Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 27.03.2019, Az.: 5 U 112/18
Bagatelltrauma; Sicherungsaufklärung; Therapeutische Aufklärung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 27.03.2019
- Aktenzeichen
- 5 U 112/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 70138
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Ist ein Kleinkind an einer idiopathischen thrombozythophenischen Purpura (ITP) erkrankt, genügt der Behandler seiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Sicherungsaufklärung durch einen Hinweis auf die Gefahr einer Hirnblutung nicht; vielmehr muss er explizit auf die Gefahr einer Hirnblutung infolge etwaiger Bagatelltraumata hinweisen.
2. Diese Pflicht besteht auch, wenn die Kindeseltern als Ärzte medizinisch vorgebildet sind.
3. Ist dieser Hinweis unterblieben, streitet die Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens dafür, dass die Eltern im Falle eines Bagatelltraumas das Kind unverzüglich in eine Klinik gebracht hätten.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten zu 1) und 4) gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 15.06.2018, Geschäfts-Nr.: 8 O 3258/15, wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung tragen die Beklagten zu 1) und 4) als Gesamtschuldner.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen einer ärztlichen Behandlung vom TT.MM.2012 und TT.MM.2012.
Die Mutter des am TT.MM.2010 geborenen Klägers ist Zahnärztin, sein Vater ist Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg.
Nachdem den Eltern des Klägers an dessen Extremitäten und Körperstamm multiple subkutane Hämatome aufgefallen waren, stellte sein Vater ihn am TT.MM.2012 in der Notfallambulanz der Kinderklinik im Haus der Beklagten zu 1) vor. Der Beklagte zu 2) ist dort Chefarzt der Klinik für Allgemeine Kinderheilkunde, Hämatologie und Onkologie. Die diensthabende Ärztin, Frau LL, untersuchte den Kläger klinisch. Sie veranlasste eine Blutuntersuchung. Diese ergab eine Thrombozytopenie bei Verdacht auf eine idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP). Der Thrombozytenwert lag bei 4000/µl.
Am TT.MM.2012 wurde der Kläger von seinen Eltern erneut in der Kinderklinik der Beklagten zu 1) vorgestellt. Er wurde durch den Beklagten zu 4), den Oberarzt der Hämatologie bei der Beklagten zu 1), untersucht. Eine weitere Blutentnahme ergab zu diesem Zeitpunkt einen Thrombozytenwert von 1000/ µl. Der Beklagte zu 4) führte über das Krankheitsbild ein Gespräch mit den Kindeseltern. Eine weitere Therapie wurde nicht eingeleitet.
Am TT.MM.2012 fiel der Kläger gegen 14:00 Uhr aus einem 30 cm hohen Stuhl, der in der Anlage K 1 (im Anlagenband KLV) abgebildet ist, auf den Hinterkopf. Ab 20:30 Uhr wurde er unruhig. Er erbrach mehrfach. Sein Vater stellte ihn daraufhin nochmals in der Notfallambulanz der Kinderklinik der Beklagten zu 1) vor. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte zu 2) als Kinderkrankenschwester Dienst. Um 22:55 Uhr wurde der Kläger von der diensthabenden Ärztin, Frau Dr. MM, untersucht. Diese Untersuchung ergab den Verdacht auf eine intrakranielle Blutung. Frau Dr. MM verständigte die Intensivärztin Dr. NN. Es wurde ein Notfall-CT erstellt, das eine Hirnblutung zeigte. Der Kläger wurde auf die Intensivstation und um 0:20 Uhr in das (…) Krankenhaus (…) verlegt. Dort wurde er um 0:39 Uhr aufgenommen und sofort operiert. Es wurde eine Kraniektomie durchgeführt. Aufgrund des erst während der Operation erkannten Ausmaßes der Schädigung erfolgte eine Erweiterung und Eröffnung der Schädeldecke. Die hierbei entnommenen Knochenteile wurden verworfen.
Der Kläger hat den Beklagten Behandlungsfehler vorgeworfen. In Bezug auf die Beklagten zu 1) und 4) hat er behauptet, bereits am TT.MM.2012 sei eine stationäre Aufnahme erforderlich gewesen. Zumindest sei eine eindringliche Belehrung seiner Eltern erforderlich gewesen, die unterblieben sei. Bei dem Gespräch am TT.MM.2012 habe der Beklagte zu 4) lediglich erklärt, man müsse warten, bis der Gewittersturm vorüber sei. Insbesondere das Risiko einer Hirnblutung sei gegenüber den Eltern nie genannt worden. Wenn eine entsprechende Aufklärung erfolgt wäre, hätten seine Eltern seinen Sturz aus dem Stuhl auf jeden Fall verhindert.
Er hat weiter behauptet, auch die Behandlung am TT.MM.2012 sei fehlerhaft gewesen. Sein Vater habe vorab telefonisch sowohl auf die Dringlichkeit als auch auf die Vorgeschichte hingewiesen. Er sei mit seinem Vater gegen 21:50 Uhr in der Notaufnahme erschienen. Trotz mehrfacher Nachfrage sei er zunächst keinem Arzt vorgestellt worden. Erst auf eine Intervention seines Vaters sei er ärztlich untersucht worden. Trotz der bei der Beklagten zu 1) bekannten Vorgeschichte habe die Ärztin erneut eine vollständige Anamnese erhoben und erst am Ende der Untersuchungen seine Pupillen kontrolliert. Erst danach seien die notwendigen Maßnahmen ergriffen worden, und zwar mit einer unnötigen Verzögerung von insgesamt mindestens 45 Minuten. Diese Verzögerung habe zu einer weiteren Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geführt.
In Bezug auf die Beklagten zu 5) bis 7) hat er behauptet, die Verwerfung der Knochenteile nach der Operation vom TT.MM.2012 sei arztfehlerhaft erfolgt.
Aufgrund der Behandlungsfehler lägen bei ihm nunmehr eine Hemiparese links sowie ein Zustand nach dekompressiver Kraniotomie rechts frontal-temporal und neurochirurgischer Re-Deckung vor. Er leide an einer verkürzten Aufmerksamkeitsspanne und Reizoffenheit sowie an kognitiven Einschränkungen. Es habe sich eine Sehfeldschwäche gezeigt. Er habe zunächst einen Integrationskindergarten besucht. Für den Besuch der Grundschule benötige er einen Integrationshelfer. Bei ihm sei ein Förderbedarf im Bereich Lernen festgestellt worden.
Er hat die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 50.000,00 € verlangt. Außerdem hat er die Feststellung begehrt, dass die Beklagten verpflichtet sind, alle weiteren immateriellen und materiellen Schäden zu erstatten.
Er hat beantragt,
1. die Beklagten zur 1) bis 7) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagten zu 1) bis 7) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihm sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der auf die fehlerhafte Behandlung ab dem TT.MM.2012 zurückzuführen ist, soweit nicht Ansprüche auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Beklagten zu 1) bis 4) haben behauptet, der Vater des Klägers sei am TT.MM.2012 durch Frau LL ausreichend informiert worden. Eine stationäre Aufnahme habe er abgelehnt. Am TT.MM.2012 seien die Kindeseltern durch den Beklagten zu 4) umfassend über die Krankheit informiert worden. Insbesondere sei ein Hinweis auf die Blutungsrisiken erfolgt. Weitergehende Informationen seien im Hinblick auf die Berufe der Kindeseltern nicht erforderlich gewesen.
