Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 17.01.2002, Az.: 7 B 130/02
Glaubhaftmachung; Wohnsitzauflage; örtliche Zuständigkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 17.01.2002
- Aktenzeichen
- 7 B 130/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 41618
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 1 AsylbLG
- § 6 AsylbLG
- § 10a Abs 1 AsylbLG
- § 11 Abs 2 AsylbLG
- § 56 Abs 3 S 2 AuslG
Gründe
Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem die Kammer den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO mit Beschluss vom 17.01.2002 zur Entscheidung übertragen hat.
Der zulässige Antrag des Antragstellers,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm einmalige Beihilfen für Schuhe und Bekleidung sowie eine Weihnachtsbeihilfe zu gewähren,
ist unbegründet.
Eine einstweilige Anordnung kann das Gericht gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur vorläufigen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses dann erlassen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass der geltend gemachte Anspruch gegenüber der Antragsgegnerin besteht und ohne eine vorläufige Regelung wesentliche, in § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO näher beschriebene Nachteile zu entstehen drohen (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO iVm § 920 Abs. 2 ZPO).
Hinsichtlich der begehrten Weihnachtsbeihilfe fehlt es dem Antragsteller sowohl an einem Anordnungsgrund als auch an einem Anordnungsanspruch.
Das Weihnachtsfest ist bereits lange vorbei, sowohl das römisch-katholische bzw. evangelisch-lutherische Weihnachtsfest, das am 25. und 26. Dezember 2001 gefeiert wurde, als auch das orthodoxe Fest, welches am 7. Januar diesen Jahres begangen wurde. Insoweit ist keine Eilbedürftigkeit für die begehrte Verpflichtung der Antragsgegnerin mehr erkennbar. Dem Antragsteller ist es durchaus zuzumuten, insoweit eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten.
Zum anderen ist es dem Antragsteller nicht gelungen, einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen.
Zwar kann auch einem Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz unter Umständen gemäß § 6 AsylbLG eine Weihnachtsbeihilfe gewährt werden, wenn diese Leistung zur Sicherung des religiösen Existenzminimums unerlässlich ist. Mit dem Hinweis, er sei Mitglied der russischen Christengemeinde "Lebendiges Wasser" in Hannover hat der Antragsteller indes noch nicht einmal dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht, welche besonderen zusätzlichen Ausgaben er aufgrund seiner religiösen Überzeugung anlässlich des Weihnachtsfestes unerlässlich tätigen müsste. Derartige besondere Ausgaben zur Sicherung des religiösen Existenzminimums sind auch nicht ersichtlich.
Hinsichtlich der begehrten einmaligen Leistungen für die Anschaffung von Schuhen und Bekleidung ist es dem Antragsteller ebenfalls nicht gelungen, einen ungedeckten unerlässlichen Bedarf glaubhaft zu machen.
Allerdings dürfte dem Antragsteller in diesem Zusammenhang wohl nicht § 11 Abs. 2
AsylbLG entgegengehalten werden können. Nach dieser Vorschrift dürfen nur die nach den Umständen unabweisbar gebotenen Hilfen geleistet werden, wenn sich jemand entgegen einer asyl- oder ausländerrechtlichen Beschränkung zuwider an einem Ort aufhält.
