Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 05.04.2022, Az.: 6 B 292/22

Aufgabenzuweisung; Genesenennachweis; Gleichbehandlung; Verwaltungsakt; Genesenennachweis; Einzelfall eines erfolglosen Eilantrags auf Verpflichtung zur Ausstellung eines Genesenennachweises

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
05.04.2022
Aktenzeichen
6 B 292/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 16349
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2022:0405.6B292.22.00

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Antragsteller den Antrag zurückgenommen hat. Im Übrigen wird der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5 000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller möchte eine Verpflichtung des Antragsgegners erreichen, dem Antragsteller einen Nachweis über die Genesung auszustellen.

Der Antragsteller ist nach seinen Angaben nicht gegen COVID-19 geimpft. Am 17. Januar 2022 wurde bei ihm eine Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 nachgewiesen.

Mit einem Bescheid vom 24. Januar 2022 ordnete der Antragsgegner eine Absonderung des Antragstellers in häuslicher Quarantäne vom 19. bis einschließlich 26. Januar 2022 an, untersagte dem Antragsteller, die Wohnung in dieser Zeit ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamts zu verlassen und in dieser Zeit Besuch von Personen zu empfangen, die nicht zu seinem Haushalt gehörten. Mit einem als "Genesenennachweis" bezeichnetem Schreiben vom 24. Januar 2022 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass dieser für den Zeitraum vom 14. Februar 2022 bis zum 17. April 2022 "als genesene Person" im Sinn des § 2 Nummer 5 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV) gelte.

Mit einem Schreiben vom 10. Februar 2022 legte der Antragsteller Widerspruch gegen die "Amtliche Bescheinigung einer Coronainfektion (SARS-CoV-2)/Genesenenbescheinigung" vom 24. Januar 2022 ein. Er machte geltend, dass § 2 Nummer 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 verfassungswidrig sei und berief sich dafür vor allem auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 4. Februar 2022 (3 B 4/22) und auf die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vom 28. Januar 2022 zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung des Genesenennachweises durch Rechtsverordnung. Ihm sei ein Genesenennachweis für sechs Monate auszustellen.

Der Antragsgegner antwortete mit einer E-Mail vom 14. Februar 2022 und teilte dem Antragsteller mit, dass ein Widerspruch unzulässig sei. Gegen den Bescheid des Antragsgegners könne der Antragsteller Klage erheben. Wenn er die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung in Verbindung mit den "fachlichen Weisungen" des Robert-Koch-Instituts insgesamt für verfassungswidrig halte, könne er auch ein Normenkontrollverfahren bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht anstrengen.

Der Antragsteller hat am 1. März 2022 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.

Er sei als sozialpsychiatrischer Betreuer für Eingliederungshilfemaßnahmen für psychisch kranke Menschen bei der G. GmbH in H. beschäftigt. Für ihn gelte die einrichtungsbezogene Impfpflicht nach § 20a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Wenn sein Genesenenstatus zum 17. April 2022 auslaufe, könne das gegebenenfalls zu einem Betretungsverbot für die Arbeitsstätte und damit tatsächlich zu einem Berufsverbot führen. Dann würde er seine Existenzgrundlage verlieren.

Zur Begründung führt er insbesondere aus, dass der Genesenennachweis ein Verwaltungsakt sei und dass § 2 Nummer 5 SchAusnahmV verfassungswidrig sei. Dafür beruft er sich erneut vor allem auf den oben angeführten Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück und auf die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vom 28. Januar 2022 zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung des Genesenennachweises durch Rechtsverordnung, aus denen ausführlich zitiert wird.

Anspruchsgrundlage für die Ausstellung des Genesenennachweises sei der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. Der Antragsgegner habe Mitte Januar 2022 seine Praxis aufgegeben, Genesenennachweise für einen Zeitraum von sechs Monaten auszustellen, wie in § 2 Nummer 5 SchAusnahmV ursprünglich vorgesehen. Der Gleichheitssatz verbiete aber, von einer ständigen Verwaltungspraxis bei gleichgelagerten Sachverhalten abzuweichen. Die ursprüngliche Fassung des § 2 Nummer 5 SchAusnahmV sei weiter anzuwenden, weil die Änderung rechtwidrig und daher nichtig sei.

