Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.01.2019, Az.: 3 Ws 4/19

Kostentragungspflicht bei verfahrensrechtlich nicht zulässiger Beschränkung auf Beschwerdepunkt

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
10.01.2019
Aktenzeichen
3 Ws 4/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 36146
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 18.10.2018 - AZ: 41 Ns 60/18

Fundstellen

  • JurBüro 2019, 360-361
  • SVR 2020, 99
  • StraFo 2019, 424-425

Amtlicher Leitsatz

1. Die Regelung des § 473 Abs. 3 StPO ist auch dann anzuwenden, wenn eine wirksame Beschränkung auf einen bestimmten Beschwerdepunkt rechtlich nicht möglich ist, der Rechtsmittelführer aber von vornherein erklärt, dass er nur das beschränkte Ziel verfolgt, und dieses im Ergebnis auch erreicht.

2. Gibt der Rechtsmittelführer die Erklärung über das beschränkte Ziel erst nachträglich ab, so hat er diejenigen gerichtlichen und außergerichtlichen Auslagen zu tragen, die bei einer alsbald nach Rechtsmitteleinlegung abgegebenen Erklärung hierüber vermeidbar gewesen wären.

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird die Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Stade vom 18. Oktober 2018 dahin abgeändert, dass die Landeskasse die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat, jedoch mit Ausnahme derjenigen gerichtlichen und außergerichtlichen Auslagen, die bei einer innerhalb der Berufungsbegründungsfrist abgegebenen Erklärung des Angeklagten über das beschränkte Berufungsziel vermeidbar gewesen wären; diese trägt der Angeklagte.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse zur Last.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Geestland verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 Euro, entzog dem Angeklagten die Fahrerlaubnis und ordnete eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von zwölf Monaten an. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts führte der Angeklagte am 12. Mai 2016 mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,47 Promille ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr, kam infolge der Alkoholisierung mit seinem Fahrzeug ins Schleudern und geriet auf die Gegenfahrbahn, wobei er nur knapp einen entgegenkommenden Pkw verfehlte.

Gegen das Urteil legte der Angeklagte ein unbestimmtes Rechtsmittel ein, welches mangels Konkretisierung und Begründung nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist als Berufung durchgeführt wurde. In der Berufungshauptverhandlung, zu der keine Zeugen oder Sachverständigen geladen waren, erklärte der Verteidiger für den Angeklagten, dass das Ziel der Berufung eine Verurteilung ohne Entziehung der Fahrerlaubnis unter Feststellung einer Blutalkoholkonzentration von nicht mehr als 0,85 Promille sei, um die von der Verurteilung ausgehende negative Indizwirkung für die Wiedererteilung der dem Angeklagten zwischenzeitlich in einem anderen Verfahren rechtskräftig entzogenen Fahrerlaubnis abzuschwächen.

Durch Urteil vom 18. Oktober 2018 hat die 4. kleine Strafkammer des Landgerichts Stade nach Feststellung einer Blutalkoholkonzentration von lediglich 0,85 Promille den Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils dahingehend abgeändert, dass die Geldstrafe auf 30 Tagessätze reduziert und ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten verhängt wurde. Die Kosten der Berufung und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten hat das Landgericht der Landeskasse auferlegt mit der Begründung, dass der Angeklagte sein Berufungsziel, auf das eine rechtlich wirksame Beschränkung nicht möglich gewesen sei, erreicht und daher § 467 Abs. 1 StPO analog anzuwenden sei.

Gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, dass der Angeklagte die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich seiner eigenen Auslagen in voller Höhe zu tragen habe, weil er die Berufung unbeschränkt eingelegt und nur einen geringfügigen Teilerfolg erzielt habe.

II.

Die gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte sowie form- und fristgerecht erhobene sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.

Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens und der notwendigen Auslagen des Angeklagten im Berufungsrechtszug kommt entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht § 467 Abs. 1 StPO analog zur Anwendung; die Kostenentscheidung ergibt sich vielmehr aus der sinngemäßen Anwendung von § 473 Abs. 1 und Abs. 3 StPO.

1. Ausgangspunkt für die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens und die dort dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen ist vorliegend § 473 Abs. 3 StPO. Danach sind die notwendigen Auslagen des Beschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn dieser sein Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und das Rechtsmittel Erfolg hat. Dass er in diesem Fall auch nicht die Gerichtskosten zu tragen hat, spricht das Gesetz zwar nicht ausdrücklich aus, ist aber in der Rechtsprechung als selbstverständlich anerkannt (vgl. BGHSt 19, 226, 230; OLG Hamm NStZ-RR 1999, 95).

