Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 26.05.2011, Az.: 1 Ss 84/11
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 26.05.2011
- Aktenzeichen
- 1 Ss 84/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 19103
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2011:0526.1SS84.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 30.08.2010 - AZ: 12 Ns 155/09
Rechtsgrundlagen
- StGB § 186
Amtlicher Leitsatz
Bei einer Verurteilung wegen übler Nachrede durch Angaben, die im Zusammenhang mit gerichtlichen Verfahren über Justizangehörige geäußert wurden, müssen in den Urteilsgründen Hintergrund und Gesamtzusammenhang der Äußerungen in einer Weise dargestellt werden, die es dem Revisionsgericht ermöglicht zu überprüfen, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder um Werturteile bzw. Meinungsäußerungen handelte, die trotz ihrer Drastik zum Unterstreichen einer umkämpften Rechtsposition verwendet werden dürfen.
Tenor:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil der 12. kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 30. August 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an eine kleine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg zurückverwiesen, die auch über die Kosten der Revisionen zu entscheiden hat.
Gründe
Mit Urteil vom 24. März 2009 verurteilte das Amtsgericht Oldenburg den Angeklagten V... wegen übler Nachrede in drei Fällen, davon in einem Fall mit öffentlicher Tatbegehung und durch Verbreiten von Schriften, zu einer Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50 € und ordnete im verkündeten Urteil eine in bestimmter Weise ausgestaltete Veröffentlichung des Urteils an. den Angeklagten K... verurteilte das Amtsgericht wegen übler Nachrede, wobei die Tat öffentlich und durch Verbreiten von Schriften begangen wurde, zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 5 €. Der Verurteilung lag zugrunde, dass Justizangehörige der Rechtsbeugung bezichtigt worden waren, und zwar der Präsident des Landgerichts Oldenburg und ein Rechtspfleger des Amtsgerichts Jever in einer im Gerichtsviertel Oldenburgs verteilten, als "Strafanzeige" bezeichneten Flugschrift, die auch auf eine Internetseite eingestellt wurde, sowie jeweils ein Richter am Oberlandesgericht in zwei Schreiben an den Präsidenten des Oberlandesgerichts Oldenburg. Im 1. Fall wurden beide Angeklagten verurteilt, in den Fällen 2. und 3. nur der Angeklagte V....
Die gegen dieses Urteil eingelegten Berufungen der Angeklagten sowie - auf das Strafmaß beschränkt - der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Oldenburg mit Urteil vom 30. August 2010 verworfen.
Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten sind zulässig und mit den erhobenen Sachrügen begründet.
Entgegen der Ansicht der Revisionsführer besteht allerdings nicht das Verfahrenshindernis eines fehlenden Strafantrages hinsichtlich des Vorwurfs der üblen Nachrede zum Nachteil des Rechtspflegers und des Präsidenten des Landgerichts Oldenburg. Der vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Oldenburg hierzu gestellte Strafantrag vom 13. August 2007 ist wirksam. Zwar ist der Präsident des Oberlandesgerichts nicht der unmittelbare Dienstvorgesetzte des beim Amtsgericht Jever tätigen Rechtspflegers, er ist aber gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 AGGVG Vorgesetzter des Dienstvorgesetzten, so dass ihm gleichfalls das Recht zusteht, gemäß § 194 Abs. 3 StGB Strafanträge zu stellen, vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl., § 77a Rdn. 3 m. w. Nachw.. Dass er den Strafantrag "im Namen des Präsidenten des Landgerichts Oldenburg und des Direktors des Amtsgerichts Jever" gestellt hat, macht den Strafantrag nicht unwirksam. Aus dem weiteren Inhalt der Strafanzeige und der ausdrücklichen Erwähnung des § 194 Abs. 3 StGB ergibt sich mit ausreichender Gewissheit, dass der Präsident des Oberlandesgerichts den Strafantrag in seiner Funktion als Dienstvorgesetzter gestellt hat.
Die Revisionen der Angeklagten haben aber mit der jeweils erhobenen Sachrüge Erfolg.
Hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten K... tragen die Feststellungen nicht den Schuldspruch. Das Urteil enthält keine Feststellungen zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 186 StGB durch diesen Angeklagten. Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, dass er in Hinblick auf das Verteilen der Flugschriften oder ihr Einstellen in das Internet irgendeine Tätigkeit entfaltet oder veranlasst oder sich an dergleichen beteiligt hat. Die Feststellung, dass (auch) er die Veröffentlichung der Flugschrift beabsichtigte (UA S. 8), erschöpft sich in der Mitteilung einer Willensrichtung und ersetzt nicht die Feststellung eines tatbestandlichen Verhaltens.
In Bezug auf den Angeklagten V... tragen die Feststellungen nicht den Schuldspruch im Fall 1. Die Flugschriften wurden nach den Urteilsfeststellungen von nicht zu ermittelnden Personen verteilt. Dass der Angeklagte V... ihren Inhalt in das Internet einstellte, ist nicht festgestellt. Im Urteil ist nur - im sprachlichen Passiv - angegeben, die Flugschrift sei "auf der vom Angeklagten V... betriebenen Internetseite verbreitet worden". Da aber nicht festgestellt worden ist, dass ausschließlich der Angeklagte V... Zugriff auf die Internetseite hatte, reicht dies als Feststellung einer Tatbegehung durch den Angeklagten V... nicht aus.
Darüber hinaus ist das Urteil - alle Taten betreffend - lückenhaft, weil die Urteilsgründe eine Überprüfung der rechtlichen Würdigung des Landgerichts nicht zulassen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu ausgeführt:
"Die Urteilsgründe tragen die rechtliche Würdigung der Strafkammer, wonach die Aussagen in dem von beiden Angeklagten stammenden Schreiben, das am 08.08.2007 in mehreren Orten verteilt und das inhaltsgleich auf der vom Angeklagten V... betriebenen Internetseite "bohrwurm.net" veröffentlicht worden war, eine üble Nachrede (§ 186 StGB) darstellen, nicht. Auch die weitere Schlussfolgerung der Kammer, nach der die Inhalte der beiden Schreiben des Angeklagten V... an den Präsidenten des Oberlandesgericht Oldenburg vom 13.02.2008 bzw. 15.02.2008 ebenfalls den Straftatbestand der üblen Nachrede erfüllen sollen, wird von den Feststellungen des Urteils nicht gedeckt.
a) Zweifellos enthalten sowohl das von den Angeklagten verfasste Schreiben aus August 2007 als auch die beiden weiteren, allein vom Angeklagten V... stammenden Schreiben aus Februar 2008 ehrenrührige Äußerungen in Bezug auf die in den Schriftstücken jeweils namentlich genannten Justizangehörigen. Dies ergibt sich aus den in der Sachverhaltsfeststellung der Kammer wörtlich zitierten Auszügen der jeweiligen Schreiben.
Es bestehen jedoch Bedenken, ob es sich bei den Äußerungen tatsächlich - wie vom Berufungsgericht angenommen - um Tatsachenbehauptungen handelt. Es hat hierzu lediglich ausgeführt: "Sämtliche in den Feststellungen zitierten Behauptungen sind ehrenrührig. Dabei handelt es sich nicht nur um Werturteile(,) sondern um konkrete Tatsachenbehauptungen, die den Rechtsbeugevorwurf begründen sollen" (Bl. 7 UA).
Sonstige Erläuterungen, warum das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass es sich um Tatsachenbehauptungen handelt, finden sich im Urteil nicht.
Die Auslegung mündlicher oder schriftlicher Erklärungen ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat aber zu prüfen, ob sich der Tatrichter bei der Auslegung von rechtlich zutreffenden Erwägungen hat leiten lassen, ob die Auslegung des Tatrichters lückenhaft ist oder auf Rechtsirrtum oder Verstößen gegen Sprach oder Denkgesetze, gegen Erfahrungssätze oder gegen allgemeine Auslegungsregeln beruht (vgl. BGHSt 21, 371. MeyerGoßner, StPO, 53. Aufl., § 337 Rdnr. 32 mwN). Der Tatrichter muss nicht nur den Wortlaut, sondern auch den Sinn einer Äußerung feststellen. Den tatsächlichen Gehalt der Äußerung hat er im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei ist Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen, dass ihr Sinn zutreffend vom Tatrichter erfasst worden ist (Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 15.06.2009, 1 Ss 39/09 in: juris).
