Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 20.05.2019, Az.: 10 W 7/19 (Lw)

Unzulässigkeit der Beschwerde gegen die Erteilung eines Hoffolgezeugnisses

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
20.05.2019
Aktenzeichen
10 W 7/19 (Lw)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69598
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - AZ: 2 Lw 149/18

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Beschwerde gegen die Erteilung, Einziehung oder Kraftloserklärung eines Hoffolgezeugnisses ist gem. § 72 Abs. 1 NJG unzulässig. Die zur Feststellung des Erbrechts erforderlichen Tatsachen sind im Hoffeststellungsverfahren gem. § 11 HöfeVfO abschließend zu klären.

Die Beschwerde gegen die Erteilung, Einziehung oder Kraftloserklärung eines Hoffolgezeugnisses ist gem. § 72 Abs. 1 NJG unzulässig. Die zur Feststellung des Erbrechts erforderlichen Tatsachen sind im Hoffeststellungsverfahren gem. § 11 HöfeVfO abschließend zu klären.

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Landwirtschaftsgericht – Vechta vom 23.1.2019 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 1.000.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Erteilung eines Hoffolgezeugnisses.

Die am TT.MM.2018 verstorbene Erblasserin war Eigentümerin einer landwirtschaftlichen Besitzung in (Ort1), die mit Hofvermerk im Grundbuch von (..) Blatt (…), eingetragen ist. Der Hof hat eine Größe von ca. 75 ha. Die Beteiligten zu 1.-3. sind die Kinder der Erblasserin. Diese hat keine Verfügung von Todes wegen hinterlassen. Der Beteiligte zu 2. ist ausgebildeter Landwirt und bewirtschaftet den Hof seit 1996 als Pächter. Er bewirtschaftet eine weitere, seit dem Tod des Vaters der Beteiligten in seinem Eigentum stehende landwirtschaftliche Besitzung, eingetragen im Grundbuch von (…) Blatt (…), mit einer Gesamtgröße von knapp 44 ha. Der Beteiligte zu 2. hat darüber hinaus knapp 7 ha landwirtschaftliche Flächen von Dritten gepachtet und betreibt eine Schweinemast mit ca. 2.500 Plätzen.

Der Beteiligte zu 2. hat am TT.MM.2018 durch die Notarin (…) die Erteilung eines Hoffolgezeugnisses beantragt. Das Landwirtschaftsgericht hat mit Beschluss vom 23.1.2019 die für die Erteilung des Hoffolgezeugnisses erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und aufgrund des Widerspruchs des Beteiligten zu 1. die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses ausgesetzt und die Erteilung des Hoffolgezeugnisses bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückgestellt. Gegen den ihm am 2.2.2019 zugestellten Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1. mit seiner am 28.2.2019 eingegangenen Beschwerde. Er hält die in der HöfeO vorgesehene Privilegierung eines Hoferben für verfassungswidrig und für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG. Das Landwirtschaftsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig. Gem. § 72 Abs. 1 NJG findet in den Verfahren über die Erteilung, die Einziehung oder die Kraftloserklärung eines Erbscheins, für die die Landwirtschaftsgerichte zuständig sind, § 58 FamFG keine Anwendung. Der Landesgesetzgeber hat mit § 72 Abs. 1 NJG von der ihm durch § 20 Abs. 3 LwVG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch gemacht. Durch die Bestimmung hat der Bundesgesetzgeber den Ländern die Möglichkeit eröffnet zu bestimmen, dass gegen die Entscheidung über die Erteilung eines Erbscheins die Vorschrift des § 58 FamFG keine Anwendung findet.

1. Die Beschwerde gegen Entscheidungen über die Erteilung eines Erbscheins ist nach dem Wortlaut sowohl der bundesgesetzlichen Ermächtigungsnorm als auch der landesrechtlichen Umsetzung ausdrücklich ausgeschlossen. Entscheidungen über die Erteilung eines Erbscheins sind sowohl Beschlüsse, in denen der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins zurückgewiesen wird, als auch Beschlüsse, in denen die für die Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet werden (sog. Feststellungsbeschlüsse). Zwar können die Feststellungbeschlüsse gem. § 352e Abs. FamFG in allgemeinen Erbscheinsverfahren inhaltlich variieren, je nachdem, ob das Erbrecht des Antragstellers zwischen den Beteiligten streitig ist. So wird in unstreitigen Fällen der Beschluss mit Erlass wirksam und der Erbschein sofort erteilt, während in streitigen Fällen die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt wird. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich in beiden Fällen um Endentscheidungen im Sinne des § 38 FamFG handelt, die (bei fehlender landesrechtlicher Ausschlussnorm) grundsätzlich mit der Beschwerde gem. § 58 FamFG anfechtbar wären und demzufolge von dem in § 72 Abs. 1 NJG normierten Rechtsbehelfsausschluss erfasst sind.

Das Oberlandesgericht Braunschweig (Beschluss vom 26.1.2016 – 2 W 49/15) will den Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit auf die eigentliche Erteilung des Erbscheins beschränken und hält Feststellungbeschlüsse gem. § 352e Abs. 1 FamFG weiterhin für anfechtbar. Dem vermag der Senat nicht zu folgen, da dies zu einer Aushöhlung des in § 72 Abs. 1 NJG angeordneten Beschwerdeausschlusses führen würde. Gegenstand der Beschwerde können von vornherein nur die der Erteilung des Erbscheins vorangegangenen Feststellungsbeschlüsse bzw. Beschlüsse sein, mit denen der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins zurückgewiesen wird. Hierbei handelt es sich jeweils um Entscheidungen über die Erteilung eines Erbscheins im Sinne des § 20 Abs. 3 LwVG und zugleich um Endentscheidungen im Sinne des § 38 FamFG, die grundsätzlich der sofortigen Beschwerde unterliegen würden.

Die dem Feststellungsbeschluss nachfolgende Erteilung des Erbscheins unterliegt dagegen von vornherein nicht der Beschwerde. Denn die Erteilung des Erbscheins selbst erfolgt nicht durch einen gesonderten Beschluss, sondern stellt lediglich die Vollziehung des vorangegangenen Feststellungsbeschlusses dar, indem der Erbschein nach Erlass bzw. Rechtskraft des Feststellungsbeschlusses als Zeugnis hergestellt und an den Antragsteller herausgegeben wird (Keidel, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 352e Rn 105 f.). Da es sich um einen reinen Vollziehungsakt handelt, kann dieser – unabhängig von der Regelung des § 72 Abs. 1 NJG - nicht Gegenstand einer Beschwerde sein. Dementsprechend bezieht sich auch die in § 352e Abs. 3 FamFG normierte Beschränkung der Zulässigkeit der Beschwerde nicht etwa auf eine Beschwerde gegen die Erteilung des Erbscheins, sondern auf die Beschwerde gegen den vorangehenden Feststellungsbeschluss. Letztere muss auf die Einziehung des Erbscheins gerichtet sein, um sicherzustellen, dass der Erbschein eingezogen wird, falls die Beschwerde gegen den Feststellungsbeschluss Erfolg hat. Ist der Feststellungsbeschluss rechtskräftig, verbleibt die Möglichkeit, die Einziehung des Erbscheins beim Nachlassgericht anzuregen (§ 2361 BGB).

2. Die in § 72 Abs. 1 NJG normierte Abschaffung des Beschwerderechts gegen den Feststellungsbeschluss gem. § 352e FamFG in Verfahren vor dem Landwirtschaftsgericht ist auch sachlich gerechtfertigt. Denn anders als im allgemeinen Erbscheinsverfahren vor dem Nachlassgericht besteht in Erbscheinsverfahren vor dem Landwirtschaftsgericht mit dem besonderen Feststellungsverfahren gem. § 11 HöfeVfO die Möglichkeit, die für die Feststellung des Erbrechts des Erbprätendenten erforderlichen Tatsachen abschließend klären zu lassen. Dieses Verfahren unterliegt ebenso wie das Erbscheinsverfahren den Vorschriften des FamFG und bietet gegenüber dem Erbscheinsverfahren den Vorteil, dass die Hoferbfolge rechtskräftig festgestellt werden kann. Wenn aber ein gesondertes Verfahren für die Feststellung der Hoferbfolge besteht, bedarf es keiner gesonderten Beschwerde gegen den Feststellungsbeschluss gem. § 352e FamFG, die bei Betreiben sowohl des Beschwerde- als auch des Feststellungsverfahrens zu einer doppelten Prüfung der Hoferbfolge durch die Landwirtschaftsgerichte führen würde. Eben diese doppelte Prüfung wird durch den Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit in § 72 Abs. 1 NJG vermieden. Es existiert damit nur noch das für eine abschließende Feststellung der Hoferbfolge geeignetere Hoffeststellungsverfahren. Ein vergleichbares Verfahren gibt es dagegen vor den Nachlassgerichten nicht. Dort sind die Erbprätendenten bei Streit um das Erbrecht auf eine Beschwerdemöglichkeit gegen den Feststellungsbeschluss angewiesen, sofern sie sich nicht auf den allgemeinen Zivilrechtsweg verweisen lassen wollen, der allerdings gegenüber dem FamFG-Verfahren Einschränkungen hinsichtlich des Umfangs der Aufklärung (Beibringungsgrundsatz und Dispositionsmaxime) mit sich bringen kann.

3. Die Abschaffung der Beschwerde entspricht auch dem historischen Willen des Gesetzgebers. Anlass und Ziel der Gesetzesreform waren neben der Schaffung von Transparenz durch Schaffung eines einheitlichen Gesetzes betreffend die niedersächsische Gerichtsorganisation, die Ausführung von Verfahrensgesetzen und die Justizkosten auch eine sprachliche und inhaltliche Überarbeitung der in ein einheitliches Gesetz zusammenzuführenden Vorschriften. Das Erfordernis einer inhaltlichen Überarbeitung hat der Gesetzgeber insbesondere für das Niedersächsische Gesetz zur Ausführung des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen vom 19.12.1955 (Nds. LwVG AG) in Anbetracht des am 1.9.2009 in Kraft getretenen FamFG gesehen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs A. 1., Entwurf eines Gesetzes über die Neuordnung von Vorschriften über die Justiz – Nds. Landtag, Drucks. 17/1585, S. 62). Ausweislich der Gesetzesbegründung zum Erbscheinsverfahren (aaO, § 73, S. 87) sollte § 5 Nds. LwVfG AG aufgenommen und u.a. § 58 FamFG ausgeschlossen werden. Bereits nach dem damals geltenden § 5 Nds. LwVG AG war die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erteilung eines Erbscheins ausgeschlossen. Eben diesen Ausschluss der sofortigen Beschwerde wollte der Gesetzgeber in § 72 Abs. 1 NJG übernehmen.

Eine andere Annahme erscheint auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil nach § 19 FGG a.F. neben der sofortigen Beschwerde die Möglichkeit einer einfachen Beschwerde bestand, die auch in landwirtschaftsgerichtlichen Verfahren ergänzend zur Anwendung kam. Denn der Rechtsbehelf der einfachen Beschwerde war bereits durch die Einführung des FamFG abgeschafft worden. Dieses sieht allein die sofortige Beschwerde gem. § 58 FamFG vor. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des NJG zum 1.1.2015 existierte gegen Feststellungsbeschlüsse in Erbscheinsverfahren bereits seit sechs Jahren allein der Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde gem. § 58 FamFG. Wenn der niedersächsische Gesetzgeber vor diesem Hintergrund in § 72 NJG ausdrücklich den Ausschluss des § 58 FamFG anordnet, so kann, da andere Rechtsbehelfsmöglichkeiten nach FamFG nicht bestehen, der Wille des Gesetzgebers nur dahin verstanden werden, dass das Beschwerderecht gegen Feststellungsbeschlüsse gem. § 352e FamFG generell ausgeschlossen werden sollte. Auch bietet die Gesetzesbegründung keinerlei Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber eine restriktive Auslegung des § 72 Abs. 1 NJG beabsichtigte.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren dem Beteiligten zu 1. aufzuerlegen, da er diese durch ein unzulässiges Rechtsmittel verursacht hat, § 1 HöfeVfO, §§ 44, 45 LwVG.

Der Geschäftswert ist gem. §§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 9, 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 3 GNotKG grundsätzlich mit dem Wert des Hofes zu bemessen, den der Senat auf 3 Mio. € schätzt. Für eine Anwendung des Kostenprivilegs des § 48 GNotKG ist kein Raum, da sich der Beteiligte zu 1. gegen die Zuwendung des Hofes an den Beteiligten zu 2. und damit gegen eine unmittelbare Betriebsfortführung durch einen Hofübernehmer wendet. Der Senat nimmt ferner zugunsten des Beteiligten zu 1. einen Abschlag von 2/3 vor, da sein Interesse auf die Durchsetzung einer Erbquote von 1/3 an dem hofzugehörigen Vermögen gerichtet ist.

Die Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da das Oberlandesgericht Braunschweig (aaO) die Beschwerde gegen die Erteilung eines Hoffolgezeugnisses abweichend von der hier vertretenen Auffassung weiterhin als zulässig erachtet, §§ 1 HöfeVfO, 9 LwVG, 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FamFG.