Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 28.03.2006, Az.: 1 WF 74/06
Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Prozesskostenhilfeverfahrens; Bedeutung der Erledigung in gütlicher Weise für die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeverfahren; Entstehen eines Prozessrechtsverhältnisses als Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 28.03.2006
- Aktenzeichen
- 1 WF 74/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 13511
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2006:0328.1WF74.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Braunschweig - 27.01.2006
Rechtsgrundlage
- § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO
Fundstellen
- AGS 2007, 513-514 (Volltext mit red. LS)
- FamRZ 2006, 961-962 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2006, 504-505
Amtlicher Leitsatz
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren kommt abweichend von dem Grundsatz, dass Prozesskostenhilfe nicht für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren gewährt werden kann, ausnahmsweise in Betracht, wenn nach Bewilligungsreife das Verfahren in Folge richterlicher Hinweise in gütlicher Weise eine Erledigung findet.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Braunschweig vom 27. Januar 2006 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. zu seiner Vertretung bewilligt.
Im übrigen wird Prozesskostenhilfe versagt.
Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Notwendige außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für ein Verfahren über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats zur Gestaltung der Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung.
Die Parteien sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Während der Ehezeit haben sie gemeinsam die in Braunschweig gelegene Ehewohnung angemietet. Seit der Trennung der Parteien wird die Ehewohnung von der Antragsgegnerin und den vier gemeinsamen Kindern bewohnt. Ziel des Verfahrens des Antragstellers ist die Zuweisung der Ehewohnung an die Antragsgegnerin, um aus der gesamtschuldnerischen Haftung des gemeinsam eingegangenen Mietverhältnisses auszuscheiden.
Der Vermieter hat vorgerichtlich sein Einverständnis zur Fortsetzung des Mietverhältnisses allein mit der Antragsgegnerin erklärt.
Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Stellungnahme zum Prozesskostenhilfeantrag ihre Bereitschaft, an der Umschreibung des Mietvertrages mitzuwirken, von der Übernahme der Betriebskostennachzahlung für das Jahr 2001 sowie von einer Kostenübernahme für eine Wohnungsrenovierung bei ihrem Auszug abhängig gemacht. Der Antragsteller hat durch Quittungen die Zahlung der Betriebskostenabrechnung für 2001 im Jahre 2003 nachgewiesen. Das Familiengericht hat mit Verfügung vom 23. November 2005 auf die Bereitschaft des Vermieters hingewiesen, den Antragsteller ohne Vorbedingungen aus dem Mietverhältnis zu entlassen und auf die weiter bestehende Mithaftung des Antragstellers für bereits fällige Schönheitsreparaturen. Daraufhin hat die Antragsgegnerin zugestimmt, das Mietverhältnis allein fortzusetzen. Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2005 hat der Antragsteller an die Entscheidung über seinen Prozesskostenhilfeantrag erinnert und mit dem folgenden Schriftsatz vom 10. Januar 2006 mitgeteilt, dass der Vermieter aufgrund der Zustimmung der Antragsgegnerin nunmehr den Antragsteller aus dem Mietvertrag entlassen habe und das Mietverhältnis mit der Antragsgegnerin als Hauptmieterin fortführen werde.
Mit Beschluss vom 27. Januar 2006 hat das Amtsgericht dem Antragsteller Prozesskostenhilfe versagt, weil die Rechtssache sich während des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens erledigt habe, ohne dass ein Prozessrechtsverhältnis mangels Zustellung des Sachantrages begründet worden sei. Im Übrigen hätten sich Bedenken gegen die anfängliche Erfolgsaussicht ergeben. Hiergegen wendet sich die rechtzeitig eingegangene sofortige Beschwerde des Antragstellers, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hat teilweise Erfolg. Sie führt zu einer ausnahmsweise Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg, soweit sie darauf gerichtet ist, Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Rechtsstreits zu erlangen.
