Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 28.10.2005, Az.: 6 U 155/05

Informationspflicht des Verkäufersüber das tatsächliche Alter des Fahrzeugs bei einer Zeitspanne von zweieinhalb Jahren zwischen dem Baujahr und der Erstzulassung eines Kraftfahrzeugs; Arglistige Täuschung durch Verschweigen des wahren Alters des Pkw durch den Verkäufer

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
28.10.2005
Aktenzeichen
6 U 155/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 34409
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2005:1028.6U155.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Aurich - 06.06.2005 - AZ: 5 O 242/05 (063)

Fundstellen

  • ASR 2006, 2
  • DAR 2007, 213 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 2006, 630-631 (Volltext mit red. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2006, 166-167

Amtlicher Leitsatz

Liegt zwischen dem Baujahr und der Erstzulassung eines Kraftfahrzeugs eine Zeitspanne von zweieinhalb Jahren, darf der Verkäufer es nicht bei der Nennung des Datums der Erstzulassung belassen, sondern muss auch ohne ausdrückliche Nachrage über das tatsächliche Alter des Fahrzeugs informieren.

In dem Rechtsstreit
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht...,
den Richter am Oberlandesgericht ...und
den Richter am Oberlandesgericht ...
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2005
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 06. Juni 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Aurich unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels geändert.

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.344,82, EUR nebst 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegende Zinsen seit dem 22. Januar 2005 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe des ...Turnier, Fahrzeug-Ident.Nr.....

  2. 2.

    Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 387,90 EUR zu zahlen.

  3. 3.

    Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

  4. 4.

    Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 5 % und die Beklagte zu 95 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 313 a I 1, 540 II ZPO).

2

II.

Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges zu, da er von der Beklagten über das Alter des Fahrzeuges arglistig getäuscht worden ist (§§ 123 I, 812 I 1 BGB).

3

Unstreitig ist dem Kläger ausdrücklich gesagt worden, dass das Fahrzeug am 28.12.2000 erstmals (als Vorführwagen) zugelassen worden ist. Es kann dahinstehen, ob bei den Verkaufsverhandlungen auch ausdrücklich über das Alter des Fahrzeuges gesprochen worden ist. Denn auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, hat die Beklagte über das Alter des Fahrzeugs arglistig getäuscht. Der Bundesgerichtshof vertritt bei Neuwagen die Auffassung, dass ein solcher nur dann vorliegt, wenn und solange das Modell unverändert weitergebaut wird, es keine durch eine längere Standzeit bedingte Mängel aufweist und zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als 12 Monate liegen (vgl. BGH, NJW 2004, 160 m.w.N.). Hier geht es zwar nicht um einen Neuwagen, aber immerhin um einen Vorführwagen, der nur auf die Beklagte zugelassen war, also keine weiteren Vorbesitzer hatte, und nur 3.291 km gelaufen war. Der o.g. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt sich zumindest die Wertung entnehmen, dass die Dauer der Standzeit für die Beschaffenheit eines Fahrzeugs nicht unerheblich ist. Berücksichtigt man weiter, dass für den Käufer eines Kraftfahrzeuges regelmäßig nicht das Datum der Erstzulassung, sondern das Alter von Interesse ist, kommt der Äußerung der Beklagten, das streitgegenständliche Fahrzeug sei am 28.12.2000 erstmals zugelassen worden, erhebliche Bedeutung zu. Es trifft zwar zu, dass einem Käufer regelmäßig der Unterschied zwischen Herstellung und Erstzulassung bekannt ist und er weiss, dass dazwischen ein Zeitraum von mehreren Monaten liegen kann. Dies gilt umso mehr, wenn es sich wie hier um einen Vorführwagen handelt. Da ein Käufer aber regelmäßig das Augenmerk auf das Alter des Fahrzeugs legt und er deshalb aus dem Datum der Erstzulassung hierauf Rückschlüsse zieht, muss ein Verkäufer wissen, dass der Käufer die alleinige Angabe des Datums der Erstzulassung so versteht, dass das Fahrzeugs jedenfalls zeitnah mit der Erstzulassung hergestellt worden ist. Liegt - wie hier - in einem solchen Fall eine so ungewöhnliche Zeitspanne von mehr als 2 1/2 Jahren zwischen Herstellung (Februar 1998) und Erstzulassung (28.12.2000) des Fahrzeugs, darf es der Verkäufer nicht bei der Nennung des Erstzulassungsdatums belassen, sondern er muss den Käufer auch ohne ausdrückliche Nachfrageüber das tatsächliche Alter des Fahrzeugs informieren. Tut er dies nicht, nimmt er den offensichtlichen Irrtum des Käufers in Kauf und handelt arglistig. Denn Arglist liegt auch vor, wenn ein Vertragspartner aufklärungsbedürftige Tatsachen verschweigt, obwohl der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 123 Rdn. 5 m.w.N.). Da es sich bei der Beklagten um eine gewerbliche Autohändlerin handelt, trifft sie eine solche Aufklärungspflicht in besonderem Maße.

