Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 08.11.2005, Az.: 13 W 62/05

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
08.11.2005
Aktenzeichen
13 W 62/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 41778
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2005:1108.13W62.05.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerfG - 16.05.2007 - AZ: 2 BvR 2106/05

Tenor:

  1. Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluß der 14. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 22. September 2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

  2. Außergerichtliche Auslagen des Betroffenen werden nicht erstattet.

  3. Der Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt F.... wird abgelennt.

  4. Beschwerdewert: 3 000,00 EUR.

Gründe

1

Der Betroffene wurde am 12. Februar 1998 vom Landkreis Schaumburg aus der Bundesrepublik Deutschland unbefristet ausgewiesen und erstmals am 27. Mai 1998, seitdem insgesamt 16 mal und zuletzt am 27. Januar 2005 nach Spanien abgeschoben. Am 10. Februar 2005 wurde der Betroffene um 15.30 Uhr erneut im Bundesgebiet in D.... im E...., angetroffen. Die Polizei war herbeigerufen worden, weil man den Betroffenen bei einem Diebstahlsversuch vom zwei Flaschen Ballentines im Wert von 22,98 EUR beobachtet haben wollte.

2

Am Morgen des 11. Februar 2005 beantragte die Beteiligte beim Amtsgericht Delmenhorst, gegen den Betroffenen Abschiebehaft auf die Dauer von drei Monaten und deren sofortige Vollziehbarkeit anzuordnen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Antrag nebst Anlagen verwiesen (Bl. 1-10 d.A.). Der Betroffenen wurde richterlich angehört und anschließend antragsgemäß in Abschiebehaft genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluß vom 11. Februar 2005 Bezug genommen (Bl. 11 d.A.). Der Betroffene wurde am selben Tag in Abschiebehaft genommen, deren Vollzug vom 01. März 2005 bis 15. März durch die Verbüßung einer Restfreiheitsstrafe unterbrochen war.

3

Mit Schriftsatz vom 17. März 2005 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen die Aufhebung der Haftanordnung. Seine Identität sei allgemein bekannt, nachdem er in den letzten Jahren mehrmals pro Jahr nach Spanien abgeschoben worden sei, so daß seine Abschiebung schon längst hätte durchgeführt werden können und müssen.

4

Diesen Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls hat das Amtsgericht mit Beschluß vom 19. April 2005 abgelehnt (Bl. 32 d.A.). Die Verzögerung der Abschiebung ergebe sich zum einen aus der zeitweiligen Unterbrechung der Abschiebehaft zum Zwecke der Vollstreckung einer Restfreiheitsstrafe vom 01. März bis zum 15. März 2005, zum anderen daraus, daß die Beteiligte abgewartet habe, ob gegen den Betroffenen wieder eine Anklage wegen des erneuten Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetzes erhoben werde. Ferner habe der Betroffene anläßlich der Verkündung des Haftbefehls darüber geklagt, daß er keine Anlaufadresse in Spanien habe; so daß die Beteiligte im Interesse des Betroffenen mit dem spanischen Generalkonsulat deswegen korrespondiert habe. Dies habe Zeit gekostet, so daß die Abschiebung nicht habe früher durchgeführt werden können.

5

Dagegen hat der Betroffene rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt. So habe die Beteiligte erst am 14. April 2005, also über zwei Monate nach der Festnahme des Betroffenen, beim Landeskriminalamt Niedersachsen einen Antrag auf Durchführung der Abschiebung bis zum 10. Mai 2005 gestellt. Am 18. April 2005 habe das Amt einen Termin für den 02. Mai 2005 zugesichert. Erst dann habe sich die Beteiligte an das spanische Generalkonsulat wegen der Ausstellung eines Passier-scheins gewandt, der auch unverzüglich vorgelegt worden sei. Diese Daten würden belegen, daß die Abschiebung in kürzester Zeit hätte vollzogen und eine Abschie-bung noch bis Ende Februar und nicht erst am 02. Mai 2005 hätte durchgeführt wer-den können. Daher sei festzustellen, daß die Inhaftierung des Betroffenen vom 01. März 2005 an rechtswidrig gewesen sei.