Grundsätzlich kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht, wenn sich der Streit / die Hauptsache bereits im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren erledigt, weil dann die Notwendigkeit einer weiteren Rechtsverfolgung mit dem Eintritt in ein Prozessrechtsverhältnis nicht mehr besteht (vgl. Zöller/Philippi, 25. Aufl., zu § 140 Rz. 20 a m.w.N.). Allerdings wird dieser Grundsatz jedenfalls bei Verfahren, die nicht als reine Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren geführt werden und in diesem Stadium verbleiben, durchbrochen, wenn die Bewilligungsentscheidung durch gerichtliche Maßnahmen etwa durch nachlässige oder fehlerhafte Bearbeitung verzögert wird, dann gebietet es der Grundsatz des fairen Verfahrens dem Prozesskostenhilfegesuch die Beurteilung der Erfolgsaussicht im Zeitpunkt der Bewilligungsreife zugrunde zu legen (OLG Hamburg, FamRZ 2000, 1587 [OLG Hamburg 11.02.1999 - 12 WF 13/99], Zöller/Philippi, a.a.O., zu § 119 Rz. 46 m.w.N.). Nach ganz überwiegender Auffassung ist deshalb über den zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vollständig belegten Antrag dann zu entscheiden, wenn der Antragsgegner die Gelegenheit zur Stellungnahme wahrgenommen hat. Hierdurch wird allerdings nur der Zeitpunkt der Entscheidungsreife markiert und damit der Zeitablauf in Gang gesetzt, den das entscheidende Gericht in pflichtgemäßer Förderung des Verfahrens unter Berücksichtigung seiner Belastungssituation ggf. auch zur weiteren Klärung des Sachverhalts benötigt. Eine unsachgemäße Verzögerung der Prozesskostenhilfeentscheidung wird daher nicht allein durch den Zeitablauf gekennzeichnet, sondern stets auch dadurch, dass dem Verfahren Fortgang gegeben wird, ohne dem Recht der antragstellenden Partei auf wirtschaftliche Unterstützung mittels der Prozesskostenhilfe Geltung zu verschaffen. Angesichts der kurzen Zeitabläufe in der vorliegenden richterlichen Bearbeitung findet der Vorwurf einer verzögerten Sachentscheidung keine Grundlage.
Angesichts der Besonderheiten des hier gegebenen Verfahrensganges ist jedoch zu prüfen, ob ausnahmsweise die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren in Betracht kommt. Die Erledigung des Streits ist dadurch herbeigeführt worden, dass mit richterlicher Verfügung der Antragsgegnerin die Zustimmung nahegelegt worden ist. Der Richter wurde damit seiner Aufgabe gerecht, in jeder Lage des Verfahrens auf eine unstreitige Erledigung hinzuwirken. Erst nach diesem Hinweis hat die Antragsgegnerin ihre teilweise ablehnende Haltung aufgegeben und dem richterlichen Vorschlag Folge leistend, ihre Zustimmung gegenüber dem Vermieter erklärt, wodurch die Erledigung des Streits herbeigeführt worden ist. Durch den gerichtlichen Hinweis ist somit eine der mündlichen Erörterungen nach § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO vergleichbare Verfahrenssituation entstanden, in der bereits im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren durch eine gütliche Einigung der Parteien der Streit selbst beigelegt wird. Für den Fall einer gütlichen Einigung ist jedoch weitgehend anerkannt, dass vom Grundsatz abgewichen werden kann, das für das Bewilligungsverfahren selbst keine Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, vgl. Zöller/Philippi, ZPO, zu § 118 Rz. 8 m.w.N., wobei Streit darüber besteht, ob nur für den Vergleich oder auch für das Verfahren Kostenhilfe gewährt werden kann. In der vorliegenden Ausnahmesituation ist es sachgerecht, dem Antragsteller die Befreiung von der anwaltlichen Verfahrensgebühr im Prozesskostenhilfeverfahren zugute kommen zu lassen, weil dadurch der Ursächlichkeit der richterlichen Hinweise für die Verfahrensbeendigung durch eine gütliche Einigung der Parteien angemessen Bedeutung verschafft wird.
Grundvoraussetzung ist dabei allerdings, die hier nachgewiesene Prozesskostenhilfebedürftigkeit und dass für das Rechtsbegehren des Antragstellers eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht. Kernproblem des vorliegenden Streits ist dabei die Frage, ob das Wohnungszuweisungsverfahren nach der Hausratsverordnung allein mit dem Ziel geführt werden kann, das Gesamtschuldverhältnis aufzulösen. Diese Frage wird allerdings in der höchstrichterlichen Rechtsprechung kontrovers diskutiert. Während etwa das Oberlandesgericht München, OLGR 1999, 268, es ablehnt, einen Antrag im Hausratsverfahren mit dem Ziel der Zuweisung der Wohnung an den anderen Ehegatten zuzulassen und die Parteien wohl auf den Weg der Auflösung der Gesellschaft verweist, hält das Kammergericht diesen prozessualen Weg für durchaus gegeben, KG FamRZ 2002, 1355. Da das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren aber nicht dem Zweck dient, über zweifelhafte Rechtsfragen abschließend vorweg zu entscheiden, BVerfG FamRZ 2002, 665 [BVerfG 10.12.2001 - 1 BvR 1803/97], FamRZ 2003, 833, ist unter dem Gesichtspunkt, den Parteien die Möglichkeit der Klärung der Rechtsfrage in den Instanzen zu eröffnen, die hinreichende Erfolgsaussicht zu bejahen.
Im Hinblick auf den Erfolg des Beschwerdeverfahrens wird von der Möglichkeit der Einräumung der Gebührenfreiheit Gebrauch gemacht. Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 127 Abs. 4 ZPO.