Die Immissionswerte der Tabellen 1 und 2 berücksichtigen die in Nummer 2.2 genannten Erkenntnisquellen.
Die Immissionswerte der Tabelle 1 kennzeichnen für den überwiegenden Teil der heute vorhandenen Gebäude eine Schwelle, bei deren Einhaltung eine Verminderung der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit als Folge von Erschütterungseinwirkungen nach den bisherigen Erfahrungen nicht eintritt. Bei der Überschreitung der Immissionswerte nimmt aber das Risiko derartiger Beeinträchtigungen zu.
Die Immissionswerte der Tabellen 2 und 3 stellen auf die Vermeidung erheblicher Belästigungen von Menschen in Gebäuden ab. Tabelle 2 gibt Immissionswerte für Situationen an, in denen Erschütterungsquellen über mehrere Monate und Jahre auf Immissionsorte einwirken. Sie dienen zur Festlegung der Schwellen zwischen schädlichen und nicht schädlichen Umwelteinwirkungen. Die Immissionswerte der Tabelle 3 gelten für tagsüber einwirkende Erschütterungen von Baustellen und stellen Zumutbarkeitsmaßstäbe nach Maßgabe von Nummer 5.2 bereit.
Die Immissionswerte der Tabellen 2 und 3 können nicht ohne nähere Prüfung zur Beurteilung der Belästigung durch Erschütterungseinwirkungen herangezogen werden. In jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob die Immissionswerte aufgrund von Art (durch Erschütterungsquelle bedingt), Ausmaß (Intensität der Einwirkung) und Dauer (Einwirkzeit, Pausen) der Erschütterungseinwirkungen geeignet sind, deren Erheblichkeit und Zumutbarkeit sachgerecht zu beurteilen. Eine solche Beurteilung kann erst vorgenommen werden, wenn feststeht, dass kein atypischer Fall vorliegt, bei dem eine von der Regel abweichende Beurteilung geboten ist.
3.1
Einwirkungen auf Gebäude
Die Immissionswerte für die Beurteilung der Einwirkungen auf Gebäude (Tabelle 1) sind nach der Gebäudeart und nach der Dauer der Einwirkungen gestaffelt. Grundlage hierfür sind die Anhaltswerte nach DIN 4150-3. Die Zuordnung der Gebäude zu einer Gebäudeart nach Tabelle 1 erfolgt durch Inaugenscheinnahme.
Sind die Immissionswerte eingehalten oder unterschritten, ist davon auszugehen, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen i. S. des BImSchG vorliegen.
Werden die Immissionswerte überschritten, kommen Anordnungen nach § 17 oder 24 BImSchG in Betracht. Sind außerdem konkrete Anzeichen für Schäden i. S. von erheblichen Nachteilen als Folge von Erschütterungen erkennbar, ist das Ermessen der zuständigen Behörde nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und ggf. auch nach § 25 Abs. 2 BImSchG eingeschränkt; sie darf dann nur bei einem atypischen Sachverhalt von einer nachträglichen Anordnung absehen. Dabei ist zu beachten, dass an baulichen Anlagen Risse nicht nur durch Erschütterungen verursacht werden können; sie entstehen auch z. B. durch ungleichmäßige Setzungen des Bauwerks oder durch ungleichmäßige Dehnungen verschiedener Baumaterialien bei Temperaturänderungen.
Werden Überschreitungen der Immissionswerte festgestellt, ohne dass konkrete Schäden erkennbar sind, kann die Anordnung von Maßnahmen zurückgestellt werden, wenn der Anlagenbetreiber für die betroffenen Gebäude das Maß der Erschütterungseinwirkungen, die voraussichtlich nicht zu Schäden führen, gutachterlich feststellen lässt und wenn dieses Maß nicht überschritten wird.
Sollen Immissionen nach Tabelle 1 begrenzt werden, so ist zu prüfen, ob nicht ohnehin wegen der belästigenden Wirkung von Erschütterungen auf den Menschen die Erschütterungseinwirkungen weitergehend gemindert werden müssen.
Starke Erschütterungen können vor allem in locker bis mitteldicht gelagerten nicht bindigen Böden (Sande, Kiese) zu Sackungen des Bodens und damit zu Setzungen von Gründungskörpern führen. Das gilt besonders für häufige Erschütterungen, für gleichförmige Sande und für Böden unterhalb des Grundwasserspiegels. Nähere Informationen enthält DIN 4150-3:1999-02 Anhang C.
Tabelle 1: Immissionswerte zur Beurteilung von Erschütterungseinwirkungen auf Gebäude in mm/s
Zeile\Spalte | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 |
---|
| | | | | | |
| Gebäudeart | Kurzzeitige Erschütterungen | Dauererschütterungen |
| | Fundament | Oberste Deckenebene, horizontal | Vertikale Deckenschwingungen | Oberste Deckenebene, horizontal (1) | Vertikale Deckenschwingungen(2) |
1 | | Frequenzen (3) | | | | |
2 | | <10 Hz | 10-50 Hz | 50-100 Hz(4) | | | | |
3 | Gewerblich genutzte Bauten, Industriebauten und ähnlich strukturierte Bauten | 20 | 20 bis 40 | 40 bis 50 | 40 | 20 | 10 | 10 |
4 | Wohngebäude und in ihrer Konstruktion und/oder Nutzung gleichartige Bauten | 5 | 5 bis 15 | 15 bis 20 | 15 | 20 | 5 | 10 |
5 | Bauten, die wegen ihrer besonderen Erschütterungsempfindlichkeit nicht denen nach Zeile 1 und 2 entsprechen und besonders erhaltenswert (z. B. unter Denkmalschutz stehen) sind | 3 | 3 bis 8 | 8 bis 10 | 8 | (5) | 2,5 | (5) |
| Messwerte nach DIN 4150-3 | Maximalwerte der Schwinggeschwindigkeit der größten Komponente in mm/s |
3.2
Einwirkungen auf Menschen in Gebäuden
Tabelle 2 enthält Immissionswerte in Abhängigkeit von Gebietsart und Tageszeit der Einwirkungen. Grundlage hierfür sind die Anhaltswerte nach DIN 4150-2. Die Zuordnung des Einwirkungsortes zu den in Tabelle 2 aufgeführten Gebieten ist nach folgenden Grundsätzen vorzunehmen:
Maßgeblich für die Zuordnung sind die Festsetzungen in den Bebauungsplänen. Sonstige in Bebauungsplänen festgesetzte Flächen für Gebiete und Anlagen sowie Gebiete und Anlagen, für die keine Festsetzungen bestehen, sind entsprechend der Schutzbedürftigkeit zu beurteilen.
Die in Tabelle 2 genannten Gebiete entsprechen folgenden Gebietsfestsetzungen nach
Baunutzungsverordnung:
Baugebiet BauNVO | | Gebiete nach Tabelle 2 Zeile |
---|
____________________________________________________________________________________ |
Industriegebiete | (§ 9) | 1 |
Gewerbegebiete | (§ 8) | 2 |
Kerngebiete | (§ 7) | 3 |
Mischgebiete | (§ 6) | 3 |
Dorfgebiete | (§ 5) | 3 oder 4 (6) |
besondere Wohngebiete | (§ 4a) | 3 oder 4 (6) |
allgemeine Wohngebiete | (§ 4) | 4 |
Kleinsiedlungsgebiete | (§ 2) | 4 |
reine Wohngebiete | (§ 3) | 4 |
Kurgebiete, Klinikgebiete | (§ 11) | 5 |
| | |
| | |
| | |
Tabelle 2: Immissionswerte (IW) für die Beurteilung von Erschütterungsimmissionen in Wohnungen und vergleichbar genutzten Räumen
Spalte | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 |
---|
| | | | | | | |
| Einwirkungsort | tagsüber | nachts |
Zeile | | IWu | IWo | IWr | IWu | IWo | IWr |
1 | Einwirkungsorte, in deren Umgebung nur gewerbliche Anlagen und ggf. ausnahmsweise Wohnungen für Inhaber und Leiter der Betriebe sowie für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen untergebracht sind (vergleiche Industriegebiete § 9 BauNVO)
| 0,40 | 6,0 | 0,20 | 0,30 | 0,60 | 0,15 |
2 | Einwirkungsorte, in deren Umgebung vorwiegend gewerbliche Anlagen untergebracht sind
(vergleiche Gewerbegebiete § 8 BauNVO)
| 0,30 | 6,0 | 0,15 | 0,20 | 0,40 | 0,10 |
3 | Einwirkungsorte, in deren Umgebung weder vorwiegend gewerbliche Anlagen noch vorwiegend
Wohnungen untergebracht sind (vergleiche Kerngebiete § 7 BauNVO, Mischgebiete § 6 BauNVO, Dorfgebiete § 5 BauNVO)
| 0,20 | 5,0 | 0,10 | 0,15 | 0,30 | 0,07 |
4 | Einwirkungsorte, in deren Umgebung vorwiegend oder ausschließlich Wohnungen untergebracht sind (vergleiche reines Wohngebiet § 3 BauNVO, allgemeine Wohngebiete § 4 BauNVO, Kleinsiedlungsgebiete § 2 BauNVO)
| 0,15 | 3,0 | 0,07 | 0,10 | 0,20 | 0,05 |
5 | Besonders schutzbedürftige Einwirkungsorte, z. B. in Krankenhäusern oder Kurkliniken | 0,10 | 3,0 | 0,05 | 0,10 | 0,15 | 0,05 |
| Beurteilungsgrößen nach DIN 4150-2 | KBFmax | KBFmax | KBFTr | KBFmax | KBFmax | KBFTr |
Die Beurteilung der Immissionen erfolgt mithilfe der Tabelle 2 und in Anlehnung an Abschnitt 6.2 der DIN 4150-2 auf folgende Weise:
Ist KBFmax kleiner oder gleich dem (unteren) Immissionswert IWu, dann ist die Anforderung dieser Leitlinie eingehalten.
Ist KBFmax größer als der (obere) Immissionswert IWo, dann ist die Anforderung dieser Leitlinie nicht eingehalten.
Für selten auftretende, kurzzeitige Einwirkungen ist die Anforderung dieser Leitlinie eingehalten, wenn KBFmax kleiner als IWo ist (siehe Nr. 4.2).
Für häufigere Einwirkungen, bei denen KBFmax größer als IWu aber kleiner oder gleich IWo ist, ist in besonderen Fällen ein weiterer Prüfschritt für die Entscheidung erforderlich, nämlich die Bestimmung der Beurteilungs-Schwingstärke KBFTr nach Abschnitt 6.4 der DIN 4150-2. Ist KBFTr nicht größer als der Immissionswert IWr (IWr ist der Immissionswert zum Vergleich mit Beurteilungs-Schwingstärken) nach Tabelle 2, dann sind die Anforderungen dieser Leitlinie ebenfalls eingehalten.
Bei Einhaltung der Werte der Tabellen 2 und 3 ist zu erwarten, dass auch die Sekundäreffekte in der Regel nicht zu einer erheblichen Belästigung führen. Treten in Einzelfällen erhebliche Sekundäreffekte auf und lassen sich diese nicht auf einfache Weise abstellen (z. B. Resonanzen), so erfordern sie Untersuchungen im Einzelfall. Für die Beurteilung des von schwingenden Raumbegrenzungsflächen abgestrahlten sekundären Luftschalls sind die maßgebenden akustischen Regelwerke (insbesondere die TA Lärm sowie bei tieffrequenten Geräuschimmissionen die DIN 45680: 1997-03 i. V. m. dem Beiblatt 1 zu dieser Norm) heranzuziehen.
Bei der Beurteilung von Erschütterungsimmissionen in Gewerbebetrieben hat sich das Schutzziel nicht an besonders empfindlichen Nutzungen (siehe Nummer 1 Abs. 3) zu orientieren, sondern an solchen, die für Gewerbebetriebe üblich sind (z. B. am Aufenthalt von Personen in Büroräumen).
(3) Amtl. Anm.:
Die Immissionswerte für Frequenzen von 10 bis 50 Hz sowie von 50 bis 100 Hz sind durch lineare Interpolation zwischen den Immissionswerten der jeweiligen Zeilen zu ermitteln.
(4) Amtl. Anm.:
Bei Frequenzen über 100 Hz sollen die Anhaltswerte für 100 Hz angesetzt werden.
(5) Amtl. Anm.:
Das Maß der noch unschädlichen Erschütterungseinwirkungen ist im Einzelfall festzustellen.
(5) Amtl. Anm.:
Das Maß der noch unschädlichen Erschütterungseinwirkungen ist im Einzelfall festzustellen.