Die Einordnung des Klägers als nicht sehr dringender Notfall sei durch die Beklagte zu 2) am TT.MM.2012 zutreffend erfolgt. Eine frühere Vorstellung bei einer Ärztin sei nicht möglich gewesen, da zum Zeitpunkt der Ankunft des Klägers in der Notfallaufnahme weitere Notfälle zu versorgen gewesen seien, insbesondere eine im Akutraum zu behandelnde kollabierte Patientin. Eine ärztliche Vorstellung 45 Minuten nach der Aufnahme sei nicht zu beanstanden.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Gutachten des Facharztes für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Neonatologie und pädiatrischen Intensivmediziners Prof. Dr. OO sowie des Facharztes für Neurochirurgie Prof. Dr. PP. Es hat die Sachverständigen angehört. Außerdem hat es die Kinderärztin Frau LL als Zeugin vernommen sowie die Kindeseltern und den Beklagten zu 4) persönlich angehört.
Unter Abweisung der Klage im Übrigen hat es die Beklagten zu 1) und 4) mit dem am 15.06.2018 verkündeten Urteil als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 50.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.02.2016 zu zahlen und außerdem festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 4) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die auf die fehlerhafte Behandlung ab dem TT.MM.2012 bis zum TT.MM.2012 im Klinikum der Beklagten zu 1) zurückzuführen sind, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Zeugin LL und der Beklagte zu 4) hätten es fehlerhaft versäumt, die Eltern des Klägers auf die mit dessen Erkrankung verbundenen Gefahren hinzuweisen. Diese seien insbesondere pflichtwidrig nicht darauf hingewiesen worden, dass bereits kleinste Traumata geeignet seien, schwerwiegende Folgen herbeizuführen. Die Zeugin LL habe am TT.MM.2012 nicht mit hinreichendem Nachdruck die Notwendigkeit einer stationären Aufnahme des Klägers vermittelt. Die Erwähnung einer stationären Aufnahme sei auch noch am TT.MM.2012 durch den Beklagten zu 4) erforderlich gewesen, aber unterblieben. Selbst bei einem Unterbleiben der stationären Aufnahme habe den Eltern klargemacht werden müssen, dass auch bei kleinen Traumata eine erneute Vorstellung mit stationärer Aufnahme erforderlich werde, selbst wenn es dem Kind zunächst noch gut gehe. Dass entsprechende Hinweise erfolgt seien, habe die Kammer aber nicht feststellen können. Eine ausreichende Aufklärung der Kindeseltern ergebe sich selbst bei einer Zugrundelegung der Angaben der Zeugin LL sowie des Beklagten zu 4) nicht. Soweit dieser den Kindeseltern mitgeteilt habe, auch bei Kleinigkeiten habe eine Wiedervorstellung zu erfolgen, sei dies nicht genau genug. Die Kammer sei davon überzeugt, dass bei entsprechender Information eine sofortige Vorstellung nach dem Sturz des Klägers von dem Stuhl erfolgt wäre. In diesem Fall hätte das Auftreten einer Hirnblutung durch eine rechtzeitige Intervention vermieden werden können.
Als Folge der Hirnblutung sei zunächst die sehr ausgedehnte Operation im Krankenhaus der Beklagten zu 5) erforderlich geworden. Die hierbei erforderliche weite Öffnung der Schädeldecke habe eine weitere komplizierte Operation in Hamburg zur Deckung des Schädels nach sich gezogen. Ferner sei eine Hemiparese links aufgetreten. Hinzu kämen die Einschränkung des Sehfeldes sowie kognitive Beeinträchtigungen des Klägers, welche nach seiner Einschulung zur Feststellung eines Förderbedarfs im Bereich Lernen geführt hätten. Hierbei sei von kognitiven Einschränkungen auszugehen, die über leichte Konzentrationsschwächen hinausgingen. Insbesondere in Hinblick auf die dauerhaften Schäden durch die Halbseitenlähmung, die kognitiven Beeinträchtigungen und die Sehfeldschwäche sei ein Schmerzensgeld von 50.000,00 € angemessen. Dies gelte auch bei Berücksichtigung der Tatsache, dass die Ausräumung des subduralen Hämatoms ohnehin erforderlich gewesen sei. Der Feststellungsantrag sei zulässig und hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 4) auch begründet. Wegen der noch nicht abgeschlossenen gesundheitlichen Entwicklung seien sowohl weitere materielle als auch immaterielle Schäden möglich. Insbesondere sei der genaue Umfang der Beeinträchtigung nach Beendigung der Schulzeit und bei Eintritt in das Erwachsenenleben noch nicht absehbar.
Hiergegen richten sich die Berufungen der Beklagten zu 1) und 4), die ihr erstinstanzliches Ziel der Klageabweisung weiterverfolgen nach Maßgabe der Berufungsbegründung vom 05.10.2018. Sie berufen sich auf das von Ihnen eingeholte Privatgutachten der Fachärztin für Laboratoriumsmedizin und Hämatologie und Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde Dr. QQ vom 30.09.2018 (Anlage BB 1), dessen Inhalt sie sich zu eigen machen. Sie tragen vor, dieses Gutachten entkräfte bzw. widerlege alle wesentlichen und ihnen kritischen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. OO. Frau Dr. QQ verfüge auf dem hier einschlägigen Fachgebiet und insbesondere hinsichtlich des Krankheitsbildes der ITP über eine erheblich höhere Sachkunde als der gerichtlich bestellte Sachverständige. Ausgehend von den Feststellungen der Frau Dr. QQ sei kein schadensursächlicher Behandlungsfehler festzustellen, insbesondere kein Fehler bei der therapeutischen Aufklärung.
Ferner meinen sie, die Feststellungen des Landgerichts seien der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zugrunde zu legen. Die Kammer sei aufgrund einer fehlerhaften Beweiswürdigung von ihrer Haftung ausgegangen. Es habe die Darlegungs- und Beweislast grundlegend verkannt. Für den angenommenen Verstoß gegen die Pflicht zur therapeutischen Beratung sei entgegen der Auffassung der Kammer der Kläger beweispflichtig.
Für einen Fehler der Beklagten sei nichts ersichtlich. Die Eltern des Klägers hätten eingeräumt, dass jedenfalls am Morgen des TT.MM.2012 telefonisch mit dem Beklagten zu 4) besprochen worden sei, sie sollten bei kleinsten Kleinigkeiten kommen. Vor diesem Hintergrund hätten sie den Kläger auch nach eigener Darstellung sofort nach dem Sturz am frühen Nachmittag des TT.MM.2012 wieder im Klinikum der Beklagten zu 1) vorstellen müssen. Wieso sie dies als sachkundige Ärzte nicht getan hätten, sei nicht nachvollziehbar. Die schadensursächliche Verzögerung bis in die späten Abendstunden könne nicht der Behandlerseite angelastet werden, zumal die Eltern des Klägers selbst bei einer unterstellten eindringlichen Aufklärung eine stationäre Aufnahme des Klägers abgelehnt hätten. Von daher seien auch die Kausalitätserwägungen des Landgerichts auf S. 9 des angefochtenen Urteils falsch und widersprüchlich, zumal die Kammer selbst erkannt habe, dass die Kindeseltern weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung angegeben hätten, dass sie auf jeden Fall einer stationären Aufnahme zugestimmt hätten. Der Kläger habe somit den ihm obliegenden Beweis einer vermeintlich unzureichenden Aufklärung über die Schwere der Erkrankung und die Dringlichkeit gebotener Maßnahmen ebenso wenig geführt wie den Beweis eines Ursachenzusammenhangs. Insoweit habe er nicht einmal schlüssig vorgetragen.