4

Der Kläger hat die Anfechtung des Kaufvertrages rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist des § 124 I BGB erklärt. Denn er hat nachvollziehbar dargelegt, dass ihm das tatsächliche Alter des Fahrzeugs erst bekannt geworden ist, als er das Fahrzeug in Zahlung geben wollte und dabei erfahren hat, dass das fragliche Modell nur bis 1998 gebaut worden ist. Es mag sein, dass sich das Herstellungsdatum (mittelbar) auch aus dem Fahrzeugbrief ergibt, da dort eine Erklärung der Ford-Werke vom 04.02.1998 enthalten ist. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass dies dem Kläger als Laien bekannt war und er daraus schon früher Rückschlüsse auf das tatsächliche Alter des Fahrzeugs gezogen hat. Da § 124 II BGB positive Kenntnis voraussetzt, die Möglichkeit der Kenntnisnahme also nicht ausreicht, und darüber hinaus die Beklagte für den Zeitpunkt der Kenntnis beweispflichtig ist (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 124 Rdn. 5 m.w.N.), ist die Anfechtungsfrist als gewahrt anzusehen.

5

Dem Kläger steht damit dem Grunde nach ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 13.793,10 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu. Anzurechnen sind die Nutzungsvorteile für die bislang gefahrenen Kilometer. Diese hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung mit 20.818 km angegeben. Der Senat bemisst die Nutzungsvorteile in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung und Literatur (vgl. OLG Braunschweig, NJWRR 1998, 1586, 1587; OLG Karlsruhe, NJW 2003, 1950, 1951; Palandt-Heinrichs, BGB, § 346 Rdn. 10 m.w.N.) mit 0,5 % des gezahlten Kaufpreises je gefahrene 1.000 km. Dabei hat der Senat das Modell und die zu erwartende Gesamtlaufleistung berücksichtigt (§ 287 I ZPO). Bei einer Laufleistung von aufgerundet 21.000 km und einem Kaufpreis von 13.793,10 EUR errechnet sich damit ein Abzug von 1.448,28 EUR.

6

Ohne Erfolg verlangt der Kläger entgangenen Zinsgewinn für die Zeit vom 03.09.2002 bis 20.01.2005 in Höhe von 820,88 EUR, da nach § 818 I BGB nur die tatsächlichen Nutzungen herauszugeben sind (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl., § 818 Rdn. 10) und nicht dargelegt ist, dass die Beklagte tatsächlich Nutzungen gezogen hat. Auch ein Schadensersatzanspruch aus§ 280 I BGB ist insoweit nicht gegeben, da der Kläger ggfs. den Kaufpreis auch für ein anderes Fahrzeug hätte aufbringen müssen.

7

Der mit Zahlungsantrag zu 2) geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der zusätzlichen Kosten für den Rechtsanwalt in Höhe von 387,90 EUR ergibt sich aus §§ 286 I, 280 I BGB. Die nach RVG, Vorbem. 3 (4) zu VV 3100, gebotene hälftige Anrechnung auf die gerichtliche Verfahrensgebühr hat der Kläger vorgenommen. Auch der Feststellungsantrag ist im Hinblick auf eine evtl. durchzuführende Zwangsvollstreckung zulässig und begründet.

8

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO. Dieübrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 713, 543 Abs. 2 Satz 1, 544 ZPO in Verbindung mit§ 26 Nr. 8 EGZPO.