Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 07.01.2009, Az.: 1 A 127/06

Fahrzeiten; Reisezeiten; Dienstzeit; Beamter; Gleichheitssatz; Schwellenwert; Freizeitausgleich

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
07.01.2009
Aktenzeichen
1 A 127/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 44439
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2009:0107.1A127.06.0A

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung der Fahrzeiten zu seiner Ausbildung in der JA H. als Dienstzeit.

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Er wurde im April 2005 durch das Bildungsinstitut des Nds. Justizvollzugs zu 8 Kurseinheiten unterschiedlicher Dauer nach H. geladen, wobei er als auswärtiger Teilnehmer unentgeltlich untergebracht und verpflegt sowie die Reisekosten durch Abrechnung in der Bildungsstätte erstattet wurden. Mit Schreiben vom 25. Juli 2005 beantragte er bei der Beklagten die Anrechnung der Fahrzeiten zur gen. Bildungsstätte als Dienstzeit, da die Ausbildung im dienstlichen Interesse liege und auch anderen Kursteilnehmern die Fahrten zu den Kurseinheiten als Dienstzeit angerechnet würden.

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Nach Schriftwechsel lehnte die beklagte Justizvollzugsanstalt den Antrag des Klägers durch Bescheid vom 12. April 2006 ab.

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Zur Begründung seiner dagegen gerichteten, am 18. Mai 2006 erhobenen Klage trägt der Kläger vor, andere, von ihm namentlich benannte Kursteilnehmer erhielten die von ihm beantragte Anerkennung der Fahrtzeiten als Dienstzeit ohne jede Probleme, wie die Gesprächsnotiz vom 3. April 2006 aufzeige: Mitarbeiter der JVA Wolfenbüttel und der JVA Oldenburg hätten bestätigt, dass ihre Bediensteten die erforderlichen Reisezeiten als Dienstzeiten anerkannt bekämen. Aus Gleichbehandlungsgründen stehe auch ihm diese Anerkennung zu. Der angefochtene Bescheid setze sich damit nicht auseinander.

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Der Kläger beantragt,

  1. die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 12. April 2006 zu verpflichten, die Fahrtzeiten zur Ausbildung zum Suchtkrankenhelfer als Dienstzeit gemäß seinem Antrag vom 25. Juli 2005 anzurechnen.

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Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

7

Sie bezieht sich zur Begründung auf die Verwaltungsvorschriften zu § 87 NBG und legt dar, dass der Kläger aufgrund dieser Rechtslage den geltend gemachten Anspruch nicht habe. Im Geschäftsbereich der Beklagten werde insoweit einheitlich verfahren.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist nicht begründet.

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Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt.

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1. Zunächst bedurfte der angefochtene Bescheid vom 12. April 2006 im vorliegenden Fall nicht einer Begründung iSv. § 39 VwVfG, wie sie in Form der Mitteilung der wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, welche die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben, in aller Regel rechtsstaatlich allerdings erforderlich ist. Denn hier liegt es so, dass die Beklagte in ihrem Schreiben vom 3. August 2005 bereits ausführlich zu dem Antrag des Klägers Stellung genommen und auf die Verwaltungsvorschriften zu § 87 NBG hingewiesen hat, denen zufolge Reisezeiten zu 1/4 durch Freizeit ausgeglichen werden können, soweit sie den Schwellenwert von 20 Std. pro Monat überschreiten. Da die hier in Frage stehenden Kurseinheiten nur 1-mal im Monat stattgefunden haben, waren seitens der Beklagten ausgleichsfähige Reisezeiten nicht erkennbar.

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Diese Rechtsauffassung war dem Kläger im April 2006 bekannt, so dass es einer weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG nicht mehr bedurfte.

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2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anrechung der mehrstündigen Fahrtzeiten als Dienstzeit.

