Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 11.01.2017, Az.: 11 WF 269/16

Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen Verstoßes gegen eine Umgangsvereinbarung; Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit eines gerichtlich gebilligten Umgangsvergleichs

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
11.01.2017
Aktenzeichen
11 WF 269/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 31673
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Osnabrück - 13.12.2016 - AZ: 4 FH 24/16 RI

Fundstelle

  • FuR 2017, 619-620
  1. 1.

    Hatten sich die Antragsgegner verpflichtet, bis zum Eintritt der Volljährigkeit der Jugendlichen keinen Umgang zu haben und haben sie diesen entgegen der gerichtlich genehmigten Vereinbarung durch die Aufnahme der Jugendlichen in ihre Wohnung und das Zusammenleben mit dieser ausgeübt, liegt ein Verstoß gegen die Vereinbarung vor.

  2. 2.

    Trotz des schuldhaften Verstoßes kommt keine Festsetzung eines Ordnungsmittels in Betracht, da es an einem vollstreckbaren Titel mangelt. Ein gerichtlich gebilligter Vergleich ist nicht wirksam, wenn er im Fall der hier vorliegenden vorläufigen Tonbandaufnahme nicht vorgespielt und genehmigt, sondern nur laut diktiert und genehmigt wird.

  3. 3.

    Da die Vollstreckung durch ein anderes Gericht erfolgen soll, fehlt zudem die erforderliche Vollstreckungsklausel.

Tenor:

  1. I.

    Die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

  2. II.

    Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Osnabrück vom 13.12.2016 wird hinsichtlich der Kostenentscheidung abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

  3. III.

    Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Osnabrück vom 13.12.2016, mit welchem dieses seinen Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Antragsgegner zurückgewiesen hat.

Die Beteiligten zu 4) haben sich in einer Umgangsvereinbarung verpflichtet, mit dem Kind [im Folgenden zur besseren Verständlichkeit der Jugendlichen] bis zum Eintritt der Volljährigkeit keinen Umgang auszuüben.

Der gerichtliche Umgangsvergleich vom 22.03.2016 wurde vom Amtsgericht - Familiengericht - Essen durch Beschluss vom 07.04.2016 gerichtlich gebilligt. Zugleich wurden die Beteiligten gemäß § 89 Abs. 2 FamFG darauf hingewiesen, dass bei schuldhaftem Verstoß gegen die Umgangsregelung ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft angeordnet werden kann. Die Jugendliche lebte zum Zeitpunkt des Zustandekommens der gerichtlich gebilligten Umgangsvereinbarung in einer Jugendschutzeinrichtung. Später hielt sie sich für die Dauer von zwei Monaten bei den Antragsgegnern auf und ist nunmehr vom Antragsgegner zu 4.b. schwanger. Die Jugendliche und der Antragsgegner haben beabsichtigt, nach Eintritt ihrer Volljährigkeit zu heiraten. Zum 20.10.2016 begab sich die Jugendliche aufgrund von Gewalttätigkeiten und Bedrohungen durch den Antragsgegner zu ihrer Mutter. Seit dem 21.10.2016 lebt sie beim Vater.

Der Antragsteller hat die Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen Verstoßes gegen die Umgangsvereinbarung beantragt.

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen und in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, ein Verschulden der Antragsgegner sei nicht erkennbar, da die Tochter des Antragstellers selbst zu diesen gezogen ist und dort zwei Monate lang gewohnt hat. Der Antragsteller begründet seine Beschwerde damit, dass aus der Vereinbarung über den Umgangsausschluss folge, dass die Antragsgegner seine Tochter, welche nunmehr von dem Antragsgegner schwanger sei, nicht hätten aufnehmen dürfen.

II.

Die gemäß § 87 Abs. 4 FamFG, §§ 567 ff. ZPO statthafte und im Übrigen zulässige, insbesondere innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen eingelegte sofortige Beschwerde, über die nach § 568 Satz 2 ZPO der Senat zu entscheiden hat, ist im Ergebnis nicht begründet.

Allerdings haben die Antragsgegner gegen ihre Verpflichtung, den Umgang mit der Jugendlichen zu unterlassen, schuldhaft verstoßen. Grundsätzlich wird das Verschulden des Verpflichteten vermutet (vgl. Keidel/Giers, FamFG, 18. Auflage 2014, § 89 Rn. 9). Hintergrund hierfür ist, dass die Umstände für das Scheitern der Vollstreckung der Entscheidung regelmäßig in der Sphäre der verpflichteten Person liegen und daher im Nachhinein objektiven Feststellungen häufig nur eingeschränkt zugänglich sind (vgl. BT-Drucks. 16/6308, Seite 218). Der Verpflichtete hat die Darlegungs- und Feststellungslast hinsichtlich der Gründe, aus denen er die Zuwiderhandlung gegen den Umgangstitel nicht zu vertreten haben will. Gelingt es dem Verpflichteten nicht, detailliert zu erläutern, warum er an der Befolgung der gerichtlichen Anordnung gehindert war, kommt ein Absehen von der Festsetzung des Ordnungsmittels oder die nachträgliche Aufhebung des Ordnungsmittels nicht in Betracht (BGH v. 19.02.2014 - XII ZB 165/13 -, juris Rn. 22).