Diese gesetzliche Regelung ist nach nahezu einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum auch dann anzuwenden, wenn - wie hier - eine wirksame Beschränkung der Anfechtung auf einen bestimmten Beschwerdepunkt verfahrensrechtlich nicht möglich ist, der Rechtsmittelführer aber von vornherein erklärt, dass er mit seinem Rechtsmittel nur das beschränkte Ziel verfolgt, und dieses im Ergebnis auch erreicht (vgl. BGH aaO, 229; OLG Düsseldorf JR 1991, 120 [OLG Düsseldorf 22.03.1990 - 1 Ws 252/90] mit Anm. Hilger; OLG Köln VRS 109 (2005), 338; LR-Hilger StPO 26. Aufl. § 473 Rn. 36; KK-Gieg StPO 7. Aufl. § 473 Rn. 67; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 61. Aufl. § 473 Rn. 22; jew. mwN). Hiernach ist § 473 Abs. 3 StPO etwa auch dann anwendbar, wenn der aus § 316 StGB zu Freiheitsstrafe und Fahrerlaubnisentziehung Verurteilte mit der Berufung die Verurteilung wegen fahrlässigen Vergehens nach § 323a StGB zu einer Geldstrafe sowie Abkürzung der Sperrfrist erstrebt und erreicht (vgl. LR-Hilger aaO). Ähnlich liegt es auch hier. Der Angeklagte konnte seine Berufung nicht wirksam auf die Anfechtung der Feststellung einer 0,85 Promille übersteigenden Blutalkoholkonzentration und die Fahrerlaubnisentziehung beschränken.

b) Allerdings ist im vorliegenden Fall auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Angeklagte die Erklärung über das beschränkte Berufungsziel nicht bereits bei Einlegung der Berufung oder innerhalb der Begründungsfrist, sondern erst in der Hauptverhandlung abgegeben hat. Denn ebenso, wie in der nachträglichen Beschränkung der Berufung eine Teilrücknahme des unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels zu sehen ist, hat dies auch für die vorliegende Fallkonstellation zu gelten. Bei vollem Erfolg des nachträglich beschränkten Rechtsmittels ist zwar ebenfalls § 473 Abs. 3 StPO anwendbar, jedoch mit der Einschränkung, dass auf die in der nachträglichen Beschränkung liegende Teilrücknahme sinngemäß der unmittelbar nur für die vollständige Zurücknahme des Rechtsmittels geltende § 473 Abs. 1 StPO anzuwenden ist. Danach werden bei vollem Erfolg des erst nachträglich beschränkten Rechtsmittels die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Rechtsmittelzug erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt mit Ausnahme derjenigen gerichtlichen und außergerichtlichen Auslagen, die bei einer von vornherein beschränkten Rechtsmitteleinlegung vermeidbar gewesen wären; diese hat der Angeklagte zu tragen (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 1999, 95 [OLG Hamm 17.09.1998 - 4 Ws 536/98]; OLG München StraFo 1999, 107; LR-Hilger aaO Rn. 41; KK-Gieg aaO; Meyer-Goßner/Schmitt aaO Rn. 20; jew. mwN).

Um diese Einschränkung war die angefochtene Kosten- und Auslagenentscheidung zu ergänzen. Eine weitergehende Auferlegung der Kosten und Auslagen auf den Angeklagten war aus den vorstehenden Gründen indes nicht veranlasst.

III.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 473 Abs. 1 StPO. Zwar hatte die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft zum Teil Erfolg. Dennoch kommt hier nicht § 473 Abs. 4 StPO zur Anwendung, weil der erzielte Teilerfolg nicht ins Gewicht fällt. Denn mit Blick auf die Dauer der Berufungshauptverhandlung (1 Stunde 7 Minuten) und die unterbliebene Ladung von Zeugen oder Sachverständigen ist - unbeschadet einer genauen Prüfung im Kostenfestsetzungsverfahren - nicht erkennbar, dass hier Auslagen in nennenswerter Höhe entstanden sind, die bei frühzeitiger Erklärung des beschränkten Berufungsziels vermeidbar gewesen wären.