Weiter beanstanden die Beklagten zu 1) und 4), die knappen Erwägungen des Landgerichts zur Schmerzensgeldhöhe seien nicht überzeugend. Es fehle an aktuellen Behandlungsunterlagen und an hinreichenden Anknüpfungstatsachen für die Schmerzensgeldbemessung in der ausgeurteilten Größenordnung von 50.000 €.
Die Beklagten zu 1) und 4) beantragen,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 12.12.2018. Er hat verschiedene Behandlungsunterlagen und Berichte zu seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zur Akte gereicht. Insoweit wird auf seine Schriftsätze vom 30.01.2019 (Bd. 2 Blatt 155) und vom 19.02.2019 (Bd. 2 Blatt 205) nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin LL. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie der Anhörungen der Mutter und des Vaters des Klägers sowie des Beklagten zu 4) wird auf das Protokoll vom 20.02.2019 (Bd. 2 Blatt 220) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen im Ergebnis eine andere Entscheidung.
1. Die Klage ist zulässig.
Insbesondere besteht für den Feststellungsantrag ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO, denn die Beklagten zu 1) und 4) stellen ihre Haftung in Abrede. Außerdem war die Klageerhebung erforderlich, um den Eintritt der Verjährung zu vermeiden. Hierbei kann offenbleiben, ob dem Kläger bereits möglich wäre, neben dem Schmerzensgeld weitere Schadenspositionen mit der Leistungsklage geltend zu machen. Ein Kläger ist nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs- und eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn ein Teil des Schadens schon entstanden ist und mit der Entstehung eines weiteren Schadens jedenfalls nach seinem Vortrag noch zu rechnen ist (BGH, Urteil vom 08. Juli 2003 – VI ZR 304/02 [juris], Rn. 6). Die Kammer hat in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, dass die Entwicklung des Schadens hier insgesamt noch nicht abgeschlossen ist. Die Frage der Haftung dem Grunde nach kann demnach im Rahmen einer Feststellungsklage erfolgen.
2. Die Kammer ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger gegen die Beklagten zu 1) und 4) einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von 50.000,00 € hat. Gegen die Beklagte zu 1) ergibt sich dieser Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 278 S. 1, 328, 823 Abs. 1, 831, 253 Abs. 2 BGB und gegen den Beklagten zu 4) aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB.
a) Zwischen dem Vater des Klägers und der Beklagten zu 1) ist ein Behandlungsvertrag zustande gekommen. Bei einem privat versicherten Kind, das dem Behandelnden von einem Elternteil vorgestellt wird, kommt der Behandlungsvertrag nach §§ 133, 157 BGB mit diesem Elternteil zustande und nicht mit dem minderjährigen Kind (BGH, Urteil vom 28.04.2005 – III ZR 351/04 [juris], Rn. 27). Wie sich aus dem Arztbrief der Beklagten zu 1) vom TT.MM.2012 ergibt, ist der Kläger privat krankenversichert. Unstreitig wurde er von seinem Vater am TT.MM.2012 in der Notaufnahme der Kinderklinik der Beklagten zu 1) vorgestellt.
Die sich aus diesem Behandlungsvertrag ergebenden Sorgfaltspflichten der Beklagten zu 1) bestanden gleichwohl gegenüber dem Kläger selbst und nicht etwa nur gegenüber dessen Vater. Schließen Eltern ein Behandlungsvertrag zugunsten ihres Kindes ab, so schuldet der Arzt gemäß § 328 BGB seinem minderjährigen Patienten persönlich die Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (MK/Wagner, 7. Aufl., § 630a BGB, Rn. 22). Bei Leistungsstörungen stehen dem Dritten die Ansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB zu (Palandt/Grüneberg, 78. Aufl., § 328 BGB, Rn. 5), hier also dem Kläger.
b) Es liegt auch eine Verletzung einer Pflicht aus diesem Schuldverhältnis vor. Der Arztvertrag verpflichtet die Behandlerseite zur Durchführung der Behandlung nach dem Standard des jeweiligen Fachgebiets (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 5. Aufl., Rz. A 402). Hier ist dem Beklagten zu 4) und der Zeugin LL ein Behandlungsfehler vorzuwerfen. Sie sind als Erfüllungsgehilfen der Beklagten zu 1) tätig geworden, so dass dieser die Pflichtverletzung gemäß § 278 S. 1 BGB zuzurechnen ist. Der Behandlungsfehler des Beklagten zu 4) begründet zugleich dessen Fahrlässigkeit im Sinne des §§ 823 Abs. 1, 276 Abs. 2 BGB.
Im Ergebnis ist die Kammer zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 4) und die Zeugin LL die Eltern des Klägers nicht ausreichend über die Gefahren der diagnostizierten Erkrankung, einer ITP, informiert haben. Somit ist eine ordnungsgemäße Sicherungsaufklärung unterblieben.
Als Sicherungsaufklärung wird der Umstand umschrieben, dass der Arzt verpflichtet ist, seinen Patienten nicht nur zu behandeln, sondern ihn auch über alle Umstände zu informieren, die zur Sicherung des Heilungserfolges, zu einem therapiegerechten Verhalten und zur Vermeidung möglicher Selbstgefährdungen des Patienten erforderlich sind (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 5. Aufl., Rz. A 580). Unterlässt es ein Arzt, den Patienten über die Dringlichkeit der - ihm ansonsten zutreffend empfohlenen - medizinisch gebotenen Maßnahmen zu informieren und ihn vor Gefahren zu warnen, die im Falle des Unterbleibens entstehen können, liegt grundsätzlich ein Verstoß gegen die Pflicht zur therapeutischen Beratung des Patienten vor (BGH, Urteil vom 17.11.2015 – VI ZR 476/14 [juris], Rn. 18). Versäumnisse im Bereich der therapeutischen Aufklärung sind keine Aufklärungsfehler, sondern Behandlungsfehler. Dies hat zur Folge, dass grundsätzlich der Patient den Beweis zu führen hat, dass ein medizinisch erforderlicher therapeutischer Hinweis unterblieben oder unzureichend erfolgt ist (BGH, Urteil vom 14.09.2004 – VI ZR 186/03 [juris], Rn. 13).
Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze fehlt es hier an einer ausreichenden Sicherungsaufklärung.
Der Sachverständige Prof. Dr. OO hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 28.11.2016 gut nachvollziehbar ausgeführt, eine stationäre Aufnahme des Klägers sei schon deshalb dringend geboten gewesen, um eine schwere Verlaufsform der durch die vorliegende ITP bedingten Darmblutung auszuschließen. Von dieser Notwendigkeit hätten die Eltern sowohl am TT.MM.2012 als auch noch am TT.MM.2012 eindringlich überzeugt werden müssen. Selbst bei Vernachlässigung der Darmblutung hätten hier durch den Nachweis der IPT nur am Gaumen bzw. an der Unterlippe Blutungen im Schleimhautbereich vorgelegen. Die ITP des Klägers sei daher auch nach der internen Leitlinie der Beklagten zu 1) - Bd. 1 Blatt 100 - als moderat einzustufen gewesen. Angesichts der sehr niedrigen Thrombozyten habe eine Prednison-Therapie mit den Eltern diskutiert werden sollen. Wenn diese sich trotz dieser Empfehlungen und entsprechenden Aufklärungen gegen einen stationären Aufenthalt und/oder die Therapie entschieden hätten, habe zumindest eine intensive Aufklärung über die Gefahren der ITP erfolgen müssen. Die intensive Aufklärung der Familie über die hohe Blutungsgefahr auch bei minimalen Unfällen und das Verbot von sportlicher Betätigung und Maßnahmen zur Minimierung von Traumata gehöre zur notwendigen Grundtherapie der ITP. Die effektivste Unfallprävention sei die komplette Bettruhe, die aber insbesondere im häuslichen Milieu kaum durchsetzbar sei, da die betroffenen Kinder sich gesund fühlten. Zumindest sei sicherzustellen, dass die Kinder in dieser Phase lückenlos unter Beobachtung stünden, von gefährlichen Aktivitäten abgehalten und auch bei leichten Traumata ärztlich vorgestellt und stationär überwacht würden. Die Eltern seien auf die Möglichkeit schwerer Blutungsfolgen auch nach Minimaltraumata hinzuweisen.
Da hier weder eine stationäre Aufnahme erfolgt noch eine Therapie durchgeführt worden ist, musste nach diesen überzeugenden Ausführungen eine intensive Aufklärung der Kindseltern über die Gefahren der ITP erfolgen, insbesondere in Bezug auf die hohe Blutungsgefahr auch bei minimalen Unfällen.
Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. OO sachlich unrichtig wären, sind nicht ersichtlich. Insbesondere stehen sie nicht in Widerspruch zu den Darlegungen in dem Gutachten der Frau Dr. QQ vom 30.09.2018, welches die Beklagten zu 1) und 4) zur Akte gereicht und sich inhaltlich zu eigen gemacht haben. Auch Frau Dr. QQ vertritt den Standpunkt, dass eine intensive Aufklärung zu erfolgen hat. Sie bezieht sich auf Seite 10 ihres Gutachtens auf die Deutsche Leitlinie ITP im Kindesalter 2011, wo es heißt:
„Die beste uns zur Verfügung stehende Prophylaxe ist die Information von Eltern/Patienten über Verhaltensmaßnahmen bei ITP: Vermeiden von Traumata und Medikamenten, welche die Hämostase beeinträchtigen.“
Auf Seite 5 ihres Gutachtens nimmt sie Bezug auf die Passage im Gutachten des Prof. Dr. OO, wo es heißt, nach den Angaben der Eltern seien diese nicht über notwendige Schutzmaßnahmen aufgeklärt worden. Hierzu führte sie aus, es sei davon auszugehen, dass in einem einstündigen Gespräch eine umfassende Aufklärung erfolgt sei. Die Erforderlichkeit einer Aufklärung über notwendige Schutzmaßnahmen stellt sie damit gerade nicht in Abrede.
Frau Dr. QQ nimmt in ihrem Gutachten außerdem Bezug auf ein von Frau Dr. RR abgefasstes Informationsblatt, in dem es unter der Frage „Wie verhalte ich mich bei ITP?“ heißt, ein stationärer Aufenthalt bei der Diagnosestellung sei nur in Ausnahmefällen notwendig. Kinder könnten in den Kindergarten bzw. in die Schule gehen. Allerdings müsse jede Aktivität, bei der es zu einem Sturz aus einer Höhe kommen könne (Klettergerüst, Barren, Reck, Ringe, Kletterwand) vermieden werden. Alle anderen Sportarten seien mit entsprechendem Schutz (Helm) erlaubt.
Diese Ausführungen der Frau Dr. QQ mögen zwar der Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. OO entgegenstehen, eine stationäre Aufnahme des Klägers sei am TT.MM.2012 bzw. TT.MM.2012 erforderlich gewesen. Sie bestätigen aber die Annahme, dass die Vermeidung von Traumata durch die Information der Eltern eines betroffenen Kindes ein für die Behandlung zentraler Gesichtspunkt ist.
Damit steht fest, dass der Beklagte zu 4) und die Zeugin LL verpflichtet waren, die Eltern des Klägers intensiv über die Gefahren der ITP aufzuklären, insbesondere über die hohe Blutungsgefahr bei auch minimalen Unfällen. Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht fest, dass hier keine Sicherungsaufklärung erfolgt ist, welche diesen Erfordernissen gerecht würde.
Eine Behauptung ist bewiesen, wenn das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugt ist. Unerfüllbare Anforderungen sind hierbei nicht zu stellen. Da eine absolute Gewissheit nicht zu erreichen ist, genügt hierfür ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, ein für einen vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (Thomas/Putzo/Reichold, 38. Auflage, Rn. 2 zu § 286 ZPO).
Der Vater des Klägers hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch den Senat erklärt, er sei über die Gefahr einer Hirnblutung nicht aufgeklärt worden. Er mache sich selber Vorwürfe, dass er nicht richtig nachgedacht habe.
Wie noch zu zeigen wird, ist zwar davon auszugehen, dass eine Aufklärung über das Risiko von Blutungen durch die Zeugin LL und den Beklagten zu 4) in einem gewissen Umfang erfolgt ist. Gleichwohl ist die Einlassung des Kindsvaters insoweit plausibel, als sie erkennen lässt, dass die Aufklärung nicht so intensiv erfolgt ist, wie dies nach den vorstehenden Ausführungen erforderlich gewesen wäre. Aus den Angaben des Kindsvaters ergibt sich nämlich in überzeugender Weise, dass ihm nicht so dringlich vor Augen geführt worden ist, dass auch ein Bagatelltrauma geeignet war, im Gehirn des Klägers eine Blutung zu verursachen, dass er dies am TT.MM.2012 erinnert und sein weiteres Verhalten hieran ausgerichtet hätte.
Nachdem er von dem Sturz des Klägers aus dem Kinderstuhl erfahren hatte, hat er noch mehrere Stunden verstreichen lassen, bevor er diesen wieder in der Kinderklinik der Beklagten zu 1) vorgestellt hat. Unterstellt man eine ordnungsgemäße Belehrung des Kindsvaters über die Gefahren der ITP, müsste er die erforderliche Wiedervorstellung trotz bestehender Kenntnis der hiermit einhergehenden schwerwiegenden Risiken für Leib und Leben des Klägers, seines Kindes, verzögert haben. Ein solches Verhalten wäre unerklärlich. Es würde auch nicht dazu passen, dass er den Kläger am TT.MM.2012 und am TT.MM.2012 hat untersuchen lassen. Unterstellt man, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung erfolgt ist, wäre aus Sicht des Kindsvaters die Wiedervorstellung nach dem Sturz wegen der dann konkret bestehenden Gefahr einer Hirnblutung dringlicher geboten gewesen als an den Tagen zuvor. Für eine derartige Unterlassung trotz erfolgter Aufklärung gibt es hier keine vernünftige Erklärung.
Hierbei verkennt der Senat nicht, dass der Vater des Klägers in dessen Lager steht. Dass er sich hierdurch bewusst oder unbewusst zu Falschangaben gegenüber der Kammer oder dem Senat hätte leiten lassen, ist jedoch nicht ersichtlich. Hierbei ist hervorzuheben, dass er – wie auch die Kindsmutter - keine einseitig dem Kläger günstige Angaben gemacht hat. Vielmehr haben beide Kindeseltern eingeräumt, der Beklagte zu 4) habe auch gesagt, sie sollten wiederkommen, wenn noch etwas wäre. Auch in Bezug auf die Zeugin LL macht der Vater des Klägers nicht etwa geltend, diese habe die Situation heruntergespielt. Vielmehr hat sie ihm gegenüber nach seinen eigenen Angaben am TT.MM.2012 erklärt, man habe Zeit, der Kläger bleibe ja sowieso hier. Nach den Angaben des Kindsvaters hat die Zeugin LL damit zu erkennen gegeben, dass sie eine stationäre Aufnahme des Klägers für geboten gehalten hat.
Auch die Aussage der Zeugin LL steht der Annahme, dass der Kindsvater nicht hinreichend intensiv über die Gefahren der ITP aufgeklärt worden ist, nicht entscheidend entgegen. Diese hat zwar vor dem Senat bekundet, sie erinnere sich daran, dass sie im Gespräch mit dem Vater des Klägers vom TT.MM.2012 eine stationäre Aufnahme habe erreichen wollen. Sie erinnere sich, dass dieser habe wissen wollen, warum dies erforderlich sei. Sie habe in diesem Zusammenhang von dem erhöhten Blutungsrisiko im Kopf berichtet. Mit der stationären Unterbringung wolle man das Unfallrisiko reduzieren.
Der Senat ist davon überzeugt, dass eine Belehrung des Kindsvaters durch die Zeugin LL in dieser Form nicht erfolgt ist. Ihre Aussage überzeugt nicht. Sie hat wie auch schon in der Vorinstanz ausgesagt, sie habe an das vom TT.MM.2012 noch Erinnerungen. Insbesondere hat sie vor dem Senat erklärt, sie habe eine konkrete Erinnerung daran, dass über das Risiko einer Hirnblutung gesprochen worden sei. An den genauen Wortlaut könne sie sich nicht erinnern, aber sie wisse noch, dass der Kindsvater wegen der familiären Betreuungssituation keine stationäre Aufnahme gewollt habe. Sie habe nicht auf eine stationäre Aufnahme gedrängt. Sie habe erörtert, weshalb eine solche Aufnahme erfolgen sollte.
Das Gespräch, auf welches sich diese Aussage bezieht, hat am TT.MM.2012 stattgefunden. Die Zeugin ist am 25.05.2018 durch das Landgericht und am 20.02.2019 durch den Senat vernommen worden. Zwischen dem Gespräch und den Vernehmungen ist somit ein Zeitraum von ganz erheblicher Dauer verstrichen. Vor diesem Hintergrund ist der Umstand, dass die Zeugin LL noch konkrete Erinnerungen an den Inhalt des Gesprächs mit dem Kindsvater gehabt haben will, erklärungsbedürftig. Gründe für das Vorhandensein solcher Erinnerungen hat weder die Zeugin angegeben noch sind sie sonst ersichtlich. Insbesondere ist der Inhalt des Gesprächs vom TT.MM.2012 an sich nicht so ungewöhnlich, dass sich hiermit eine Erinnerung der Zeugin LL auch nach so langer Zeit erklären ließe. Sie war zum damaligen Zeitpunkt als Ärztin in der Notfallambulanz der Kinderklinik der Beklagten zu 1) tätig. Gespräche mit Eltern erkrankter Kinder haben demnach lebensnah zu ihrem Arbeitsalltag gehört.
Auch die ärztliche Dokumentation stützt die Darstellung des Gesprächsinhalts durch die Zeugin LL nicht. In dem von ihr am TT.MM.2012 erstellten Arztbrief (im Anlagenband BV) hat sie festgehalten, sie habe eine stationäre Aufnahme angeboten. Am Folgetag solle eine Kontrolle bei dem Beklagten zu 4) um 10:30 Uhr erfolgen. Es sei eine Aufklärung über die Genese, mögliche Komplikationen und die Notwendigkeit der sofortigen Wiedervorstellung erfolgt. Diese Angaben sind zwar Teil der ärztlichen Dokumentation. Da es keinen Anhalt für deren Veränderung oder Verfälschung und auch keine inhaltlichen Widersprüche innerhalb der Dokumentation gibt, kommt ihnen zugunsten der Behandlerseite, hier also der Beklagten zu 1) und 4), Indizwirkung zu (vgl. OLG München, Urteil vom 15.07.2911 – 1 U 5092/10 [juris], Rn. 27; OLG Frankfurt, Urteil vom 18.12.2014 – 22 U 57/12 [juris], Rn. 22; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 5. Auflage, Rz. D 202). Dass überhaupt eine Aufklärung über die angesprochenen Gesichtspunkte stattgefunden hat, kann deshalb unterstellt werden. Die Aussage der Zeugin LL, sie habe eine stationäre Aufnahme des Klägers erreichen wollen und in dem Gespräch vom TT.MM.2012 gegenüber dem Kindsvater auch das erhöhte Risiko einer Blutung im Kopf dargelegt, findet in dieser allgemein gehaltenen Dokumentation jedoch keine Stütze, denn diese konkreten Angaben finden keine Erwähnung.
Lebensnah ist auf Grundlage der Dokumentation in dem Arztbrief vom TT.MM.2012 davon auszugehen, dass die Zeugin LL den Vater des Klägers zumindest darüber aufgeklärt hat, dass Komplikationen in der Gestalt von Blutungen auftreten können, denn aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. OO ergibt sich allgemein, dass die ITP mit einer hohen Blutungsgefahr einhergeht. Es liegt deshalb nahe, dass es sich bei den Komplikationen, die in dem Arztbrief vom TT.MM.2012 angesprochen werden, um dieses für die ITP typische Risiko handelt. Weiter ist auf Grundlage der Dokumentation davon auszugehen, dass der Kindsvater auch über die Notwendigkeit aufgeklärt worden ist, dass gegebenenfalls eine sofortige Wiedervorstellung zu erfolgen hatte. Es ist darüber hinaus anzunehmen, dass ihm der Dokumentation entsprechend eine stationäre Aufnahme des Klägers angeboten worden ist. Dies genügt jedoch dem hier erforderlichen Maß an Aufklärung nicht, denn es wäre erforderlich gewesen, ihn intensiv über die Gefahren der ITP aufzuklären, insbesondere auch über das Risiko einer Hirnblutung auch nach einem Bagatelltrauma. Aus dem Umstand, dass eine stationäre Aufnahme angeboten worden ist, lässt sich jedoch nicht schließen, dass der Kindsvater darüber aufgeklärt worden ist, dass dies auch der Vermeidung von Unfällen dienen sollte. Aus der Dokumentation ergibt sich außerdem nicht, in welchen Fällen eine sofortige Wiedervorstellung notwendig sein sollte.
Entsprechende Angaben will die Zeugin LL zwar gemacht haben. Bei der hier gebotenen Gesamtschau der vorstehenden Gesichtspunkte bleiben jedoch keine ernsthaften Zweifel daran, dass dies in der Sache nicht zutreffen kann.
