Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 27.03.2006, Az.: 7 U 96/05
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 27.03.2006
- Aktenzeichen
- 7 U 96/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 42111
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2006:0327.7U96.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Göttingen - AZ: 4 O 366/04
Fundstelle
- zfs 2006, 439
In dem Rechtsstreit
d.
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
gegen
1. der
2. der
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2:
Rechtsanwälte
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Richter am Oberlandesgericht auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2006 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 15. Juni 2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das angefochtene Urteil in der Kostenentscheidung abgeändert wird; von den Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits haben der Kläger selbst 5/9 und die Beklagten als Gesamtschuldner 4/9 zu tragen.
Die Kosten des Berufungsrechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert des Rechtsstreits erster Instanz: 9.213,85 €, Berufungsstreitwert: 5.162,11 €.
Gründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet abgesehen davon, dass sie zu einer geringfügigen Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung führen musste. Das Landgericht hat dem Kläger sowohl den Schmerzensgeld- und den materiellen Schadensersatzanspruch als auch den Feststellungsanspruch im ihm nach §§ 7 Abs.1 StVG, 823, 847, 1922, 1967 BGB zustehenden Umfang zugesprochen; weitergehende Ansprüche gegen die Beklagten als Gesamtschuldner bestehen nicht.
1. Die von der Kammer vorgenommene Schätzung des materiellen Schadens begegnet keinen Bedenken. Für die erst einen oder zwei Monate alte Gegenstände, deren Zerstörung der Kläger geltend macht, ist ein Abzug von 35% jedenfalls nicht zu beanstanden; für diejenigen mit höherem Alter muss das dann erst recht gelten. Der Senat hat im Termin vom 13.03.06 darauf hingewiesen, dass ein Markt für gebrauchte Kleidung praktisch nicht existiert und deshalb gerade bei solchen Gegenständen auch nach kurzer Benutzungszeit ganz erhebliche Abschläge in Kauf genommen werden müssen.
2. Ähnliches gilt für das Schmerzensgeld; mehr als die vom Landgericht insgesamt für angemessen gehaltenen 7.000.- € und damit die auf die Klage hin noch zuerkannten restlichen 3.000.- € stehen dem Kläger nicht zu.
a) Es besteht zunächst kein Anlass, an der Mithaftungsquote von 50% etwas zu ändern, weil der Kläger meint, die Wirkung von Sicherheitsgurten im konkreten Fall anzweifeln zu müssen. Auch insoweit ist der Argumentation der Kammer im angefochtenen Urteil (S. 6f) zu folgen. Anhaltspunkte, die dagegen sprechen, trägt der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger nach wie vor nicht substantiiert vor. Der von dem Klägervertreter herangezogene Vergleichsfall eines nicht mit Fahrradhelm ausgerüsteten Radfahrers ist, worauf ebenfalls im Senatstermin hingewiesen worden ist, nicht vergleichbar; nicht nur wegen der ganz anderen Gefahrenlage eines Radfahrers auf dem Sattel gegenüber einem Mitfahrer im Pkw, sondern auch deshalb, weil nach wie vor keine Fahrradhelmpflicht besteht, wohl aber eine Gurtpflicht in Personenkraftwagen. Soweit der Kläger behauptet, die Verletzungen wären bei Gurtanlegung sogar geringfügiger ausgefallen, ist dies neues, bestrittenes und daher in zweiter Instanz nicht gem. §§ 529 Abs.1 Nr.2, 531 Abs.2 ZPO zuzulassendes Vorbringen. Es kann insbesondere nicht angenommen werden, das Landgericht habe in gem. § 531 Abs.2 Nr.2 ZPO beachtlicher Weise einen Hinweis versäumt, weil dem Widerrufsvergleich eine Mithaftung von 1/3 zugrundelag. Die Beklagten haben von Anfang an eine Mithaftung von 50% geltend gemacht; dies war von Anfang an neben der materiellen Schadenshöhe der Hauptstreitpunkt zwischen den Parteien (vgl. BGH MDR 01, 1313f; BGH NJW 84, 310). Im übrigen ist die Behauptung des Klägers, die Verletzungen wären bei Gurtanlegung schwerer ausgefallen, auch ohne jede Substanz geblieben.
b) Ein Schmerzensgeld von mehr als 7.000.- € ist in Anbetracht vergleichbarer Fälle unter Berücksichtigung eines 50%igen Mitverschuldens des Klägers keinesfalls gerechtfertigt (vgl. Hacks / Ring / Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 24. Aufl., Nr. 1731, 1753, 1763, 1806, 1809, 1842, 1881, 1893, 1932, 1935: sämtlich zwischen 10.000.- € und 12.500.- € ohne Mitverschulden).
3. Eine Mithaftungsquote von 50% ist auch für den Feststellungsanspruch des Klägers zu berücksichtigen.
4. Lediglich die vom Landgericht ausgeworfene Kostenquote ist zu korrigieren. Die Kammer hat bei der Anwendung von § 93 ZPO verkannt, dass die Beklagten vor ihrem Anerkenntnis in der Klagerwiderung bereits Verteidigungsanzeige eingereicht hatten (Bl. 15 d.A.), was die Anwendung von § 93 zum Vorteil des Anerkennenden verhindert (vgl. nur Zöller / Herget aaO Rz.4 zu § 93 m.w.N. aus der Rspr.). Das gilt auch für die damals noch nicht beteiligte, im Rechtsstreit offenbar der Einfachheit halber ebenfalls als "Beklagte zu 1" bezeichnete Mutter des ursprünglichen Beklagten, die nach den unstreitigen Feststellungen der Kammer den Rechtsstreit als Erbin aufgenommen hat und sich daher auch die Verteidigungsanzeige zurechnen lassen muss. Auf das - in zweiter Instanz zulässige, da unbestritten gebliebene - Vorbringen des Klägers bezgl. ein Schreiben vom 29.07.02 kommt es deshalb nicht an.
Das führt zu einer geringfügigen Verschiebung der gem. §§ 91 Abs.1, 92 Abs.2, 100 Abs.4 ZPO festzusetzenden Kostenquote für den Rechtsstreit erster Instanz. Dabei war, wie im Termin erörtert, für den erstinstanzlichen wie für den Berufungsstreitwert von der im Klagantrag genannten Mindestbegehr des Klägers von 6.000.- € auszugehen; der im Rahmen des widerrufenen Vergleichs vereinbarte Betrag von noch 8.000.- € bleibt deshalb ebenso außer Betracht wie die in der Berufungsinstanz erwähnte frühere Vorstellung des Klägers, es seien insgesamt 15.000.- € angemessen (vgl. Zöller / Herget, ZPO, 25. Aufl., Rz. 16 "Unbezifferte Klaganträge" zu § 3 m.w.N.). - Der Eintritt der jetzigen Beklagten zu 1 als Gesamtrechtsnachfolgerin ihres Sohnes bleibt ohne Kostenfolge. Die Kosten des Berufungsrechtsstreits hat der Kläger gem. §§ 91 Abs.1, 97 Abs.1 ZPO in vollem Umfang zu tragen; insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Hinweis des Senats vom 06. Januar 2006 Bezug genommen. Ein Anlass zur Zulassung der Revision i.S.v. § 543 Abs.2 ZPO war nicht erkennbar.