Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 27.05.2003, Az.: 12 U 12/03
Berufung mit neuem Sachvortrag; Vorwurf nachlässiger Prozessführung; Unklarheiten über Abgabe und Zugang einer Willenserklärung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 27.05.2003
- Aktenzeichen
- 12 U 12/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 30294
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2003:0527.12U12.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 31.01.2003 - AZ: 6 O 3836/02
Rechtsgrundlagen
- § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO
- § 354a HGB
Fundstellen
- BauR 2004, 884 (amtl. Leitsatz)
- IBR 2004, 190
Prozessführer
Fa. G... , Inh. V... S... , ... , ... H... ,
Rechtsanwalt ... -
Prozessgegner
Stadt X... ,
vertreten durch den Oberbürgermeister, ... , ... X... ,
Rechtsanwalt ... -
In dem Rechtsstreit
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom
13. Mai 2003
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 31. Januar 2003 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Beklagte beauftragte 1998 die inzwischen in Insolvenz befindliche M... ... GmbH (M... ) mit der Durchführung von Bauarbeiten am Zentralen Omnibusbahnhof in X... . Für die Glasarbeiten schaltete die M... die Klägerin als Subunternehmerin ein. Da die Klägerin befürchtete, dass die M... die Arbeiten nicht bezahlen könne, forderte sie vor Beginn eine Sicherheit. In die Verhandlungen hierüber wurde der Bauleiter der Beklagten einbezogen. Er schlug vor, die Absicherung durch eine Forderungsabtretung vorzunehmen. Die M... unterschrieb daraufhin am 3. Juli 2000 eine Erklärung, in der sie 127.020,00 DM von ihrer gegen die Beklagte gerichteten Werklohnforderung an die Klägerin abtrat. Mit dem handschriftlichen Zusatz "Die Stadt X... hat von der Abtretung Kenntnis genommen" wurde diese Erklärung am 4. Juli 2000 auch vom zuständigen Amtsleiter der Beklagten unterzeichnet.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung ihrer Werklohnforderung in Anspruch. Sie meint, die Beklagte habe im Rahmen der Verhandlungen über die Absicherung ihrer Forderung eine eigenständige Zahlungsverpflichtung übernommen. Zumindest hafte sie ihr aus der Abtretung vom 3. Juli 2000. Die Beklagte wendet ein, sie habe die Abtretung - entsprechend dem Wortlaut ihrer Erklärung - lediglich zur Kenntnis genommen. Eine eigene Schuld gegenüber der Klägerin habe sie hiermit nicht begründen wollen. Auf abgetretenes Recht könne sich die Klägerin deswegen nicht stützen, weil die M... ihre gesamte Forderung aus dem Auftrag bereits am 08. Dezember 1998 an die Volksbank H... (jetzt Volksbank H... ) abgetreten habe. Im Übrigen habe sie Gegenforderungen gegen die M... , die die Klageforderung übersteigen würden.
Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die Sitzungsniederschrift vom 20. Dezember 2002 verwiesen.
Die 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg hat die zuletzt auf Zahlung von 69.269,66 EUR (135.479,67 DM) nebst wechselnden Zinsen gerichtete Klage durch Urteil vom 31. Januar 2003 abgewiesen. Sie führt aus, die Klägerin sei auf Grund der vorgehenden Abtretung nicht Inhaberin der Forderung geworden. Eigene Ansprüche gegen die Beklagte stünden ihr ebenfalls nicht zu.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung.
Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens behauptet sie ergänzend, die Beklagte habe ihre Forderung auch bei einer späteren Gelegenheit anerkannt. Der Mitarbeiter K... der Beklagten habe in einem Gespräch mit einem Prof. L... geäußert, die Beklagte sei zur Zahlung der offenen Rechnungen bereit, wenn die Klägerin ihre Arbeiten abschließe und noch notwendige Reparaturen ausführe. Hilfsweise stützt die Klägerin ihre Forderung nunmehr auf eine weitere Abtretung durch die Volksbank H... vom 1. April 2003.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 69.269,66 EUR nebst 10 % Zinsen vom 11. bis 14. September 2000, 10,75 % Zinsen vom 15 September bis 31. Dezember 2000 und 11,25 % Zinsen seit dem 01. Januar 2001 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung. Sie vertieft ihr Vorbringen zu den Gegenansprüchen gegen die M... .
