Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 30.03.2006, Az.: 2 U 116/05
Inverkehrbringen und Bewerben eines Produkts mit der Zutat "Alpha-Lipon-Säure" als ein Lebensmittel trotz fehlender Zulassung der "Alpha-Lipon-Säure" als Zusatzstoff und/oder Novel Food; Inverkehrbringen und Bewerben eines Produkts mit der Zutat "Alpha-Lipon-Säure" als ergänzende bilanzierte Diät trotz fehlender Zulassung der "Alpha-Lipon-Säure" als Zusatzstoff und/oder Novel Food; Einstweilige Verfügung auf Unterlassung des Inverkehrbringens bzw. Bewerbens eines Produkts als Nahrungsmittel oder Diät bei fehlender Zulassung einer Zutat als Zusatzstoff und/oder Novel Food; Vorliegen einer Prozessführungsbefugnis bei rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegen das Bewerben eines Produkts als Nahrungsmittel trotz fehlender Zulassung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 30.03.2006
- Aktenzeichen
- 2 U 116/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 36907
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2006:0330.2U116.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 02.11.2005 - AZ: 22 O 2717/05
Rechtsgrundlagen
- § 4 Nr. 11 UWG
- § 8 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 UWG
- § 8 Abs. 4 UWG
- § 5 Abs. 1 DiätV
- § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 DiätV
- § 7a DiätV
Fundstellen
- EFFL 2006, 313
- ZLR 2006, 453-464 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
Redaktioneller Leitsatz
Alpha-Lipon-Säure stellt einen zulassungspflichtigen, aber nicht zugelassenen Stoff im Sinne der DiätV und der Novel-Food-Verordnung dar. Ein Produkt mit diesem Bestandteil ist damit derzeit weder als diätetisches Lebensmittel noch als allgemeines Lebensmittel verkehrsfähig.
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
...
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ,
die Richterin am Oberlandesgericht und
die Richterin am Landgericht
auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2006
f ü r R e c h t e r k a n n t :
Tenor:
Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das am 2. November 2005 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Braunschweig geändert:
- 1.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen,
- a)
das Produkt "alpha betic" mit der Zutat "Alpha-Lipon-Säure" als Lebensmittel in den Verkehr zu bringen, solange Alpha-Lipon-Säure nicht als Zusatzstoff und/oder Novel Food zugelassen ist
und/oder
- b)
das Produkt "alpha betic" als ergänzende bilanzierte Diät in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben.
Für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen vorstehende Unterlassungsgebote wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten, angedroht.
- 2.
Die Kosten beider Instanzen hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.
- 3.
Wert des Berufungsverfahrens: 150.000,00 EUR.
Gründe
Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers hat Erfolg.
A.
Der Verfügungskläger begehrt mit der einstweiligen Verfügung die Unterlassung des Inverkehrbringens bzw. Bewerbens des von der Verfügungsbeklagten vertriebenen Produkts "alpha betic". Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil weder ein Verfügungsgrund noch ein Verfügungsanspruch bestehe; wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und entsprechend begründete Berufung des Verfügungsklägers.
Der Verfügungskläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen zu der nicht nachgewiesenen Wirksamkeit des Produktes und führt insbesondere aus, warum Alpha-Lipon-Säure unter die Novel-Food-Verordnung fällt.
Der Verfügungskläger beantragt,
das am 2. November 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Braunschweig, Aktenzeichen: 22 O 2717/05, aufzuheben und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stattzugeben.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien verwiesen.
B.
Die Berufung des Verfügungsklägers ist begründet.
I.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, insbesondere ist der Verfügungskläger gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Die Verfügungsbeklagte hat nicht glaubhaft gemacht, dass das Vorgehen des Verfügungsklägers i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG missbräuchlich ist und damit dessen Prozessführungsbefugnis entfällt.
Gem. § 8 Abs. 4 UWG ist die Geltendmachung der Unterlassungsansprüche gem. § 8 Abs. 1 UWG unzulässig, wenn sie unter besonderer Berücksichtigung der gesamten Umstände rechtsmissbräuchlich ist. Missbräuchlich ist das Vorgehen u.a. dann, wenn der Verband sich von einem Dritten zu seinem Werkzeug machen lässt, also keine eigenen Verbandsinteressen, sondern nur das Interesse des Dritten verfolgt, weil dieser die Möglichkeit des eigenen Vorgehens verloren hat (Fezer-Büscher, UWG, § 8 Rz. 240, Teplitzky, WettbewerbsR, 8. A., 13. Kap. Rz. 60). Die Verfügungsbeklagte hat nicht glaubhaft gemacht, dass der Verfügungskläger, wie von ihr behauptet, allein auf Initiative der und/oder der Deutschen tätig geworden ist.
