Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.10.1995, Az.: II 425/95
Zulässigkeit einer Zweitklage vor Rücknahme der Erstklage; Richtigkeit bzw. Vollständigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung im Einspruchsbescheid; Klagefrist bei einer Zweitklage; Formulierung in der Rechtsbehelfsbelehrung des Einspruchsbescheids, wonach "gegen diese Entscheidung" die Klage gegeben ist
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.10.1995
- Aktenzeichen
- II 425/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 19592
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1995:1019.II425.95.0A
Rechtsgrundlagen
- § 55 Abs. 2 FGO
- § 72 Abs. 2 FGO
- § 155 FGO
- § 17 Abs. 1 S. 2 GVG
- § 269 Abs. 3 S. 1 Abs. 1 ZPO
- § 55 Abs. 1 FGO
- § 44 Abs. 2 FGO
- § 65 Abs. 1 S. 1 FGO
Fundstelle
- EFG 1996, 326-328 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung
Einkommensteuer 1991
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Eine wegen der Anhängigkeit einer Erstklage unzulässige Zweitklage kann noch zulässig werden, wenn die Anhängigkeit der Erstklage wegfällt. § 72 Abs. 2 S. 1 FGO ist nach seinem Sinn und Zweck dahin auszulegen, dass die Rücknahme nur zum Verlust des Klagerechts für den Fall erneuter Klageerhebung nach Rücknahme führt; wer seine Klage vor dem Finanzgericht zurücknimmt, soll nicht erneut wegen derselben Sache klagen können.
- 2.
Die Zeitklage ist jedoch unzulässig, wenn sie erst rund 5 Monate nach Zustellung des Einspruchsbescheides und damit nicht innerhalb der in § 47 Abs. 1 S. 1 FGO bestimmten Klagefrist von einem Monat erhoben worden ist.
- 3.
Eine im Einspruchsbescheid erteilte Rechtsbehelfsbelehrung nicht etwa deshalb unrichtig, weil sie dahin lautet, "Gegen diese Entscheidung", mithin die Einspruchsentscheidung, könne Klage erhoben werden.
In dem Rechtsstreit
hat der II. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 19. Oktober 1995,
an der mitgewirkt haben:
Richter am Finanzgericht als Vorsitzender ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Zulässigkeit einer Zweitklage. Insbesondere geht es darum, ob die Rechtsbehelfsbelehrung im Einspruchsbescheid unrichtig ist und deshalb Klage gemäß § 55 Abs. 2 FGO innerhalb eines Jahres erhoben werden kann und ob die Rücknahme der Erstklage nach Eingang der Zweitklage zum Verbrauch der Klage schlechthin führt.
Der Beklagte (das beklagte Finanzamt - FA -) wich von der erst im Einspruchsverfahren eingereichten Einkommensteuererklärung 1991 der Kläger insofern ab, als er bei den Einkünften der Kläger aus Kapitalvermögen geltend gemachte Werbungskosten in Höhe von 149.838 DM nur mit einem anhand des Umfangs der Werbungskosten der Vorjahre geschätzten Teilbetrags von 90.000 DM zum Abzug zuließ, weil die Kläger die Höhe der Aufwendungen trotz Aufforderung nicht belegten und auch den Zusammenhang der Aufwendungen mit der Erzielung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht im einzelnen darlegten.
Im Verlauf der hiergegen erhobenen (Erst-)Klage - Az. II 172/95 - wurden dem Prozeßbevollmächtigten zur Bezeichnung des Klagebegehrens gemäß § 65 Abs. 2 FGO und zur Vorlage der Prozeßvollmacht gemäß § 62 Abs. 3 FGO Ausschlußfristen gesetzt, innerhalb derer die aufgegebenen Prozeßhandlungen nicht erfolgten. Nach ergebnislosem Ablauf dieser Frist erhoben die Kläger durch ihre Prozeßbevollmächtigten erneut Klage (Zweitklage) und nahmen einige Tage später die Erstklage zurück. Das Verfahren der Erstklage (Az. II 172/95) wurde daraufhin durch Beschluß eingestellt.