II.
Die Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage mit zutreffenden Erwägungen abgewiesen. Die im zweiten Rechtszug neu angeführten Umstände können der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.
Die Klägerin stützt sich in erster Linie auf einen vertraglichen Anspruch. Sie meint, die Beklagte habe im Rahmen der Verhandlungen über die Absicherung ihrer Werklohnforderung ein selbstständiges Zahlungsversprechen abgegeben bzw. einen Schuldbeitritt erklärt.
Damit dringt sie nicht durch. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an den im ersten Rechtszug zu diesem Punkt getroffenen Feststellungen begründen könnten, werden von der Berufung nicht aufgezeigt. Die Bewertung des Landgerichts ist auch frei von Rechtsfehlern.
Die Klägerin hat die Begründung einer eigenen rechtsgeschäftlichen Verpflichtung von der Beklagten nicht gefordert. Die Beklagte hatte auch nicht den Willen, eine Schuldverpflichtung gegenüber der Klägerin zu begründen. Bei den Verhandlungen über die Möglichkeiten einer Absicherung der Werklohnforderung der Klägerin ist unstreitig lediglich von einer Abtretung die Rede gewesen. Das Wesen einer Abtretung besteht aber - wie dem Inhaber der Klägerin zweifelsohne bekannt ist - darin, dass hiermit der Gläubiger einer Forderung wechselt und nicht im Hinzutreten eines neuen Schuldners. Ein auf die Begründung einer eigenen Schuld gerichteter rechtsgeschäftlicher Wille der Beklagten ergibt sich auch nicht daraus, dass die Abtretungserklärung am 4. Juli 2000 von dem zuständigen Amtsleiter mit dem Vermerk "Die Stadt X... hat von der Abtretung Kenntnis genommen" gegengezeichnet worden ist. Der Vermerk belegt vielmehr das Gegenteil. Da die Beklagte die Abtretung lediglich zur Kenntnis nehmen wollte, hat sie unmissverständlich dokumentiert, dass sie mit ihrer Unterschrift keine eigene Verpflichtung begründen wollte.
Die von der Klägerin vorgetragenen Umstände sind weiterhin auch nicht geeignet, einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zu begründen. Zwar kann derjenige, der im Rahmen von Vertragsverhandlungen ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn der Andere im Hinblick auf den geschaffenen Vertrauenstatbestand Vermögensdispositionen trifft. Einen derartigen Vertrauenstatbestand hat jedoch der Mitarbeiter K... mit seinem Vorschlag, die Klägerin könne sich ja durch eine Abtretung sichern, nicht geschaffen. Das Gleiche gilt für seine angebliche Äußerung, eine derartige Abtretung sei "narrensicher". Die Klägerin trägt selbst vor, dass sie ein entsprechendes Vertrauen in die Beklagte gar nicht gesetzt hat. Der Inhaber der Klägerin hat vor dem Landgericht erklärt, er habe sich bemüht, mit Hilfe eines Rechtsanwalts oder der Hausbank einen Textentwurf für eine Abtretungserklärung zu erhalten. Ihm sei daran gelegen gewesen, dass eine Person oder Institution seines Vertrauens den Text aufsetze. Von einem von der Stadt vorgelegten Formular sei ihm nichts bekannt. Nach den Sendevermerken der jeweils ausschließlich als Fax versendeten Abtretungserklärung stammt der Text letztlich auch von der Klägerin. Diese erscheint gegen 14.00 Uhr als erste Absenderin. Alle folgenden Übermittlungen liegen eindeutig später. Nach dem von ihr selbst vorgegebenen Wortlaut des Textes war lediglich eine Abtretung der Forderungen durch die M... an die Klägerin gewollt. Von einer schuldrechtlichen Einbindung der Beklagten in diese Vereinbarung war hingegen nicht die Rede. Die Klägerin hat von der Beklagten auch nicht eine Erklärung hinsichtlich der Werthaltigkeit der abgetretenen Forderung gefordert. Vor diesem Hintergrund war die angebliche Äußerung des Mitarbeiters K..., die Abtretung sei "narrensicher", lediglich eine rechtlich unverbindliche Fehleinschätzung hinsichtlich dieser ins Auge gefassten Absicherung der Klägerin, zumal, da er ausdrücklich erklärt hatte, dass er nicht befugt sei, Erklärungen zu Lasten der Stadt zu unterschreiben.