Eine hinreichende Aufklärung der Kindseltern ist auch nicht am TT.MM.2012 durch den Beklagten zu 4) erfolgt. Dieser hat zwar nach den übereinstimmenden Angaben der Mutter und des Vaters des Klägers erklärt, wenn noch irgendetwas sein sollte, sollten diese sofort wiederkommen. Darüber hinaus hat der Beklagte zu 4) bei seiner Anhörung durch den Senat erklärt, er erinnere sich daran, auch auf Blutungskomplikationen hingewiesen zu haben, insbesondere auf das in ganz seltenen Fällen gegebene Risiko einer Hirnblutung. Zugleich hat er eingeräumt, mit den Eltern nicht über etwaige Schutzmaßnahmen gesprochen zu haben, weil er angenommen habe, dies sei ihnen als Ärzte nach dem Hinweis auf das Blutungsrisiko hinreichend klar gewesen.
Diese gut nachvollziehbaren Angaben überzeugen. Der Beklagte zu 4) differenziert in seinen Angaben. Insbesondere räumt er ein, nicht über Schutzmaßnahmen gesprochen zu haben, was ihm auch für ihn erkennbar ungünstig ist. Hinzu kommt, dass der Beklagte zu 4) den Kindsvater nach eigenen Angaben aus dessen früherer Tätigkeit in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie der Beklagten zu 1) kannte. Anders als hinsichtlich der Aussage der Zeugin LL besteht also ein gut nachvollziehbarer Grund, warum der Beklagte zu 4) noch Erinnerungen an das Aufklärungsgespräch hat.
Demnach ist zwar die Behauptung des Klägers, seine Eltern seien in keiner Weise über das bestehende Blutungsrisiko belehrt worden, nicht bewiesen, denn es besteht kein Grund, den Angaben des Kindsvaters hier mehr Glauben zu schenken als jenen des Beklagten zu 4). Gleichwohl ergibt sich auch bei Berücksichtigung der Angaben des Beklagten zu 4) bei seiner persönlichen Anhörung durch den Senat nicht, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung der Eltern des Klägers erfolgt wäre. Auch der Beklagte zu 4) hat die Gefahren der ITP nicht hinreichend deutlich gemacht. Da über Schutzmaßnahmen nicht gesprochen worden ist, fehlt es insoweit an klaren Handlungsanweisungen an die Kindeseltern. Außerdem wurde der Zusammenhang zwischen einem Bagatelltrauma und einer Hirnblutung nicht in ausreichender Weise deutlich gemacht. Vielmehr hat der Beklagte zu 4) nach eigenen Angaben dargelegt, es könne in ganz seltenen Fällen das Risiko einer Hirnblutung bestehen. Da er die wegen dieses Risikos hier gegebene Erforderlichkeit von Schutzmaßnahmen nicht erwähnt hat, ist den Kindeseltern nicht mit der hier gebotenen Deutlichkeit vor Augen geführt worden, dass die Möglichkeit bestanden hat, dass es infolge eines Bagatelltrauma zu einer Blutung im Gehirn des Klägers kommen konnte. Dass hiergegen konkrete Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, obwohl bei der ITP nach den Angaben des Beklagten zu 4) nur in ganz seltenen Fällen das Risiko einer Hirnblutung bestanden hat, versteht sich zum einen nicht von alleine. Zum anderen hätte gerade die Belehrung, dass trotz der Seltenheit dieser Komplikation konkrete Maßnahmen zum Schutz des Patienten geboten waren, die drohenden Gefahren verdeutlicht. Die konkrete Aufklärung der Kindeseltern durch den Beklagten zu 4) wird damit den Anforderungen einer intensiven Aufklärung, die aus den oben genannten Gründen in Fällen der streitgegenständlichen Art zu erfolgen hat, nicht gerecht.
Dem entsprechen die Angaben der Kindseltern zu diesem Gespräch. Der Vater des Klägers ist, wie oben bereits dargestellt, aus seiner Sicht nicht über das Bestehen einer Blutungsgefahr hingewiesen worden. Die Kindsmutter, die bei dem Gespräch mit dem Beklagten zu 4) ebenfalls anwesend war, hat vor dem Senat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung erklärt, die Diagnose und die Therapieoptionen seien erklärt worden. Es sei auch gesagt worden, sie sollten wiederkommen, wenn noch etwas sein sollte. Weiter sei dies nicht detailliert worden. Diese nachvollziehbaren Angaben verdeutlichen, dass im Ergebnis auch am TT.MM.2012 nicht in ausreichender Form über das Blutungsrisiko und die hiermit verbundenen Vorsichtsmaßnahmen belehrt worden ist. Hervorzuheben ist noch einmal, dass nicht nachvollziehbar ist, warum der Kindsvater die Wiedervorstellung des Klägers am TT.MM.2012 hätte verzögern sollen, wenn ihm das Risiko einer Hirnblutung vor Augen geführt worden und damit bewusst gewesen wäre.
Auch wenn man die Gespräche vom TT.MM.2012 und vom TT.MM.2012 in ihrer Gesamtheit betrachtet, fehlt es an einer ordnungsgemäßen Aufklärung. Zusammengefasst haben sowohl die Zeugin LL den Kindsvater als auch der Beklagte zu 4) die Kindeseltern über ein Blutungsrisiko und die Notwendigkeit einer Wiedervorstellung belehrt. Ein hinreichend klarer Hinweis auf die Gefahr der Entstehung einer Hirnblutung auch nach einem Bagatelltrauma ist hingegen jeweils nicht erfolgt. Diese Lücke verbleibt auch, wenn man beide Aufklärungsgespräche in ihrer Gesamtheit betrachtet. Der Umstand, dass die unzureichende Belehrung wiederholt worden ist, schließt sie nicht.
Entgegen der Auffassung der Beklagten war eine Belehrung in diesem Punkt auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Kindeseltern beide selbst Ärzte sind. Auch insoweit überzeugend hat der Sachverständige Prof. Dr. OO in seinem schriftlichen Gutachten vom 28.11.2016 ausgeführt, bei ärztlichen Kollegen könne zwar vorausgesetzt werden, dass sie über das allgemeine Blutungsrisiko bei niedrigen Thrombozytenzahlen Bescheid wissen. Die Kenntnis darüber, dass das Risiko für eine Hirnblutung bei ITP mit 1 zu 200 durchaus praxisrelevant sei, könne bei einem Nicht-Kinderarzt jedoch nicht vorausgesetzt werden.
Nach alledem steht fest, dass eine ordnungsgemäße therapeutische Aufklärung der Kindseltern über die mit der ITP verbundenen Risiken und die deswegen erforderlichen Schutzmaßnahmen hier nicht erfolgt ist. Dem Senat ist bewusst, dass der Bejahung einer Verletzung der Pflicht zur Sicherungsaufklärung angesichts der gegebenen Sachlage in diesem Fall ein strenger Maßstab zugrunde liegt. Insbesondere zieht eine Sicherungsaufklärung, die den oben aufgezeigten Erfordernissen gerecht wird, für die Behandlerseite einen nicht unerheblichen Arbeitsaufwand nach sich. Gleichwohl ist dies nicht unverhältnismäßig. Die Lebenserfahrung zeigt, dass Bagatelltraumata bei Kleinkindern häufig vorkommen. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, war bei dem Kläger infolge der ITP auch ein Bagatelltrauma geeignet, eine Hirnblutung zu verursachen. Es bestanden damit erkennbar ganz erhebliche Gefahren für die Gesundheit und das Leben des Klägers. Wägt man die nicht fernliegende Gefahr eines erheblichen Schadens bis hin zum Tod gegen den mit einer intensiven Sicherungsaufklärung verbundenen Aufwand ab, ergibt sich bei einer umfassenden Abwägung der oben genannten Umstände, dass die Anforderungen an die Aufklärung, die dieser Entscheidung zugrunde liegen, angemessen sind.
c) Eine Verletzung des Körpers des Klägers liegt vor. Er hat unstreitig am TT.MM.2012 eine Gehirnblutung erlitten.
d) Die oben dargestellte Pflichtverletzung ist auch für die Körperverletzung kausal. Den Beklagten ist zuzugeben, dass es in diesem Punkt an ausdrücklichem Vortrag des Klägers fehlt. Allerdings hat die Kammer in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, sie sei davon überzeugt, dass bei entsprechender Information eine sofortige Vorstellung nach dem Sturz des Klägers vom Stuhl erfolgt und hierdurch das Auftreten einer Hirnblutung durch eine rechtzeitige Intervention vermieden worden wäre.
