Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.08.1988, Az.: 12 A 156/86

Sachverständiger; Flugsachverständiger; Berufsfreiheit; Anerkennung; Luftpersonal; Luftfahrtpersonal; Luftfahrzeugführer; Musterberechtigung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.08.1988
Aktenzeichen
12 A 156/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 12894
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1988:0825.12A156.86.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 10.04.1986 - AZ: 4 VG A 51/85
nachfolgend
BVerwG - 23.01.1989 - AZ: BVerwG 1 B 169.88
BVerwG - 04.09.1990 - AZ: BVerwG 1 C 13.89

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 10. April 1986 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung als Sachverständiger, welcher berechtigt ist, bei Luftfahrzeugführern den zur Verlängerung und Erneuerung ihrer Musterberechtigungen notwendigen Nachweis "der Befähigung zum Führen und Bedienen von Luftfahrzeugen des Musters sowie zum Ausführen von Notverfahren" (§§ 66, 70 Abs. 2 S. 1 LuftPersV) abzunehmen. Dabei geht es im Gegensatz zum Parallelverfahren (12 OVG A 138/87) vorliegend um die entsprechende Sachverständigenfunktion bei Berufshubschrauberführern.

2

Der Kläger ist selber Berufshubschrauberführer mit beträchtlicher Berufserfahrung. Seine Praxisleistung beträgt heute etwa 6.500 bis 6.700 Flugstunden auf Hubschraubern. Im Dezember 1986 hat er die IFR-Berechtigung erworben. Gemäß § 92 LuftPersV ist er berechtigt, andere Hubschrauberpiloten in bestimmte Hubschraubermuster einzuweisen. Der Kläger war von Mitte 1983 bis 1985 Flugbetriebsleiter bei der Fa. ... in ...; seit August 1985 ist er als Flugbetriebsleiter bei der Hubschrauber-... Fluggesellschaft mbH & Co. in ... bei ... tätig. Vom 24. 10. 1984 bis zu dem Firmenwechsel 1985 war er als entsprechender Sachverständiger für die Musterberechtigungen von Privathubschrauberführern der Muster AS 350, AS 355 und Bell 206 anerkannt.

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Hinsichtlich der Berufshubschrauberführer stellte der Kläger im Herbst 1984 einen Antrag auf Sachverständigenanerkennung. Diesen lehnte die beklagte Bundesrepublik Deutschland durch das Luftfahrt-Bundesamt jedoch am 17. 1. 1985 ab, weil es seit 1980 verschiedene Vorfälle gegeben habe, welche die mangelnde Zuverlässigkeit des Klägers erwiesen hätten. Der hiergegen geführte Widerspruch brachte kein anderes Ergebnis (Widerspruchsbescheid vom 1. 2. 1985). Selbst ein zwischenzeitlich durchgeführtes Verfahren um vorläufigen Rechtsschutz hatte keinen Erfolg (VG Braunschweig: 4 VG D 126/84; OVG Lüneburg: 12 OVG B 40/85).

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Daraufhin hat der Kläger am 25. März 1985 Klage erhoben und vorgetragen: Die Anforderungen an eine Anerkennung als fliegerischer Sachverständiger würden im Gesetz abschließend genannt und enthielten keinerlei besondere Voraussetzungen. Es sei auch nicht ersichtlich, daß an einen Sachverständigen höhere Anforderungen zu stellen seien als an einen Hubschrauber-Einweiser, zumal die Einweisung in ein neues Hubschraubermuster (die der Kläger vornehmen darf) etwa zehn Stunden dauere, während die Überprüfung bei der Musterberechtigungserteilung nur 45 Minuten während eines Fluges in Anspruch nehme. Der Sachverständige übe einen Beruf i.S. Art. 12 GG aus, so daß jede Reglementierung einer gesetzlichen Festlegung bedürfe. In Niedersachsen gebe es zudem keine weiteren Sachverständigen für die Hubschraubermuster, die der Kläger fliegen dürfe, in der Bundesrepublik insgesamt nur drei. Es würde bei der Arbeitgeberin des Klägers immenser Kostenaufwand entstehen, wenn ihre Piloten für jeden Checkflug nach Süddeutschland reisen müßten. Die ihm, dem Kläger, vorgeworfenen Verstöße seien im übrigen nicht schwerwiegend und könnten eine Versagung der Sachverständigenanerkennung nicht rechtfertigen.

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Der Kläger hat beantragt,

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1. den Bescheid des Luftfahrt-Bundesamtes vom 17. 1. 1985 und seinen Widerspruchsbescheid vom 21. 2. 1985 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als fliegerischen Sachverständigen für Berufshubschrauberführer in dem Umfang seiner gültigen Erlaubnis nach §§ 22 Abs. 1 Satz 3 LuftVZO, 70 Abs. 2 LuftPersV anzuerkennen,

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2. hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,

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3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren als notwendig zu erklären.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat vorgetragen, die Anerkennung als fliegerischer Sachverständiger stehe in ihrem Ermessen; Ermessensfehler seien aber nicht vorgekommen. Das Luftfahrt-Bundesamt müsse unter den Bewerbern eine strenge Auswahl treffen, denn an ihren fliegerischen Sachverstand seien hohe Anforderungen zu stellen. Der Kläger sei nicht ausreichend zuverlässig, weil er zwischen 1980 und 1984 bei der Einweisung dritter Hubschrauberführer in bestimmte Hubschraubermuster mehrere Verstöße gegen Sorgfaltspflichten begangen habe. Im übrigen verfüge das den Kläger beschäftigende Unternehmen bereits über einen weiteren Flugsachverständigen, der leicht auch für die Überprüfungen nach § 70 Abs. 2 LuftPersV eingesetzt werden könne.

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Mit Urteil vom 10. April 1986, auf dessen Gründe im einzelnen Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht der Klage im wesentlichen stattgegeben. Zwar sei anerkannter fliegerischer Sachverständiger kein eigener Beruf, stelle sich aber als Erweiterung der Berufstätigkeit dar, so daß die auszusprechende Anerkennung eine Maßnahme im Rahmen der Berufsausübung bedeute und nur nach den Vorgaben eines Gesetzes erfolgen dürfe. Die entsprechenden Bedingungen seien jedoch in §§ 70 Abs. 2, 128 Abs. 10 und 5 LuftPersV abschließend geregelt. Danach brauche ein Bewerber neben der eigenen Innehabung der für Prüflinge auszusprechenden Berechtigung sowie besonderer fachlicher Erfahrung keinerlei Zusatzqualifikationen. Insbesondere sei keine über § 4 Abs. 1 Nr. 3 LuftVG hinausgehende Zuverlässigkeit erforderlich, welche beim Kläger unstreitig vorhanden sei; und der die Sachverständigen anerkennenden Stelle ein irgendwie geartetes Auswahlermessen einzuräumen, ergebe sich aus dem Gesetz nicht zwingend.

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Gegen dieses ihr am 23. 5. 1986 zugegangene Urteil hat die Klägerin mit Eingang vom 13. Juni 1986 Berufung eingelegt. Entgegen dem Verwaltungsgericht - so trägt sie vor - enthielten die Vorschriften der LuftPersV nur Mindestvoraussetzungen für die Anerkennung als fliegerischer Sachverständiger; die Annahme weiterer Anerkennungsvoraussetzungen sei zulässig und notwendig, wie auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 25. 2. 1986 bestätigt habe. Es sei falsch, die Tätigkeit des anerkannten Flugsachverständigen als unbedeutend und wenig verantwortungsvoll hinzustellen, vielmehr würden von ihm weitreichende, verbindliche Entscheidungen gefordert, die bei ihm eine Zuverlässigkeit in dem Sinne verlangten, daß er das Vertrauen der letztverantwortlichen Luftfahrtbehörde genieße.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 10. 4. 1986 zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Dem angefochtenen Urteil sei vollauf zu folgen. Ein anerkannter fliegerischer Sachverständiger nach § 70 Abs. 2 LuftPersV habe ausschließlich festzustellen, ob die einem Luftfahrzeugführer schon einmal attestierte Befähigung zum Führen und Bedienen von Luftfahrzeugen des jeweiligen Musters sowie zum Ausführen von Notverfahren fortbestünde. Für diese Tätigkeit sei sicherlich eine besondere fachliche Qualifikation erforderlich, die aber beim Kläger unstreitig vorliege. Eine besondere Zuverlässigkeit, die insb. über die nach § 4 Abs. 1 LuftVG für die Erteilung einer luftverkehrsrechtlichen Erlaubnis geforderte hinausgehe, werde nicht verlangt. Im übrigen jedoch müsse auch sie dem Kläger gewiß zuerkannt werden, da er unbeanstandet die Tätigkeit eines Einweisungsberechtigten nach § 92 LuftPersV ausübe und diese Funktion wesentlich anspruchsvoller sei als die eines fliegerischen Sachverständigen.

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Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf den Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Ein Hefter mit den betreffenden Verwaltungsunterlagen der Beklagten (Beiakte A), die Prozeßakten aus dem Verfahren um vorläufigen Rechtsschutz (Beiakte B), Nachweise über bestimmte flugrechtliche Unregelmäßigkeiten des Klägers (Beiakten C und D), sowie eine Ergebnisniederschrift des Bund/Länder-Fachausschusses Luftfahrt v. 12. 6. 1985 betr. Anerkennung fliegerischer Sachverständiger (Beiakte E) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Außerdem wurde der Gerichtsvorgang des Parallelprozesses 12 OVG A 138/87 beigezogen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung hat Erfolg.

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I. Sie ist frist- und formgemäß eingelegt worden und erweist sich als begründet, weil das erstinstanzliche Urteil zu Unrecht nach dem Klageantrag erkannt hat. Die Ablehnung der klägerischen Anerkennung als Sachverständiger nach § 70 Abs. 2 S. 1 Verordnung über Luftpersonal - LuftPersV - i.d.F. vom 13. 2. 1984 (BGBl. I S 265) erfolgte nicht rechtswidrig.

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1. Luftfahrzeugführer bedürfen zum Führen oder Bedienen eines Luftfahrzeuges bestimmten Typs einer sog. Musterberechtigung, die für Berufshubschrauberführer mit einer Gültigkeitsdauer von 12 Monaten erteilt wird (§§ 66 f., 70 Abs. 1 S. 1 LuftPersV i.V.m. § 28 Abs. 1 Nr. 1 LuftPersV), zuständig ist dafür nach §§ 131 S. 1 LuftPersV, 22 Abs. 1 Nr. 3 Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung - LuftVZO - i.d.F. vom 13. 3. 1979 (BGBl. I S. 309) das Luftfahrt-Bundesamt als Behörde der Beklagten. Für die Verlängerung oder Erneuerung der Musterberechtigung hat der Luftfahrzeugführer in einem Überprüfungsflug vor einem vom Luftfahrt-Bundesamt anerkannten Sachverständigen nachzuweisen, daß seine Befähigung zum Führen und Bedienen von Luftfahrzeugen des Musters sowie zum Ausführen von Notverfahren fortbesteht (§ 70 Abs. 2 S. 1 LuftPersV).

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Der betreffende Sachverständige bescheinigt die Erbringung jenes Nachweises verbindlich; die letzte Zeile des von ihm auszufüllenden und zu unterschreibenden Checkformulares lautet: "Der Kandidat hat die Prüfung bestanden/nicht bestanden". Sein Befund ist für die Erlaubnisbehörde präjudiziell. Dies stellt nicht nur eine faktische Regelmäßigkeit dar, weil - wie die mündliche Verhandlung ergeben hat - die Erlaubnisbehörde sich stets und durchgehend an die Bescheinigung des Sachverständigen hält und auch personell überfordert wäre, wenn sie noch eigene Überprüfungen anstellen wollte. Die Verbindlichkeit des Sachverständigenurteils ergibt sich vielmehr unmißverständlich schon aus dem Rechtssatz selber, denn der Bewerber kann das Fortbestehen seiner Befähigung nur "in einem Überprüfungsflug mit einem von der Erlaubnisbehörde anerkannten Sachverständigen nachweisen" (§ 70 Abs. 2 S. 1 LuftPersV). Aus § 26a Abs. 1 LuftVZO muß zudem davon ausgegangen werden, daß der Bewerber, wenn die sonstigen Voraussetzungen nach §§ 4 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz - LuftVG - i.d.F. vom 14. 1. 1981 (BGBl. I S. 61), 24 Abs. 1 LuftVZO weiter gegeben sind, nach der Sachverständigenbescheinigung seiner fortbestehenden Befähigung gegen die Erlaubnisbehörde einen Anspruch auf die Berechtigungsverlängerung bzw. -erneuerung hat.

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Da mithin der "von der Erlaubnisbehörde anerkannte Sachverständige" eigenverantwortlich und verbindlich einen Teil des staatlichen Prüfungsverfahrens erbringt, übt er insofern auch - in welch tatsächlich unaufwendigem Maße immer - ein Stück Hoheitsfunktion aus. Rechtstechnisch ist diese Befugniserteilung als eine "Beleihung" anzusehen, bei welcher eine zuständige staatliche Behörde aufgrund Rechtssatzes einen Privaten mit einer bestimmten hoheitlichen Wirkungszuständigkeit betraut. Ähnlich haben zutreffend auch Bay VGH, Urteil v. 25. 2. 1986 - 20 B 85 A. 659 -, n.v., VG Köln, Urteil, v. 4. 6. 1982 - 4 K 1063/82, n.v., sowie das vorinstanzliche Urteil - 4 VG A 51/85 -, die Rechtsstellung des fliegerischen Sachverständigen nach § 70 Abs. 2 S. 1 LuftPersV eingeordnet.

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a) Mit dem erstinstanzlichen Urteil ist davon auszugehen, daß die Tätigkeit als Flugsachverständiger unter dem Schutz von Art. 12 Abs. 1 GG steht. Zwar muß bezweifelt werden, ob dieses fachliche Wirkungsfeld einen eigenständigen Beruf i.S. des Artikels darstellt. Die Sachverständigenfunktion läßt sich nicht von der Praktizierung als berechtigter Luftfahrzeugführer loslösen. Sie ist auch insofern nicht "auf Dauer angelegt", als eine tatsächliche arbeitsmäßige Inanspruchnahme des Sachverständigen gänzlich offen bleibt, die fachlichen Voraussetzungen von der immer erst turnusmäßig zu erlangenden Flugberechtigung bzw. deren Verlängerung abhängen und eine gesetzliche Änderung der Gesamtkonzeption fliegerischer Fertigkeitsüberprüfungen die Rolle ganz wegfallen lassen könnte. Vor allem aber vermag die Sachverständigentätigkeit als solche kaum den Lebensunterhalt zu sichern, da sie nur begrenzte Verdienstspannen enthält, der Haupteffekt vielmehr auf einer Leistungsverbreiterung für den eigenen "Marktwert" als Luftfahrzeugführer liegt und die Aktivität mehrheitlich als Solidareinsatz für den Stand der Luftfahrzeugführer insgesamt gesehen wird (zum Begriff des Berufs in Art. 12 Abs. 1 GG: BVerfG, Urteil v. 11. 6. 1958, BVerfGE 7, 377 (397) [BVerfG 11.06.1958 - 1 BvR 596/56]; oder Urteil v. 1. 3. 1979, BVerfGE 50, 290, 362).

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Die erstrebte Tätigkeit als anerkannter Flugsachverständiger stellt aber - wie das Verwaltungsgericht zu Recht hervorgehoben hat - eine "Erweiterung der Berufstätigkeit" dar. Sie baut auf der Berechtigung und Praxis als Luftfahrzeugführer auf und eröffnet für diesen Beruf zusätzliche Wirkungsmöglichkeiten. Die angestrebte Funktion ist deshalb Teil der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübung als Luftfahrzeugführer (vgl BVerfG, Urteil v. 1. 7. 1980, BVerfGE 54, 251 (271): "Anwaltsvormund"). Begrenzung, Ausgestaltung und Reglementierung dieses beruflichen Entfaltungswunsches kann mithin nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen. Entsprechende Vorschriften haben den Bereich (nach formell legislatorischer Festlegung wenigstens der wesentlichen Merkmale) angemessen, vollständig und bestimmt zu normieren.

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Mit dem erstinstanzlichen Urteil - a.A. das oben zitierte Urteil des Bay VGH v. 25. 2. 1986 - ist weiterhin davon auszugehen, daß die vorhandenen Rechtsnormen die maßgebliche Reglementierung der Tätigkeit eines anerkannten Flugsachverständigen vollständig und abschließend bestimmen (zur Unergiebigkeit noch der Vorgängervorschriften, insb. § 104 LuftPersO v. 5. 4. 1964, später § 75 Abs. 2 LuftPersV 1976, vgl. M. Hofmann, Luftverkehrsordnungen Kommentar, 1971, Rdn. 2 zu § 104 LuftPersO). Hierzu ist als erstes auf die über § 128 Abs. 10 LuftPersV direkt geltenden Abs. e 5-9 des § 128 LuftPersV zurückzugreifen, welche (Abs. 5) verlangen, daß ein Bewerber um die Funktion als Sachverständiger "die entsprechende Erlaubnis oder Berechtigung besitzen" muß, deren Voraussetzungen er für Dritte bestätigen soll, sowie "besondere fachliche Erfahrungen" aufzuweisen hat. Daneben gelten die allgemeinen Vorschriften über Luftfahrtpersonal nach §§ 4 f. LuftVG und 20 ff. LuftVZO sowie für das Verfahren nach dessen § 1 Abs. 1 Nr. 1 die Bestimmungen des Bundes-Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - vom 25. 5. 1976 (BGBl. I S. 1253). Im übrigen ist generell darauf hinzuweisen, daß ein die Berufsausübung regelnder Rechtssatz sich nicht nur aus den unmittelbaren Tatbeständen einer spezifischen Vorschrift ergibt, sondern ebenso aus der Gesamtaussage und dem systematischen Zusammenhang der betreffenden Regelungen fließen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2. 4. 1974, BVerfGE 37, 67 (77); Urteil v. 1. 7. 1980, BVerfGE 54, 224 (234 [BVerfG 01.07.1980 - 1 BvR 23/75]/5); sowie vom selben Tage, BVerfGE 54, 237, 247) [BVerfG 01.07.1980 - 1 BvR 247/75]. Voraussetzung ist freilich, daß sich diese gesetzliche Aussage "aus einer Gesamtregelung unter Berücksichtigung ihrer Auslegung in Rechtsprechung und Schrifttum hinreichend erkennbar und bestimmt" entnehmen läßt (BVerfGE 54, 224, 234 [BVerfG 01.07.1980 - 1 BvR 23/75]/5).

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b) Ausdrücklich werden von einem Bewerber um die Sachverständigenfunktion nach § 128 Abs. 5 i.V.m. Abs. 10 LuftPersV das eigene Innehaben der von den Prüflingen angestrebten Berechtigungen und der Besitz besonderer fachlicher Erfahrungen verlangt. Beides wird vom Kläger unstreitig erbracht.

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Darüberhinaus ist aber auch eine besondere, gesteigerte Zuverlässigkeit des Bewerbers gefordert. Dies ergibt sich aus dem Gesamtgehalt der Regelungen. Schon die Notwendigkeit, daß ein Bewerber als Sachverständiger ausdrücklich "von der Erlaubnisbehörde anerkannt" werden muß (§ 70 Abs. 2 S. 1 LuftPersV), weist darauf hin. Es geht bei diesem Behördenakt: nicht nur um eine büromäßige Registrierung, sondern um eine eigenständig prüfende und beurteilende behördliche Akzeptierung. Und eine solche vorzuschreiben, hätte ohne eigene, zusätzliche Prüfungsvoraussetzungen kaum Sinn. Im übrigen stellt die Tätigkeit des fliegerischen Sachverständigen - wie dargelegt wurde Ausübung von Hoheitsgewalt dar. Wenn solche Funktionen aber von einem Privaten drittwirksam vorgenommen werden können, muß die dafür verantwortliche Stelle den Betreffenden nicht nur förmlich mit der Kompetenzwahrnehmung beleihen, sondern ihm auch spezifische Zuverlässigkeitsbelege abverlangen. Es erschiene schlechterdings undenkbar, jeden Musterberechtigungsinhaber mit größerer fachlicher Erfahrung automatisch mit einem Anspruch auf Anerkennung als Sachverständiger versehen zu wollen; dies wäre mit der besonderen Gebundenheit und Verantwortlichkeit hoheitlicher Funktionen unvereinbar. Schließlich rückt die behördlich "anzuerkennende" Sachverständigentätigkeit als Wahrnehmung staatlicher Aufgaben in die Nähe des öffentlichen Dienstes, ist insofern also "staatlich gebunden" (vgl. BVerfG, Urteil v. 11. 6. 1958, BVerfGE 7, 377 (397 f.) [BVerfG 11.06.1958 - 1 BvR 596/56]; Beschl. v. 5. 5. 1964, BVerfGE 17, 371 (377) [BVerfG 05.05.1964 - 1 BvL 8/62]; sowie Beschl. v. 1. 7. 1986, BVerfGE 73, 301 (315 f.) [BVerfG 01.07.1986 - 1 BvL 26/83]: Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur). Auch insoweit wären strengere Zulassungsvoraussetzungen angebracht und rechtlich unbedenklich (zu Figur und Problematik der "staatlich gebundenen Berufe" zuletzt H. Sodan, Freier Beruf und Berufsfreiheit (1988), S. 31 f., 55).