Die Kläger sind der Auffassung, die Klage sei nicht verspätet erhoben; sie könne nämlich gemäß § 55 Abs. 2 innerhalb eines Jahres erhoben werden, weil die Rechtsbehelfsbelehrung im Einspruchsbescheid unrichtig sei. Denn dort sei nur das Rechtsmittel gegen den Einspruchsbescheid aufgeführt ("Gegen diese Entscheidung kann ... Klage erhoben werden"), nicht angegeben sei dagegen das Rechtsmittel bzw. der Rechtsmittelweg hinsichtlich des angefochtenen Einkommensteuerbescheides selbst. Wegen des vollständigen Wortlauts der Rechtsbehelfsbelehrung wird auf Blatt 1 des Einspruchsbescheides vom 22.02.1995 (Blatt 7 Gerichtsakte zu Az. II 172/95) verwiesen. Die Rücknahme der Erstklage stehe einer Entscheidung in der Sache nicht entgegen; Verlust der Klage gemäß § 72 Abs. 2 FGO bedeute nur, daß keine neue Klage erhoben werden könne.
In der Sache selbst hat die Klägerin lediglich vorgetragen, bei den als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen handele es sich um Refinanzierungskosten. Belege hierüber sind trotz Aufforderung noch nicht vorgelegt worden.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuer entsprechend den Angaben in der Steuererklärung festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA ist der Auffassung, die Zweitklage sei unzulässig, da durch die Rücknahme der Erstklage das Klagerecht verbraucht sei. Darüber hinaus sei die Zweitklage nicht fristgemäß erhoben; entgegen der Auffassung der Kläger sei die Rechtsbehelfsbelehrung nämlich nicht unrichtig gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig.
1.)
Die Unzulässigkeit der Klage folgt allerdings nicht schon daraus, daß sie zu einem Zeitpunkt erhoben ist, zu dem die Erstklage noch anhängig war.
Zwar kann gemäß § 155 Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) die Streitsache nicht anderweitig anhängig gemacht werden, stand mithin der Zweitklage die Anhängigkeit der Erstklage entgegen. Da es sich hierbei jedoch lediglich um eine negative Sachentscheidungsvoraussetzung handelt, daß heißt eine Voraussetzung, die erfüllt sein muß, damit ein Sachurteil ergehen darf, nicht aber um eine sogenannte Zugangsvoraussetzung, die bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung gegeben sein muß, wie zum Beispiel bei fristgebundenen Klagen die Einhaltung der Klagefrist, kann eine wegen der Anhängigkeit einer Erstklage unzulässige Zweitklage noch zulässig werden, wenn die Anhängigkeit der Erstklage wegfällt (Kissel, Kommentar zum GVG, 2. Auflage 1994, § 17 Anmerkung 12; Schumann in Stein - Jonas, Kommentar zur ZPO, 20. Auflage 1987, § 261 Randnummer 51). Da die Kläger ihre Erstklage zurückgenommen haben, ist gemäß § 155 FGO in Verbindung mit § 269 Abs. 3 Satz 1 Absatz 1 ZPO der Rechtsstreit als nichtanhängig geworden anzusehen, ist das Prozeßhindernis anderweitiger Rechtshängigkeit rückwirkend entfallen und steht deshalb einer Sachentscheidung über die Zweitklage nicht mehr entgegen.
2.)
Durch die Rücknahme der Erstklage ist auch nicht etwa das Klagerecht insgesamt verbraucht.
Allerdings hat nach § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO die Rücknahme bei Klagen, deren Erhebung - wie hier die Anfechtungsklage der Klägerin, § 55 Abs. 1 FGO - an eine Frist gebunden ist, den Verlust der Klage zur Folge; eine fristgebundene Klage kann deshalb, anders als im Zivil- und Verwaltungsprozeßrecht, auch dann nicht erneut erhoben werden, wenn die Klagefrist noch läuft (Gräber/Koch § 72 FGO Randnummer 31; Tipke/Kruse § 72 FGO Randnummer 9; Hessisches Finanzgericht Urteil vom 22.02.1974 VIII b 167/71 EFG 1974, 435). Dies folgt aus dem Vergleich des Wortlauts des § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO, wonach die Rücknahme zum Verlust der Klage, also des Rechtsmittels schlechthin führt, mit dem Wortlaut anderer Vorschriften über die Rücknahme von Klagen oder Rechtsmitteln. So ist beispielsweise in § 126 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bestimmt, daß die Rücknahme der Berufung den Verlust des eingelegten Rechtsmittels zur Folge hat, und wird hieraus abgeleitet, daß der Berufungskläger innerhalb der Berufungsfrist erneut Berufung einlegen kann (Redeker/von Oertzen, Kommentar zur VwGO, 7. Auflage, § 126 Randnummer 6). Der Wortlaut des § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO geht auchüber den gemäß § 155 FGO nur entsprechend, soweit nämlich die FGO keine eigenständige Regelung enthält, anwendbaren § 269 ZPO hinaus, wonach bei Rücknahme der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist, mithin eine erneute Klage grundsätzlich möglich bleibt (Thomas/Putzo Kommentar zur ZPO, 19. Auflage 1995, § 269 Randnummer 23; siehe auch§ 269 Abs. 4 ZPO, der für diesen Fall der erneuten Klage dem erneut Beklagten ein Einlassungsverweigerungsrecht bis zur Kostenerstattung der zurückgenommenen Klage gibt).
