Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 27.01.2020, Az.: 3 Ws 21/20
Pflicht zur hinreichenden Beschreibung des Verfahrensgegenstandes bei Besetzungseinwand; Weiter gerichtlicher Ermessensspielraum bei der Prüfung auf umfangreiches oder schwieriges Verfahren
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 27.01.2020
- Aktenzeichen
- 3 Ws 21/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 16542
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2020:0127.3WS21.20.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - AZ: 21 KLs 5131 Js 41189/16
Rechtsgrundlage
- § 473 Abs. 1 StPO
Amtlicher Leitsatz
Der Besetzungseinwand nach § 222b StPO (n.F.) ist in der gleichen Form geltend zu machen wie die als Verfahrensrüge ausgestaltete Besetzungsrüge der Revision nach Maßgabe von §§ 344 Abs. 2, 309 Abs. 2 StPO.
Im Hinblick auf die Besetzung nach Maßgabe von § 76 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 GVG kann hierbei auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Willkür zurückgegriffen werden.
Tenor:
Der Besetzungseinwand wird auf Kosten des Angeklagten N. als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Der Angeklagte N. richtet sich mit seinem Besetzungseinwand im Sinne von § 222b StPO gegen die Mitteilung der Kammerbesetzung vom 2. Oktober 2019 mit dem Vorbringen, die Kammer sei als Wirtschaftsstrafkammer entgegen der Vorschrift des § 76 Abs. 3 GVG in unzulässiger Weise mit lediglich zwei Berufsrichtern einschließlich der Vorsitzenden besetzt. Die Sache sei in tatsächlicher Hinsicht als umfangreich als auch in rechtlicher Hinsicht als schwierig zu bewerten, weshalb ein nach § 76 Abs. 3 GVG anzunehmendes Regelbeispiel für eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich der Vorsitzenden - und zwei Schöffen - anzunehmen sei. Der Aktenumfang sei mit (u.a.) sechs Bänden Hauptakten nebst diversen Sonderheften erheblich und es sei namentlich im Hinblick auf die Auswertung der Telefonüberwachungsprotokolle von einer umfangreichen Beweisaufnahme auszugehen. Für die fünf Angeklagten hätten sich sechs Verteidiger legitimiert und es seien internationale steuerrechtliche Probleme für die Urteilsfindung aufzuklären.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 21. Januar 2020 dem Besetzungseinwand nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Verfahrensbeteiligten als auch die Generalstaatsanwaltschaft wurden gehört.
II.
Der vom Angeklagten N. erhobene Besetzungseinwand ist bereits unzulässig.
Der Einwand genügt nicht den an ihn nach § 222b Abs. 1 Satz 2 StPO (in der Fassung vom 10. Dezember 2019) zu stellenden Anforderungen. Hiernach sind die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, dabei anzugeben. Bereits diesem Formerfordernis wird der vorliegende Einwand nicht gerecht.
Das Vorabentscheidungsverfahren nach § 222b StPO soll dem Willen des Gesetzgebers zufolge im Wesentlichen an das Revisionsverfahren angelehnt sein. Hieraus folgt, dass die nach bislang geltendem Recht vorgeschriebenen Form- und Fristvoraussetzungen des Besetzungseinwandes sowie die Begründungsanforderungen gemäß § 222b Abs. 2 Satz 2 und 3 StPO - in der bis zum 10. Dezember 2019 geltenden Fassung - erhalten bleiben (BT-Drucks. 19/14747, S. 31). Die Anlehnung an das Revisionsverfahren hat wiederum auch zur Folge, dass der Besetzungseinwand in der gleichen Form geltend zu machen ist wie die als Verfahrensrüge ausgestaltete Besetzungsrüge der Revision nach Maßgabe von §§ 345 Abs. 2, 309 Abs. 2 StPO (vgl. schon zum bisherigen Recht BGHSt 44, 161; Meyer-Goßner-Schmitt, Strafprozessordnung, 62. Aufl., § 222b Rn. 6; § 338 Rn. 21). Ebenso wie bei der Verfahrensrüge der Revision müssen hierbei alle einen behaupteten Besetzungsfehler begründenden Tatsachen im einzelnen und konkret rechtzeitig und vollständig vorgebracht werden; die Begründungsanforderungen entsprechen weitgehend denjenigen des § 344 Abs. 2 StPO (LR-Jäger, StPO, 27. Aufl., § 222b Rn. 17; MK-StPO-Arnoldi, § 222b Rn. 13; KK-StPO-Gmel, 8.Aufl., § 222 Rn. 8). Hieran hat sich auch auf der Grundlage der Vorschrift des § 222b StPO und dem hiernach möglichen Rechtsbehelf des Besetzungseinwands in der Fassung vom 10. Dezember 2019 ersichtlich nichts geändert. Der Besetzungseinwand muss demnach - und zwar innerhalb der in § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO benannten Frist und ohne Bezugnahmen und Verweisungen - aus sich heraus Inhalt und Gang des bisherigen Verfahrens so konkret und vollständig wiedergeben, dass eine abschließende Prüfung durch das nach § 222b Abs. 3 Satz StPO zuständige Rechtsmittelgericht ermöglicht wird. Hierzu zählt auch, dass Umstände, die geeignet sein könnten, die vom Gericht beschlossene Besetzung zu begründen, nicht verschwiegen werden dürfen.