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Hiergegen läßt sich entgegen dem Verwaltungsgericht auch nicht einwenden, daß die Sachverständigentätigkeit nach § 70 Abs. 2 LuftPersV nicht sonderlich schwierig oder aufwendig wäre. Das mag in der Sache so sein, besagt aber nichts gegen das Erfordernis gesteigerter Zuverlässigkeit. Denn der anerkannte fliegerische Sachverständige übt nun einmal begrenzt hoheitliche Funktionen aus und steht deshalb diesbezüglich in einem besonderen Verantwortungszusammenhang. Auch verfängt nicht das Argument, der Sachverständigenbewerber habe ja schon für sein Selbst-Innehaben der beim Prüfling zu verlängernden Musterberechtigung ein hinreichendes Zuverlässigkeitsattest erbracht. Auch dies ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend: § 26 Abs. 1 LuftVZG i.V.m. §§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 LuftVG, 24 Abs. 1 LuftVZO. Schon der Gegenstand aber, auf welchen sich jene Zuverlässigkeit bezieht, ist unterschiedlich, Bei der Musterberechtigung geht es um das eigenhändige und praktische Führenkönnen eines Luftfahrzeuges, bei der Sachverständigentätigkeit hingegen um die gewissenhafte, unparteiliche und vorschriftentreue Wahrnehmung einer hoheitlichen (Prüfungs)Funktion. Unterschiedliche Eignungssubstrate bedingen aber auch unterschiedliche Eignungsmaßstäbe. Im übrigen ist für den Erwerb einer Luftfahrerberechtigung die Zuverlässigkeit des Bewerbers auch gerade nicht positiv bestätigt worden. Vielmehr wird umgekehrt verlangt, daß ihm nicht Unzuveverlässigkeit nachgewiesen werden konnte: §§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 LuftVG, 24 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 LuftVZO. Für den Erwerb einer Luftfahrerberechtigung ist danach jeder unbescholtene (sonst taugliche und mindestalte) Bewerber zugangsberechtigt; das aber kann für die Betrauung mit Hoheitsfunktionen nicht gelten.

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2. Die entsprechend besondere, gesteigerte Zuverlässigkeit für einen anerkannten Sachverständigen weist der Kläger nicht auf. Unwidersprochen hat die Beklagte mehrere luftrechtliche Verstöße des Klägers angeführt und von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO) mußte der Senat weitere Vorfälle hinzuziehen, die im Parallelverfahren (12 OVG A 138/87) zur Sprache kamen. Für die Relevanz dieser Verfehlungen hinsichtlich eines Zuverlässigkeitsattestes für den Kläger wird auf die Entscheidungsgründe des in jener Sache am heutigen Tage ergangenen Senatsurteiles Bezug genommen. Der Kläger erfüllt danach die Voraussetzungen einer Anerkennung als fliegerischer Sachverständiger nicht.

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Somit war es nicht mehr erforderlich, auf die Frage eines möglichen Auswahlermessens der anerkennenden Behörde einzugehen. Gleichwohl möchte der Senat nicht im Unklaren lassen, daß er ein solches Ermessen mit dem erstinstanzlichen Urteil (ebenso VG München, Urteil v. 7. 2. 1985 - M 2093 XVII 84 - n.v.) für zweifelhaft hielte. Die möglicherweise für eine Eröffnung sprechenden Anhaltspunkte erreichen kaum die für eine behördliche Kompetenzzuweisung notwendige rechtsstaatliche Erkennbarkeit und Bestimmtheit. Eher schon ließe sich aus dem Gesamtzusammenhang eine wesensmäßig notwendige Kapazitätsgrenze oder behördliche Kontingentierungsbefugnis für die Zahl der anerkannten Sachverständigen entnehmen; eine Aktualisierung dieses Ansatzes aber ist für den vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

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II. Da mithin in Verfolg der Berufung die Klage abzuweisen war, hat nach § 154 Abs. 1 VwGO der Kläger die Kosten des Rechtsstreites zu tragen. Insoweit ist die Entscheidung gemäß §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

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Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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Schoof

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Dr. Gehrmann

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Schmidt-Jortzig