Bezüglich der Gesetzesänderung weise er auf das Rückwirkungsverbot hin. Außerdem beruft der Antragsteller sich auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. März 2022, dass § 2 Nummer 4 und 5 SchAusnahmV gegen höherrangiges Recht verstießen.

Der Antragsteller hat beantragt,

im Wege der einstweiligen Anordnung wird der Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller einen Nachweis über seine Genesung im Sinne des § 2 Absatz 5 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (SchAusnahmV) für den Zeitraum 14. Februar 2022 bis 17. Juli 2022 auszustellen.

Der Antragsteller beantragt wörtlich,

im Wege der einstweiligen Anordnung wird der Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller einen Nachweis über seine Genesung im Sinne des § 2 Absatz 5 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (SchAusnahmV) für den Zeitraum 18. April 2022 bis 17. Juli 2022 auszustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er meint, der Antrag sei unzulässig. Der Genesenennachweis sei unanfechtbar geworden. Er sei Teil des Bescheids vom 24. Januar 2022 gewesen. Dieses sei mit einfacher Post aufgegeben worden und sei deshalb am 27. Januar 2022 bekanntgegeben. Eine Klage sei nicht bis zum Ablauf des 28. Februar 2022, dem auf den 27. Februar 2022 folgenden Montag, erhoben worden, sondern sei bislang gar nicht erhoben worden.

Der Antrag sei jedenfalls unbegründet. Gemäß § 2 Nummer 5 SchAusnahmV in der seit dem "14. Januar 2022" geltenden Fassung richte sich die Zeit, die die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion höchstens zurückliegen dürfe, nach den fachlichen Vorgaben des Robert-Koch-Instituts. Nach diesen dürfe das Datum der Abnahme des positiven Tests höchstens 90 Tage zurückliegen. Ein Ermessen stehe dem Antragsgegner nicht zu. Eine Verfassungswidrigkeit des § 2 Nummer 5 SchAusnahmV sei nicht offensichtlich, das Bundesverfassungsgericht habe die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit nicht als ausreichend schwerwiegend bewertet, um den Vollzug der einrichtungsbezogenen Impfpflicht auszusetzen. Außerdem werde diese Frage in § 22a IfSG gesetzlich geregelt werden. Die Verständigungen auf EU-Ebene hätten keinen Einfluss auf die Verfassungsmäßigkeit der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung. Den Existenzverlust könne der Antragsteller durch eine Impfung abwenden. In der Sache gehe es bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht um den Schutz des "vulnerablen Patienten im Gesundheitswesen". Das Robert-Koch-Institut habe auf seiner Internetseite gute Gründe für eine Befristung auf 90 Tage vorgetragen.

Schließlich sollten spätestens ab dem 3. April 2022 die Beschränkungen im gesellschaftlichen Leben nach der 2-G-Regel wegfallen. Der Antragsteller wäre dann auch ohne den Nachweis einer Impfung im gesellschaftlichen Leben nicht mehr beschwert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten mit dem beigezogenen Verwaltungsvorgang des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Das Verfahren wird gemäß § 92 Absatz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eingestellt, soweit der Antragsteller den Antrag konkludent zurückgenommen hat. Der Antragsteller hat den Zeitraum, für den der Genesenennachweis gelten soll, ursprünglich als den Zeitraum 14. Februar 2022 bis 17. Juli 2022 bezeichnet, und diesen Zeitraum mit dem Schreiben vom 4. März 2022 auf den Zeitraum vom 18. April 2022 bis zum 17. Juli 2022 beschränkt. Darin liegt schlüssig eine teilweise Antragsrücknahme (vgl. Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 41. Auflage 2020, Rdnr. 6 zu § 264)

Der Antrag bleibt in der zuletzt gestellten Form ohne Erfolg.

Gemäß § 123 Absatz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig. Voraussetzung ist dann, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, dass diese Regelung nötig erscheint, insbesondere um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Gemäß § 123 Absatz 3 VwGO und § 920 Absatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) hat der Antragsteller sowohl seine materielle Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) als auch die Eilbedürftigkeit der beantragten gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht dargelegt und glaubhaft gemacht. Das Gericht lässt dahinstehen, ob der Antrag überhaupt hinreichend bestimmt ist, obwohl der Antragsteller nicht deutlich macht, ob der Nachweis als Bescheid oder als formlose Erklärung gefasst sein soll. Denn in beiden Fällen bleibt der Antrag ohne Erfolg:

Ein Anspruch, dass der Antragsgegner verpflichtet wird, einen Genesenennachweis als Bescheid auszustellen, steht dem Antragsteller nicht zu, weil es sich bei einem Genesenennachweis nicht um einen Verwaltungsakt handelt (Verwaltungsgericht Stade, z.B. Beschluss vom 14. März 2022 - 6 B 247/22, zitiert nach Juris, u.ö.; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. März 2022 - 14 ME 175/22, zitiert nach Juris u.ö.).

Ein Verwaltungsakt ist nach § 1 Absatz 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes in Verbindung mit § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.

Der Genesenennachweis im Sinn des § 2 Nummer 5 SchAusnahmV in der bis zum 14. Januar 2022 geltenden Fassung hatte jedenfalls keine Regelungswirkung. Es handelt sich um eine bloße Wissenserklärung des Ausstellers (z.B. Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 17. Februar 2022 - 1 B 7/22; offengelassen: VG Dresden, Beschluss v. 11. Februar 2022 - 6 L 97/22, beide zitiert nach Juris). Deren Inhalt ist gesetzlich abschließend geregelt, der Aussteller hat keinen Spielraum etwas hinzuzufügen oder wegzulassen: Damit ein Genesenennachweis vorliegt, muss bestätigt werden, dass mit einem Test durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis das Vorliegen einer vorherigen Infektion nachgewiesen wurde; ein Genesenennachweis im Sinn des § 2 Nummer 5 SchAusnahmV alter Fassung liegt nur vor, wenn der Test mindestens 28 Tage und höchstens sechs Monate zurückliegt. - Dabei war nicht vorgeschrieben, dass der Genesenennachweis sich dazu zu äußern hätte, wie lange der Test zurückliegt, das konnte vielmehr auch auf andere Weise nachgewiesen werden. Denn § 2 Nummer 5 SchAusnahmV a.F. regelte keine Voraussetzungen für die Ausstellung. - Der Nachweis selbst legt weder Rechte und Pflichten, noch einen Status fest (anders z.B.: VG Osnabrück, Beschluss vom 4. Februar 2022 - 3 B 4/22, VG Halle, Beschluss vom 16. Februar 2022 - 1 B 41/22, zitiert nach Juris). Daran hat sich nichts Erhebliches dadurch geändert, dass in der Fassung des § 2 Nummer 5 SchAusnahmV vom 14. Januar 2022, die ab 15. Januar 2022 galt, weitere Inhalte verbindlich vorgegeben wurden. Auch die Regelung des Genesenennachweises in § 22a IfSG hat daran nichts geändert; mit § 22a IfSG ist lediglich die Regelungsform gewechselt worden.

Wer als genesen anzusehen ist, der "Genesenenstatus", ist nämlich nicht im Genesenennachweis geregelt, sondern abschließend in § 2 Nummer 4 SchAusnahmV. Da gilt sowohl für beide Fassungen des § 2 Nummer 5 SchAusnahmV als auch unter Geltung des neuen § 22a IfSG. Welche rechtliche Bedeutung dieser "Genesenenstatus" nach § 2 Nummer 4 SchAusnahmV hat, welche Rechte oder Pflichten dieser Status begründet, ist ebenfalls nicht im Genesenennachweis geregelt, sondern abschließend in abstrakten Rechtsnormen, im Fall des Antragstellers insbesondere in der Niedersächsischen Corona-Verordnung und wegen der Arbeitsstelle in B-Stadt in den entsprechenden bremischen Regelungen. Für den Aussteller des Nachweises besteht weder Raum noch Befugnis, zu der rechtlichen Bedeutung des Nachweises oder sonst zu diesem irgendwelche eigenen Regelungen zu treffen. Dafür spricht auch, dass es keine Zuständigkeits- oder Befugnisnorm gibt, die die Ausstellung des Genesenennachweises betrifft (vgl. VG Stade, Beschluss vom 22. Dezember 2021 - 6 B 1445/21, Juris Rdnr. 28, u.ö.). Jedenfalls die niedersächsischen Gesundheitsbehörden werden nicht aufgrund einer Befugnisnorm, sondern auf der Grundlage der Aufgabenzuweisung in § 1 des Niedersächsischen Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst (NGÖGD) tätig, wenn sie solche Nachweise ausstellen. Dafür, dass kein Verwaltungsakt vorliegt, spricht auch der Wortlaut des früheren § 2 Nummer 5 SchAusnahmV, jetzt der Wortlaut des § 22a Absatz 2 IfSG, nach dem ein Genesenennachweise im Sinn der Vorschrift weder von öffentlichen noch auch nur von deutschen Stellen ausgestellt werden muss. Denn es werden als Genesenennachweise ausdrücklich auch Unterlagen in - allein - englischer, französischer, italienischer und spanischer Sprache definiert. Die Verwendung dieser Sprachen durch öffentliche deutsche Stellen bedürfte wegen § 23 Absatz 1 VwVfG und den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften einer gesetzlichen Zulassung; eine solche ist nicht ersichtlich. Etwas Anderes folgt nicht aus Artikel 3 Absatz 2 Satz 1 VO (EU) Nummer 953/2021. Danach stellen zwar die Mitgliedstaaten oder benannte Stellen, die im Namen der Mitgliedstaaten handeln, die in Artikel 3 Absatz 1 VO (EU) Nummer 953/2021 genannten Zertifikate aus. Aber diese Vorschrift befasst sich zum einen nur mit dem EU-Zertifikat, zum anderen zeigt die Erforderlichkeit dieser EU-Regelung, dass auch nicht öffentliche Stellen Nachweise ausstellen könnten, solange eine solche ausdrückliche Zuweisung - wie im deutschen Recht - nicht erfolgt ist.

Ein Anspruch, dass der Antragsgegner verpflichtet wird, einen Genesenennachweis als Bescheinigung über den bereits bescheinigten Zeitraum hinaus ohne Regelungsgehalt auszustellen, steht dem Antragsteller ebenfalls nicht zu. Für einen solchen Anspruch besteht keine Anspruchsgrundlage (z.B. Verwaltungsgericht Stade, Beschluss vom 22. Dezember 2021 - 6 B 1445/21, zitiert nach Juris). Es ist deshalb schon nicht ersichtlich, dass der Antragsteller antragsbefugt analog § 42 Absatz 2 VwGO wäre. Ein einfachgesetzlicher, verfassungs- oder unionsrechtlicher Anspruch auf Erteilung eines formlosen Genesenennachweises erscheint nicht einmal möglich.

Die Ausstellung eines- insbesondere behördlichen - Genesenennachweises sieht weder die - landesrechtliche - Niedersächsische Corona-Verordnung, noch die - bundesrechtliche - COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung, noch das Infektionsschutzgesetz, noch die Verordnung (EU) Nummer 2021/953 des Europäischen Parlamentes und des Rates über einen Rahmen für die Ausstellung, Überprüfung und Anerkennung interoperabler Zertifikate zur Bescheinigung von COVID-19-Impfungen und -Tests sowie der Genesung von einer COVID-19-Infektion (digitales COVID-Zertifikat der EU) mit der Zielsetzung der Erleichterung der Freizügigkeit während der COVID-19-Pandemie oder ein anderes formelles Gesetz, vor. Soweit niedersächsische Gesundheitsbehörden Genesenennachweise ausstellen, erfolgt das, wie oben ausgeführt, auf der Grundlage nur der Aufgabenzuweisung in § 1 NGÖGD.

Ein Anspruch ergibt sich entgegen den Ausführungen des Antragstellers auch nicht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG). Dieser bestimmt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Ein Anspruch auf Dokumentation eines - wie auch immer erlangten - Schutzes vor einer Coronainfektion folgt hieraus nicht. Durch den Gleichheitssatz ist ein Verwaltungsträger zwar grundsätzlich an eine einmal begonnene Praxis gebunden. Dass der Antragsgegner aber in der Vergangenheit bereits Genesenennachweise für Personen ausstellte, die nicht die Anforderungen des § 2 Nummer 5 SchAusnahmV erfüllten, ist nicht dargetan. Das Gegenteil ist der Fall. Die Verwaltungspraxis des Antragsgegners ist auch nach dem Vorbringen des Antragstellers ab 15. Januar 2022 umgestellt worden und der Antragsgegner stellt seitdem nur noch Genesenennachweise für Zeiträume von 90 Tagen ab dem positiven Test aus. Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg drauf berufen, dass früher eine andere Praxis bestanden habe, weil die Verwaltungspraxis sich bis zum 14. Januar 2022 an der alten Fassung des § 2 Nummer 5 SchAusnahmV orientiert habe und er nach dieser früheren Praxis zu behandeln sei. Denn der Antragsteller hat seine Verwaltungspraxis offensichtlich aus einem sachlichen Grund geändert, indem er der Änderung des § 2 Nummer 5 SchAusnahmV gefolgt ist. Der Antragsteller kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Änderung des § 2 Nummer 5 SchAusnahmV durch die Verordnung vom 14. Januar 2022 verfassungswidrig sei. Ein sachlicher Grund für eine Änderung der Verwaltungspraxis könnte allenfalls dann fehlen, wenn eine solche Verfassungswidrigkeit offensichtlich wäre und der Antragsgegner bewusst zu einer rechtswidrigen Praxis übergegangen wäre. Das ist aber nicht der Fall, es ist vielmehr als offen anzusehen, ob die Änderung des § 2 Nummer 5 SchAusnahmV rechtmäßig war (Verwaltungsgericht Stade, Beschluss vom 14. März 2022 - 6 B 247/22, zitiert nach Juris).

Selbständig tragend ist jedenfalls mit § 22a Absatz 2 IfSG ein sachlicher Grund für die neue Verwaltungspraxis des Antragsgegners gegeben. Auch insoweit kann dahinstehen, wie die Befristung auf 90 Tage in dieser Vorschrift zu bewerten ist, weil sie jedenfalls nicht offensichtlich verfassungswidrig ist. Der Antragsteller kann sich insoweit auch nicht auf "das Rückwirkungsverbot" berufen. § 22a Absatz 2 IfSG enthält für ihn keine unzulässige Rückwirkung. Denn § 22a Absatz 2 IfSG gilt auch für den Antragsteller erst ab dem Inkrafttreten am 19. März 2022 und regelt deshalb keine Rückbewirkung von Rechtsfolgen, sondern für den Antragsteller lediglich eine tatbestandliche Rückanknüpfung (vgl. nur: Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 3. Dezember 1997 - 2 BvR 882/97, zitiert nach Juris, Rdnr. 40 ff.). Denn der Zeitraum des Genesenennachweises des Antragstellers ist von § 22a Absatz 2 IfSG nicht für die Zeit vor dem 19. März 2022 betroffen, sondern erst für eine Zeit nach dem 19. März 2022. Ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der bisherigen Regelung ist jedenfalls mit dem Gesetzesbeschluss am 18. März 2022 entfallen. Das gilt umso mehr, als der Antragsteller selbst sich darauf beruft, dass die bis dahin bestehende Rechtslage verfassungswidrig gewesen sei, und er deshalb mit einer Neuregelung rechnen musste.

Das Gericht hat den Antrag nicht über seine Formulierung hinaus auszulegen oder umzudeuten. Der Antrag ist anwaltlich gestellt und ist auch auf den Hinweis als Verpflichtungsantrag aufrechterhalten worden, dass eine Anspruchsgrundlage für eine Verpflichtung nicht ersichtlich sei, einen Genesenennachweis auszustellen. Daher kann auch dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 und § 155 Absatz 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 53 Absatz 2 Nummer 2 in Verbindung mit § 52 Absatz 2 des Gerichtskostengesetzes in Anlehnung an die Position 1.5 Satz 2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach ist der Auffangstreitwert von 5 000 Euro zu Grunde zu legen. Von einer Reduzierung dieses Betrages im Eilverfahren sieht das Gericht ab, weil eine Vorwegnahme der Hauptsache beantragt wird.