Der vom Angeklagten N. erhobene Besetzungseinwand umschreibt bereits den Gegenstand des Verfahrens nicht hinreichend. Insoweit werden lediglich die Strafvorschriften, indessen kein konkreter Tatvorwurf benannt. Aus derartigem Vorbringen kann der Senat weder zu Umfang noch zur Schwierigkeit des Verfahrens etwas herleiten. Allein dies muss nach den dargelegten, revisionsrechtlichen Grundsätzen für eine Verfahrensrüge zur Unzulässigkeit des Besetzungseinwands führen. Hinzu kommt, dass sich der Besetzungseinwand im Wesentlichen auf den Tatvorwurf stützt, wie er sich aus der Anklageschrift vom 4. Januar 2018 ergibt. Bereits nicht mitgeteilt wird indessen, dass ausweislich der Nichtabhilfeentscheidung vom 21. Januar 2020 die Kammer vor ihrer Entscheidung über die Besetzung nach Durchführen eines Erörterungstermins mit den Verfahrensbeteiligten sämtliche mit der Zigarettenlieferung am 3. Februar 2016 in Zusammenhang stehenden Anklagevorwürfe (Taten 4,5 und 6) nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und das Verfahren aus rechtlichen Erwägungen gemäß §§ 154 Abs. 2, 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der Hinterziehung deutscher Tabaksteuer bzw. den Vorwurf einer hierauf bezogenen gewerbsmäßigen Steuerhehlerei beschränkt hat. Dieser - indessen nicht mitgeteilte - Umstand ist im Hinblick auf die Annahme von Umfang und Schwierigkeit der Sache im Sinne von § 76 Abs. 3 GVG offenkundig erheblich mit der Folge, dass der Senat allein aufgrund der im Einwand benannten Verfahrenstatsachen nicht in die Lage versetzt wird, die gebotene abschließende Überprüfung der Besetzung der Strafkammer vorzunehmen.
III.
Lediglich ergänzend bemerkt der Senat, dass der Besetzungseinwand auch in der Sache nicht durchgreifen könnte. Zwar steht der eröffnenden Strafkammer bei der Entscheidung über die Besetzung kein Ermessen zu und ist eine Besetzung mit jeweils zwei oder drei Richtern zu beschließen, soweit die jeweiligen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat den Strafkammern im Hinblick auf die Annahme von Umfang oder Schwierigkeit indessen einen weiten Beurteilungsspielraum anerkannt, der letztlich nur bei objektiver Willkür erfolgreich beanstandet werden kann (vgl. zum Ganzen nur LR-Gittermann, 26. Aufl., § 76 GVG Nachtr., Rn. 23 m.w.N.). Dass die Strafkammer im Hinblick auf Umfang oder Schwierigkeit der Sache vorliegend willkürlich, d.h. greifbar gesetzwidrig, eine Besetzung mit zwei Richtern beschlossen hat, ist auf der Grundlage der von der Kammer im Beschluss vom 21. Januar 2020 dargelegten Umstände indessen nicht anzunehmen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO (vgl. auch hierzu BT-Drucks. 19/14747, S. 32)