Den Gesetzesmaterialien (Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Finanzgerichtsbarkeit vom 28.08.1955, Bundestagsdrucksache II/1716, Seite 40; Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Finanzgerichtsbarkeit vom 10.01.1958, Bundestagsdrucksache III/127, Seite 42; Entwurf einer Finanzgerichtsordnung vom 02.08.1963, Bundestagsdrucksache IV/1446, Seite 37; zur Vorgängervorschrift des § 253 Satz 3 Reichsabgabenordnung 1931 liegen keine Einzelbegründungen vor, aus den "Verhandlungen des Reichstages, Stenografische Berichte" von 1930/1931 ergibt sich ebenfalls nichts) läßt sich zwar keine Begründung für die Regelung in § 72 Abs. 2 Satz 1 FGO entnehmen.
Sinn und Zweck der Vorschrift ist es jedoch offenbar, unnötige, durch Sinneswandel von Klägern bedingte Belastungen der Finanzgerichte zu vermeiden.
Dieser Gesetzeszweck würde nun aber ins Gegenteil verkehrt, würde die Rücknahme einer wegen Anhängigkeit der Erstklage unzulässigen Zweitklage zum Verlust der Klage schlechthin führen und damit die Erstklage ebenfalls unzulässig machen. Eine solche Auslegung würde dazu zwingen, eine unzulässige Zweitklage fortzuführen und dadurch die Gerichte zusätzlich zu belasten. § 72 Abs. 2 Satz 1 FGO ist daher nach seinem Sinn und Zweck dahin auszulegen, daß die Rücknahme nur zum Verlust des Klagerechts für den Fallerneuter Klageerhebung nach Rücknahme führt; wer seine Klage vor dem Finanzgericht zurücknimmt, soll nicht erneut wegen derselben Sache klagen können.
Auch steht es einem Kläger frei, ob er die unzulässige Zweitklage, oder, wie im Streitfall geschehen, die zulässige Erstklage zurücknimmt, mit der Folge, daß die Zweitklage zulässig wird (so im Ergebnis, allerdings ohne Begründung: BFH-Urteil vom 18.03.1986 II R 23/84 BFH/NV 1987, 517 [BFH 18.03.1986 - II R 23/84]).
3.)
Die Klage ist jedoch unzulässig, weil sie erst rund 5 Monate nach Zustellung des Einspruchsbescheides und damit unstreitig nicht innerhalb der in § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO bestimmten Klagefrist von einem Monat erhoben worden ist.
Entgegen der Auffassung der Kläger ist die im Einspruchsbescheid erteilte Rechtsbehelfsbelehrung nicht etwa deshalb unrichtig mit der Folge, daß gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO noch innerhalb eines Jahres Klage erhoben werden könnte, weil sie dahin lautet, "Gegen diese Entscheidung", mithin die Einspruchsentscheidung, könne Klage erhoben werden.
Der Senat folgt nicht der von Streck/Mack/Schwedhelm (Die Steuerberatung 1994, 273, Nr. 295/94) vertretenen Auffassung, auf die sich die Klägerin bezieht, eine so erteilte Rechtsbehelfsbelehrung sei unvollständig und deshalb unrichtig, weil mit der gewählten Formulierung lediglich das Rechtsmittel isoliert gegen die Einspruchsentscheidung angesprochen sei, nicht dagegen der Rechtsmittelweg gegen den Bescheid selbst.
Es trifft zwar zu, daß Gegenstand der Anfechtungsklage nach§ 44 Abs. 2 FGO nach einem Vorverfahren der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch die Einspruchsentscheidung gefunden hat.