Zwar darf der Antragsteller ab 01.10.2001 nur einen Wohnsitz in der Stadt Lüneburg nehmen. Diese Auflage zur Duldung ist sofort vollziehbar. Ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte keinen Erfolg. Der zuständige Senat des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg hat nicht zugunsten des Antragstellers entschieden (Beschluss des 12. Senats in Sachen 12 B 4498/01 vom 19.10.2001). Die ausländerrechtlichen Fragen - wozu übrigens auch die Frage der Möglichkeit der Religionsausübung gehört - sind damit zu Ungunsten des Antragstellers vom Oberverwaltungsgericht in Lüneburg jedenfalls vorläufig geklärt. Mit seiner weiteren Wohnsitznahme in Hannover dürfte der Antragsteller nach alledem fortlaufend eine Ordnungswidrigkeit nach § 93 Abs. 3 Nr. 1, § 56 Abs. 3 AuslG begehen. Soweit dem Gericht bekannt ist, hat die Antragsgegnerin über die Wohnsitzauflage hinaus jedoch keine weitere räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Antragstellers ausgesprochen. Zwar ist auch nach dem Gesetz bereits eine Duldung räumlich beschränkt, aber nur auf das Gebiet des Bundeslandes, § 56 Abs. 3 Satz 1 AuslG. Das heißt, der Antragsteller ist zwar gehalten, seinen Wohnsitz in Lüneburg zu nehmen, er darf sich ansonsten aber frei in Niedersachsen bewegen und sich damit auch in Hannover aufhalten. Für die Frage der Hilfen nach dem AsylbLG dürfte dies zur Folge haben, dass der Antragsteller lediglich nur seinen Unterkunftsbedarf nicht außerhalb von Lüneburg geltend machen kann. Denn da er seinen Wohnsitz in Lüneburg zu nehmen hat, können nur dort von der Rechtsordnung anerkennenswerte Kosten für die Unterkunft entstehen, um nicht einer Ordnungswidrigkeit Vorschub zu leisten. Ob und ggf. wie lange hiervon etwa im Rahmen einer Suchfrist eine Ausnahme gemacht werden kann, bedarf an dieser Stelle keiner Erörterung. Denn dies ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Für den vorliegenden Fall entscheidend ist nur, dass, solange die räumliche Aufenthaltsbeschränkung nicht weiter rechtmäßigerweise eingeengt wird, es für allen weiteren geltend gemachten Bedarf hingegen wohl mangels einer Zuweisung iSd § 10 a Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz AsylVfG auf den tatsächlichen Aufenthaltsort grundsätzlich nach § 10 a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG ankommen dürfte. Und der ist zur Zeit jedenfalls noch in Hannover.
Allerdings ist fraglich, ob der vorstehend genannte Grundsatz auch bei längerem Aufenthalt auf unbestimmte Zeit noch absolut anwendbar ist. Denn dadurch könnte die Wohnsitzauflage zumindest teilweise unterlaufen werden. Denkbar ist es deshalb, dass eine für das AsylbLG zuständige Behörde des tatsächlichen Aufenthaltsortes dann gleichwohl nur den kurzfristigen aktuellen Bedarf decken muss und für alle weiteren Fragen den Hilfeempfänger auf die für seinen Wohnort zuständige Behörde verweisen kann, weil er in Hinblick auf den Wohnsitz dorthin ja in absehbarer Zeit zurückkehren muss. Letztendlich bedarf dies aber keiner abschließenden Klärung.
Denn der Antrag des Antragstellers kann auch bezogen auf die Bekleidungsgegenstände bereits aus einem anderen Grund keinen Erfolg haben.
Denn der Antragsteller erhält nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG in Form von Wertgutscheinen und Taschengeld. Das Gericht hat keinen Anlass, an den diesbezüglichen Angaben der Antragsgegnerin zu zweifeln. Mit den Grundleistungen nach § 3 Abs. 1 AsylbLG ist aber auch grundsätzlich, wie sich aus dem Gesetz selbst ergibt, der Bedarf an Kleidung abgedeckt. Dass der Antragsteller ausnahmsweise einen darüber hinaus gehenden unerlässlichen Bedarf hat, der durch Hilfen nach § 6 AsylbLG zu befriedigen wäre, hat der Antragsteller noch nicht einmal ansatzweise dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht. Der unsubstantiierte Vortrag, er beantrage Schuh- und Bekleidungsbeihilfen, ist nicht geeignet, einen irgendwie gearteten ungedeckten und unerlässlichen Bedarf darzulegen.
Nach alledem ist der Antrag abzulehnen und es bedarf an dieser Stelle keiner Klärung der Frage mehr, ob der Antragsteller im Besitz eines Personalcomputers mit Faxkarte ist - was sein Antragsschreiben an die Antragsgegnerin nahe legt - und ob diese Geräte nicht einsetzbares Vermögen im Sinne des § 7 AsylbLG darstellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.