Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 18.11.2005, Az.: 6 U 231/04

Schadensersatz wegen grober Fahrlässigkeit der Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr bei der Brandbekämpfung; Anforderungen an die Amtsausübung einer Freiwilligen Feuerwehr; Verfrühte Freigabe des Brandherdes bzw. des Gebäudes durch die Feuerwehr zur Benutzung; Ausbreitung unbemerkt verbliebener Brandnester; Erforderliche Hinweise auf etwaige Feuerbekämpfungsmaßnahmen; Pflichten der Feuerwehr bei der Brandbekämpfung; Folgebrand durch Funken vom ersten Brand

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
18.11.2005
Aktenzeichen
6 U 231/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 36179
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2005:1118.6U231.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 10.11.2004 - AZ: 5 O 1333/04

Fundstellen

  • DVP 2006, 477
  • VersR 2006, 1685-1686 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 4. November 2005
durch
die Richter am Oberlandesgericht..., ...und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 10. November 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1

I.

Wegen des diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalts nimmt der Senat auf den Tatbestand und - ergänzend - die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des vom Kläger angefochtenen Urteils Bezug.

2

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger in vollem Umfang sein erstinstanzliches Begehren weiter. Er greift insbesondere die Wertung des Landgerichts, die Freiwillige Feuerwehr habe sich nicht grob fahrlässig verhalten, an. Die Feuerwehr habe nämlich den Brandherd bzw. das Gebäude verfrüht zur Benutzung freigegeben und nicht in der gebotenen Weise überwacht. Bereits aufgrund des zeitlichen Ablaufs sei ersichtlich, dass sich aufgrund des ersten Brandes unbemerkt verbliebene Brandnester ausgebreitet und diese sich dann vom Schwelbrand zu einem Vollbrand hätten entwickeln können. Die Feuerwehr habe sich nicht mit einem bloßen Abtasten der Wände begnügen dürfen, sondern entweder mit einer Wärmebildkamera das Gebäude auf versteckte Glutnester untersuchen oder aber eine Brandwache abstellen müssen.

3

An seiner Aktivlegitimation könne kein Zweifel bestehen, zumal durch den ersten Brand lediglich Schäden in Höhe von ca. 1.000,00 EUR verursacht worden seien. Er habe nur diejenigen Gegenstände in die Inventarliste aufgenommen, die durch den zweiten Brand zerstört worden seien.

4

Die Beklagte, die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Bekräftigung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie verweist darauf, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Einsatzleiter eingestellt worden ist. Weder die Dienstvorschrift "Einsatz- und Ausbildungsanleitung für Feuerwehren im Lande Niedersachsen" noch die Feuerwehr - Dienstvorschrift Nr. 4 enthielten Hinweise auf etwaige Feuerbekämpfungsmaßnahmen. Deshalb, so meint sie, würden Bekämpfungsmaßnahmen allein in das Ermessen des jeweiligen Einsatzleiters gestellt. Im Übrigen sei es allein mit der Aufstellung einer Brandwache nicht getan; denn auch dann hätte nicht sofort ein einsatzbereites Feuerwehrfahrzeug mit Personal zur Verfügung gestanden, um bei einem erneuten Aufflammen sofort etwas ausrichten zu können. Zudem verweist die Beklagte darauf, dass die Feuerwehr bereits 7 Minuten nach der erneuten Alarmierung vor Ort gewesen ist.

5

Schließlich sei ein Mitverschulden des Beklagten zu berücksichtigen; denn er habe die Ursache für den - ersten - Brand gesetzt.

6

Die Ermittlungsakten 807 Js 752/04 Staatsanwaltschaft Osnabrück lagen vor, desgleichen die erwähnten Dienstvorschriften.

7

II.

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

8

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass eine Inanspruchnahme der Beklagten nur in Betracht kommt, wenn den Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gemacht werden kann, weil ihr das Haftungsprivileg des § 680 BGB bei der Brandbekämpfung zugute kommt (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1973, 64; OLG Schleswig BADK - Information 2004, Seite 50).

9

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass der Freiwilligen Feuerwehr grobe Fahrlässigkeit nicht anzulasten ist. Ein solcher Vorwurf wäre nur begründet, wenn eine besonders schwere Pflichtverletzung vorliegt und die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße verletzt worden ist, insbesondere dann, wenn ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was sich im gegebenen Fall aufdrängte. Zwar gehört es grundsätzlich zu den bei der Brandbekämpfung gehörenden Pflichten, den Brandherd zweifelsfrei zu löschen (vgl. BGH VersR 1983, 462, 463); gleichwohl dürfen die Anforderungen an die Amtsausübung einer Freiwilligen Feuerwehr nichtüberspannt werden. Deren Mitglieder sind Gemeindebürger, die ehrenamtlich neben ihrem Beruf tätig sind, und es erscheint fraglich, ob sie sich hierzu bereit fänden, wenn die Anforderungen an die sich aus diesem Dienst erwachsenen Amtspflichten überspannt würden (vgl. OLG Celle NJW 1960, 676 f [OLG Celle 07.10.1959 - 3 U 105/59] sowie LG Koblenz BADK 1999, Seite 40). Der Vorwurf grober Fahrlässigkeit lässt sich deshalb nur in den Fällen rechtfertigen, in denen die getroffene Entscheidung außerhalb des Rahmens dessen liegt, was bei sachgemäßer Beurteilung unter Berücksichtigung der Schnelligkeit der zu treffenden Entscheidung und der Anforderungen, die an Einsicht und Kenntnisse der handelnden Feuerwehrmänner gestellt werden können, erwartet werden kann. Auch angesichts des zeitlichen Ablaufs und der Feststellungen in dem Gutachten des Instituts für Schadensverhütung und Schadenforschung vom 03.02.2004 lässt sich eine grobe Fahrlässigkeit nicht feststellen. Nach dem Gutachten ist davon auszugehen, dass der Folgebrand durch Funken vom ersten Brand entstanden ist, die durch Öffnungen im Bereich der Treppe in die Holzbalkendecke gelangten und dort einen Schwelbrand verursachten, der sich nach Abrücken der Feuerwehr zu einem Vollbrand entwickelte. Andererseits haben die Mitglieder der Feuerwehr den Fußboden über dem Brandherd sowie sämtlichen Wänden und Decken des Hauses auf Glutnester überprüft. Allein aus dem Umstand, dass keine Brandwache aufgestellt worden ist, lässt sich nicht der Vorwurf grober Fahrlässigkeit herleiten, zumal die Einsatz- und Ausbildungsanleitungen keine Anregungen oder gar Verhaltensmaßnahmen zur Aufstellung einer Brandwache enthalten. Zudem waren die Einsatzfahrzeuge kurze Zeit nach der erneuten Alarmierung vor Ort.

10

Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass dem Kläger ohnedies ein derartiges Mitverschulden trifft, § 254 BGB, dass er Ersatz weitergehenden Schadens, der noch nicht durch die Zahlung in Höhe von 23.000,00 EUR ausgeglichen ist, nicht verlangen kann. Es besteht nämlich kein Zweifel daran, dass der Kläger den ersten Brand selbst fahrlässig verursacht hat.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

12

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 544 ZPO.