Unstreitig hat die Verfügungsbeklagte mit den beiden genannten Unternehmen am 16./18. März 2005 eine Vereinbarung geschlossen, in der sich die Unternehmen u.a. verpflichtet haben, keine Klage gegen die Verfügungsbeklagte wegen "alpha betic" zu erheben. Die Verfügungsbeklagte hat jedoch keine konkreten Anhaltspunkte glaubhaft gemacht, die es einzeln oder in ihrer Gesamtheit als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass die Unternehmen den Verfügungskläger direkt oder indirekt beauftragt haben, gegen die Verfügungsbeklagte vorzugehen.
Die Vertretung des Verfügungsklägers durch dieselbe Rechtsanwaltskanzlei, die die und die Deutsche in dem Rechtsstreit mit der Verfügungsbeklagten vertreten haben, könnte zwar vermuten lassen, dass zwischen den Unternehmen und dem Verfügungskläger Kontakte bestehen. Zu berücksichtigen ist hier jedoch, dass der Verfügungskläger in München ansässig ist und es aus seiner Sicht nahe liegt, eine Kanzlei zu beauftragen, die wie seine Prozessbevollmächtigten ihren Sitz ebenfalls in München haben. Darüber hinaus handelt es sich vorliegend um eine Streitigkeit auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts, in dem regelmäßig Spezialkanzleien beauftragt werden, deren Anzahl begrenzt ist.
Auch die unstreitige Tatsache, dass der Verfügungskläger von Dritten auf das Produkt aufmerksam gemacht worden ist, lässt die Behauptung der Verfügungsbeklagten, der Hinweis erfolgte auf Initiative der beiden Konkurrenzunternehmen, nicht als wahrscheinlich erscheinen. Zwar hat sich der Verfügungskläger nicht dazu geäußert, von wem er am 11. August 2005 den Hinweis auf das Produkt erhalten haben will. Er hat jedoch verschiedene eidesstattliche Versicherungen beigebracht, die der Behauptung der Verfügungsbeklagten entgegenstehen und die die Verfügungsbeklagte nicht substantiiert angegriffen hat. Der Verfügungskläger hat zunächst unstreitig unmittelbar nach dem Hinweis des nicht genannten Dritten die , die auf einer der beiden zu den Akten gereichten Verpackungen als Vertreiberin des Produktes ausgewiesen ist, abgemahnt und gegen diese im einstweiligen Verfügungsverfahren eine Unterlassungsverfügung erlangt. Er hat weiterhin durch Vorlage des Protokolls des Gerichtsvollziehers glaubhaft gemacht, dass der Unterlassungstitel der am 2. September 2005 nicht zugestellt werden konnte. Zwar hat der Verfügungskläger keinen Beweis für seine Behauptung angeboten, er habe daraufhin im Internet recherchiert und sei auf die Verfügungsbeklagte als aktuelle Vertreiberin des Produktes gestoßen. Jedoch hat das Vorstandsmitglied des Verfügungsklägers am 23. Sept. 2005 eidesstattlich versichert, dass der Verfügungskläger vor dem 02. Sept. 2005 keine Kenntnis von der Verfügungsbeklagten als Vertreiberin des Produktes hatte. Weiterhin hat der Verfügungskläger eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der und der Deutschen vom 11. Okt. 2005 vorgelegt, wonach weder ihm noch seinen Mitarbeitern vor diesem Datum bekannt gewesen sei, dass der Verfügungskläger die Verkehrsfähigkeit des Produktes gegenüber der Verfügungsbeklagten beanstandet hat. Ferner hätten weder er noch Mitarbeiter seiner Unternehmen sich beschwerdeführend an den Verfügungskläger gewandt oder diesem Material oder Informationen zur Verfügung gestellt. Diese Erklärung ist von der Verfügungsbeklagten nicht konkret angegriffen worden. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die eidesstattliche Versicherung falsch sein könnte. Zwar fällt auf, dass die eidesstattliche Versicherung vom 11. Okt. 2005 datiert, also dem Tag, an dem erstmals bei den Unternehmen die Beanstandung gegenüber der Verfügungsbeklagten bekannt geworden sein soll. Weil die Anzahl der Mitarbeiter der beiden Unternehmen nicht bekannt ist, kann daher nicht exakt nachvollzogen werden, ob der Geschäftsführer für alle Mitarbeiter seines Unternehmens innerhalb eines Tages verbindliche Aussagen zu den versicherten Punkten machen kann. Es ist aber davon auszugehen, dass der Verfügungskläger jedenfalls nicht ohne Kenntnis des Geschäftsführers, der die Erklärung abgegeben hat, eingeschaltet worden wäre.