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Nach den Verwaltungsvorschriften des Minist.f. Inneres u. Sport zu § 87 NBG (v. 25.2.1992 idF v. 7.2.2006) ist es so, dass beanspruchende Reisezeiten erst dann durch Freizeit ausgeglichen werden können, wenn sie einen Schwellenwert erreichen, wovon hier mit der Beklagten nicht auszugehen ist:

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2.1.1 Wird die Beamtin oder der Beamte mit fester Arbeitszeit auf Grund von Dienstreisen über die für sie oder ihn festgelegte tägliche Arbeitszeit hinaus beansprucht, werden Reisezeiten, die zu der Mehrbeanspruchung führen, zu einem Viertel durch Freizeit ausgeglichen, soweit diese Reisezeiten 20 Stunden im Monat (Schwellenwert) überschreiten; der Schwellenwert verringert sich für jede Stunde berücksichtigungsfähiger Reisezeit um eine Stunde. Höchstens wird ein Ausgleich von 13 Stunden gewährt.

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Unabhängig hiervon ist dem Urteil der Kammer vom 20.9.2006 - 1 A 321/04 - zu entnehmen, dass im Beamtenrecht Fahrzeiten schwerlich als Dienstzeiten anzuerkennen sind, so wie das ähnlich auch für das Tarifrecht gilt (vgl. BAG, Urt.v. 25.10.2007 - 6 AZR 1115/06 - unter Auslegung eines entsprd. Tarifvertrags). Selbst Fahrten vom auswärtigen Dienstgeschäftsort zum Dienstort - außerhalb der Regelarbeitszeit - stellen einen Dienst im Sinne des beamtenrechtlichen Arbeitszeitrechts nicht dar. Vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urt.v. 18.11.2005 - 10 A 10727/05 - unter Bezug auf BVerwG, Urteil v. 27.5.1982, DVBl. 1982, 1190 [BVerwG 27.05.1982 - BVerwG 2 C 49.80]:

"Das Berufungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass es sich bei den genannten Stunden um Fahrtzeiten zu Orten handelt, an denen der Kläger als Kriminalkommissar dienstliche Verrichtungen vorzunehmen hatte (Rauschgifteinsätze, Ermittlungstätigkeiten, Gerichtsverhandlungen). Die An- und Rückfahrt zum Ort einer auswärtigen Dienstverrichtung ist grundsätzlich kein Dienst im Sinne des Arbeitszeitrechts nach § 83 LBG a.F.; sie kommt deshalb auch nicht als Zeit einer Mehrarbeit in Betracht. Dies folgt aus dem geringeren Grad der dienstlichen Inanspruchnahme während der Reisezeiten (vgl. die Urteile des erkennenden Senats vom 11. Februar 1982 - BVerwG 2 C 26.79 und 27. 79 - mit weiteren Nachweisen). Dies gilt auch dann, wenn die Fahrten mit einem dienstlich zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeug ausgeführt worden sind und während ihrer Dauer durch Einschaltung des Funkgeräts einfache Funkbereitschaft zu halten war, so dass jederzeit Einsatzbefehle des Dienstherrn an den Kläger erteilt werden konnten. Hierin kommt allenfalls eine Rufbereitschaft zum Ausdruck, die aber keine Arbeitszeit darstellt (vgl. Urteile vom 11. Februar 1982 - BVerwG 2 C 26.79 und 27. 79 - unter Hinweis auf BVerwGE 59, 45 (46)[BVerwG 25.10.1979 - 2 C 7.78]). Unerheblich für die Bewertung als Mehrarbeit ist ferner, ob der Kläger das Dienstfahrzeug selbst gesteuert hat oder gefahren worden ist. Das Berufungsgericht hat deshalb zu Recht keine tatsächlichen Feststellungen darüber getroffen, ob und in welchem Umfang der Kläger während der geltend gemachten 11 1/2 Stunden Fahrtzeit selbst gefahren ist."

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3. Soweit sich der Kläger auf Art. 3 GG und den Gleichheitssatz bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass es keine Gleichheit im Unrecht gibt: Die Beklagte kann nicht aus Gründen der Gleichheit durch ein Gericht dazu verpflichtet werden, eine den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und der maßgeblichen Rechtsprechung widersprechende und damit offensichtlich rechtswidrige Verwaltungspraxis anderer Verwaltungsstellen aufzunehmen und ebenfalls zu praktizieren. Das ist in einem rechtsstaatlich normierten gerichtlichen Verfahren nicht möglich. Sollte die Beklagte aus "Kulanzgründen" dazu bereit sein, so wäre das nur außerhalb eines Gerichtsverfahren regelbar.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.