Weiterhin kann die Klägerin einen direkten vertraglichen Anspruch gegen die Beklagte auch nicht mit der im zweiten Rechtszug erstmals aufgestellten Behauptung begründen, der Mitarbeiter K... der Beklagten habe in einem Gespräch mit Prof. L... erklärt, die Stadt werde alle offenen Rechnungen bezahlen. Es ist schon zweifelhaft, ob die Klägerin ihre Berufung auf diesen neuen Sachvortrag stützen kann (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Ihre Behauptung, sie habe von dieser Erklärung erst in einem nach Verkündung des Urteils geführten Telefongespräch erfahren, ist ohne Schilderung näherer Umstände nicht geeignet, den Vorwurf nachlässiger Prozessführung auszuräumen. Dies bedarf jedoch keiner Vertiefung. Denn selbst wenn man den neuen Vortrag der Klägerin als richtig unterstellt, kann man aus der angeblichen Äußerung des K... gegenüber Prof. L... kein zu Gunsten der Klägerin wirkendes selbstständiges Zahlungsversprechen ableiten. Ein solches setzt eine Erklärung gegenüber dem Vertragspartner voraus. Diese ist jedoch bewusst nicht abgegeben worden. Denn die Äußerung soll gerade zu dem Zeitpunkt gefallen sein, als sich der Inhaber der Klägerin vorübergehend nicht im Raum befand. Unter diesen Umständen ist nichts dafür ersichtlich, dass ein entsprechender Rechtsbindungswille gegenüber der Klägerin vorhanden war. Auf die Frage des Zugangs dieser angeblichen Willenserklärung kommt es daher nicht mehr an. Ferner kann es auf sich beruhen, ob der Mitarbeiter K... überhaupt bevollmächtigt gewesen wäre, eine entsprechende Erklärung zu Lasten der Stadt abzugeben.
Bereicherungsrechtliche Ansprüche, die von der Klägerin ferner noch ins Feld geführt werden, scheitern schon daran, dass die Klägerin ihre Leistungen in Erfüllung des zwischen ihr und der M... geschlossenen Subunternehmervertrages erbracht hat.
Auf abgetretenes Recht kann sich die Klägerin ebenfalls nicht stützen.
Die unter dem 3. Juli 2000 erklärte Abtretung der M... ist fehlgeschlagen, weil die M... auf Grund der zeitlich vorgehenden Abtretung vom 12. November 1998 sowie einer weiteren Globalabtretung vom 20. Dezember 1999 zum Zeitpunkt der Erklärung nicht mehr Inhaberin der Forderung war. Der Senat folgt hierzu den zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung.
Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die Abtretungen seien aus formalen Gründen unwirksam, weil Ziff. 32.2 der zusätzlichen Vertragsbedingungen der Beklagten nicht beachtet worden sei, hiernach hänge die Wirksamkeit einer Abtretung von der schriftlichen Anzeige gegenüber der Stadt und einer zusätzlichen Erklärung des Zessionars ab. Diese Vertragsbestimmung ist unwirksam. Sie scheitert an § 354a HGB. Die von der Klägerin vorgebrachten Bedenken gegen die Anwendbarkeit der Vorschrift greifen nicht durch. Sinn und Zweck von § 354a HGB ist es, die Absicherung geschäftlicher Kredite zu erleichtern (Baumbach/Hopt § 354 a HGB Rn. 1). Kleineren und mittleren Unternehmen soll eine Kreditaufnahme nicht dadurch erschwert werden, dass ihnen ein Abtretungsverbot im Sinne von § 399 BGB auferlegt wird. Dieses Ziel lässt sich nur dann erreichen, wenn nicht nur der vollständige Ausschluss der Abtretung, sondern auch weitere für eine Abtretung vereinbarte Erschwernisse erfasst werden. Im Anwendungsbereich des § 399 BGB ist es seit langem allgemein anerkannt, dass hierunter nicht nur Abtretungsverbote, sondern auch zusätzliche Wirksamkeitserfordernisse wie die Zustimmung des Schuldners oder eine Abtretungsanzeige fallen (BGHZ 112, 387, 389 [BGH 31.10.1990 - IV ZR 24/90]; Palandt/Heinrichs § 399 BGB Rn. 8 m.w.N.). Aus der Tatsache, dass § 354a HGB ohne besondere Einschränkung auf § 399 Bezug nimmt, wird von der ganz überwiegenden Meinung geschlossen, dass er alle Einschränkungen erfasst, die auch unter § 399 BGB fallen. Für diese Sichtweise spricht zudem, dass vollständige Abtretungsverbote im Rechtsverkehr ohnehin die Ausnahme bilden. In der Regel werden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen lediglich zusätzliche Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine Abtretung aufgestellt. Bei einer restriktiven Auslegung der Norm würde § 354a HGB daher weitgehend leer laufen. Hinzu kommt, dass insbesondere für die Anzeige von der Abtretung ohnehin kein schützenswertes Interesse des Auftraggebers an einer den Unternehmer belastenden Vereinbarung besteht. Die Anzeigepflicht dient der Sicherung des Auftraggebers davor, dass er nicht an den falschen Gläubiger leistet. Vor diesem Risiko ist er jedoch in jedem Fall geschützt (§§ 354a S. 2 HGB, 407 BGB). Der Senat folgt daher der herrschenden Meinung, dass Vertragsbedingungen, die - wie hier - zusätzliche Anforderungen für eine wirksame Abtretung aufstellen, ebenfalls unter den Anwendungsbereich von § 354a HGB fallen (vgl. Koller/Roth/Mönch HGB 3. Aufl. § 354a Rn. 2; Staudinger/Busche § 399 BGB Rn. 70, Baumbach/Hopt § 354a HGB Rn. 1; Münch.Komm./Schmidt HGB § 354a HGB Rn. 11; OLG Celle OLGR 1999, 57; OLG Zweibrücken, OLGR 2000, 279; a.A. OLG Schleswig BB 2001, 61 [OLG Schleswig 08.11.2000 - 9 U 104/99]).
Letztlich kann die Klägerin auch mit ihrer weiteren Hilfsbegründung nicht durchdringen. Die Klägerin begründet ihre Klage in der Berufungsbegründung zusätzlich mit einer Abtretung durch die Volksbank H... vom 01. April 2003. Hierbei handelt es sich um einen neuen Streitgegenstand. Die Klägerin beruft sich nunmehr - erstmals im zweiten Rechtszug - neben einem eigenen vertraglichen und einem von der M... abgetretenem Anspruch auf eine Werklohnforderung, die sie von der Volksbank H... erlangt hat.
Die hilfsweise Einführung eines neuen Streitgegenstands ist als Klageänderung zu behandeln und unterliegt den Beschränkungen des § 533 ZPO. Da ihr die Beklagte widersprochen hat, ist sie nur dann zulässig, wenn sie sachdienlich ist. Dies ist nicht der Fall. Die Bejahung dieser Voraussetzung würde dazu führen, dass ein völlig neuer Streitstoff beurteilt werden muss. Das Landgericht brauchte sich bei dem ihm unterbreiteten Sachverhalt nicht mit der Frage zu befassen, ob und in welcher Höhe die M... Werklohnansprüche gegen die Beklagte hat. Dies wäre aber der Kern des Rechtsstreits, wenn man die Änderung der Klage zulassen würde. Damit würde der - letztlich entscheidende - Streitstoff vollständig in die zweite Instanz verlagert. Dies ist, wie sich insbesondere auch aus § 533 Nr. 2 ZPO ergibt, den Parteien nicht gestattet.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Es bestehen keine Gründe, die Revision zuzulassen.