Auch die Packung "alpha betic", die von dem Verfügungskläger mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorgelegt worden ist, ist kein Indiz dafür, dass der Verfügungskläger diese von der Deutschen oder erhalten hat. Die Verpackung weist zwar noch die als Vertreiberin des Produktes aus, obwohl "alpha betic" bereits seit 01. Okt. 2004 von der Verfügungsbeklagten vertrieben wird. Dies könnte jedoch nur dann ein Indiz für einen Kontakt des Verfügungsklägers mit der Deutschen oder sein, wenn im August 2005 alle Packungen, die vor dem 01. Okt. 2004 in den Handel gelangt sind, verkauft waren. Dies hat die Verfügungsbeklagte jedoch nicht behauptet, vielmehr hat sie vorgetragen, dass es sich bei "alpha betic" nicht um ein umsatzstarkes Produkt handelt. Es kann sich bei dieser Packung daher ohne weiteres um eine solche handeln, die bereits vor dem 1. Okt. 2004, also vor Übernahme des Produktes durch die Verfügungsbeklagte in den Handel gelangt ist und bisher nicht verkauft worden war.
II.
Die Dringlichkeit der begehrten Unterlassung, d.h. der Verfügungsgrund wird bei Verstößen gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb grundsätzlich vermutet, § 12 Abs. 1 UWG. Diese Vermutung hat die Verfügungsbeklagte nicht widerlegt.
Die Vermutung der Dringlichkeit ist widerlegt, wenn der Verfügungskläger durch sein Verhalten zu erkennen gibt, dass er es nicht eilig hat. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn er längere Zeit zuwartet, obwohl er vom Wettbewerbsverstoß und von der Person des Verantwortlichen Kenntnis hat, wobei er sich die Kenntnis Dritter nach den allgemeinen Grundsätzen der Wissenszurechnung zurechnen lassen muss (Hefermehl/Köhler/Bornkamm-Köhler, 24. A., UWG, § 12 Rn.3.15).
Die Verfügungsbeklagte hat, wie unter Ziff. B.I ausgeführt, nicht glaubhaft gemacht, dass der Verfügungskläger auf Initiative der und/oder der Deutschen tätig geworden ist und sich deshalb deren Kenntnis vom Januar 2005 von dem Produkt und der Verfügungsbeklagten als Vertreiberin des Produktes zurechnen lassen muss.
III.
Der Verfügungskläger hat gegenüber der Verfügungsbeklagten gem. § 8 Abs. 1 S. 1 2. Alt. UWG einen Anspruch auf Unterlassung des Inverkehrbringens und der Bewerbung des Produktes "alpha betic" in der im Urteilstenor beschriebenen Form.
1.
Der Verfügungskläger hat glaubhaft gemacht, dass der Vertrieb des Produkts mit dem Inhaltsstoff Alpha-Lipon-Säure (Antrag 1 a) gegen die Grundsätze des unlauteren Wettbewerbs verstößt.
Unlauter i.S.v. § 3 UWG handelt insbesondere, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (§ 4 Nr. 11 UWG). Der Verfügungskläger hat glaubhaft gemacht, dass der Vertrieb von "alpha betic" in der derzeitigen Form gegen §§ 5 - 7 a DiätV sowie gegen die Novel-Food-Verordnung (Nr. 258/97 EG) verstößt. Der Verstoß ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und der Verbraucher nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, denn die Vorschriften sind auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (BGH, GRUR 2004, 1036 (1037) [BGH 13.05.2004 - I ZR 264/00]).
a)
Der Verfügungskläger hat glaubhaft gemacht, dass "alpha betic" mit dem Bestandteil Alpha-Lipon-Säure einen zulassungspflichtigen, aber nicht zugelassenen Stoff i.S.d. DiätV und der Novel-Food-Verordnung enthält und damit weder als diätetisches Lebensmittel noch als allgemeines Lebensmittel verkehrsfähig ist.
aa)
"alpha betic" wird unstreitig als diätetisches Lebensmittel auf den Markt gebracht. Gem. § 5 Abs. 1 DiätV dürfen bei der Gewinnung, Herstellung und Zubereitung von diätetischen Lebensmitteln Zusatzstoffe nur nach Maßgabe der DiätV zugesetzt werden. Die Regelung ist gegenüber § 2 Abs.3 LFGB abschließend (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 140, § 5 DiätV, Rz. 5).
