Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 27.01.2020, Az.: 2 Ws 18/20

Anhörungsprotokoll bei Bezugnahme auf mündliche Anhörung im Strafvollstreckungsverfahren nicht erforderlich; Zusammenfassung der Anhörung im Beschluss ausreichend

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
27.01.2020
Aktenzeichen
2 Ws 18/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 43084
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2020:0127.2WS18.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 16.12.2019 - AZ: 161 StVK 51/19

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Stützt die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung auf eine mündliche Anhörung des Verurteilten oder Untergebrachten nach §§ 463, 454 StPO, ist ein Anhörungsprotokoll nicht zwingend vorgeschrieben. Fehlt ein Anhörungsprotokoll, ist das Vorbringen des Verurteilten oder Untergebrachten jedoch in den Beschlussgründen wiederzugeben.

  2. 2.

    Dafür ist eine wörtliche Wiedergabe nicht erforderlich. Eine kurze zusammenfassende Darstellung ist hingegen unerlässlich.

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg vom 16.12.2019 (161 StVK 51/19) aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an dieselbe Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg zurückverwiesen.

Gründe

I.

Mit Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 25. Mai 2016 wurde der Beschwerdeführer wegen gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung in 2 Fällen sowie Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Rechtskraft des Urteils ist am 16.11.2016 eingetreten. Mit gleichem Datum wurde der Beginn der Unterbringung vollzogen.

Für die anstehende Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer eine Stellungnahme der Psychiatrischen Klinik ... sowie ein Gutachten des Sachverständigen Dr. B. vom 28.10.2019 eingeholt. Nach vorangegangener mündlicher Anhörung des Untergebrachten, seines Verteidigers sowie des Sachverständigen hat die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. Dezember 2019 die Fortdauer der Unterbringung angeordnet.

Hiergegen wendet sich der Untergebrachte mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er u.a. die fehlende Dokumentation der wesentlichen Inhalte der mündlichen Anhörung kritisiert.

Die Generalstaatsanwaltschaft Celle hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat zumindest vorläufig Erfolg.

Auf der Grundlage des vorgelegten Akteninhalts kann der Senat nicht beurteilen, ob die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 67d Abs. 2 StGB zur Bewährung auszusetzen oder gem. § 67d Abs. 6 StGB für erledigt zu erklären ist.

Zwar ist in der Strafprozessordnung ein Anhörungsprotokoll für die mündliche Anhörung eines Untergebrachten im Verfahren über die Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht vorgeschrieben. Der Senat hat die Strafvollstreckungskammer in der Vergangenheit allerdings bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass das Vorbringen des Untergebrachten bei Fehlen eines Anhörungsprotokolls in den Entscheidungsgründen des Beschlusses wiederzugeben ist (vgl. zuletzt Senat, Beschluss vom 14. November 2019, 2 Ws 314/19). Rechtsstaatliche Grundsätze, insbesondere der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebieten es, das Vorbringen des Untergebrachten so festzuhalten, dass sowohl der Untergebrachte, als auch das Beschwerdegericht in die Lage versetzt werden zu überprüfen, ob dessen Vorbringen von der Strafvollstreckungskammer zutreffend berücksichtigt worden ist (vgl. dazu: KG Berlin, Beschluss vom 19. Februar 2014, - 2 Ws 52/14-, juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 04. Mai 2009 - 2 Ws 80/09 -, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.10.2004, 4 Ws 284/04-, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 29.07.2004, 2 Ws 196-197/04; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 6. Aufl., § 454 Rn 35).

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss nicht gerecht, denn diesem ist nicht einmal im Ansatz zu entnehmen, ob und wenn ja wie sich der Untergebrachte im Rahmen der erfolgten mündlichen Anhörung geäußert hat. Obwohl das Landgericht die Fortdauerentscheidung u.a. mit der fehlenden Krankheitseinsicht des Untergebrachten begründet, bleibt unerwähnt, wie sich der Beschwerdeführer im Anhörungstermin hierzu geäußert hat. Das vollständige Fehlen einer Dokumentation der wesentlichen Angaben des Beschwerdeführers wird auch nicht durch den offenbar formularmäßig gefassten Hinweis im Vermerk der Strafvollstreckungskammer vom 16.12.2019 entbehrlich, wonach die Angaben des Untergebrachten im Beschluss ausgeführt seien, "soweit es darauf ankomme". Zwar erscheint eine wörtliche Wiedergabe der Äußerungen des Untergebrachten im Rahmen des Anhörungstermins entbehrlich; eine kurze zusammenfassende Darstellung seiner Äußerungen ist hingegen unerlässlich, um dem Senat eine Überprüfung zu ermöglichen, ob die Strafvollstreckungskammer etwaige Äußerungen zu Recht als nicht entscheidungserheblich eingestuft hat. Vorliegend ist dem Senat diese Prüfung aufgrund der vollständig fehlenden Wiedergabe seiner Angaben bereits im Ansatz verwehrt, zumal sich auch der von der Kammer im Rahmen der mündlichen Anhörung gewonnene persönliche Eindruck von dem Beschwerdeführer nicht aus dem angefochtenen Beschluss ergibt.

Nach alledem beruht der angefochtene Beschluss auf einer nicht nachprüfbaren Tatsachengrundlage, die dem Senat jegliche Überprüfungsmöglichkeit der angefochtenen Entscheidung beraubt. Bei dieser Sachlage ist der Senat an einer eigenen Sachentscheidung gehindert, denn unabhängig davon, dass diese mit dem Verlust einer Instanz für die Verfahrensbeteiligten verbunden wäre und § 309 Abs. 2 StPO eine - im Verfahren nach § 463 i.V.m. § 454 StPO vorgeschriebene - mündliche Anhörung grundsätzlich nicht vorsieht, würde sie im Ergebnis eine Kompetenzverlagerung darstellen und der Senat praktisch in erster Instanz tätig werden (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.06.2011, 2 Ws 241/11-, juris).

III.

Eine Kostenentscheidung ist derzeit nicht veranlasst. Sie ist an dem abschließenden Ergebnis in der Sache zu orientieren und bleibt deshalb der erneuten erstinstanzlichen Schlussentscheidung vorbehalten.

Gegen diesen Beschluss ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).