Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 29.01.2009, Az.: 1 B 68/08

Dringlichkeit; Regelungsanordnung; Nachteile, wesentliche; Abordnung; Versetzung; Einvernehmen; Gesundheit; Eignung; Dienstunfähigkeit; Erkrankungen, häufige

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
29.01.2009
Aktenzeichen
1 B 68/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 44449
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2009:0129.1B68.08.0A

Gründe

1

Die im Februar 1959 geborene Antragstellerin, eine Lehrerin im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Lande Niedersachsen, die im Rahmen des Lehreraustauschverfahrens von der Antragsgegnerin mit dem Ziel der Versetzung in den Dienst des Landes Schleswig - Holstein abgeordnet ist, begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die weitere Abordnung an das Land Schleswig - Holstein, bis im beabsichtigten Hauptsacheverfahren über die von ihr begehrte Versetzung, der das beigeladene Ministerium wegen gesundheitlicher Bedenken nicht zugestimmt hat, entschieden ist.

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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber nicht begründet.

3

Das Gericht kann gemäß § 123 Abs. 1 VwGO eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO - Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes zulässig, wenn die Regelung - insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen - zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen "nötig" erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO - Regelungsanordnung). Beide Formen der einstweiligen Anordnung setzen voraus, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht werden. Diese Voraussetzungen sind hier nicht insgesamt erfüllt.

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1. Ein den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigender Anordnungsgrund, die Dringlichkeit einer Eilentscheidung, ist gegeben. Denn durch die beabsichtigte Versagung der Verlängerung der Abordnung bzw. der Versetzung müsste die Antragstellerin bereits ab 1. Februar 2009 ihren Dienst wieder an einer Schule in Niedersachsen zum Schulhalbjahr antreten.

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2. Der Antragstellerin steht aber ein Anordnungsanspruch (Abwendung wesentlicher Nachteile, Erforderlichkeit aus anderen Gründen) nicht zur Seite.

6

Eine Versetzung oder eine Abordnung einer Landesbeamtin über den Bereich des Landes hinaus steht im Ermessen des Dienstherrn (§ 123 Abs. 1 BRRG, § 33 Abs. 1 NBG) und kann nur im Einverständnis mit dem aufnehmenden Dienstherrn verfügt werden (§ 123 Abs. 2 Satz 1 BRRG). Die Übernahme von Beamten / Beamtinnen kann von dem aufnehmenden Dienstherrn unter anderem wegen mangelnder persönlicher oder fachlicher Eignung abgelehnt werden (so ausdrücklich für Lehrer auch Ziffer 2 der Verfahrensabsprache zur Durchführung der Vereinbarung der Kultusministerkonferenz "Übernahme von Lehrkräften aus anderen Länder" vom 10. Mai 2001). Die persönliche Eignung umfasst die gesundheitliche Eignung. An die Eignung aus gesundheitlicher Sicht werden mit Rücksicht auf die bezweckte Fortführung eines Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit höhere Anforderungen gestellt als an die gesundheitliche Eignung für ein nur der Ausbildung oder einem anderen vorübergehenden Zweck dienenden Beamtenverhältnis. Die persönliche Eignung ist im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung zu verneinen, wenn die Möglichkeit häufiger Erkrankungen oder der Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (vgl. für den Fall der Entlassung BVerwG, Urt.v. 18.7.2001 - 2 A 5.00 -, Buchholz, 233 § 31 Nr. 60; OVG Nds. , Beschl.v. 22.12.2004 - 5 ME 111/04 -).

7

Unter Berücksichtigung dieser Vorschriften und Grundsätze kann die Ablehnung der weiteren Abordnung bzw. Versetzung der Antragstellerin von Gerichts wegen nicht beanstandet werden. Die Antragsgegnerin ist allein deshalb an der begehrten weiteren Abordnungs- bzw. Versetzungsverfügung gehindert, weil das beigeladene Ministerium sein Einverständnis hierzu nicht erteilt hat.