6

Dem hat die Beteiligte unter Vorlage entsprechender Belege widersprochen. Gegen den Beschleunigungsgrundsatz sei nicht verstoßen worden. So habe der Betroffene anläßlich seiner Vorführung vor das Amtsgericht darüber geklagt, daß er bei einer Abschiebung nach üblichem Muster mit einem Passierschein in Spanien keinen Paß beziehungsweise keinen Paßersatz bekomme und sich deshalb ohne Ausweispapier nirgendwo anmelden könne. Er müsse deshalb jeweils sofort wieder aus Spanien aus- und stattdessen illegal über Frankreich und die Niederlande wieder nach Deutschland einreisen. Auf den Wunsch des Betroffenen habe man deshalb noch am 11. Februar 2005 an das spanische Generalkonsulat geschrieben und um Mitteilung gebeten, an welche Behörde sich der Betroffene bei seiner Ankunft in Barcelona zu wenden habe, um ein Ausweispapier zu erhalten und welche Unterlagen dafür benötigt würden. Welche Institution sei im übrigen für die erste Betreuung von Rückkehrern zuständig, um ihnen nach erfolgter Abschiebung zu helfen? Wenn es nämlich dem Betroffenen gelänge, sich eine geraume Zeit in Spanien straffrei zu führen, könnte auf seinen entsprechenden Antrag hin die Wirkung der Ausweisung und der Abschiebung befristet werden, so daß der Betroffene für die Zukunft auch die Perspektive erhalte, auf Dauer legal in Deutschland leben zu können, dem Land, in dem er aufgewachsen sei und auch eine Tochter habe. So könne es möglich werden, den Teufelskreis ständiger Abschiebungen und sofortiger illegaler Wiedereinreisen zu durchbrechen. Am 17. März 2005 teilte das Konsulat telefonisch mit, daß die letzte Wohnanschrift des Vaters des Betroffenen benötigt werde. Im übrigen sei es kein Problem für den Betroffenen, vom Generalkonsulat oder in Spanien einen Paß zu bekommen. Ein Paß könne auch bei den spanischen Behörden hinterlegt werden, um den Betroffenen so zu bewegen, sich in Spanien zu melden. Unter dem 18. März 2005 habe man deshalb an die JVA Hannover geschrieben, um die noch fehlenden Angaben vom Betroffenen zu erhalten. Am 24. März 2005 habe die JVA mit Schreiben vom 23. März 2005 eine entsprechende Schweigepflichtsentbindungserklärung nebst den Personalien des Vaters der Beteiligten zugefaxt. Am 07. April 2005 habe man vom Ausländerzentralregister die noch fehlenden Daten des Vaters erhalten und ebenfalls am selben Tag mit der Ausländerbehörde beim Kreis Bergstraße Kontakt wegen der noch offenen letzten Heimatanschrift des Vaters aufgenommen, die man spätestens bis zum 15. April 2005 habe mitgeteilt bekommen sollen. Ferner habe man zuvor mit Schreiben vom 25. Februar 2005 die Staatsanwaltschaft Hannover über den Vollzug der Abschiebehaft informiert, die unter dem 02. März 2005 geantwortet habe, daß der Betroffene in Kürze in Unterbrechung der Abschiebehaft eine Restfreiheitsstrafe von noch 15 Tagen verbüßen werde.

7

Hierauf erwiderte der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen nach Erhalt der Unterlagen, es ehre zwar die Beteiligte, im Interesse des Betroffenen gehandelt zu haben, jedoch werde dies nicht vom Zweck der Abschiebehaft gedeckt. Sie diene allein der Sicherung einer konkret anstehenden Abschiebung, nicht jedoch anderen fürsorgerischen Zwecken.

8

Mit Beschluß vom 22. September 2005 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sei nicht festzustellen. Die vorherige Abklärung der Aufenthaltssituation in Spanien sei angemessen und geboten gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen (Bl. 61/62 d.A.).

9

Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, mit er sein bisheriges Beschwerdevorbringen wiederholt und vertieft. Im übrigen könnten Verhandlungen über die Frage, ob und wann der Betroffene wieder legal nach Deutschland einreisen dürfe, auch aus der Freiheit heraus geführt werden.

10

Das Rechtsmittel des Betroffenen ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Entscheidung des Landgerichts hält der vom Gericht der weiteren Beschwerde vorzunehmenden rechtlichen Überprüfung stand.

