Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 30.03.2006, Az.: 2 W 121/05
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 30.03.2006
- Aktenzeichen
- 2 W 121/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 42112
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2006:0330.2W121.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - AZ: 8 T 865/04
In der Beschwerdesache
.......
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch die Richterin am Oberlandesgericht......., den Richter am Oberlandesgericht........und die Richterin am Landgericht........und am 13. März 2006 beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 3.6.2005 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 2 trägt die Kosten des Verfahrens über die weitere Beschwerde einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1, 3 bis 8.
Beschwerdewert: Wertstufe bis 17. 000 €
Gründe
I.
Die am 29.5.1922 geborene Erblasserin war mit dem am 4.5.1995 vorverstorbenen......... verheiratet. Aus der Ehe sind 3 Kinder hervorgegangen, die Beteiligten zu 2 und 3 sowie die am 22.3.1989 vorverstorbene Mutter der Beteiligten zu 1, 4 bis 8........
Die Erblasserin und ihr Ehemann errichteten am 1.10.1980 bei der Notarin ....P.....in K.....ein gemeinschaftliches notarielles Testament (UR-Nr. 258/80), in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Nach dem Tod des Letztversterbenden sollte das dann noch vorhandene Vermögen an die drei gemeinsamen Kinder (die Beteiligten zu 2 und 3 sowie.....) fallen. Daneben trafen sie Regelungen zur Erbauseinandersetzung insbesondere auch bezüglich des gemeinsamen Hausgrundstückes, das den wesentlichen Teil ihres Vermögens darstellte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Urkunde Bl. 10 bis 11 der Akte Amtsgericht Helmstedt 7 IV......(im folgenden: Testamentsakte) verwiesen.
Am 21.2.1992 errichtete der Ehemann der Erblasserin ein handschriftliches Testament mit folgendem Wortlaut: "Hiermit setze ich....., geboren am 19.8.20 meine Frau....., geborene......als Universalerbin ein. Ich widerrufe alle Testamente mit vorherigem Datum."
Am gleichen Tag errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament mit folgendem Wortlaut:
"Hiermit setze ich......., geborene........, geboren am 29.5.22 meinen Mann..........als Universalerben ein. Ich widerrufe alle Testamente mit vorherigem Datum."
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Testamente Bl. 13 und 42 der Testamentsakte verwiesen.
Am 5.6.1995 verfasste die Erblasserin ein weiteres privatschriftliches Testament. Darin "schenkt" sie das Hausgrundstück ..... je zur Hälfte der Beteiligten zu 2 und ihrem Enkel ......... . Ihr sonstiges Vermögen solle die Beteiligte zu 2 erben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 29 der Testamentsakte verwiesen. Am 19.7.1996 hat die Erblasserin das Hausgrundstück im Wege der Schenkung auf die Beteiligte zu 2 und ihren Enkel ........ je zur Hälfte übertragen.
Mit Schriftsatz vom 2.10.2003 hat die Beteiligte zu 1 die Erteilung eines Erbscheins dahingehend beantragt, dass die Erblasserin von den Beteiligten zu 1, 4 bis 8 zu je 1/18 Anteil und von den Beteiligten zu 2 und 3 zu je 1/3 Anteil beerbt worden ist. Dabei stützt sie sich auf das notarielle Testament vom 1.10.1980, das durch die nachfolgenden Testamente nicht wirksam widerrufen worden sei. Die Beteiligte zu 2 ist dem Erbscheinsantrag entgegengetreten. Sowohl ......... als auch die Erblasserin hätten durch ihre jeweiligen Verfügungen vom 21.2.1992 das notarielle gemeinschaftliche Testament wirksam widerrufen, so dass dem Testament vom 5.6.1995 keine Bindungswirkungen mehr entgegengestanden hätten. Die Erblasserin und ihr Ehemann hätten sich mit dem Beteiligten zu 3 überworfen gehabt.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Amtsgericht Helmstedt einen Vorbescheid erlassen, wonach es beabsichtige, der Beteiligten zu 1 einen Erbschein zu erteilen, wonach sie die Erblasserin zu 1/18 beerbt habe. Maßgeblich sei das notarielle Testament vom 1.10.1980. Dieses gemeinschaftliche Testament sei nicht wirksam widerrufen worden. Es liege weder eine notarielle Widerrufserklärung von einem der Eheleute noch ein wirksames gemeinschaftliches Testament zum Widerruf des früheren Testaments vor. Ein solches sei auch nicht in den beiden Einzeltestamenten vom 21.2.1992 zu sehen. Den beiden Einzeltestamenten lasse sich ein gemeinschaftlicher Erklärungswille nicht entnehmen.
Hiergegen hat die Beteiligte zu 2 Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren Rechtsstandpunkt weiterverfolgt. Es lägen zwei wortidentische Einzeltestamente vom gleichen Tag vor, woraus eine gemeinschaftliche Erklärung zu entnehmen sei. Die Eheleute hätten sich wegen des Widerrufs des früheren gemeinschaftlichen Testaments an Frau..... gewandt, die daraufhin einen Entwurf gefertigt habe, den die Erblasserin und ihr Ehemann zur gleichen Zeit in dem gleichen Raum in Gegenwart der Zeugin L........ abgeschrieben hätten. Die Beteiligte zu 1 bestreitet das, weil es Streit zwischen der Erblasserin und Frau L.......wegen einer anderen Erbschaftsangelegenheit gegeben habe. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
In dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Beschwerde der Beteiligten zu 2 zurückgewiesen. Die Erbfolge richte sich nach dem notariellen gemeinschaftlichen Testament vom 1.10.1980, denn dieses sei nicht wirksam widerrufen worden. Mit den beiden Einzeltestamenten liege kein gemeinschaftliches Testament vor. Dabei komme es auf die unter Beweis gestellten Umstände der Errichtung der beiden Testamente nicht an. Selbst wenn sich daraus ein gemeinsamer Wille zum Widerruf des vorherigen Testaments ergäbe, sei dieser nicht einmal andeutungsweise in den Einzeltestamenten zum Ausdruck gekommen, was für die Annahme eines formgerechten gemeinschaftlichen Testaments erforderlich sei.
Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2, mit der sie ihren Rechtsstandpunkt weiterverfolgt. Das Landgericht hätte die benannte Zeugin.......vernehmen müssen. Die Begründung des Landgerichts sei formalistisch. Normzweck der Vorschriften über den Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments sei, sicher zu stellen, dass der andere Ehegatte von dem Widerruf des anderen Kenntnis erhält und sich darauf bei der Gestaltung seiner eigenen letztwilligen Verfügungen einstellen könne. Dies sei hier erreicht. Die Beteiligte zu 1 verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Formvorschriften hätten auch eine Warn-, Klarstellungs- und Beweisfunktion.
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass für die Erbfolge das gemeinschaftliche notarielle Testament vom 1.10.1980 maßgeblich ist. Hierin haben sich die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann gegenseitig als Erben und als Erben des Letztversterbenden die gemeinsamen Kinder eingesetzt. Damit handelt es sich um wechselbezügliche Verfügungen im Sinne des § 2270 BGB, die gemäß §§ 2271, 2296 BGB einseitig zu Lebzeiten des anderen Ehegatten nur durch eine notariell beurkundete Erklärung gegenüber dem anderen Ehegatten widerrufen werden konnten. Eine solche Erklärung liegt hier nicht vor.
Daneben konnten die Eheleute die wechselbezüglichen Verfügungen in dem gemeinsamen Testament nur durch gemeinsame Handlungen entsprechend den dafür vorgesehenen Formvorschriften widerrufen (vgl. dazu Palandt/ Edenhofer 65. Aufl. § 2271 BGB Rn. 2 m.w.N.). Neben der hier nicht vorliegenden gemeinsamen Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung gemäß § 2272 BGB oder dem Abschluss eines notariell beurkundeten Erbvertrages konnten die wechselbezüglichen Verfügungen durch ein neues gemeinschaftliches Testament widerrufen werden. Insofern gelten für den Widerruf der wechselbezüglichen Verfügungen die gleichen Anforderungen wie für die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments mit wechselbezüglichen Verfügungen.
Ehegatten, die ein gemeinschaftliches Testament errichten wollen, können dies sowohl als notarielles Testament als auch als privatschriftliches Testament errichten. Bei der Wahl des privatschriftlichen Testamentes können sie die Formerleichterung in § 2267 BGB wählen, bei der in einer Urkunde einer der Eheleute das Testament schreibt und der andere mit unterschreibt, sie müssen dies aber nicht. Bei getrenntem Testieren in Form zweier privatschriftlicher Testamente muss zu der Einhaltung der Form für ein Einzeltestament hinzukommen, dass der Wille beider Ehegatten zum gemeinschaftlichen Testieren sich aus beiden Urkunden zumindest andeutungsweise ergibt. Allein der Umstand, dass die Testamente von den Ehegatten am selben Tag und am selben Ort errichtet worden sind und sich im Wortlaut im wesentlichen gleichen, reicht für sich allein nicht, um ein gemeinschaftliches Testament anzunehmen (vgl. Beschluss des Senats vom 3.5.2002 2 W 242/01; BGH Z 9, 113ff; BayObLG FamRZ 1991, 1485f; BayObLG FamRZ 1993, 240f; KG FamRZ 2001, 794ff; OLG Hamm OLG Z 1979, 262 = RPfleger 1979, 207; OLG Zweibrücken FamRZ 2001, 518; OLG Zweibrücken FamRZ 2003, 1415).
Hier hat das Landgericht ohne Rechtsfehler angenommen, dass mit den beiden Einzeltestamenten vom 21.2.1992 kein gemeinschaftliches Testament der Erblasserin und ihres Ehemannes in diesem Sinne vorliegt. Grundsätzlich ist zwar bei der dem Tatrichter obliegenden Auslegung einer letztwilligen Verfügung der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Dabei hat der Tatrichter auch alle ihm zugänglichen Umstände außerhalb der Testamentsurkunde heranzuziehen. Allerdings stellt sich dann die Formfrage, ob der so ermittelte Erblasserwille eine hinreichende Stütze im Testament selbst findet, damit er formgültig erklärt ist (vgl. BGH Z 80, 246ff; BGH Z 86, 41ff; BGH FamRZ 1987, 475ff; BGH NJW 1993, 256 [BGH 07.10.1992 - IV ZR 160/91]f; BayObLG FamRZ 2004, 1235).
Hier durfte das Landgericht die Ermittlung der näheren Umstände der Errichtung der beiden Testamente vom 21.2.1992 dahin stehen lassen und insbesondere auf die Vernehmung der benannten Zeugin verzichten. Auch wenn man als bewiesen unterstellt, dass die Erblasserin und ihr Ehemann auf Grund eines gemeinsamen Entschlusses jeweils mit Wissen und in Gegenwart des anderen ihre beiden Einzeltestamente errichtet haben, so hat das Landgericht ohne Rechtsfehler festgestellt, dass sich in beiden Testamenten, auch nicht versteckt oder andeutungsweise, der für ein formgültiges gemeinschaftliches Testament erforderliche Hinweis darauf nicht findet. Es gibt in beiden Testamenten keinerlei Hinweis, dass es daneben noch ein gleichlautendes Testament eines anderen gibt oder dass dem Testament ein gemeinsam mit einem anderen getroffener Entschluss zugrunde liegt.
Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass nach dem notariellen Testament vom 1.10.1980 nach dem Tod beider Eheleute die Beteiligten zu 2 und 3 zu je 1/3 und die Beteiligten zu 1, 4 bis 8 zu je 1/18 Erben geworden sind, da im Zweifel anzunehmen ist, dass die 6 Kinder der vorverstorbenen weiteren Tochter der Erblasserin und ihres Ehemannes..........an deren Stelle treten sollten (§ 2069 BGB). Der Antrag der Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins entspricht dem. Das Amtsgericht Helmstedt hat diesem Antrag wie aus den Gründen des Vorbescheids vom 29.6.2004 ersichtlich stattgeben wollen. So ist es auch von allen Beteiligten verstanden worden. Soweit in dem Tenor des Vorbescheids von der Erteilung eines Erbscheins über den Erbanteil der Beteiligten zu 1 zu 1/18 die Rede ist, handelt es sich ersichtlich um ein Fassungsversehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 I 1 Nr. 1 KostenO, § 13 a I 2 FGG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts der weiteren Beschwerde entspricht der Festsetzung in dem angefochtenen Beschluss des Landgerichts.