Zutreffend wird hierzu in der Revisionsbegründung des Angeklagten K... ausgeführt, dass die Grenzen zwischen einer dem Straftatbestand des § 186 StGB möglicherweise unterfallenden Tatsachenbehauptung und einem Werturteil oder einer Meinungsäußerung, die - soweit ehrenrührig - den Tatbestand einer Beleidigung gemäß § 185 StGB erfüllen könnten, fließend sind. Während bei der Tatsachenbehauptung die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Realität im Vordergrund steht, sind Meinungen und Werturteile durch die subjektive Beziehung des Einzelnen zum Inhalt seiner Aussage und durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt, enthalten also ein Urteil über Sachverhalte, Ideen oder Personen (KG, Beschluss vom 16.03.2009, (4) 1 Ss 20/09 (50/09) in: juris). Bei der entsprechenden Auslegung und Einordnung einer ehrenrührigen Äußerung ist daher stets auch der Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen, in dessen Rahmen die jeweiligen Äußerungen gefallen sind.
Dementsprechend haben diverse höchstrichterliche und obergerichtliche Entscheidungen einen - wie hier - von Angeklagten gegenüber Richtern und sonstigen Justizangehörigen erhobenen Vorwurf der Rechtsbeugung als Meinungsäußerung qualifiziert, wenn er in Zusammenhang mit bestimmten, den sich Äußernden betreffenden Urteilen oder gerichtlichen Entscheidungen steht, in sachliche Einwände gegen das Urteil eingebettet ist und damit als - wenn auch scharfe - Zusammenfassung der Kritik an Urteilen oder sonstigen Entscheidungen dient (vgl. BVerfG, 20.05.1999, 1 BVR 1294/96, KG, StV 1997, 485, BayObLG, NJW 1995, 2501 ff.). Ebenso ist auch der gegenüber dem Präsidenten des Landgerichts Oldenburg im Schreiben beider Angeklagter erhobene Vorwurf, wonach der Präsident eine Beschwerde habe "verschwinden" lassen, nicht ohne weiteres als Tatsachenbehauptung einzustufen. So wurde z.B. eine vergleichbare Äußerung, nach der ein Richter bezichtigt worden war, "dieser entferne in offensichtlicher Verschleierungsabsicht Aktenstücke aus der Prozessakte", unter der gebotenen Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs - obergerichtlich als Meinungsäußerung eingestuft (vgl. OLG Hamm, NStZRR 2006, 7 (8)). Darüber hinaus haben zumindest einige der vom Berufungsgericht im Urteil zitierten Äußerungen der Angeklagten nur wenig Tatsachensubstanz und erscheinen derart abstrus, dass sie letztlich ebenfalls nur als abwertende Meinungsäußerungen anzusehen sein könnten (vgl. Senatsbeschluss vom 14.04.2008, Ss 131/08). Dies gilt z.B. für die Formulierung "Dr. R... deckt die Vollstreckungsverbrechen nach § 16 Abs. 2 LzOGesetz 1933" (Bl. 6 UA) oder den mit den Namen "Dr. R... und Ri. O..." versehenen Zusatz: "Als geheimes Rechtsbeuge und Vollstr.Verbrechenssyndikat weitergeführt" unter einem Presseartikel über die "NSRaubpolitik" (Bl. 6 UA).
Die zutreffende Entscheidung über die Einordnung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Meinung bzw. Werturteil ist jedoch von maßgeblicher Bedeutung.
Die Zulässigkeit von Tatsachenbehauptungen hängt in erster Linie von ihrem Wahrheitsgehalt ab. Ihr Schutz endet dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen können, so dass jedenfalls bewusst oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptungen nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst sind und dementsprechend eine Berufung auf den Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB grundsätzlich nicht möglich ist (vgl. BVerfGE 90, 241 [BVerfG 13.04.1994 - 1 BvR 23/94] (247 f.)). Erweist sich eine Äußerung hingegen als Meinungskundgabe, steht sie unter dem besonderen Schutz des Artikels 5 Abs. 1 S. 1 GG. Es kommt dabei nicht darauf an, ob sie sachlich gerechtfertigt oder grundlos, emotional oder rational, scharf oder verletzend formuliert ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingestuft wird (KG, aaO., mwN). Aus diesen Gründen unterliegt insbesondere auch die Frage, ob der Tatrichter eine Äußerung zu Recht als Tatsachenbehauptung gewürdigt hat, der revisionsrichterlichen Kontrolle, weil der sich Äußernde durch eine unzutreffende Beurteilung möglicherweise grundrechtlichen Schutz verlieren könnte (vgl. BVerfG, NJW 1991, 1529 [BVerfG 19.12.1990 - 1 BvR 389/90]. OLG Frankfurt a.M., NJW 2003, 77 [OLG Frankfurt am Main 02.10.2002 - 1 Ss 329/01]. BayObLG, NStZRR 2002, 40 ff., 2501. Brandenburgisches OLG, aaO.).