11

Die Vorinstanzen haben Verfahrens- und rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Anordnung der Haft erforderlich war, um die Abschiebung des ausreisepflichtigen Betroffenen zu gewährleisten. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände bestand ersichtlich die Gefahr, daß sich der bereits 16 mal abgeschobene Betroffene im Falle einer Freilassung seiner Abschiebung entziehen würde. Dies wird auch von der weiteren Beschwerde nicht ernsthaft bezweifelt.

12

Gegen den Beschleunigungsgrundsatz ist ebenfalls nicht verstoßen worden.

13

Zwar gilt grundsätzlich für die Anordnung von Abschiebehaft, daß ihr vorrangiger Zweck allein die Sicherung der anstehenden Abschiebung ist. Hier liegen jedoch besondere Umstände vor, die ein Abweichen von dieser Regel zulassen. So hat die Beteiligte im einzelnen dargelegt, daß es dem Wunsch und damit dem Einverständnis des Betroffenen entsprochen hat, wegen eines Reisepasses beziehungsweise eines Paßersatzes beim spanischen Generalkonsulat für ihn vorstellig zu werden. An der Richtigkeit dieser Darstellung zu zweifeln, hat der Senat keinen Anlaß. Zwar hat der Verfahrensbevollmächtigte zu Recht darauf hingewiesen, daß das amtsgerichtliche Protokoll keinen derartigen Wunsch enthält. Dies bedeutet jedoch nicht zugleich, daß der Betroffene derartiges nicht gesagt hat. Denn hierbei handelt es sich zum einen um einen nicht protokollierungspflichtigen Vorgang. Zum anderen hat das Amtsgericht den von der Beteiligten vorgetragenen Sachverhalt in seinem Beschluß vom 19. April 2005 bestätigt, daß der Betroffene bei der Verkündung des Haftbefehls geklagt habe, keinen Anlaufpunkt in Spanien zu haben.

14

Danach steht zur Gewißheit des Senats fest, daß die von der Beteiligten insoweit unternommenen Schritte mit Zustimmung des Betroffenen geschahen. Die einzelnen Maßnahmen geschahen, wie die Beteiligte detailliert dargelegt hat, zeitnah und ohne Verzögerung. Dies gilt auch für die direkte Kontaktaufnahme der Beteiligten mit dem Betroffenen über die JVA Hannover-Langenhagen, um von ihm die noch fehlenden Daten seines Vaters zu erfahren. Eine Einschaltung des Verfahrensbevollmächtigten hätte zu keinem schnelleren Ergebnis geführt. Dies ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit der Verfahrensbevollmächtigte in diesem Zusammenhang ferner anführt, die Verhandlungen, ob und wann der Betroffene wieder legal nach Deutschland hätte reisen dürfen, hätten aus der Freiheit heraus erfolgen können, ist zu bemerken, daß nicht hierüber, sondern allein über die Möglichkeit eines Passes für den Betroffenen bei seiner Einreise nach Spanien, einer damit verbundenen Meldemöglichkeit und eines Übergangsgeldes bei seiner Einreise verhandelt worden ist. Dies waren Dinge, die notwendigerweise vor und nicht erst nach einer Abschiebung zu regeln waren. Soweit die Beteiligte eine für den Betroffenen daraus möglicherweise erwachsende Perspektive angesprochen hat, beinhaltete dies allein eine künftige mögliche Entwicklung als Folge der zuvor verhandelten Maßnahmen, war selber jedoch kein Verhandlungsgegenstand gewesen.

15

Abschließend ist zu bemerken, daß die Beteiligte als Verwaltungsbehörde zugleich präventiv tätig geworden ist, um mit ihrer vorausschauenden Tätigkeit künftige, hier mit Sicherheit zu erwartende illegale Wiedereinreisen des Betroffenen nach Deutschland auszuschließen.

16

Weitere die Anordnung der Abschiebehaft hindernde Gründe oder sonstige Verzögerungen sind nicht ersichtlich und werden auch von der weiteren Beschwerde nicht aufgezeigt.

17

Der Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe konnte keinen Erfolg haben, weil das Rechtsmittel von Anfang an nicht begründet war.

18

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 14, 15 FEVG.