APrERL,NI - Agent provocateur EinsatzRL

Richtlinien für den Einsatz eines Agent provocateur im Rahmen der Strafverfolgung

Bibliographie

Titel
Richtlinien für den Einsatz eines Agent provocateur im Rahmen der Strafverfolgung
Redaktionelle Abkürzung
APrERL,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21011000000023

Gem. RdErl. d. MI u. d. MJ v. 12.10.1989 - 21/24-05202/2.12 -

Vom 12. Oktober 1989 (Nds. MBl. S. 1155)

Zuletzt geändert durch RdErl. vom 25. August 1997 (Nds. MBl. S. 1574)

- GültL MI 20/434 -

- VORIS 21011 00 00 00 023 -

Redaktionelle InhaltsübersichtAbschnitt
Grundsätzliches1
Begriffsbestimmung2
Voraussetzungen und Grenzen3
Einsatz und Führung4
Verfahren5
Inkrafttreten6

Abschnitt 1 APrERL - 1. Grundsätzliches

Bibliographie

Titel
Richtlinien für den Einsatz eines Agent provocateur im Rahmen der Strafverfolgung
Redaktionelle Abkürzung
APrERL,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21011000000023

1.1
Um ihrer verfassungsrechtlich begründeten Pflicht zur effektiven Strafrechtspflege gerecht werden zu können, sind die Strafverfolgungsorgane bei der Bekämpfung der Schwerkriminalität zu besonderen Taktiken und Methoden der Verbrechensbekämpfung gezwungen. Dazu gehören insbesondere die Inanspruchnahme sowie der Einsatz von Vertrauenspersonen und Verdeckten Ermittlern nach Maßgabe des Gem. RdErl. vom 31. 8. 1995 (Nds. MBl. S. 1176).

1.2
Der Bundesgerichtshof erachtet den polizeilich gesteuerten Einsatz von Agents provocateurs als Methode zur Bekämpfung besonders gefährlicher und schwer aufklärbarer Kriminalität in ständiger Rechtsprechung für zulässig und unverzichtbar. Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt und vor dem Hintergrund des aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Gebots der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege bekräftigt, daß namentlich bei der Bekämpfung organisierter Kriminalität auf Tatverdächtige mit dem Ziel eingewirkt werden darf, ihr von den Ermittlungsbehörden schlüssig vermutetes strafbares Verhalten in einer für die Überführung der Beteiligten geeigneten Weise zu steuern.

Abschnitt 2 APrERL - 2. Begriffsbestimmung

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Titel
Richtlinien für den Einsatz eines Agent provocateur im Rahmen der Strafverfolgung
Redaktionelle Abkürzung
APrERL,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21011000000023

Als Agent provocateur wird eingesetzt, wer auf Veranlassung oder mit Einwilligung einer Ermittlungsbehörde auf eine Zielperson einwirkt, um deren Verhalten so zu steuern, daß sie einer Straftat überführt werden kann.

Eine Steuerung in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn lediglich die offen erkennbare Bereitschaft einer tatverdächtigen Person, Straftaten zu begehen oder fortzusetzen, genutzt wird, indem ihr eine Tatgelegenheit verschafft wird, um sie auf diese Weise einer Straftat zu überführen.

Zielperson ist, wer auf Grund bestimmter Anhaltspunkte verdächtig ist, eine Straftat zu planen, zu begehen oder begangen zu haben.

Abschnitt 3 APrERL - 3. Voraussetzungen und Grenzen

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Titel
Richtlinien für den Einsatz eines Agent provocateur im Rahmen der Strafverfolgung
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APrERL,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21011000000023

3.1
Der Einsatz eines Agent provocateur ist nur zulässig zur Aufklärung von Straftaten von erheblicher Bedeutung, namentlich

  • auf dem Gebiet des unerlaubten Betäubungsmittel- oder Waffenverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung,
  • auf dem Gebiet des Staatsschutzes (§§ 74a, 120 GVG),
  • bei gewerbs- oder gewohnheitsmäßiger oder von einem Bandenmitglied oder in anderer Weise organisierter Tatbegehung,
  • von Verbrechen, soweit auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr der Wiederholung besteht,

sofern die Aufklärung auf andere Weise erheblich weniger Erfolg verspricht oder wesentlich erschwert wäre.

Gibt es Anhaltspunkte dafür, daß eine nicht mehr zu beherrschende oder unverhältnismäßige Gefahr entstehen kann - dies kann namentlich bei gemeingefährlichen Straftaten der Fall sein -, ist der Einsatz eines Agent provocateur nicht zulässig; ein begonnener Einsatz ist sofort abzubrechen.

Ein Minderjähriger darf nicht als Agent provocateur eingesetzt werden.

3.2
Der Einsatz eines Agent provocateur bedarf in jedem Einzelfall besonders sorgfältiger Prüfung. Es ist sicherzustellen, daß durch den Einsatz die durch das Rechtsstaatsprinzip gezogenen Grenzen nicht verletzt werden. Wesentlich für die Beurteilung, ob der Einsatz eines Agent provocateur im Einzelfall zulässig ist, sind dabei

  • Grundlage und Ausmaß des gegen die Zielperson bereits bestehenden Verdachts,
  • Gefährlichkeit, Tatbereitschaft und eigene - weder von einer Ermittlungsbehörde noch von einem Agent provocateur gesteuerte - Aktivitäten der Zielperson,
  • Art, Intensität und sonstige Umstände der erwogenen Einflußnahme durch den Agent provocateur.

Zulässig ist danach eine Einwirkung auf eine Zielperson, wenn bei ihr bereits vor dem Auftreten eines Agent provocateur eine allgemeine Bereitschaft zur Begehung von Straftaten der in Nr. 3.1 genannten Art erwiesen oder auf Grund bestimmter Anhaltspunkte schlüssig anzunehmen ist, die durch den Agent provocateur lediglich konkretisiert und in eine kontrollierbare Richtung gelenkt werden soll.

Dagegen ist der Einsatz eines Agent provocateur unzulässig, wenn dessen Beitrag zu der Tat unvertretbar übergewichtig wäre. Dies ist in der Regel der Fall, wenn der Agent provocateur

  • die Zielperson durch Bedrohung oder Nötigung zu einer Straftat verleiten oder
  • versuchen würde, sie in nachhaltiger Weise durch Ausnutzen einer Notlage, durch wiederholte Überredungsversuche oder durch Versprechungen zur Tatbegehung zu bestimmen.

Beim Einsatz eines Agent provocateur darf auch nicht in der bezeichneten Weise auf die Zielperson eingewirkt werden, um sie von konkreten Rücktrittsüberlegungen abzuhalten.

Der Einsatz als Agent provocateur verleiht niemandem eine besondere Befugnis außerhalb der allgemeinen Rechtsvorschriften. Insbesondere sind die durch das Strafrecht gezogenen Grenzen zu beachten. Ein Agent provocateur darf sich nicht in strafbarer Weise an der Tat beteiligen; bei einem abstrakten Gefährdungsdelikt ist in jedem Falle eine konkrete Gefährdung des geschützten Rechtsgutes zu vermeiden.

Abschnitt 4 APrERL - 4. Einsatz und Führung

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Richtlinien für den Einsatz eines Agent provocateur im Rahmen der Strafverfolgung
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Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21011000000023

4.1
Ein Agent provocateur darf nur mit einem konkreten Ermittlungsauftrag zeitlich begrenzt eingesetzt werden. Dabei muß er von einem damit besonders beauftragten Kriminalbeamten eng geführt werden. Zur Gewährleistung einer effektiven Aufsicht hat dieser während des laufenden Einsatzes unverzüglich alle anfallenden Erkenntnisse schriftlich festzuhalten, die für den Einsatz und das Strafverfahren von Bedeutung sein könnten, und sich auch mit allen für eine spätere Beweiswürdigung sonst erheblichen Umständen genügend vertraut zu machen, um erforderlichenfalls vor Gericht als sachkundiger "Zeuge vom Hörensagen" aussagen zu können.

4.2
Der Kriminalbeamte ist von der Strafverfolgungspflicht nicht befreit. Aus kriminaltaktischen Erwägungen können Ermittlungsmaßnahmen zurückgestellt werden. Neu hinzukommenden zureichenden Anhaltspunkten für strafbare Handlungen braucht er so lange nicht nachzugehen, als dies ohne Gefährdung des Einsatzes nicht möglich ist; dies gilt nicht, wenn sofortige Ermittlungsmaßnahmen wegen der Schwere der neu entdeckten Tat geboten sind.

4.3
Für einen als Agent provocateur eingesetzten Polizeibeamten gilt Nr. 4.2 entsprechend.