Einem Zuwiderhandeln der Antragsgegner als Verpflichteten i.S.d. § 89 Abs. 4 BGB steht nicht entgegen, dass die Jugendliche selbst Kontakt zu ihnen gesucht hat, diese mithin nicht auf sie eingewirkt haben, mit ihnen Umgang auszuüben.

Die Antragsgegner haben ungeachtet dessen den Umgang mit der Jugendlichen entgegen der gerichtlich genehmigten Vereinbarung ausgeübt. Diese lebte zwei Monate bei den Antragsgegnern und ist nunmehr von dem Antragsgegner schwanger. Die Antragsgegner haben jedenfalls durch die Aufnahme der Jugendlichen in ihre Wohnung und das Zusammenleben mit dieser gegen die Vereinbarung verstoßen.

Trotz des schuldhaften Verstoßes der Antragsgegner gegen die Vereinbarung kommt aber keine Festsetzung eines Ordnungsmittels in Betracht.

Ob sich die Vollstreckung einer gerichtlich gebilligten Vereinbarung über einen Umgangsausschluss dann, wenn diese - wie im vorliegenden Fall - gegen Dritte gerichtet ist, nach § 89 FamFG oder aber nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG i.V.m. § 890 ZPO richtet (vgl. dazu Hammer in Prütting/Helms, FamFG, 3. Auflage, § 89 Rn. 7a), kann vorliegend dahinstehen. In jedem Falle bedarf es grds. des Vorliegens der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen, nämlich Titel, Klausel und Zustellung.

Es mangelt bereits an einem vollstreckbaren Titel.

Der gerichtlich gebilligte Vergleich ist nicht wirksam. Die Umgangsvereinbarung wurde ausweislich des Sitzungsprotokolls lediglich laut diktiert und genehmigt. Ein formal wirksamer Vergleich setzt gem. § 36 Abs. 2 Satz 2 FamFG i.V.m. §§ 162 Abs. 1, 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO aber voraus, dass dieser entweder allen Beteiligten vorgelesen und von ihnen genehmigt oder im Fall der vorläufigen Tonbandaufnahme - wie vorliegend - vorgespielt und genehmigt wird. Die Einhaltung dieses Verfahrens bildet nach allgemeiner Ansicht, der auch der Senat folgt, bei Prozessvergleichen eine Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. BGH FamRZ 2007, 1631; BGH FamRZ 1984, 372). Den insoweit bestehenden Anforderungen genügt es nicht, wenn die vorläufige Aufzeichnung lediglich laut diktiert und genehmigt wird (OLG Zweibrücken OLGR 2004, 292; Zöller-Stöber ZPO, 31.Aufl., § 160 Rz.5; Prütting/Gehrlein-Dört ZPO, 8.Aufl., § 160 Rz.10; Stein/Jonas-Roth ZPO, 22.Aufl., §160 Rz.14)

Es fehlt zudem die erforderliche Vollstreckungsklausel.

Die Vollstreckung einer gerichtlich gebilligten Umgangsvereinbarung bedarf im Fall der Vollstreckung nach § 89 FamFG nur dann keiner Vollstreckungsklausel, wenn die Vollstreckung durch das Gericht erfolgt, das den Titel erlassen hat (§ 86 Abs. 3 FamFG). Wenn die Vollstreckung jedoch - wie vorliegend - durch ein anderes Gericht erfolgen soll, bedarf es einer vollstreckbaren Ausfertigung (vgl. OLG Brandenburg v. 02.05.2016 - 13 WF 75/16, NJOZ 2016, 1538, beck-online; Vogel FPR 2011, 526; Cirulles FÜR 2012, 473).

Einer Vollstreckungsklausel hätte es ebenfalls bedurft, wenn die Vereinbarung (im Fall des Vorliegens eines vollstreckbaren Titels) nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG i.V.m. § 890 ZPO zu vollstrecken gewesen wäre (vgl. Stöber in Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 890 Rn. 13).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 87 Abs. 5, 84, 81 FamFG, § 20 FamGKG.