Auch müssen nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO der Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bezeichnet sein und ist nur in Ausnahmefällen eine isolierte Anfechtung der Einspruchsentscheidung zulässig (zur grundsätzlichen Unzulässigkeit der isolierten Anfechtung der Einspruchsentscheidung zum Beispiel: BFH-Urteile vom 16.07.1992 VII R 61/91 BFH/NV 1993, 39, und vom 30.01.1976 III R 61/74, BFHE 118/288, Bundessteuerblatt II 1976, 428; zu den Ausnahmefällen isolierter Anfechtbarkeit vergleiche die Nachweise bei Gräber/von Groll § 44 FGO Randnummern 37 bis 41).
Gleichwohl ist die Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig. Die Bezeichnung des Verwaltungsakts, gegen den das in der Rechtsbehelfsbelehrung als statthaft bezeichnete Rechtsmittel zu erheben ist, gehört nämlich nicht zu den in § 55 Abs. 1 FGO für die Rechtsbehelfsbelehrung inhaltlich vorgeschriebenen Angaben. Danach ist lediglich über die Klage, das Gericht oder die Behörde, bei denen sie anzubringen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich zu belehren. Es war mithin nicht erforderlich, die Kläger konkret darüber zu belehren, gegen welchen Verwaltungsakt die Klage zu richten ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Wesen einer Rechtsbehelfsbelehrung (so aber VGH München, Urteil vom 16.10.1986 13 W 84.1655 Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ - 1987, 902 und diesem folgend Kopp, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -, 10. Auflage 1994, § 58 Randnummer 10; anderer Auffassung - wie hier - OVG Schleswig, Urteil vom 17.09.1991 2 L 103/91, NVwZ 1992, 385), welches nach Auffassung des VGH München "zwingend" voraussetze, daß eine solche "über einen bestimmten Rechtsbehelf gegen eine bestimmte Entscheidung belehren" wolle. Denn die Entscheidung, die gemäß § 366 Satz 2 AO mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen ist, ist nun einmal die Einspruchsentscheidung als solche. Dies ist nach dem Empfängerhorizont die Entscheidung, die den Erwartungen ihres Empfängers nicht entspricht und die er nicht hinnehmen will. Entsprechend will der Empfänger wissen, welches Rechtsmittel ihm nun gegen diese Entscheidung noch zur Verfügung steht, also statthaft ist, wo und innerhalb welcher Frist es einzulegen bzw. anzubringen ist. Mehr verlangt auch § 55 Abs. 1 FGO nach seinem Wortlaut nicht.
Allerdings darf eine Rechtsbehelfsbelehrung nach ihrem Sinn und Zweck keine unrichtigen oder irreführenden Zusätze oder sonstigen Formulierungen enthalten, wodurch der Empfänger in einen Irrtum über die formellen und/oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs versetzt werden kann, der geeignet ist, ihn davon abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt oder rechtzeitig einzulegen oder ihm dieses erschwert (Gräber-Koch § 55 FGO Randnummer 23; OVG Schleswig, a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Andererseits hat eine Rechtsbehelfsbelehrung aber auch nicht die Aufgabe, einem Verfahrensbeteiligten alle eigenen Überlegungen im Zusammenhang mit der Einlegung von Rechtsmittel zu ersparen; dies würde seiner Stellung als freiem und selbstverantwortlichem Bürger widersprechen (BFH-Beschluß vom 07.02.1977 IV B 62/76, BFHE 123/171, Bundessteuerblatt II 1977, 291, 293 am Ende; Tipke-Kruse § 55 FGO Randnummer 4).
Jedenfalls kann eine Belehrung nach ihrem Sinn und Zweck, einem unerfahrenen Kläger eine zulässige Klage zu ermöglichen, nur dann unrichtig sein, wenn sie objektiv zu einer unzulässigen Klage zu führen vermag. Dazu war die erteilte Rechtsmittelbelehrung aber nicht geeignet.
Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muß die Klage den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens, bei Anfechtungsklagen auch den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bezeichnen. Auch hierüber ist die Klägerin, obwohl dies nicht zwingend erforderlich war, weil dies§ 55 Abs. 1 FGO nicht verlangt, belehrt worden.
Diese Zusätze allein vermögen allerdings die Klageerhebung nicht zu erschweren, sie dienen vielmehr dazu, einen Kläger in die Lage zu versetzen, den weiteren Ansprüchen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO an eine ordnungsgemäße Klageerhebung zu genügen.
Die Formulierung in der Rechtsbehelfsbelehrung des Einspruchsbescheids, wonach "gegen diese Entscheidung" die Klage gegeben ist, kann objektiv betrachtet auch im Hinblick auf die Erfordernisse des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO zu keinen nachteiligen Folgen für einen Kläger führen.
Ein Irrtum über den Beklagten mit der Folge, daß ein falscher Beklagter benannt würde, ist ausgeschlossen, da sowohl der angefochtene Einkommensteuerbescheid als auch der Einspruchsbescheid vom Beklagten erlassen worden sind. Auch der Gegenstand des Klagebegehrens wird selbst, wenn Klage "gegen die Einspruchsentscheidung" erhoben wird, noch zutreffend bezeichnet, da die Einspruchsentscheidung über den mit dem Einspruch angefochtenen Steuerbescheid, mithin den Steueranspruch befindet. Mit der Bezeichnung der angefochtenen Einspruchsentscheidung in der Klageschrift wird deshalb zugleich der ihr zugrunde liegende ursprüngliche Verwaltungsakt als Gegenstand der Anfechtungsklage eindeutig benannt (BFH-Urteile vom 21.04.1993 XI R 37 bis 54/92 BFH/NV 1994, 45; vom 19.05.1992 VIII R 87/90 BFH/NV 1993, 31).
Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, da nicht Gegenstand dieses Verfahrens, ob etwas anderes zu gelten hat, wenn der Einspruch als unzulässig abgewiesen wurde, weil in diesen Fällen sowohl die Klage gegen den zugrunde liegenden Steuerbescheid als auch isoliert nur gegen die Einspruchsentscheidung möglich ist (BFH-Urteil vom 26.10.1989 IV R 82/88, BFHE 159/103, Bundessteuerblatt II 1990, 277 mit weiteren Nachweisen; zu weiteren Fällen zulässiger isolierter Anfechtung der Einspruchsentscheidung: Gräber-von Groll § 44 FGO, Randnummern 37 bis 41).
Auch soweit der Verwaltungsakt und (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO alte Fassung: oder) die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu bezeichnen sind (ist), würde eine Verleitung zur Klage gegen die Einspruchsentscheidung statt gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt in Gestalt der Einspruchsentscheidung noch zu keinem Rechtsverlust führen.
Die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts kann nämlich auch noch nach Ablauf der Klagefrist nachgeholt werden.
Dies gilt darüber hinaus auch für die Bezeichnung des Klagebegehrens.
Nach dem BFH-Beschluß vom 23.10.1993 Großer Senat 2/87 (BFHE 159, 4 [BFH 23.10.1989 - GrS - 2/87], Bundessteuerblatt II 1990, 327) ist die Zulässigkeit der Klage nämlich nicht davon abhängig, daß innerhalb der Klagefrist das Klagebegehren vorliegt oder ein Klageantrag gestellt wird. Bis zum Ende der Klagefrist müssen lediglich die Erfordernisse beachtet werden, von denen es abhängt, ob ein Schriftstück sich überhaupt als Klage qualifizieren läßt. Insbesondere spricht hierfür auch, daß die in § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO vorgesehene Frist keine Ausschlußfrist ist, vielmehr erst nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO die zusätzliche Möglichkeit eingeräumt wird, eine solche zu setzen.
Selbst wenn innerhalb der Klagefrist ein bezifferter Klageantrag gestellt wird, kann dieses nicht dahin ausgelegt werden, der Kläger wolle sein Klagebegehren auf Herbeiführung einer Teilbestandskraft richten (BFH-Beschluß vom 23.10.1993 Großer Senat 2/87, a.a.O.). Das muß auch gelten, wenn ein Kläger die Klage nur gegen die Einspruchsentscheidung richtet und sogleich (vor Ablauf der Klagefrist) lediglich die Aufhebung der Einspruchsentscheidung beantragt, wozu ein Kläger durch die im Streitfall erteilte Rechtsbehelfsbelehrung durchaus veranlaßt werden könnte; denn ersichtlich will sich ein Kläger gegen den Inhalt der Entscheidung und damit den zugrundeliegenden Verwaltungsakt wenden. Zu einer Klageabweisung wegen Unzulässigkeit kann es in einem solchen Fall deshalb nur kommen, wenn ein Kläger im weiteren Verlauf eines Klageverfahrens auf dem Aufhebungsantrag beharrt. Zuvor hat aber das Gericht im Rahmen seiner prozessualen Fürsorge auf die Stellung sachdienlicher, mithin zur Erreichung des Klageziels geeigneter Anträge hinzuwirken, § 76 Abs. 2 FGO. Dies ist indes eine Frage des weiteren Verfahrens und keine Frage der fristgemäßen Klageerhebung, die u.a. durch eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung gefördert werden soll.
Da die Entscheidung der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zugelassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.