(1)
Ist ein Zusatzstoff dazu bestimmt, ernährungsphysiologischen oder diätetischen Zweck zu dienen, darf er gem. §§ 7 Abs.1 S.1 Nr. 1, 7 a DiätV in diätetischen Lebensmitteln nur verwendet werden, wenn er in der Anlage 2 zu § 7/§ 7 a DiätV aufgeführt ist. Ein Zusatz erfolgt zu diätetischen Zwecken, wenn mit diesem den besonderen Ernährungserfordernissen der in § 1 Abs. 2 Nr. 1 DiätV aufgeführten Verbrauchergruppe Rechnung getragen werden soll (Zipfel/Rathke, C 140, § 7 a DiätV Rz. 9). Alpha-Lipon-Säure wird "alpha betic" unstreitig zu diätetischen Zwecken zugesetzt. Diabetiker haben krankheitsbedingt einen höheren Bedarf an antioxidativen Nährstoffen. Bei einer Unterversorgung kommt es insbesondere zu Schäden am Nervensystem und an den Augen. Dem soll durch die Einnahme von Alpha-Lipon-Säure als Bestandteil des Nahrungsergänzungsmittels "alpha betic" entgegengewirkt werden. Alpha-Lipon-Säure ist in der Anlage zu 2 zu § 7 / § 7a DiätV nicht aufgeführt und fällt damit nicht unter die nach §§ 7 Abs.1 S.1 Nr.1, 7a DiätV zugelassenen Zusatzstoffe.
(2)
Die Verwendung von Alpha-Lipon-Säure in dem diätetischen Lebensmittel "alpha betic" ist auch nicht unter der erweiterten Auslegung der §§ 7, 7 a DiätV im Lichte der Richtlinie 2001/15/EG (Richtlinie über Stoffe, die Lebensmitteln, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, zu besonderen Ernährungszwecken zugeführt werden dürfen) zulässig. Danach dürfen grundsätzlich auch Stoffe, die nicht unter eine der in der Anlage zu der Richtlinie 2001/15/EG (die der Anlage 2 zu § 7/7a der DiätV entspricht) aufgeführten Kategorien fallen und die Lebensmitteln zu besonderen Ernährungszwecken zugeführt werden, bei der Herstellung von Lebensmitteln für eine besondere Ernährung verwendet werden, wenn sie nicht nach der Novel-Food-Verordnung unzulässig sind (Zipfel/Rathke, C 140, § 7 a DiätV Rn. 7).
(a)
§§ 7/7a DiätV sind im Hinblick auf diese Richtlinie 2001/15/EG erweiternd auszulegen, denn sie stehen mit dieser nicht in Einklang. Während nach der Diätverordnung Stoffe, die zu diätetischen Zwecken gesetzt werden, ausschließlich zulässig sind, wenn sie in der Anlage 2 zu §§ 7/7a DiätV aufgeführt sind (die mit der Anlage zur Richtlinie identisch ist), dürfen nach der Richtlinie auch Stoffe zu diätetischen Zwecken zugesetzt werden, die nicht in der Anlage aufgeführt sind, wenn sie die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie erfüllen (Zipfel/Rathke, C 140, § 7 a DiätV Rn. 7). Die derzeitige Anlage zur Richtlinie listet die zulässigen Zusatzstoffe also nicht abschließend auf, was sich auch aus Abs. (2) der Einleitung zu der Richtlinie ergibt, in der es heißt "es ist nicht möglich, für diese Richtlinie eine Begriffsbestimmung für "Stoffe mit einem besonderen Ernährungszweck" als eigenständige Gruppe festzulegen oder zum gegenwärtigen Zeitpunkt alle Kategorien solcher Stoffe, die Lebensmitteln für eine besondere Ernährung zugefügt werden dürfen, in einer erschöpfenden Liste aufzuführen". Indem der Inhalt von Art. 1 Abs.2 der Richtlinie nicht die DiätV umgesetzt ist (Zipfel/Rahtke, C 140, § 7a DiätV Rn.3), verstößt die Regelung in der DiätV daher gegen die Richtlinie 2001/15/EG.
Der Richtlinie kommt als Rechtsakt des Gemeinschaftsrechts für den Fall eines Widerspruchs zu innerstaatlichem Gesetzesrecht auch vor deutschen Gerichten der Anwendungsvorrang zu. Dieser Anwendungsvorrang gegenüber späteren wie früheren nationalem Gesetzesrecht beruht auf einer ungeschriebenen Norm des primären Gemeinschaftsrechts, der durch die Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaftsverträgen i.V.m. Art. 23 GG der innerstaatliche Rechtsanwendungsbefehl erteilt worden ist (vgl. BVerfG Entscheidung NJW 1971, 2122; NJW 1988, 1469 (1462)). Art. 23 GG enthält die verfassungsrechtliche Ermächtigung für die Billigung dieser Vorrangregel durch den Gesetzgeber und ihre Anwendung durch die rechtsprechende Gewalt im Einzelfall (BVerfG, NJW 1988, 1459 (1462) [BVerfG 08.04.1987 - 2 BvR 687/85]).