Eine solche Überprüfung durch das Revisionsgericht ist vorliegend allerdings nicht möglich. Die im Urteil ohne nähere Ausführungen erfolgte Qualifizierung der schriftlichen Äußerungen der Angeklagten als herabwürdigende Tatsachenbehauptungen (Bl. 7 UA) ist mit Blick auf die oben dargelegten Anforderungen unvollständig, weil die maßgeblichen Umstände für die vorgenommene Auslegung nicht angegeben werden. Zudem sind in den Urteilsgründen sowohl der Inhalt des von beiden Angeklagten verfassten mehrseitigen Schreibens aus August 2007 als auch der Inhalt der beiden Schreiben des Angeklagten V... aus Februar 2008 nur in wenigen kurzen Auszügen wiedergegeben. Es werden insoweit lediglich die nach Wertung des Gerichts inkriminierenden Äußerungen zitiert. Der sonstige Inhalt der mehrseitigen Schriftstücke und deren Anlagen wird vom Berufungsgericht nicht mitgeteilt. Eine solch verkürzte Darstellung verhindert schon die Ermittlung des objektiven Sinngehalts der ehrenrührigen Äußerungen (vgl. BayObLG, Beschl. v. 01.12.2009, 5 St RR 295/09 in: juris).
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass in den Urteilsgründen dargelegt wird,
dass die Landessparkasse zu Oldenburg die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück des Angeklagte K... betrieben und sich insoweit selbst die Vollstreckbarkeit des dinglichen Anspruchs bescheinigt hatte,
dass die Angeklagten die im Zwangsvollstreckungsverfahren zur Anwendung gelangte Vorschrift des § 16 Abs. 2 LzOGesetz von 1933 für rechtswidrig halten,
dass sich beide Angeklagte in einer Vielzahl von Eingaben und Beschwerden erfolglos gegen die Zwangsversteigerung des Grundstücks gewandt hatten,
dass die in den Schreiben angegriffenen Justizangehörigen an entsprechenden Entscheidungen über diese Einwände der Angeklagten beteiligt waren und
dass der Angeklagte V... sich dahingehend eingelassen habe, dass er die genannten Personen nicht habe verächtlich machen, sondern lediglich eine erneute Prüfung der Sache habe erzwingen wollen.
Daraus ergibt sich, dass die Angeklagten einen "Kampf um das Recht" führten, in dem ein Beteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen darf, um seine Rechtsposition zu unterstreichen (vgl. Senatsbeschluss vom 14.04.2008, Ss 131/08. BVerfG, NJW 1991, 2074 [BVerfG 11.04.1991 - 2 BvR 963/90] (2076)), und in dem die verwendeten Begriffe oftmals eher als Meinungsäußerungen bzw. Werturteile anzusehen sind denn als Tatsachenbehauptungen (vgl. Fischer, aaO., § 186, Rdnr. 3 a).
Die Prüfung, ob es sich bei den Behauptungen und Vorwürfen der Angeklagten um solche handelt, die als Meinungsäußerungen grundsätzlich unter dem Schutz des Grundrechts der Meinungsfreiheit stehen und die deshalb eine eingehende Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und dem Ehrenschutz der durch die Meinungsäußerung betroffenen Personen erfordern, ist dem Revisionsgericht im vorliegenden Fall allerdings verwehrt, weil das Landgericht einzelne Elemente aus offensichtlich komplexen Äußerungen herausgelöst hat. Diese vereinzelte Betrachtung ist jedoch unzulässig, weil sie die Gefahr begründet, dass der Charakter der Äußerung verfälscht und ihr damit der ihr zustehende Grundrechtsschutz von vornherein versagt wird (BGH. NJW 1997, 2513 [BGH 25.03.1997 - VI ZR 102/96]. OLG Hamm, NStZRR 2006, 7. Brandenburgisches OLG, aaO.).
b) Mangels Wiedergabe des sonstigen Inhalts der von den Angeklagten stammenden Schreiben und deren Anlagen ist es dem Revisionsgericht auch nicht möglich zu prüfen, ob die vom Tatrichter als Tatsachenbehauptungen gewerteten Äußerungen möglicherweise durch die auch hier in gewisser Weise geltende, grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit gedeckt (vgl. OLG Düsseldorf, NStZRR 1996, 164 (165)) oder im Rahmen der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) gerechtfertigt sind. Insbesondere erschwert die lückenhafte Darstellung eine am Anlass und situativen Kontext der gefallenen Äußerungen ausgerichtete Abwägung (vgl. BayObLG, Beschl. v. 01.12.2009, aaO.).
Die in den Urteilsgründen zitierten Äußerungen der Angeklagten stellen auch weder Angriffe auf die Menschenwürde noch Formalbeleidigungen dar, bei denen die Meinungsfreiheit - ebenso wie bei Schmähkritik - generell hinter den Ehrenschutz der angegriffenen Personen zurücktritt (BVerfG, NJW 1999, 2262 f. [BVerfG 16.10.1998 - 1 BvR 590/96]) bzw. eine Rechtfertigung im Rahmen der Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB per se ausscheidet (Fischer, aaO., § 193, Rdnr. 43). Von einem Angriff auf die Menschenwürde in dem Sinn, dass den in den Schreiben benannten Personen die personale Würde abgesprochen und sie als unterwertige Wesen beschrieben werden (vgl. Fischer, StGB, 58. Auflage, § 130, Rdnr. 12 a), kann selbst nach den nur auszugsweise festgestellten Äußerungen nicht die Rede sein. Eine Formalbeleidigung, deren Kennzeichen es ist, dass sich die Kränkung bereits aus der Form der Äußerung ohne Rücksicht auf ihren Inhalt ergibt (BayObLG, NStZRR 2002, 40 (42)), ist weder in der Verteilung von mehrseitigen Schreiben an einen größeren, unbekannten Personenkreis noch in der Übersendung von Schreiben an den Dienstvorgesetzten eines Richters zu sehen. Die Angriffe auf die von den Angeklagten benannten Justizangehörigen ergeben sich vielmehr allein aus dem Inhalt der den Angeklagten vorgeworfenen Äußerungen und nicht aus ihrer Form.
Ob es sich - wie vom Berufungsgericht offensichtlich angenommen (Bl. 11 UA) - bei den schriftlichen Äußerungen der Angeklagten hingegen um Schmähkritik handelt, bei der es dem Verfasser allein um die Diffamierung anderer Personen geht und die quasi ausschließlich herabsetzend und verletzend ist (vgl. BayObLG, Beschl. vom 01.12.2009, aaO.), kann mangels Feststellungen zum sonstigen Inhalt der jeweiligen Schreiben vom Revisionsgericht gleichfalls nicht in der gebotenen Weise überprüft werden, weil die Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik und der damit begründete Verzicht auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehre regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung erfordern (vgl. BVerfG, NJW 2009, 749 f.). Die erhobenen Vorwürfe der Rechtsbeugung, der Urkundenunterdrückung und des Betruges sowie die den Richtern O... und Dr. R... unterstellte Nähe zu NaziUnrecht rechtfertigen es auch nicht, ausnahmsweise von der Wiedergabe des Gesamtzusammenhangs abzusehen. Denn es handelt es sich dabei nicht um Äußerungen, deren diffamierender Gehalt so erheblich ist, dass sie in jedem denkbaren Zusammenhang als bloße Herabsetzung der Betroffenen zu verstehen sind wie z.B. besonders schwerwiegende Schimpfwörter aus der Fäkalsprache (vgl. BVerfG, NJW 2009, 749 f. [BVerfG 05.12.2008 - 1 BvR 1318/07])."
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Eine falsche Rechtsanwendung zu Lasten der Angeklagten ist mithin nicht auszuschließen. Das Urteil war deshalb mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionen - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.
Da die Revisionen bereits mit den Sachrügen Erfolg haben, war auf das sonstige Revisionsvorbringen nicht weiter einzugehen.