift vom 9. August 1990 durch den Schriftsatz vom 5. November 1990 nicht in Betracht; denn hier sei es nicht um die Korrektur eines Berufungsantrages, sondern um eine Erweiterung des Begehrens gegangen. Bei einer Erweiterung sei eine Heilung aber nicht möglich. Aufgrund der fehlerhaft eingelegten Berufung müßten entweder die Kläger zu 1) und 2) oder zumindest einer dieser Kläger aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichtes als Asylberechtigte anerkannt werden. Dies habe aber - auch wenn nur einer der Kläger als Asylberechtigter anzuerkennen sei - zur Folge, daß alle übrigen Kläger einen Asylanspruch aus § 26 AsylVfG n.F. herleiten könnten. Gleiches gelte für die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG.

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Die Kläger beantragen,

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1. die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten zurückzuweisen;

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2. das Urteil insoweit zu ändern als die Klagen der Kläger zu 3) bis 5) gegen den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. Juni 1988 abgewiesen worden sind, und die Beklagte unter Aufhebung dieses Bescheides zu verpflichten, die Kläger zu 3) - 5) als Asylberechtigte anzuerkennen;

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3. festzustellen, daß in den Fällen der Kläger die Voraussetzungen §§ 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.

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Die Beklagte stellt keinen Antrag. Sie vertritt aber die Meinung, daß sich aus der Berufungsschrift vom 9. August 1990 keinesfalls zweifelsfrei ergebe, wer Rechtsmittelbeklagter sei. Daß Rechtsmittelbeklagte die Kläger zu 1) und 2) sein sollen, werde auch nicht aus der Berufungsbegründung deutlich. Da im übrigen die Angaben über den bzw. die Rechtsmittelbeklagten zu den Mindestanforderungen einer Berufungsschrift gehörten, sei insoweit auch eine Korrektur nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht mehr zulässig.

25

Dem Senat haben neben den Gerichts- und Verwaltungsakten, auf die zur weiteren Sachdarstellung und zur Darstellung des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen ergänzend Bezug genommen wird, die in den gerichtlichen Verfügungen vom 13. und 14. August 1992 genannten und die im Terminsprotokoll vom 28. August 1992 bezeichneten Erkenntnismittel vorgelegen; die entsprechende Liste der Erkenntnismittel in der Verfügung vom 13. August 1992 ist ebenso wie die in der Verfügung vom 14. August 1992 genannte Auskunft des Auswärtigen Amtes v. 4. Januar 1990 Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragten) ist begründet, die Berufung der Kläger zu 3) - 5) muß hingegen erfolglos bleiben. Das Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 28. Juni 1990 ist daher bezüglich der Kläger zu 1) und 2) zu ändern; sämtliche Klagen der Kläger gegen den eine Anerkennung als Asylberechtigte verneinenden Bescheid des Bundesamtes für Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. Juni 1988 sind abzuweisen. Kann aber keiner der Kläger als Asylberechtigte nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG anerkannt werden, so scheidet auch eine Anerkennung nach § 26 AsylVfG (vom 26. Juni 1992, BGBl I S. 1126 - AsylVfG -) unter dem Gesichtspunkt des Familienasyls aus. Schließlich liegen auch für keinen der Kläger die Voraussetzungen für eine Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG (vom 9. Juni 1990, BGBl I S. 1354, 1356, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992, BGBl I S. 1126 (1142) - AuslG -) vor.

27

1. Die zulässige Berufung des Bundesbeauftragten ist begründet.

28

a) Die Berufung des Bundesbeauftragten ist vollem Umfang zulässig; denn sie ist sowohl hinsichtlich des Klägers zu 1) als auch hinsichtlich der Klägerin zu 2) nach Ansicht des Senates wirksam eingelegt worden. Allerdings genügt die innerhalb der mit Ablauf des 3. September 1990 endenden Berufungsfrist eingereichte Berufungsschrift vom 9. August 1990 nicht den an einen bestimmenden Schriftsatz wie eine Berufungsschrift zu stellenden Anforderungen. Eine Berufungsschrift muß nämlich unter anderem zweifelsfrei erkennen lassen, wer Rechtsmittelbeklagter - hier die Beklagte und die Kläger zu 1) und 2), für welche im verwaltungsgerichtlichen Urteil nur eine Verpflichtung der Beklagten zu Anerkennung als Asylberechtigte ausgesprochen war - sein soll (Kopp, VwGO, 9. Aufl. 1992, RdNr. 5 zu § 124; BFH, Beschl. v. 24. November 1976 - I R 114/75 -, NJW 1977, 696 - für den Rechtsmittelführer im Revisionsverfahren). Diesem Erfordernis entspricht die Berufungsschrift vom 9. August 1990 nicht. Zwar wird die erforderliche Einschränkung bezüglich der Beklagten - Streitgegenstand der Asylgewährung - gemacht, nicht aber bezüglich der Kläger zu 1) und 2). Der insoweit gemachte Zusatz beim Berufungsantrag betrifft nämlich nur eine - überdies nicht existierende - Klägerin zu 1). Hinzu kommt, daß in der - formularmäßigen - Berufungsbegründung pauschal von "den Klägern" gesprochen wird, denen das Verwaltungsgericht einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte zuerkannt habe, obwohl im Urteil vom 28. Juni 1990 ein Asylanspruch nur hinsichtlich der Kläger zu 1) und 2), nicht aber auch hinsichtlich der Kläger zu 3) und 5) bejaht worden ist.

29

Dieser Mangel der Berufung des Bundesbeauftragten ist aber nach Auffassung des Senates dadurch "geheilt" worden, daß der Bundesbeauftragte im Schriftsatz vom 5. November 1990 sein Berufungsbegehren ergänzt und klargestellt hat, daß seine Berufung die Kläger zu 1) und 2) betrifft. Allerdings wird die Auffassung vertreten, eine "Heilung" (Ergänzung) einer Rechtsmittel-, Klageschrift sei dann nicht mehr zulässig, wenn dies - wie hier - nach Ablauf der Rechtsmittelfrist geschehe (BFH, aaO; Kopp, aaO RdNr. 2 zu § 82). Dieser Ansicht vermag sich der Senat aber nicht anzuschließen. Aus § 82 Abs. 2 VwGO, der im Berufungsverfahren und auch im Falle eines unklar gefaßten Berufungsantrages entsprechend anwendbar ist (Redeker/von Oertzen, VwGO, 10. Auflg. 1991, Anm. 9 a zu § 82) ergibt sich, daß im Berufungsverfahren auch nach Ablauf der Berufungsfrist Berufungsanträge bei Zweifeln mit der Folge ergänzt (berichtigt) werden können, daß die Berufung wegen des ursprünglichen Formmangels nicht mehr als unzulässig verworfen werden darf (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5. 5. 1982 - BVerwG 7 B 201.81 -, Buchholz 310 § 82 VwGO Nr., 10 = DVBl 1982, 1000 = DÖV 1982, 827; Beschl. v. 6. 2. 1990 - BVerwG 9 B 498.89 -, Buchholz, aaO, Nr. 13 sowie Redeker/von Oertzen, aaO, Anm. 9). Dabei ist unerheblich, Verwaltungsgericht ob der Berufungskläger von nach § 82 Abs. 2 VwGO zur Ergänzung aufgefordert worden ist, oder ob - wie hier - der Berufungskläger auch ohne eine gerichtliche Aufforderung von sich aus die Ergänzung vorgenommen hat (Redeker/von Oertzen, aaO; BVerwG, Beschl. v. 6. 2. 1990, aaO). Danach konnte hier der ursprüngliche Mangel der Berufungsschrift vom 9. August 1990 durch den nachfolgenden Schriftsatz vom 5. November 1990 mit rückwirkender Kraft in der Weise "geheilt" werden, daß die Berufung des Bundesbeauftragten sowohl zu Lasten des Klägers zu 1) als auch zu Lasten der Klägerin zu 2) als wirksam eingelegt anzusehen ist. Es handelt sich bei der Klarstellung im Schriftsatz vom 5. November 1990 nach Ansicht des Senates auch nicht um eine - unzulässige - Erweiterung der Berufung des Bundesbeauftragten nach Ablauf der Berufungsfrist. Vielmehr war das Streitprogramm durch das Urteil des Verwaltungsgerichtes vorgegeben. Der Bundesbeauftragte konnte sich ohnehin mit seiner Berufung nur gegen die im verwaltungsgerichtlichen Urteil ausgesprochene Anerkennungsverpflichtung bezüglich der Kläger zu 1) und 2) wenden. Dabei war seine Berufungsschrift vom 9. August 1990 insoweit unklar, als in ihr einerseits von Klägern und andererseits von einer Einschränkung hinsichtlich einer nicht existierenden Klägerin zu 1) die Rede war. War die Berufungsschrift vom 9. August 1990 aber bezüglich der Bezeichnung der Berufungsbeklagten auf seiten der Kläger mehrdeutig, so konnte im Schriftsatz vom 5. November 1990 noch eine Klarstellung erfolgen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 6. 2. 1990, aaO).

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b) Die somit in vollem Umfange zulässige Berufung des Bundesbeauftragten ist auch begründet; denn das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht im angefochtenen Urteil verpflichtet, die Kläger zu 1) und 2) als Asylberechtigte im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG anzuerkennen, auch kommt eine Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG zugunsten der Kläger zu 1) und 2) nicht in Betracht.

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Als politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG genießt derjenige Asyl der wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beschränkungen seiner persönlichen Freiheit ausgesetzt ist oder solche Verfolgungsmaßnahmen begründet befürchtet (BVerwG, Urt. v. 17. 5. 1983 - BVerwG 9 C 36.83 -, BVerwGE 67, 184 (185 f.) [BVerwG 17.05.1983 - 9 C 36/83]). Diese Verfolgungsgefahr braucht sich nicht notwendigerweise aus dem individuellen Schicksal des Asylsuchenden zu ergeben. Eine politische Verfolgung kann sich nämlich auch gegen eine Gruppe von Menschen richten, die durch gemeinsame Merkmale wie etwa Rasse, Religion, Nationalität, Volksgruppenzugehörigkeit oder politische Überzeugung miteinander verbunden sind (BVerfG, Beschl. v. 2. 7. 1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 -, BVerfGE 54, 341 (358 f.); BVerwG, Urt. v. 2. 8. 1983 - BVerwG 9 C 599.81 -, BVerwGE 67, 314 (315) [BVerwG 02.08.1983 - 9 C 599/81] u. Urt. v. 23. 2. 1988 - BVerwG 9 C 85.87 -, BVerwGE 79, 79 (81) [BVerwG 23.02.1988 - 9 C 85/87] = NVwZ 1988, 635). Dem Asylsuchenden muß - abgestellt auf den Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung - politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, weshalb ihm eine Rückkehr in sein Heimatland nicht zuzumuten ist (BVerfG, aaO, S. 360). Hat der Flüchtling bereits einmal politische Verfolgung erlitten, so kann ihm asylrechtlicher Schutz grundsätzlich nur verwehrt werden, wenn im Rahmen der zu treffenden Zukunftprognose eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (BVerfG, aaO, S. 361 f.; BVerwG, Urt. v. 25. 9. 1984 - BVerwG 9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169 ff.). Allerdings kommt dem Asylsuchenden eine Beweiserleichterung als Vorverfolgter (vgl. BVerwG, Urt. v. 25. 9. 1984, aaO, S. 171) nur dann zugute, wenn er noch in einem zeitnahen Zusammenhang mit einer Individualverfolgung oder einer Verfolgung seiner Gruppe ausgereist ist (BVerwG, Urt. v. 30. 10. 1990 - BVerwG 9 C 60.89 -, BVerwGE 87, 52 = NVwZ 1991, 377 u. Beschl. v. 23. 7. 1991 - BVerwG 9 C 68.90 -).

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In Anwendung dieser Grundsätze sind die Kläger zu 1) und 2) nicht als Asylberechtigte anzuerkennen. Sie haben nicht glaubhaft machen können, daß sie Pakistan bei ihrer Ausreise Anfang August 1987 als Verfolgte verlassen haben oder daß sie aufgrund beachtlicher Nachfluchtgründe asylberechtigt sind.

33

Die Kläger zu 1) und 2) sind im August 1987 nicht als Verfolgte aus Pakistan ausgereist.

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Die Kläger zu 1) und 2) können sich zunächst nicht darauf berufen, ihr Heimatland Anfang August 1987 in einem nahen zeitlichen Zusammenhang mit einer Gruppenverfolgung der Mitglieder der Ahmadiyya-Muslim-Jamaat verlassen zu haben. Allerdings hat, wie dies der Senat in dem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24. Oktober 1991 - 12 L 7218/91 - und vom 26. März 1992 - 12 L 7240/91 - unter Bezugnahme auf das Urteil des ehemaligen Oberverwaltungsgerichtes für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 29. Oktober 1990 - 22 L 131/89 - näher dargelegt hat, in der Zeitspanne zwischen dem 29. Mai und 6. November 1974 eine nahezu landesweite, dem pakistanischen Staat zuzurechnende Gruppenverfolgung der Ahmadi stattgefunden. Auf diese Gruppenverfolgung könnten sich die sich die 1955 bzw. 1962 geborenen Kläger zu 1) und 2), die sich 1974 in Pakistan aufgehalten haben und die ihre Zugehörigkeit zur Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft seit Geburt durch Bescheinigungen der NUUR-Moschee vom 12. Dezember 1987 glaubhaft gemacht haben, an sich auch berufen. Wie der Senat aber in den genannten Entscheidungen vom 24. Oktober 1991 und 26. März 1992 bereits ebenfalls näher begründet hat, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen auch Bezug genommen wird, haben sich in dem Zeitraum von Herbst 1974 bis Sommer 1986 bzw. Frühjahr 1988 und damit auch bis Anfang August 1987 - den Zeitpunkt der Ausreise der Kläger - landesweite Übergriffe gegen Angehörige der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft, die in ihrem Ausmaß und ihrer Schwere den Vorgängen des Jahres 1974 vergleichbar gewesen wären, nicht mehr wiederholt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des sogenannten Quetta-Zwischenfalles vom 9. Mai 1986 (siehe dazu die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 20. August 1986 an das VG Ansbach -510-516/7991 -). Damit fehlt es angesichts einer Zeitspanne von fast 13 Jahren zwischen dem Pogrom des Jahres 1974 und der Ausreise der Kläger im Sommer 1987 an dem erforderlichen objektiven äußeren Zusammenhang zwischen einer Gruppenverfolgung der Ahmadis und der Ausreise der Kläger (vgl. BVerwG, Urt. v. 7. 4. 1992 - BVerwG 9 C 58.91 -, für einen sechsjährigen Zeitraum). Es kann daher nicht festgestellt werden, daß die Kläger zu 1) und 2) unter dem Druck einer Gruppenverfolgung der Ahmadis aus Pakistan ausgereist sind.

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Ebensowenig haben die Kläger zu 1) und 2) ihr Heimatland wegen erlittener oder ihnen unmittelbar drohender (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10. 7. 1989 - 2 BvR 502/86 - u.a., BVerfGE 80, 315 (344) = NVwZ, 1990, 151 (154); berichtigt durch Beschl. v. 9. 1. 1990, NVwZ 1990, 248) individueller (politischer) Verfolgung verlassen. Allerdings haben die Kläger zu 1) und 2) behauptet, Verfolgungen seitens orthodoxer Moslems in ihrer Heimatstadt Rabwa in der Weise ausgesetzt gewesen zu sein, daß man ihr Haus mit Steinen beworfen und zum Boykott des vom Kläger zu 1) betriebenen Lebensmittelgeschäftes aufgerufen habe, weshalb der Kläger zu 1) geschäftliche Einbußen habe hinnehmen müssen. Hierbei hat es sich aber entweder um Vorfälle gehandelt, die noch unterhalb der Schwelle der Asylerheblichkeit liegen - der (behauptete) Boykott des Lebensmittelgeschäftes hat nicht zu einer Existenzvernichtung geführt; denn nach Angaben des Klägers zu 1) ging das Geschäft bis zu seiner Ausreise (noch) "mittelmäßig" - oder die als staatliche Verfolgung begriffen werden können, weil dem pakistanischen Staat, der sich - mit Ausnahme der Ereignisse des Jahres 1974 - auch bis zur Ausreise der Kläger als schutzfähig und schutzwillig erwiesen hat, die Übergriffe fanatisierter orthodoxer Muslime nicht zugerechnet werden können. Dies gilt auch, soweit sich die Kläger zu 1) und 2) auf die Ermordnung eines jungen Ahmadis aus ihrer Nachbarschaft berufen.

36

Sind die Kläger zu 1) und 2) hiernach unverfolgt aus Pakistan ausgereist, so stünde ihnen ein Anspruch, als Asylberechtigte anerkannt zu werden, nur dann zu, wenn ihnen bei einer Rückkehr in dieses Land aufgrund eines beachtlichen Nachfluchttatbestandes politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen würde (so BVerwG in std. Rechtspr. siehe z.B. das Urt. v. 30. 10. 1990, aaO, S. 56). Ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn bei der zusammenfassenden Wertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deswegen gegenüber den dagegen sprechenden Umständen überwiegen (BVerwG, Urt. v. 23. 2. 1988 - BVerwG 9 C 32.87 -, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG Nr. 80; Urt. v. 15. 3. 1988 - BVerwG 9 C 278.86 -, BVerwGE 79, 143 (151) [BVerwG 15.03.1988 - 9 C 278/86]). Bei den Klägern zu 1) und 2) ist indessen eine Verfolgungsgefahr in diesem Sinne nicht zu bejahen.

37

Wie der Senat in dem den Beteiligten bekannten Urteil vom heutigen Tage - 12 L 7153/91 - im einzelnen dargelegt hat, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, droht den Klägern zu 1) und 2) im Falle ihrer Rücckehr nach Pakistan keine (unmittelbare staatliche) politische Verfolgung aufgrund der Art. 298 B und 298 C sowie des Art. 295 C des Pakistan Penal Code (PPC). Der Senat hat nämlich im Urteil vom 28. August 1992 - 12 L 7153/91 - näher ausgeführt, daß auch nach dem Wahlsieg der Islamischen Demokratischen Allianz und nach Verabschiedung der Sharia Bill keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß die genannten Strafvorschriften des Pakistanischen Strafgesetzbuches von den maßgeblichen staatlichen Stellen Pakistans einschneidend in dem Sinne angewandt werden, daß sie über den Bereich der Öffentlichkeit hinaus auch religiöse Betätigungen der Ahmadis in der privaten, asylrelevanten Sphäre oder im gemeinschaftsinternen Raum erfassen und mit Strafe bedrohen. Dabei ist nach Auffassung des Senates von entscheidender Bedeutung, ob die Strafvorschriften der Art. 295 C, 298 B und 298 C PPC in der (pakistanischen) Rechtspraxis so ausgelegt und angewandt werden, daß auch religiöse Verhaltensweisen im privaten oder gemeinschaftsinternen Bereich poenalisiert werden. Wie der Senat in bezug auf die einzelnen Strafvorschriften im schon erwähnten Urteil vom 28. August 1992 - 12 L 7153/91 - aber näher begründet hat, ist nach den vorliegenden Erkenntnissen eine asylrelevante Anwendungspraxis nicht überwiegend wahrscheinlich. Eine derartige Wahrscheinlichkeit haben die Kläger zu 1) und 2) auch nicht unter Berufung auf die Gutachten von Dr. M. Ahmed von 31. Januar 1992 und Dr. Conrad vom 21. April 1992 sowie unter Bezugnahme auf die Angaben des pakistanischen Advokaten Mujeeb-ur-Rahman in dessen Zeugenaussage vom 13./18. August 1992 vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden glaubhaft machen können. Auch dies ist im genannten Urteil des Senats vom heutigen Tage im einzelnen dargelegt worden. Der Senat hat daher auch in dem hier zu entscheidenden Verfahren keine Veranlassung gesehen, zur Frage der Verfolgungsgefahr aufgrund staatlicher Strafvorschriften ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.

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Die Gefahr einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Klägern zu 1) und 2) bei einer Rückkehr in ihr Heimatland drohenden Gefahr politischer Verfolgung kann ferner nicht mit dem Hinweis bejaht werden, den Klägern drohten als Angehörigen der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft Angriffe seitens orthodoxer Moslems, auch werde der pakistanische Staat untätig bleiben. Auch insoweit ist auf das Urteil des Senats vom heutigen Tage - 12 L 7153/91 - zu verweisen, in dem näher begründet worden ist, daß es seit dem Jahre 1974 nicht zu einem den Ausschreitungen des Jahres 1974 vergleichbaren Pogrom gekommen ist und daß für die Kläger zu 1) und 2), selbst wenn ihre Sicherheit in den ländlichen Bezirken ihrer Heimat-Provinz Punjab aufgrund fehlender Schutzbereitschaft der Polizei nicht gewährleistet sein sollte, eine zumutbare inländische Fluchtalternative in den großen Städten Pakistans bestünde.

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Den Klägern zu 1) und 2) droht ferner nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, daß sie in ihrem Heimatland als einzelne wegen ihres Glaubens von orthodoxen Moslems angegriffen werden. Allerdings erscheint es nicht unmöglich, daß sie als Angehörige der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft das Ziel eines solchen Übergriffes werden könnten. Damit ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit im oben genannten Sinne aber noch nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr muß Überwiegendes dafür sprechen, daß die Kläger eine solche Verfolgung zu gewärtigen haben. Das ist aber zu verneinen. Die Kläger zu 1) und 2) haben in Pakistan weder innerhalb der Religionsgemeinschaft noch beruflich eine solche Stellung innegehabt, daß sie die Aufmerksamkeit orthodoxer Moslems auf sich lenken würden.

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Bei dieser Sachlage ist auch nicht festzustellen, daß im Falle der Kläger zu 1) und 2) die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG - die Gefahr einer Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft oder zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne dieser Vorschrift - vorliegen. Dieser Gesichtspunkt ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 18. 2. 1992 - BVerwG 9 C 59.91 -, NVwZ 1992, 892) auch dann zu prüfen, wenn wie hier das Klageverfahren vor Erlaß des neuen Asyl- und Ausländerrechtes in Gang gesetzt worden ist.

41

2. Die zulässigen Berufungen der Kläger zu 3) bis 5) sind demgegenüber unbegründet.

42

Die Kläger zu 3) und 4) - die Klägerin zu 5) ist erst nach Einreise ihrer Eltern in die Bundesrepublik geboren worden - sind nicht unter dem Druck einer Verfolgung der Ahmadis aus Pakistan ausgereist. Ihnen ist eine Berufung auf das Pogrom des Jahres 1974 schon deshalb versagt, weil sie erst viele Jahre nach den Ereignissen des Jahres 1974, nämlich erst im Jahre 1984 und 1986 geboren worden sind. Im übrigen sind sie auch in den Jahren 1984 bis 1987 bzw. 1986 bis 1987, also von ihrer Geburt bis zu ihrer Ausreise wie ihre Eltern, die Kläger zu 1) und 2), nicht von einer Gruppenverfolgung der Ahmadis betroffen gewesen; denn eine solche hat, wie schon unter 1 b) dargelegt, bis zu ihrer Ausreise nicht stattgefunden.

43

Ebensowenig haben die Kläger zu 3) und 4) ihr Heimatland wegen erlittener oder ihnen unmittelbar drohender individueller (politischer) Verfolgung verlassen. Allerdings haben sie behauptet, einer von ihnen sei durch einen Steinwurf eines orthodoxen Moslems beim Spielen im Hof des väterlichen Hauses verletzt worden. Dieser einzelne Übergriff liegt aber noch unter der Schwelle der Asylerheblichkeit, so daß offenbleiben kann, ob dem pakistanischen Staat das damalige Verhalten eines Fanatikers überhaupt zugerechnet werden kann.

44

Die Kläger zu 3) bis 5) können ebensowenig wie ihre Eltern geltend machen, ihnen drohe bei einer Rückkehr in ihr Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung.

45

Es erscheint schon zweifelhaft, ob sie, die sie 8, 6 und 5 Jahre alt sind, sich darauf berufen können, ihnen drohe bei Rückkehr nach Pakistan politische Verfolgung aufgrund von Strafverfolgungsmaßnahmen nach den Art. 298 B, 298 C und 295 C PPC. Dies würde nämlich voraussetzen, daß die Kläger zu 3) bis 5) nach den in ihrem Heimatland vorherrschenden Vorstellungen religionsmündig wären und daß sie als praktizierende Gläubige in ihrem religiösen Existenzminimum betroffen sein könnten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 1. 7. 1987, aaO, S. 159 = NVwZ 1988, 237 (239) u. Beschl. v. 10. 11. 1989 - 2 BvR 403/84 u. 1501/84 -, InfAuslR 1990, 34 (36); BVerwG, Beschl. v. 25. 10. 1988 - BVerwG 9 C 37.88 -, InfAuslR 1989, 167 (168); Brunn, in: GK-AsylVfG, Stand: Mai 1991, RdNr. 503.1 zu § 32 Anh. 1); weiter wäre zu fordern, daß die Kläger zu 3) bis 5) nach pakistanischem Recht überhaupt strafmündig wären. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen dürfte bei ihnen aber fraglich sei. Allerdings setzt nach pakistanischem Recht die Strafmündigkeit grundsätzlich in einem Alter von 7 Jahren ein (Art. 82 PPC), auch wird die Religionsmündigkeit, die von der genügenden Reife abhängig gemacht wird, nach Vollendung des 12. Lebensjahres als gegeben angesehen (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 4. Januar 1990 an das VG Schleswig - 514-516/10534 -). Nach Art. 83 PPC können aber Minderjährige im Alter zwischen 7 bis 12 Jahren nur dann bestraft werden, wenn sie die notwendige Reife besitzen, um die Verwerflichkeit ihres Handelns erkennen zu können. Ebenfalls wird die Religionsmündigkeit von der genügenden Reife des Betreffenden abhängig gemacht, wobei die Religionsmündigkeit aber nicht vor dem 9. Lebensjahr eintreten kann (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 4. Januar 1990). Damit kann allenfalls für den 8jährigen Kläger zu 3) eine Betroffenheit durch die Art. 298 B, 298 C und 295 C PPC angenommen werden. Der Senat konnte aber darauf verzichten, etwa durch Befragung des Klägers zu 3) sich Gewißheit über dessen Reifegrad und den Inhalt der von ihm empfundenen und praktizierten Gläubigkeit zu verschaffen; denn selbst wenn der Kläger zu 3) schon als religions- und strafmündig sowie als praktizierender Gläubiger angesehen werden könnte, würde ihm mit Rücksicht auf die genannten Strafbestimmungen ebensowenig wie seinen Eltern - den Klägern zu 1) und 2) - bei einer Rückkehr nach Pakistan politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.

46

Gleiches gilt für eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr einer mittelbaren Verfolgung durch Übergriffe orthodoxer Moslems. Auch insoweit kann auf das zum Asylanspruch der Kläger zu 1) und 2) bereits Ausgeführte verwiesen werden. Schließlich ist auch eine Asylberechtigung der Kläger zu 3) bis 5) unter dem Gesichtspunkt einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Individualverfolgung zu verneinen. Die Kläger zu 3) bis 5) würden als Kinder nicht innerhalb der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft im besonderen Maße hervorgetretenen Gläubigen noch weniger als ihre Eltern die Aufmerksamkeit orthodoxer Moslems bei einer Rückkehr nach Pakistan auf sich lenken.

47

Bei dieser Sachlage ist auch nicht festzustellen, daß im Falle der Kläger zu 3) bis 5) die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG - die Gefahr einer Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft oder zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne dieser Vorschrift - vorliegen. Dieser Gesichtspunkt ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 18. 2. 1992 - BVerwG 9 C 59.91 -, NVwZ 1992, 892) auch dann zu prüfen, wenn wie hier das Klageverfahren vor Erlaß des neuen Asyl- und Ausländerrechtes in Gang gesetzt worden ist.

48

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Hiervon unberührt bleibt die im angefochtenen Urteil enthaltene Kostenentscheidung, soweit sie sich auf die gegen die Verfügung des Landkreises Verden vom 16. Juni 1988 gerichteten Klagen bezieht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 11 ZPO.

49

Gründe, die Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.

50

Beschluß

51

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 13 Abs. 1 GKG für das Berufungsverfahren auf 19.500,-- DM festgesetzt.

52

Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 2 Satz 2 GKG).

53

Dr. Hamann

54

Radke

55

Dr. Petersen