8

Die Versagung des Einvernehmens durch das beigeladene Ministerium für Bildung und Frauen des Landes Schleswig - Holstein dürfte bei summarischer Prüfung rechtlich nicht zu beanstanden sein. Das Gericht ist daher gehindert, das Einvernehmen im Wege einer einstweiligen Anordnung zu ersetzen und eine Verpflichtung zu einer weiteren Abordnung auszusprechen. Ob Zweifel des Dienstherrn an der gesundheitlichen Eignung des Beamten gerechtfertigt sind, lässt sich nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles beurteilen. Die Einverständnisversagung wegen mangelnder persönlicher Eignung ist verwaltungsgerichtlich auch im Hinblick auf Art 19 Abs. 4 GG eingeschränkt darauf hin zu überprüfen, ob der gesetzliche Begriff der persönlichen Eignung und ob die gesetzlichen Grenzen der Beurteilungsermächtigung verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet und sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (vgl. zur Entlassung wegen mangelnder Eignung BVerwG, Urt.v. 19.3.1998 - 2 C 5.97 -, DVBl 1998, 1074).

9

Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Bewertung des Beigeladenen, die Antragstellerin habe nicht nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht, dass bei ihr die Möglichkeit häufiger Erkrankungen oder der Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist, wohl nicht rechtsfehlerhaft. Sowohl im amtsärztlichen Gutachten des Landkreises C vom 25. Juli 2007 unmittelbar vor der zum 1. August 2007 erfolgten - ersten- Abordnung der Antragstellerin als auch in den amtsärztlichen Gutachten des Landkreises S - F vom 15. Januar und 22. Juli 2008 werden nachvollziehbare Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin geäußert. Diese Bedenken werden durch die privatärztlichen Gutachten nicht ausgeräumt. Diese bestätigen hinsichtlich des Herz-Kreislauf-Systems lediglich, dass im Zeitpunkt der Untersuchung (November 2007 und Mai 2008) kein behandlungsbedürftiger Bluthochdruck festzustellen sei, obwohl der diastolische Blutdruckmittelwert bei der 24-Stunden-Langzeitmessung jeweils - wie das Gericht aus anderen Verfahren weiß - über der Norm von 80 mmHg, nämlich bei 82 mmHg gelegen hat. Eine für die Versetzung erforderliche Zukunftsprognose enthalten sie nicht. Bei den isolierten psychologischen Gutachten vom 2. Januar und vom 9. Juni 2008 wird ebenfalls nur bestätigt, dass im Untersuchungszeitpunkt keine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung vorliege. Eine Zukunftsprognose enthalten sie beide ebenfalls nicht und der wichtige Zusammenhang zwischen der festgestellten extrovertierten, aktiven und teilweise leicht hypomanisch wirkenden Persönlichkeitsstruktur und dem Blutdruck wird nicht in den Blick genommen. Angesichts dieser Gutachtenlage kann nicht festgestellt werden, dass in einem Hauptsacheverfahren mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine gesundheitliche Eignung wird festgestellt werden können, die es erlauben würde, die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen.

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Auch im Rahmen einer Interessenabwägung bei unterstellter offener Gutachtenlage würde das Interesse der Antragstellerin, zunächst weiterhin im Wege der Abordnung als Lehrerin im Schuldienst des Landes Schleswig - Holstein tätig zu sein, nicht dem Interesse der Antragsgegnerin und des Beigeladenen, nunmehr nach mehrmals verlängerter Abordnung (1.8.2007 bis 31.1.2009) die offene Versetzungsfrage im Interesse einer Planungssicherheit abschließend zu entscheiden, überwiegen. Da die Abordnung (mit dem Ziel der Versetzung) und deren Verlängerung ausdrücklich unter Hinweis auf die gesundheitlichen Bedenken erfolgten, musste die Antragstellerin damit rechnen, dass es nicht zu der von ihr gewünschten Versetzung und auch nicht mehr zu einer Verlängerung der Abordnung kommen würde, wenn die Gesundheitsfrage nicht in absehbarer Zeit positiv entschieden wird.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 u. 2 GKG).