Umgesetzt wird dieser Anwendungsvorrang der Richtlinie 2001/15/EG, indem §§ 7/7a DiätV erweiternd richtlinienkonform ausgelegt werden (Zipfel/Rathke, C 140, § 7 a DiätV Rn.7). EU-Richtlinien richten sich zunächst an die Mitgliedsstaaten und verpflichten sie, ihr innerstaatliches Recht den Richtlinien anzupassen. Werden die Richtlinien nicht fristgerecht oder ordnungsgemäß umgesetzt, kann der Einzelne sich gegenüber dem Mitgliedsstaat vor den mitgliedsstaatlichen Gerichten gegenüber entgegenstehendem nationalem Recht auf durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtungen berufen, sofern diese klar und unbedingt sind und zu einer Anwendung insoweit keines Ausführungsaktes mehr bedürfen (grundlegend BVerfG, NJW 1988, 1459 ff. (Kloppenburg), grundlegend EuGH Urteil vom 19.01.1982, Az: RS 8/81). Da eine Richtlinie nicht Verpflichtungen für den Einzelnen begründet, kann sich der Private ihnen gegenüber auf die Richtlinie als solche nicht berufen (EuGH in st. Rspr. zuletzt Urteil vom 9. März 2004, C-397 ff./01 Pfeiffer ./. DRK m.w.N.). Da alle Träger der öffentlichen Gewalt eines Mitgliedsstaates jedoch verpflichtet sind, alle zur Erfüllung des Ziels einer Richtlinie geeigneten Maßnahmen zu treffen, obliegt es den nationalen Gerichten, den Rechtsschutz zu gewähren, der sich für den Einzelnen aus den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ergibt, und deren volle Wirkung herzustellen. Bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts muss das nationale Gericht daher das innerstaatliche Recht soweit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zweckes der EU-Richtlinie auslegen, um das in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen (EuGH, a.a.O.).
(b)
Alpha-Lipon-Säure darf in "alpha betic" auch nicht bei erweiterter Auslegung gem. Art.1 Abs. 2 der Richtlinie 2001/15/EG verwendet werden, denn Stoffe, die zu besonderen Ernährungszwecken zugesetzt werden und nicht in der Anlage zur Richtlinie aufgeführt sind, dürfen in diätetischen Lebensmitteln jedenfalls nur dann verwendet werden, wenn sie nicht gegen die Verordnung Nr. 258/97/EG über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten, die sogen. Novel-Food-Verordnung, verstoßen.
Nach der Novel-Food-Verordnung, die als EU-Verordnung in den Mitgliedsstaaten unmittelbar Anwendung findet, dürfen Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten, die in eine in Art. 1 Abs.2 a)-f) der Novel-Food-Verordnung aufgezählten Gruppen fallen, nur mit einer besonderen Zulassung in den Verkehr gebracht werden, es ei denn sie sind bereits vor dem 15. Mai 1997 in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet worden. Der Verfügungskläger hat glaubhaft gemacht, dass Alpha-Lipon-Säure diese Voraussetzungen nicht erfüllt.
(aa)
Nach Art. 1 Abs.2 lit. e) gilt die Verordnung für Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die aus Pflanzen bestehen oder aus Pflanzen isoliert worden sind, und aus Tieren isolierte Lebensmittelzutaten, außer Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten, die mit herkömmlichen Vermehrungs- oder Zuchtmethoden gewonnen wurden und die erfahrungsgemäß als unbedenkliche Lebensmittel gelten können. Alpha-Lipon-Säure fällt als Lebensmittelzutat i.S.v. Art. 1 Abs.2 lit e) unter die Novel-Food-Verordnung.
Alpha-Lipon-Säure wurde früher aus Tieren isoliert. Sie ist natürlicher Bestandteil von Milch und Fleisch, insbesondere Herz, Leber und Nieren und wurde ursprünglich aus frischen Lebern gewonnen. Mittlerweile wird Alpha-Lipon-Säure üblicherweise chemisch synthetisiert. Auch die künstlich hergestellte naturidentische Säure fällt unter Art. 1 Abs. 2 lit. e) der Verordnung. Zwar sind in Art.1 Abs.2 lit. e) der Verordnung anders als z.B. in § 2 Abs.3 S.2 Nr.1 LFGB naturidentische chemische Stoffe nicht ausdrücklich erwähnt, nach seinem Sinn und Zweck erfasst die Novel-Food-Verordnung jedoch nicht nur natürliche, sondern auch naturidentische Lebensmittel und Lebensmittelzutaten. Die Novel-Food-Verordnung soll dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dadurch dienen, dass neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten einer einheitlichen Sicherheitsprüfung und einem Gemeinschaftsverfahren unterliegen, bevor sie in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht werden (Art. (2) d. Einleitung). Zur Erreichung dieses Ziels ist es unerheblich, ob es sich um einen Stoff handelt, der aus Tieren oder Pflanzen isoliert und als solcher als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat verwendet wird oder ob dieselbe Struktur des Stoffes künstlich hergestellt wird, denn beide haben dieselben Eigenschaften. Die Verordnung wäre andernfalls auch weitgehend wirkungslos. Zum einen könnte sie ohne weiteres durch die Verwendung naturidentischer statt natürlicher Stoffe umgangen werden. Zum anderen werden heutzutage und wurden bereits damals im wesentlichen naturidentische Stoffe verwendet. Die Verordnung fände damit auf den größten Teil der Lebensmittel und Lebensmittelzutaten keine Anwendung.
(bb)
Alpha-Lipon-Säure ist auch neuartig i.S.d der Novel-Food-Verordnung. Der Verfügungskläger hat glaubhaft gemacht, dass Alpha-Lipon-Säure vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet, d.h. vor dem Bezugszeitpunkt von Menschen nicht in erheblicher Menge verzehrt wurde (vgl. EuGH , Urteil vom 09. 06. 2005, Az. C 211/03, C 299/03, C 316 - 318/03, Rn.83,87). Die Verfügungsbeklagte hat nicht substantiiert darlegt, dass Alpha-Lipon-Säure als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat vor Mai 1997 bereits in nennenswertem Umfang auf dem Markt war. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einstufung als neuartige Lebensmittelzutat liegt zwar grundsätzlich bei der Verfügungsklägerin, da es sich jedoch um eine negative Tatsache handelt, hat die Verfügungsbeklagte die sog. sekundäre Behauptungslast (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 556) und muss substantiiert darlegen, dass Alpha-Lipon-Säure als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat vor Mai 1997 bereits in nennenswertem Umfang auf dem Markt war. Daran fehlt es hier.
Konkrete Präparate oder Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 auf dem Markt waren und in denen Alpha-Lipon-Säure als Lebensmittelzutat verwendet wurde, konnte die Verfügungsbeklagte nicht benennen. Auch die von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Unterlagen enthalten keine Hinweise, die es überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, dass Alpha-Lipon-Säure vor dem 15. Mai 1997 in nennenswertem Umfang als Lebensmittelzutat und nicht nur, was unstreitig ist, als Arzneimittel verwendet wurde.
Die gutachterliche Stellungnahme des Dipl.-Chemikers vom 13. Jan. 2005, auf die sich die Verfügungsbeklagte stützt, bestätigt den Vortrag der Verfügungsbeklagten nicht. Dort heißt es lediglich auf Seite 2, dass die Verwendung des vitaminähnlichen Nährstoffs beim Diabetiker heute in der diätetischen bzw. ernährungsmedizinischen Fachliteratur allgemein bekannt ist. Diese Formulierung lässt keinen Rückschluss auf die Situation vor Mai 1997 zu. Das Handbuch "Nährstoffe" von Burgersteins aus dem Jahre 1997 (S.185) enthält entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten ebenfalls keinen sicheren Hinweis darauf, dass Alpha-Lipon-Säure als Nahrungsergänzungsmittel bereits zum damaligen Zeitpunkt Verwendung fand. Burgersteins führt zum Anwendungsgebiet und zu den Zufuhrempfehlungen aus, dass Alpha-Lipon-Säure bei der Behandlung und Prävention der diabetischen Nervenstörungen eingesetzt werde und die gewöhnliche Supplementierung zwischen 200 mg und 1g pro Tag liege. Zwar könnten der Hinweis auf die Prävention und die Supplementierung auf eine Verwendung als Nahrungsergänzungsmittel hindeuten. Gegen eine Verwendung als Nahrungsergänzungsmittel und für eine Verwendung als Arzneimittel sprechen jedoch der Begriff "Behandlung" und die angegebene Dosis von 200 mg bis 1 g pro Tag, in der Alpha-Lipon-Säure unstreitig eine pharmakologische Wirkung hat.
Auch der Auszug aus dem Vitamin-Lexikon von Bässler/Grühn/Loew/Pietrzik von 1992 (S.302) gibt keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass Alpha-Lipon-Säure bereits damals in Lebensmitteln verwendet wurde. Zwar wird dort ausgeführt, dass für gesunde Menschen eine alimentäre Zufuhr von Alpha-Lipon-Säure nicht lebensnotwendig sei, jedoch Hinweise bestünden, das Reizsymptome und Missempfindungen der diabetischen Polyneuropathie gebessert würden. In welcher Form und welcher Menge Alpha-Lipon-Säure zugeführt werden muss, damit diese Wirkung erzielt werden kann, ist jedoch nicht ausgeführt. Damit bleibt offen, ob die beschriebene Zufuhr durch Alpha-Lipon-Säure als Arzneimittel oder Nahrungsergänzung erfolgte. Die fehlenden Darlegungen gehen zu Lasten der Verfügungsbeklagten.
(cc)
Fällt Alpha-Lipon-Säure damit unter Novel-Food-Verordnung, darf sie nur verwendet und in den Verkehr gebracht werden, wenn sie besonders zugelassen ist (Art.4 ff Novel-Food-Verordnung). An einer Zulassung fehlt es unstreitig.
(c)
Die Auslegung der Richtlinie 2001/15/EG und der Novel-Food-Verordnung musste der Senat in eigener Zuständigkeit vornehmen; eine Vorlage an den EuGH schied aus, weil hier im einstweiligen Verfügungsverfahren zu entscheiden ist. Zwar ist ein Gericht eines Mitgliedsstaats, dem eine Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts gestellt wird, grundsätzlich nach Art. 234 EG verpflichtet, die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, wenn es eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält und seine Entscheidung - wie hier gem. § 542 Abs. 2 ZPO - selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann. Etwas anderes gilt jedoch für summarische und eilbedürftige Verfahren. Dort reicht es aus, wenn in einem ordentlichen Verfahren zur Hauptsache eine erneute Prüfung jeder im summarischen Verfahren für vorläufig entschiedenen Frage des Gemeinschaftsrechts möglich ist (EuGH (Morson), NJW 1983, 2751 [EuGH 27.10.1982 - Rs 35/82]; BVerfG, NVwZ 1992, 360). Diese Überprüfung ist im vorliegenden Fall im Hauptsacheverfahren möglich.
b)
Da die Novel-Food-Verordnung nicht nur für diätetische Lebensmittel gilt, sondern für Lebensmittel und Lebensmittelzutaten im allgemeinen, ist Alpha-Lipon-Säure nicht nur für diätetische Lebensmittel, sondern für Lebensmittel allgemein ein nicht zugelassener Stoff und hindert deren Verkehrsfähigkeit. Für die Frage der Verkehrsfähigkeit von "alpha betic" als Lebensmittel kann daher offen bleiben, ob Alpha-Lipon-Säure auch ein nichtzugelassener Zusatzstoff i.S.v. § 2 Abs.3 LFGB ist.
2.
Der Verfügungskläger hat gem. § 8 Abs.1 S.1 2.Alt. UWG i.V.m. § 3, 4 Nr. 11UWG i.V.m. § 14 b Abs.1 S.2 Nr.1 DiätV, § 11 Abs.1 S.2 Nr.1 LFGB, einen Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs und der Bewerbung von "alpha betic" als "ergänzende bilanzierte Diät" (Antrag zu 2).
a)
Sowohl bei § 11 Abs.1 S.2 Nr. 1 LFGB als auch § 14 b Abs.1 S.2 DiätV handelte es sich um gesetzliche Marktregelungen im Sinne von § 4 Nr.11 UWG (BGH, GRUR 2004, 1036 (1037) [BGH 13.05.2004 - I ZR 264/00], OLG München, ZLR 2006, 77ff. [OLG München 17.11.2005 - 29 U 4024/03])).
b)
Der Verfügungskläger hat glaubhaft gemacht, dass die Bezeichnung von "alpha betic" "ergänzende bilanzierte Diät" irreführend i.S.v. § 11 Abs.1 S.2 Nr. 1 LFGB ist. Es kann insoweit offen bleiben, ob "alpha betic" die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 a S. 1 und 2 DiätV nicht erfüllt und die Verfügungsbeklagte mit der Aufschrift auf der Packung gegen die Hinweispflichten gem. §§ 14 b Abs. 3, 5, 21 Abs. 2 DiätV verstößt. Jedenfalls hat die Verfügungsbeklagte nicht glaubhaft gemacht, dass "alpha betic" die für eine Bezeichnung als "ergänzende bilanzierte Diät" notwendigen Voraussetzungen nach § 14 b Abs.1 S.2 DiätV erfüllt.
aa)
Soweit die Verfügungsbeklagte meint, die Wirksamkeit sei in der zweiten Instanz nicht mehr zu prüfen, weil der Verfügungskläger diese erstmals zweitinstanzlich bestreite, ist dem nicht zu folgen. Bereits mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 11. Okt. 2005 (S. 14f) hat der Verfügungskläger darauf hingewiesen, dass ein Lebensmittel, das als diätetisches Lebensmittel in den Verkehr gebracht werde, wirksam sein müsse, und bestritten, dass "alpha betic" gerade im Hinblick auf die niedrige Dosierung der Alpha-Lipon-Säure bei Diabetikern tatsächlich eine Wirkung entfalte.
bb)
Gem. § 14 b Abs. 1 S. 2 DiätV darf ein Produkt nur dann als "ergänzende bilanzierte Diät" in den Verkehr gebracht werden, wenn es nach den Anweisungen des Herstellers wirksam ist in dem Sinne, dass es den besonderen Ernährungserfordernissen der Personen, für die es bestimmt ist, entspricht. Gem. § 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 1999/21/EG über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke ist die Wirksamkeit durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten zu belegen. Da diese Regelung nicht in das deutsche Recht umgesetzt worden ist, ist § 14 b Abs. 1 S. 2 DiätV richtlinienkonform dahin auszulegen, dass nur ein Nachweis mit wissenschaftlich anerkannten Methoden und Daten möglich ist (OLG München, ZLR 2006, 77 (82) [OLG München 17.11.2005 - 29 U 4024/03]; Zipfel/Rathke, C 140, § 14 b DiätV Rn. 9h). Dabei reicht es aus, wenn auf wissenschaftliche Veröffentlichungen Bezug genommen wird, wobei sich der Nachweis auf die gesamte Beschaffenheit des Produktes und nicht nur auf einzelne Bestandteile beziehen muss (OLG Karlsruhe, MD 2001, 1248 {1252}; Zipfel/Rathke, a.a.O.). Darlegungs- und beweisbelastet ist insoweit die Verfügungsbeklagte (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.; LG Berlin, Urteil vom 19. April 2005 - 16 O 3/05 -, MD 2005, 857 (860)).
Einen wissenschaftlichen Nachweis für das konkrete Produkt hat die Verfügungsbeklagte nicht vorgelegt. Sie hat auch keine konkreten Angaben dazu gemacht, dass es wissenschaftliche Veröffentlichungen gibt, aus denen sich die Wirksamkeit der in "alpha betic" enthaltenen Vitamin/Nährstoffkombination für Diabetes mellitus Patienten ergibt. Soweit sich die Verfügungsbeklagte auf die Ausführungen des Privatsachverständigen Dipl.-Chemiker vom 14. 01. 2005 stützt, reichen diese nicht aus. Der Dipl.-Chemiker führt lediglich aus, dass sich der Nutzen der in "alpha betic" enthaltenen Nährstoffe für die Behandlung von Diabetikern aus der allgemein zugänglichen Literatur ergäbe und gerade auch der Nutzen antioxidativ ausgerichteter Ernährungsintervention in der Ernährungsmedizin allgemein anerkannt sei. Diese Angaben sind zu pauschal, um die Wirksamkeit von "alpha betic" glaubhaft zu machen. Sie enthalten keinen Hinweis darauf, dass gerade die in diesem Präparat enthaltenen Stoffe und Mengen den erhöhten Nährstoffbedarf des Diabetikers abdecken und wissenschaftliche Studien dies bestätigen. Mit den Angaben des Dipl.-Chemikers könnte jedes Präparat mit einer Nährstoff-Vitamin-Kombination unabhängig von deren konkreten Mengen und Zusammensetzung - vorbehaltlich anderer für diätetische Lebensmittel vorgeschriebener Voraussetzungen - als diätetisches Lebensmittel speziell zur Ernährungsergänzung von Diabetikern mit Diabetes mellitus auf den Markt gebracht werden. Mit dem Hinweis auf die Verwendung bei einer bestimmten Krankheit sollen aber gerade nur solche Präparate auf den Markt gebracht werden dürfen, deren Wirksamkeit auch wissenschaftlich nachgewiesen ist.
Die Verfügungsbeklagte hat auch insbesondere für die in "alpha betic" enthaltene Menge an Alpha-Lipon-Säure, mit der sie das Präparat bewirbt und es als Besonderheit gegenüber anderen Präparaten herausstellt, nicht dargelegt, dass diese einen präventiven Nutzen bei Diabetikern hat. Wissenschaftlich anerkannt ist die Wirksamkeit von Alpha-Lipon-Säure in arzneilicher Dosis, d.h. mehreren 100 mg pro Tag. Dies ergibt sich aus den von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Unterlagen. So spricht Burgersteins in seinem Handbuch "Nährstoffe" von einer üblichen Dosis von 200 mg bis 1 g/Tag (Burgersteins, Handbuch Nährstoffe, S.185), Hahn von einer nachgewiesenen Wirksamkeit bei einer Zufuhr von 600 mg/Tag (Hahn, Nahrungsergänzungsmittel, S.191) und in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 15. 01. 2005 von einer Menge von bis zu 500 mg/Tag. In "alpha betic" sind jedoch nur 60 mg Alpha-Lipon-Säure pro Caplette enthalten, wobei der Anwender eine Caplette pro Tag einnehmen soll. Für diese Menge hat die Verfügungsbeklagte keinen Beweis für die Wirksamkeit angeboten.
3.
Da die Verfügungsbeklagte zurzeit "alpha betic" mit dem Inhaltsstoff Alpha-Lipon-Säure und als "ergänzende bilanzierte Diät" vertreibt, besteht auch die für § 8 Abs. 1 UWG erforderliche Wiederholungsgefahr.
4.
Die Androhung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Den Wert des Berufungsverfahrens schätzt der Senat auf 150.000,00 EUR. Konkrete Einwendungen gegen diesen schon für die erste Instanz festgesetzten Wert sind von den Parteien nicht erhoben worden.