Diese ihm günstigen Ausführungen sind Gegenstand des Vortrags des Klägers. Treten in einer Beweisaufnahme Umstände zu Tage, die einer Partei günstig sind, ist regelmäßig davon auszugehen, dass diese sie sich zu eigen macht, auch wenn dies nicht ausdrücklich geschieht (BGH, Urteil vom 28.05.2013 – XI ZR 420/10 [juris], Rn. 21; BGH, Beschluss vom 10.11.2009 – VI ZR 325/08 [juris], Rn. 5; BGH, Urteil vom 08.01.1991 – VI ZR 102/90 [juris], Rn. 9). Für Ausführungen in den Entscheidungsgründen kann nichts anderes gelten. Dafür, dass der Kläger sich die für ihn günstigen Ausführungen der Kammer nicht wenigstens hilfsweise zu Eigen gemacht hat, ist nichts ersichtlich.
Dafür, dass bei einer ordnungsgemäßen Sicherungsaufklärung nach dem Sturz von dem Kinderstuhl eine sofortige Wiedervorstellung des Klägers in der Kinderklinik der Beklagten zu 1) erfolgt wäre, streitet hier die tatsächliche Vermutung, dass die Kindeseltern sich der Aufklärung entsprechend, also aufklärungsrichtig, verhalten hätten. Derjenige, der eine vertragliche Aufklärungspflicht verletzt, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, der Geschädigte sich also nicht aufklärungsrichtig verhalten hätte, denn ansonsten würde der Schutzzweck der Aufklärung nicht voll erreicht (BGH, Urteil vom 28.03.1989 – VI ZR 157/88 [juris], Rn. 16; OLG Köln, Urteil vom 22.09.2010 – 5 211/08 [juris], Rn. 66; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 5. Aufl., Rz. A 609). Umstände, die diese Vermutung erschüttern könnten, sind hier weder dargetan noch sonst ersichtlich. Vielmehr zeigt das Verhalten der Kindeseltern, dass sie bei der gebotenen Aufklärung den Sturz des Klägers von dem Kinderstuhl zum Anlass genommen hätten, ihn erneut vorzustellen. Sie hatten sie bereits an den beiden vorhergehenden Tagen vorgestellt. Die Mutter hat den Sturz beobachtet. Darüber ist sie nicht etwa hinweggegangen, sondern hat dem Kindsvater davon berichtet, der den Kläger sodann untersucht hat, wobei er nichts hat feststellen können. Die Kindeseltern sind damit insgesamt ihren elterlichen Fürsorgepflichten nachgekommen. Es spricht vor diesem Hintergrund nichts dagegen, dass sie den Kläger nach dem Sturz ohne weiteres Zuwarten vorgestellt hätten, wenn ihnen infolge einer ordnungsgemäßen Aufklärung bewusst gewesen wäre, dass dies dringend erforderlich gewesen ist.
Dem Landgericht ist darin beizupflichten, dass eine Hirnblutung bei einer rechtzeitigen Intervention vermieden worden wäre. Zutreffend bezieht das Landgericht sich hierbei auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. PP, der in der Sitzung vom 25.05.2018 vor der Kammer dargelegt hat, es habe erhebliche Möglichkeiten gegeben, wenn das Kind sofort nach dem Sturz in der Klinik vorgestellt worden wäre. Es sei unwahrscheinlich, dass eine Hirnblutung primär aufgetreten sei, da sich in diesem Fall sehr viel früher neurologische Ausfälle gezeigt hätten. Vielmehr sei zunächst ein Subduralhämatom aufgetreten, das sich langsam entwickelt und dann zunehmend Druck auf das Gehirn und die Gefäße ausgeübt habe, was im weiteren Verlauf zu der aufgetretenen Hirnblutung geführt habe. In der Folge sei eine sofortige Operation möglich gewesen. Hierbei hätte das Subduralhämatom ausgeräumt werden können. Es sei sehr wahrscheinlich, dass hierbei zumindest deutlich geringere Substanzschäden verblieben wären. Eventuell wären dann leichte Konzentrationsschwächen verblieben. Die lokalen Schäden, wie die Hemiparese und die Sehstörungen, wären aber nicht aufgetreten. Der heutige Zustand des Klägers sei nachvollziehbar und sicher Folge der Verletzung. Insoweit handele es sich um typische Folgen, die man immer wieder beobachte.
Anhaltspunkte dafür, diese gut nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen könnten sachlich unzutreffend sein, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich aus dem Gutachten der Frau Dr. QQ vom 30.09.2018, welches die Beklagten zu 1) und 4) mit der Berufungsbegründung vorgelegt haben (Anlage BB 1) nichts, was gegen die Kausalität zwischen der infolge der nicht ordnungsgemäßen Sicherungsaufklärung eingetretenen Verzögerung und dem Eintritt der Hirnblutung spricht.
e) Nach alledem sind die Beklagten zu 1) und 4) verpflichtet, dem Kläger die Schäden zu ersetzen, die ihm durch die oben genannte Pflichtverletzung entstanden sind. Da sie beide die Leistung ganz zu bewirken haben, der Kläger die Leistung aber nur einmal fordern kann, haften sie als Gesamtschuldner (§ 421 S. 1 BGB).
f) Gemäß § 253 Abs. 2 BGB umfasst der Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Verletzung des Körpers auch eine billige Entschädigung in Geld wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht das Schmerzensgeld mit 50.000,00 € beziffert hat.
Das Schmerzensgeld hat rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige Lebenshemmung, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (BGH, Beschluss vom 16.09.2016 – VGS 1/16 [juris], Rn. 48). Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der billigen Entschädigung. Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden hat aber auch die Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immaterielle Schäden nicht wegzudenken ist (BGH, Beschluss vom 16.09.2016 – VGS 1/16 [juris], Rn. 49). Der unbestimmte Rechtsbegriff der "billigen Entschädigung" ist im Ergebnis dahin auszulegen, dass bei der Bemessung der "billigen Entschädigung" durch den Richter alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden dürfen. Davon zu unterscheiden ist die Frage, wie die einzelnen Umstände bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu gewichten sind (BGH, Beschluss vom 16.09.2016 – VGS 1/16 [juris], Rn. 53). Dabei stehen die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung ganz im Vordergrund. Bei den unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu berücksichtigenden Umständen hat die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen stets das ausschlaggebende Moment zu bilden; der von dem Schädiger zu verantwortende immaterielle Schaden, die Lebensbeeinträchtigung steht im Verhältnis zu den anderen zu berücksichtigenden Umständen immer an der Spitze (BGH, Beschluss vom 16.09.2016 – VGS 1/16 [juris], Rn. 54). Daneben können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge geben, wie der Grad des Verschuldens des Schädigers, im Einzelfall aber auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten oder diejenigen des Schädigers. Ein allgemein geltendes Rangverhältnis aller anderen zu berücksichtigenden Umstände lässt sich nicht aufstellen, weil diese Umstände ihr Maß und Gewicht für die Höhe der billigen Entschädigung erst durch ihr Zusammenwirken im Einzelfall erhalten (BGH, Beschluss vom 16.09.2016 – VGS 1/16 [juris], Rn. 55).
Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 € jedenfalls angemessen. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass eine Operation auch bei pflichtgerechtem Verhalten der Beklagten zu 1) und 4) hätte erfolgen müssen, nämlich zur Ausräumung des subduralen Hämatoms. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. PP wären auch in diesem Fall eventuell leichte Konzentrationsschwächen verblieben. Die Hemiparese und die Sehstörungen, unter denen der Kläger leidet, wären in diesem Fall jedoch nicht aufgetreten. Hierzu ergibt sich aus dem Arztbrief des Sozialpädiatrischen Instituts (…) vom 16.05.2017, dass die Funktion der linken Hand und die bi-manuelle Handfunktionen bei dem Kläger eingeschränkt sind. Er läuft mit dem Muster der bekannten leichten unilateralen Zerebralparese links. Er bedarf konstanter Förderung und Therapie und benötigt in der Schule eine Assistenz und auch pädagogische Unterstützung (Bd. 2 Blatt 161). Aus dem Wiederholungsgutachten der (…) vom 14.07.2017 (Bd. 2 Blatt 170) ergeben sich ebenfalls erhebliche Einschränkungen. Der linke Arm und die Hand des Klägers sind in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt. Das Gehen ist sicher, aber er hinkt auf dem linken Bein. Das Sehvermögen ist eingeschränkt.
Auch nach dem Arztbrief des Sozialpädiatrischen Instituts (…) vom 18.02.2019 (Bd. 2 Blatt 207) ergeben sich noch Beeinträchtigungen. Demnach ergab die ergotherapeutische Diagnostik vom 11.02.2019 weiterhin deutliche Einschränkungen in der bi-manuellen Handfunktion und in der visuellen Wahrnehmungsverarbeitung. Der Kläger, so wird in diesem Arztbrief ausgeführt, werde sicherlich noch längerfristig eine konstante Förderung, sonderpädagogische Unterstützung und eine Integrationskraft benötigen, um im Regelschulbereich erfolgreich mitarbeiten zu können. Zu den Sehstörungen führt die Förderschullehrerin TT in ihrem Fördergutachten vom 30.01.2019 (Bd. 2 Blatt 215) aus, die Bewegungswahrnehmung des Klägers im linken Gesichtsfeld sei eingeschränkt. Das räumliche Sehen sei verändert, da beidäugiges Sehen nur rudimentär vorhanden sei. Außerdem leidet der Kläger unter einem Nystagmus. Das Sehen fordere wegen der Beeinträchtigungen eine erhöhte Konzentration des Klägers. Auch benötige er für das Sehen mehr Zeit als ein normalsichtiger Mensch.
Die Beklagten zu 1) und 4) haben zu diesen Unterlagen keine inhaltliche Stellungnahme abgegeben (Bd. 2 Blatt 132). Der gegenwärtige Zustand des Klägers ist demnach unstreitig. Demnach steht fest, dass er nach wie vor unter den Folgen der Hirnblutung leidet. Dies drückt sich insbesondere in Bewegungseinschränkungen aus, die mit der linksseitigen Hemiparese einhergehen. Insbesondere ist die bi-manuelle Handfunktion gestört. Er leidet unter einer Sehstörung. Beides beeinträchtigt ihn in seinem Alltag, insbesondere beim Schulbesuch, bei dem er Assistenz benötigt. Es handelt sich hierbei um tiefgreifende Beeinträchtigungen der Lebensqualität des Klägers, die von langer Dauer sind und ihn auf absehbare Zeit auch weiterhin begleiten werden. Diese Umstände haben in die Bemessung des Schmerzensgeldes ebenso einzufließen wie vergleichbare Entscheidungen. Hierbei berücksichtigt der Senat die Entscheidung des OLG Saarbrücken vom 28.01.1994 (3 U 160/92). Dort hatte ein 5-jähriges Kind ein Schädel-Hirn-Trauma dritten Grades erlitten. Es lag dreieinhalb Wochen im Koma und musste drei stationäre Aufenthalte von ca. acht Monaten über sich ergehen lassen. Als Dauerschaden war eine mäßige Hemiparese rechts eingetreten. Es war zu rechts betonten Koordinationsstörungen gekommen, einem Spitzfuß rechts mit leichter Beinverkürzung rechts, Sprachstörungen mit verlangsamter Sprechfähigkeit, zerebralen Krampfanfall und einer mentalen Limitierung. Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat in diesem Fall ein Schmerzensgeld von indexiert 64.072,00 € zugesprochen. Insbesondere die dort eingetretenen Dauerschäden sind mit den Schäden, unter denen der Kläger leidet, vergleichbar.
Betrachtet man die vorstehenden Gesichtspunkte in ihrer Gesamtheit, ist hier ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 € jedenfalls angemessen.
g) Die Beklagten zu 1) und 4) sind auch nicht gemäß § 214 Abs. 1 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern. Verjährung ist nicht eingetreten. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass Verjährung mit Ablauf des Jahres 2015 eingetreten wäre. Die Klageschrift ist jedoch per Fax am 29.12.2015 und im Original am ein 30.12.2015 bei dem Landgericht eingegangen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts ist die Gerichtskostenrechnung am 14.01.2016 erstellt worden. Die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses ist am 28.01.2016 und damit jedenfalls binnen zwei Wochen nach Zugang der Vorschussrechnung bei der Gerichtskasse eingegangen. Die am 08.02.2016 erfolgte Zustellung ist damit demnächst im Sinne des § 167 ZPO erfolgt, so dass es hier für die Hemmung der Verjährung auf den Eingang der Klageschrift und nicht auf das Datum der Zustellung ankommt. Die Verjährungshemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist damit in nicht rechtsverjährter Zeit eingetreten.
3. Der Kläger hat gegen die Beklagten zu 1) und 4) als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 50.000,00 € seit dem 09.02.2016 gemäß §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB.
Die Zustellung der Klageschrift, mit welcher der Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes geltend gemacht worden ist, wurde der Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 4) jeweils am 08.02.02016 zugestellt (Bd. 1 Blatt 42R, 44R). In entsprechender Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB ist die berechtigte Klageforderung vom folgenden Tag an zu verzinsen. Der Zinssatz beträgt gemäß § 288 Abs. 1 S. 2 BGB fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
4. Dem Landgericht ist schließlich darin beizupflichten, dass auch der Feststellungsantrag begründet ist. Die Leistungspflicht der Beklagten zu 1) und 4) ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen. Zutreffend hat das Landrecht ausgeführt, dass im Hinblick auf die noch nicht abgeschlossene gesundheitliche Entwicklung sowohl weitere materielle als auch noch nicht absehbare immaterielle Schäden möglich sind.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 541 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Ebenso wenig erfordert hier die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 541 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO).