Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 22.12.2004, Az.: 3 U 167/04
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 22.12.2004
- Aktenzeichen
- 3 U 167/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 42108
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2004:1222.3U167.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 27.05.2004 - AZ: 7 O 288/03
- nachfolgend
- BGH - 07.03.2006 - AZ: XI ZR 22/05
In dem Rechtsstreit
...
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie der Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 27. Mai 2004 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Verden wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, die die jeweils zu vollstreckende Forderung um 10 % übersteigt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Beklagte war bis zu seiner Abberufung am 5. September 1998 Gesellschafter und Geschäftsführer der D.... Bauunternehmung GmbH. Im Zusammenhang mit der Gewährung eines Kontokorrentkredites bis zum Höchstbetrag von 1 250 000 DM verbürgte sich der Beklagte am 22. Dezember 1992 zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Klägerin gegen den Hauptschuldner, die D.... Bauunternehmung GmbH. Im Bürgschaftsvertrag heißt es, hierdurch werde eine Bürgschaft vom 16. Oktober 1980 gegenstandslos.
Mit der D.... Bauunternehmung GmbH als Hauptschuldnerin wurden auch weiterhin, unter anderem 1998 und am 20. Juli 1999, mithin nach Ausscheiden des Beklagten als Gesellschafter und Geschäftsführer Kreditverträge geschlossen, mit Vertrag vom 20. Juli 1999 wurde ein Kontokorrentkredit bis zu einem Höchstbetrag von 1 140 000 DM vereinbart. In Nr. 4 jenes Vertrages heißt es, dass mit diesem, weiterhin zur Konto-Nr. 1 gewährten Kredit der Kontokorrentkreditvertrag vom 6. November 1998, der jenen aus dem Jahr 1992 ersetzt hatte, gegenstandslos werde. Nr. 5 des Vertrages regelt zum Punkt Sicherheiten, dass die in besonderen Verträgen bestellten Sicherheiten auch für diesen Kredit/dieses Darlehen gelten sollen.
Nachdem Anfang des Jahres 2001 gegenüber der Hauptschuldnerin ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wurde, hat die Klägerin mit Schreiben vom 26. März 2002 die bestehende Geschäftsverbindung gekündigt. Wegen einer Forderung aus dem Girokonto zu Nr. 1, welches im Zeitpunkt der Kündigung mit 724 699,16 € im Soll stand, hat sie den Beklagten aus der Bürgschaft vom 22. Dezember 1992 auf Zahlung in Anspruch genommen und beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 500 000 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. April 2002 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat eine Zahlung aufgrund des Bürgschaftsversprechens mit der Begründung verweigert, die Bürgschaft habe allein dem Zweck gedient, den 1992 zeitgleich mit der Klägerin vereinbarten Kontokorrentkredit bis zum Höchstbetrag von 1 250 000 DM zu sichern. Die Hauptschuld sei im Zeitpunkt seines Ausscheidens als Geschäftsführer und Gesellschafter bei der D.... Bauunternehmung GmbH getilgt gewesen. Für Verbindlichkeiten aus dem 1999 gewährten Kredit hafte er nicht, da die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Bürgschaftsversprechen ungeachtet der sogenannten weiten Sicherungsklausel dann wirksam sind, wenn sie vom Geschäftsführer oder Gesellschafter einer GmbH abgegeben werden, da dieser Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen könne, hier deshalb keine Anwendung finde, weil der Kredit nach seinem Ausscheiden gewährt worden sei. Im Übrigen handele es sich um einen Neukredit, auf den sich sein Bürgschaftsversprechen nicht erstrecke.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von 500 000 € gemäß § 765 Abs. 1 BGB verurteilt.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der seinen Sachvortrag erster Instanz wiederholt und vertieft und darauf hinweist, dass der am 20. Juli 1999 geschlossene Kontokorrentkreditvertrag als Kreditnehmerin nicht nur die D.... Bauunternehmung GmbH, sondern auch die K.... D... Planbau GmbH ausweise. Im Übrigen habe es dem Willen der Parteien entsprochen, dass, insbesondere wegen der Gewährung einer eigenen Bürgschaft des jetzigen Geschäftsführers der Hauptschuldnerin, des Sohnes des Beklagten, sowie wegen der Stellung von anderweitigen Sicherheiten (Grundschulden) durch den Beklagten selbst im Jahr 1998 eine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft ausgeschlossen sein und die Bürgschaftsurkunde zurückgegeben werden sollte.
Er beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags sowie der dort vertretenen Rechtsauffassung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Zahlungsanspruch in Höhe von 500 000 € aus dem mit dem Beklagten geschlossenen Bürgschaftsvertrag zu, § 765 Abs. 1 BGB.
1. Zutreffend weist der Beklagte in seiner Berufungsbegründung allerdings darauf hin, dass sich seine Zahlungsverpflichtung nicht aus der von ihm am 20. Januar 1997 übernommenen Bürgschaft ergeben kann. Diese auf 2 Mio. DM betragsmäßig beschränkte Bürgschaft ist nach Ziffer 1 der Urkunde nur zur Sicherung von Ansprüchen aus "KFW-Darlehen aus dem KWF-Mittelstandsprogramm - Liquiditätshilfe über 2 Mio. DM" abgegeben worden. Zahlungsansprüche aus dieser Kreditgewährung hat die Klägerin nicht behauptet.
2. Der Beklagte schuldet einen Betrag von 500 000 € gemäß § 765 Abs. 1 BGB jedoch auf Grund der von ihm am 22. November 1992 unterzeichneten Bürgschaftserklärung für die noch offene Forderung der Klägerin aus dem am 20.7.1999 gewährten Kredit.
a) Die Bürgschaft ist wirksam; insbesondere kann der Beklagte aus der im Bürgschaftsformular enthaltenen sog. weiten Sicherungsklausel, wonach durch die Bürgschaft über den Anlasskredit hinaus alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Sparkasse gegen die Hauptschuldnerin gesichert werden, nichts für seinen Rechtsstandpunkt herleiten. In dieser im Bürgschaftsformular enthaltenen Formulierung liegt kein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz; die sogenannte Anlassrechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift hier deshalb nicht ein, weil der Beklagte im Zeitpunkt der Eingehung der Bürgschaftsverpflichtung Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Hauptschuldnerin war. Eine unangemessene Benachteiligung des Bürgen ist in diesem Fall auch bei Verwendung einer weiten Zweckerklärung im Bürgschaftstext nicht gegeben, da der Bürge als Geschäftsführer und Gesellschafter des Hauptschuldners Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Hauptschuldnerin nehmen und den Bestand der Verbindlichkeit der Hauptschuldnerin steuern konnte (vgl. BGH NJW 2000, 1179, 1182 [BGH 16.12.1999 - IX ZR 36/98], NJW 1995, 2553, 2555 [BGH 18.05.1995 - IX ZR 108/94]; ständige Rechtsprechung).
b) Das Ausscheiden des Beklagten als Geschäftsführer und Gesellschafter der Hauptschuldnerin ändert hieran grundsätzlich nichts, da maßgeblich für die Wirksamkeit des Bürgschaftsversprechens die Rechtslage bei Abgabe der Erklärung ist. Eine bei Abgabe wirksame Bürgschaftserklärung wird durch solche späteren tatsächlichen Veränderungen, die das Verhältnis zwischen Bürgen und Hauptschuldner betreffen, nicht unwirksam. Hierdurch wird der Beklagte auch nicht unangemessen benachteiligt, da ihm bei Ausscheiden als Geschäftsführer der Hauptschuldnerin die Möglichkeit zustand, die Bürgschaft zu kündigen ( BGH NJW 1986, 258). Hierdurch wird der Bürge in den Stand gesetzt, den Umfang seiner Verpflichtung auf den Betrag zu reduzieren, der bei seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft besteht.
3. Die Hauptforderung, zu deren Sicherung die Bürgschaft erteilt worden ist, besteht jedenfalls in der geltend gemachten Höhe fort.
a) Der im Berufungsverfahren erhobene Einwand des Beklagten, da der am 20. Juli 1999 gewährte Kontokorrentkredit nicht nur der D.... Bauunternehmung GmbH, sondern auch der K.... D... Planbau GmbH gewährt worden sei, stehe nicht einmal fest, dass der Kredit tatsächlich der Hauptschuldnerin gewährt worden sei, trägt nicht. Zutreffend weist vielmehr die Klägerin darauf hin, dass ausweislich der bereits in erster Instanz als Anlage K 1 vorgelegten Kontokarte über das maßgebliche Konto 1 ausschließlich die Hauptschuldnerin verfügungsbefugt war. Der auf jenem Konto aufgelaufene Schuldsaldo beruht mithin ausschließlich auf Verfügungen der Hauptschuldnerin.
b) Die Verbindlichkeiten auf jenem Konto sind die, für die sich der Beklagte verbürgt hat. Das ursprüngliche Kreditverhältnis ist nicht durch Novation erloschen. Grundsätzlich entspricht es bei einer fortdauernden Geschäftsbeziehung der Parteien nicht deren Willen, bei Änderungen eines Kreditvertrages, etwa der Verlängerung einer Kreditgewährung oder der Änderung des Zinssatzes eine Schuldumschaffung und damit eine Neubegründung des Schuldverhältnisses zu vereinbaren. Wegen der weitreichenden Folgen einer solchen Schuldumschaffung, mit der die alte Schuld einschließlich aller für sie bestimmten Sicherheiten erlischt, ist bei der Ermittlung des Parteiwillens sowie der Auslegung von Erklärungen der Vertragsparteien besondere Sorgfalt und Vorsicht geboten. Der Wille, das Schuldverhältnis zu erneuern, muss im Vertrag eindeutig erkennbar zum Ausdruck kommen. Ein solcher Wille darf nicht unterstellt werden. Bestehen vielmehr auch nur geringste Zweifel an dem Willen zu einer Schuldumschaffung, ist regelmäßig von einem bloßen Abänderungsvertrag auszugehen ( BGH NJW-RR 1992, 815 f.). Unter Beachtung dieser Auslegungsgrundsätze lässt sich ein Wille der Parteien zu einer Novation des Schuldverhältnisses nicht feststellen. Hiergegen spricht schon ganz wesentlich die Tatsache, dass die 1997 und 1999 der Hauptschuldnerin gewährten Kredite auf dem bestehenden Girokonto - Konto Nr. 1 - weitergeführt worden sind. Die in Nr. 4 des Vertrages gewählte Formulierung, mit der Neugewährung des Kredits würden vorangegangene Kreditverträge gegenstandslos, ist als solche nicht geeignet, einen entgegenstehenden Parteiwillen festzustellen. Hierdurch wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass ein noch bestehender Saldo auf dem Konto in die neue Kreditgewährung einbezogen, also kein weiterer Kredit neben dem schon bestehenden eingeräumt wird. Deutlich wird das durch die nachfolgende Vereinbarung der Parteien in Nr. 5 des Vertrages, in der es heißt, dass die in besonderen Verträgen gestellten Sicherheiten auch für den neu gewährten Kredit gelten sollten. Diese Regelung kann bei unvoreingenommener, nicht ausschließlich ergebnisorientierter Auslegung nur dahingehend verstanden werden, dass die vom Beklagten zur Sicherheit gestellte Bürgschaft auch den später auf dem gleichen Konto lediglich zu anderen Konditionen und zu einem anderen Höchstbetrag gewährten Kredit sichern sollte.
c) Eine entgegenstehende mündliche Vereinbarung ist zwischen den Parteien nicht getroffen worden. Das Vorbringen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, wie es sich in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15. Dezember 2004 nochmals wiederfindet, ist nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Der Beklagte hat auch in der mündlichen Verhandlung nicht behauptet, zwischen den Parteien sei bei seinem Ausscheiden als Gesellschafter und Geschäftsführer ausdrücklich die Rückgabe der Bürgschaft vereinbart worden. Eine solche Vereinbarung ergibt sich auch nicht aus den weiteren Umständen sowie den nunmehr vorgelegten Unterlagen. Vielmehr spricht der Umstand, dass die Grundschuld, die der Beklagte nach eigenen Angaben am 7. November 1998 bestellt haben will, zeitlich nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer bei der Beklagten bewilligt worden ist und diese wiederum nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem am 20. Juli 1999 gewährten Darlehen steht. Die subjektive Vorstellung des Beklagten, mit der Bewilligung der Grundschulden werde er seitens der Klägerin nicht mehr aus der Bürgschaft in Anspruch genommen werden, ersetzt den notwendigen übereinstimmenden Parteiwillen zu einer solchen Vereinbarung nicht.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO).