Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 11.09.1995, Az.: 2 W 118/95

Anforderungen an die wirksame Überleitung eines Wohnungsrechtes; Wohnungsrecht als eine Sonderform der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit; Überleitungsfähigkeit eines Wohnungsrechtes eines Sozialhilfeempfängers

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
11.09.1995
Aktenzeichen
2 W 118/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1995, 17641
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1995:0911.2W118.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 30.06.1995 - AZ: 8 T 395/95

Fundstellen

  • FGPrax 1995, 224-225
  • FamRZ 1997, 27 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

das im Grundbuch des Amtsgerichts ... vom ... unter der lfd. Nr. 1 des Bestandsverzeichnisses eingetragene Grundstück

Sonstige Beteiligte

Landkreis Helmstedt - Der Oberkreisdirektor -, Sozialamt, Conringstraße 27-30, 38335 Helmstedt

In der Grundbuchsache
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts ...
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ...
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Landgericht ... am 11. September 1995
beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Landgerichts ... vom 30.6.1995 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beschwerdeverfahren gebührenfrei sind.

Gründe

1

Die nach §§ 78 ff. GBO zulässige weitere Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet.

2

Es kann dahin stehen, inwieweit dem Antragsteller die grundsätzliche Befugnis zusteht ist, die von ihm begehrte Grundbucheintragung zu verlangen. Das Grundbuchamt hat die Eintragung jedenfalls deshalb zu Recht zurückgewiesen, weil das Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) nicht gemäß § 90 BSHG wirksam auf den Antragsteller übergeleitet worden ist und eine Eintragung nicht zulässig ist.

3

1.

a.)

Der Überleitung des Wohnungsrechts steht allerdings nicht grundsätzlich entgegen, daß das Wohnungsrecht nur eine Sonderform der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ist und § 1092 Abs. 1 Satz 1 BGB für dieses Recht bestimmt, daß es nicht übertragbar ist. Der Anwendung des § 1092 Abs. 1 Satz 1 BGB steht nämlich § 90 Abs. 1 Satz 4 BSHG entgegen, in dem es heißt, daß der Übergang nicht dadurch ausgeschlossen ist, daß der Anspruch nicht übertragen werden kann.

4

b.)

Das Wohnungsrecht ist als solches aber nicht überleitungsfähig.

5

Durch eine Überleitungsanzeige rückt der Sozialhilfeträger wie bei einer Abtretung in die Stellung des Anspruchsberechtigten, ohne daß sich dadurch der Anspruch seinem Wesen oder seinem Inhalt nach ändert. Wäre eine Überleitung eines Wohnungsrechtes also zulässig, so könnte der Sozialhilfeträger von dem Grundstückseigentümer die Nutzung der betroffenen Wohnung für eigene Zwecke verlangen, nicht aber etwa die Zahlung eines Ausgleichsbetrages. Dafür fehlt die rechtliche Grundlage jedenfalls dann, wenn das Wohnungsrecht nicht Teil eines Altenteils ist und die Voraussetzungen des § 16 NdsAGBGB nicht vorliegen. Eine Berechtigung des Sozialhilfeträgers, die Wohnung selbst zu nutzen, würde nicht nur dem Wesen des höchstpersönlichen Wohnungsrechts widersprechen, das dadurch gekennzeichnet ist, daß ohne eine abweichende Vereinbarung allein der Berechtigte das Wohnungsrecht ausüben darf (vgl. § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB). Es wäre auch mit den Überleitungsvorschrift des § 90 BSHG nicht vereinbar. Da § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG bestimmt, daß eine Überleitung "nur bis zur Höhe" der Aufwendungen des Sozialhilfeträgers in Frage kommt, wird bereits mit dieser Formulierung deutlich, daß nur Ansprüche, die auf eine Geldleistung gerichtet sind, übergeleitet werden können. Eine Überleitung von Ansprüchen auf Naturalleistungen wie das Wohnen kommt erst dann in Betracht, wenn ein solcher Anspruch in einen Geldanspruch umgewandelt ist (vgl. Jehle/Schmitt BSHG § 90 P 11), was hier nicht der Fall ist. Darüber hinaus bestimmt § 90 Abs. 1 Satz 3 BSHG als Überleitungsvoraussetzung, daß der Übergang des Anspruchs nur insoweit bewirkt werden darf, als bei rechtzeitiger Leistung des anderen Sozialhilfe nicht zu leisten gewesen wäre. Auch diese Voraussetzung liegt nicht vor, wenn der Inhaber eines Wohnungrechtes aus persönlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, das Wohnungsrecht auszuüben, der Eigentümer aber weiter zur Leistung bereit ist.

6

2.

Kann das Wohnungsrecht somit nicht nach § 90 BSHG übergeleitet werden (wie hier im Ergebnis: Palandt/Bassenge BGB 54. Aufl. § 1093, Rn. 18; Karpen Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer 1988, 131, 146; a.A. F. R. Baur Zeitschrift für Sozialversicherung 1982, 229), darf das Grundbuchamt die Überleitung auch nicht im Grundbuch eintragen. Das Grundbuchamt muß die Eintragungsfähigkeit von Amts wegen prüfen (Ertl in Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann Grundbuchrecht 4. Aufl. Einleitung Anm. B 1 und C 60). So wie dabei zu berücksichtigen ist, ob ein dingliches Recht übertragbar ist (Ertl a.a.O. An. B 28), muß dasselbe hinsichtlich der Überleitung nach § 90 BSHG gelten.

7

3.

Dem steht auch nicht entgegen, daß die Überleitung nicht angefochten und damit bestandskräftig ist. Damit steht nämlich nur fest, daß die Überleitung an sich rechtmäßig war, also den zu wahrenden Förmlichkeiten und den sozialhilferechtlichen Grundsätzen Rechnung getragen worden ist (Jehle Schmitt a.a.O. Rn. 19; vgl. BVerwG NJW 1987, 915). Ob die Überleitung tatsächlich einen überleitbaren Anspruch erfaßt, hätte bei einer Anfechtung der Überleitungsanzeige nicht geprüft werden können und steht deshalb auch für das Grundbuchamt nicht bindend fest.

8

4.

Soweit der Antragsteller in der Überleitungsanzeige vom 14.11.1994 offensichtlich meint, auf sich mit dem Wohnungsrecht auch eine monatliche Geldrente übergeleitet zu haben, ist eine etwaige Geldrente hier schon deshalb ohne Bedeutung, weil der Eintragungsantrag allein das Wohnungsrecht, also das Recht betrifft, "ein Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes unter Ausschluß des Eigentümers als Wohnung zu benutzen" (§ 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB). Im übrigen zeigt die Überleitungsanzeige, daß der Antragsteller das Wohnungsrecht und eine etwaige dort erwähnte Geldrente nach § 16 NdsAGBGB nicht auseinanderhält, wenn zwar davon die Rede ist, daß der Anspruch aus § 3 des Grundstücksübertragungsvertrages vom 11.5.1979 übergeleitet werde und damit offensichtlich das eingetragene Wohnungsrecht gemeint sein soll, in der Begründung der Überleitungsanzeige aber von der "Überleitung einer Geldrente" gesprochen wird.

9

5.

Ob dem Antragsteller, wie er rügt, im Verfahren vor dem Landgericht rechtliches Gehör nicht hinreichend gewährt worden ist, mag dahinstehen, weil der Antragsteller jedenfalls im Rechtsbeschwerdeverfahren zu den allein entscheidenden Rechtsfragen hinreichend Gelegenheit gehabt hat, seinen Standpunkt darzulegen.

10

6.

Die in der Beschwerdebegründung vorgetragene Ansicht, § 551 Nr. 7 ZPO sei verletzt, entbehrt der tatsächlichen Grundlage. Die vom Landgericht gegebene Begründung ist - ohne daß es hier auf die inhaltliche Richtigkeit ankommt - formal geeignet, den Tenor zu stützen. Daß der Antragsteller nicht auf jeden von ihm angeführten Gesichtspunkt in der Begründung eine Antwort erhalten hat, verletzt weder den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. BVerfG NJW 1993, 1319;  1994, 2279), [BVerfG 25.02.1994 - 2 BvR 50/93]noch § 551 Nr. 7 ZPO, da selbst lückenhafte und unvollständige Entscheidungsgründe keinen Verstoß gegen diese Vorschrift darstellen würden (Stein/Jonas/Grunsky ZPO 21. Aufl. § 551 Rn. 27).

11

7.

Nach allem war die Beschwerde zurückzuweisen, jedoch war die Kostenentscheidung des Landgerichts zu korrigieren. Die vom Landgericht herangezogene Vorschrift des § 131 KostO gilt nur, "soweit nichts anderes bestimmt" ist. Nach § 64 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 SGB X fallen Gerichtsgebühren indes nicht an.