Sozialgericht Hildesheim
Beschl. v. 04.05.2005, Az.: S 20 KR 435/04 ER

Bibliographie

Gericht
SG Hildesheim
Datum
04.05.2005
Aktenzeichen
S 20 KR 435/04 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 42707
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGHILDE:2005:0504.S20KR435.04ER.0A

Fundstelle

  • ZMGR 2005, 197-199

In dem Verfahren

auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes

hat das Sozialgericht Hildesheim - 20. Kammer - am 4. Mai 2005 durch den Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht E.,

beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin die Zusicherung zu erteilen, dass die Antragstellerin zu Lasten der Antragsgegnerin bei dem Facharzt für Kieferorthopädie Martin Reinsberg gem § 95 b Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) die kieferorthopädische Behandlung durchführen kann.

  2. 2.

    Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten zu 1/1 zu erstatten.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten um eine kieferorthopädische Behandlung.

2

Die 1993 geborene Antragstellerin (AS) ist über ihre Mutter bei der Antragsgegnerin (AG) gesetzlich krankenversichert. Unter Vorlage eines kieferorthopädischen Behandlungsplanes des Fachzahnarztes für Kieferorthopädie F. beantragte sie bei der AG (Eingang 24. August 2004) eine kieferorthopädische Behandlung. Die voraussichtlichen Gesamtkosten sind mit 2.897,29 € angegeben.

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Die medizinischen Voraussetzungen liegen (zwischen den Beteiligten unstreitig) vor.

4

Mit Bescheid vom 27. August 2004 lehnte die AG eine Kostenübernahme ab. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass der von der AS gewählte Behandler seine Kassenzulassung zum 30. Juni 2004 zurückgegeben habe. Neue Behandlungsfälle zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (ab dem 1. Juli 2004) darf er nicht annehmen. Mit der Rückgabe der Kassenzulassung sei der gewählte Kieferorthopäde kein Vertragspartner der Krankenkassen mehr und deshalb nicht berechtigt, die AS als Neufall aufzunehmen. Da der kieferorthopädische Behandlungsplan am 20. August 2004 erstellt sei, handele es sich dem Grunde nach um einen Neufall. Da die Feststellung des Behandlungsbedarfs erst nach Ende der Kassenzulassung erfolgte und im Übrigen andere Vertragsbehandler zur Verfügung stehen, könne eine Genehmigung nicht erfolgen.

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Hiergegen richtete sich der am 8. September 2004 bei der AG eingegangene Widerspruch. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die genannten kieferorthopädischen Praxen lange Wartelisten hätten und wohl auch ihre Zulassung zurückgeben würden. Wie aus dem Behandlungsplan zu entnehmen sei, sei die Behandlung zum jetzigen Zeitpunkt dringend erforderlich. Die AS sei nach den Untersuchungen im Städtischen Krankenhaus in Hildesheim ihrem Alter im Wachstum um zwei Jahre voraus. D. h., das Restwachstum müsse dringend genutzt werden, um die Kieferrücklage noch ausgleichen zu können. Wenn nicht jetzt mit der Behandlung begonnen werde, komme es zu Platzverlusten mit der Folge, dass bleibende Zähne entfernt werden müssen, was nicht zum Gesichtstyp der AS passe. Ein adäquater Behandlungsplatz sei nicht gefunden worden.

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Mit Schreiben vom 13. September 2004 teilte die AG der AS mit, dass sie sich zwar wegen akuten Behandlungsbedarfs in kieferorthopädische Behandlung begeben hätte, der Behandler sie jedoch frühzeitig hätte darüber aufklären müssen, dass er seine Kassenzulassung zurückgegeben habe und welche Folgen das für sie hätte. Außerdem würden Fachzahnärzte für Kieferorthopädie im Gebiet Braunschweig, Salzgitter, Wolfenbüttel und Peine in ausreichender Zahl mit entsprechender Qualifikation zur Verfügung stehen. Eine entsprechende Auflistung von Fachzahnärzten für Kieferorthopädie in Braunschweig (sieben), in Peine (einer), in Salzgitter (einer) und in Wolfenbüttel (einer) war dem Schreiben beigefügt. Daraufhin teilte die AS mit Schreiben vom 17. September 2004 der AG mit, dass bei den von der AG genannten Praxen, wenn überhaupt erst in mehreren Wochen Beratungstermine zu bekommen seien. Behandlungsfälle kämen auf die Warteliste. Bei mehreren Praxen habe sie telefonisch die Auskunft bekommen, dass sie auch den Kassenvertrag zurückgeben werden. Im Übrigen sei die AS nach Hildesheim orientiert, so dass ihr nicht zuzumuten sei, auswärts die Behandlung aufzunehmen.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2004 wies dann die AG den Widerspruch der AS als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass Leistungserbringer, die nach § 95 b Abs. 1 SGB V auf die Zulassung kollektiv verzichtet haben, nicht im Rahmen des § 13 Abs. 2 SGB V in Anspruch genommen werden könnten. Nach Feststellung des Niedersächsischen Sozialministeriums in einem für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 3. Juni 2004 handele es sich bei dem ausgewählten Leistungserbringer um einen nach § 95 b SGB V, der kollektiv auf die Zulassung verzichtet habe. Dieser dürfe nur noch bereits begonnene Behandlungsfälle (also solche mit vor dem 1. Juli 2004 genehmigten Heil- und Kostenplan) als Sachleistung im Auftrag der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen. Der Heil- und Kostenplan vom 20. August 2004 sei erst am 24. August 2004 der AG vorgelegt worden. Der Kieferorthopäde G. dürfe mithin von der AS nicht zu Lasten der AG nicht in Anspruch genommen werden. Sie könne sich dort entweder privat behandeln lassen oder andere (Vertrags-)Behandler aufsuchen. Solche seien im Wohnumfeld der Klägerin z. B. in Braunschweig, Salzgitter, Peine und Wolfenbüttel benannt worden.

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Dagegen hat die AS am 11. November 2004 beim Sozialgericht Hildesheim Klage erhoben und am 15. November 2004 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

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Die AS ist der Auffassung, die AG müsse die Kosten für die kieferorthopädische Behandlung bei Herrn G. in H. übernehmen. Die Regelung des § 95 b Abs. 3 SGB V über die Vergütung der Behandler direkt durch die Krankenkassen müssten auch für noch nicht begonnene Behandlungen gelten. Zudem sei es der AS nicht zuzumuten, andere Behandler in Anspruch zu nehmen. Nur bei I. könne sofort mit der Behandlung begonnen werden. Dort sei die Anfangsdiagnostik erstellt worden und auch nur zu diesem Behandler bestehe das notwendige Vertrauensverhältnis . Dieses bestehe zu anderen Behandlern nicht. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich aus der der AG bekannten kieferorthopädischen Situation der AS. Dieser sei nicht zuzumuten, einen mehrjährigen Prozess bei einer derart klaren Rechtslage zu führen oder über sehr lange Wartezeiten einen Diagnostiktermin zu bekommen und später nach noch längerer Wartezeit dann endlich mit der Behandlung zu beginnen. Bei der AS bestehe die Situation, dass durch das vorweggezogene Längenwachstum vier Zähne durch Aufwanderung der Seitenzähne wegen Platzmangels entfernt werden müssen und somit ein dringendes medizinisches Erfordernis für die kieferorthopädische Behandlung zum schnellstmöglichsten Zeitpunkt bestehe.

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Die Antragstellerin beantragt,

  1. die AG im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die von der Antragsgegnerin genehmigte kieferorthopädische Behandlung zu Lasten der Antragsgegnerin bei dem Facharzt für Kieferorthopädie G. in H. gem. 95 b Abs. 3 SGB V durchführen zu lassen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

  1. den Antrag zurückzuweisen.

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Sie ist der Auffassung, es bestehe weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch.

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Ein Anordnungsanspruch scheide deswegen aus, weil nach der von der gesetzlichen Krankenversicherung und auch von der AG vertretenen Rechtsauffassung die Vorschrift des § 95 b Abs. 3 SGB V nur für Altfälle anwendbar sei und nicht wie im vorliegenden Fall für Neufälle. Zur Begründung wird auf das Musterschreiben der Verbände der gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen vom 18. Januar 2005 an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen im dortigen Verfahren L 3 KA 237/04 ER Bezug genommen, das in Kopie vorgelegt wird. Ein Anordnungsgrund wird von der AG ebenfalls verneint, da die Behandlung noch nicht begonnen sei und nach Auffassung der AG genügend bereite Vertragsbehandler im Wohnumfeld der AS vorhanden seien.

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Demgegenüber hat der Prozessbevollmächtigte der AS auf den dringenden Behandlungsbedarf der AS nochmals hingewiesen und mit Schreiben vom 24. November 2004 die Stellungnahme des Fachzahnarztes für Kieferorthopädie Dr. J. in Göttingen vom 11. November 2004 an den MDKN in Hannover vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass ein kieferorthopädischer Behandlungsbedarf nach der kieferorthopädischen Indikationsgruppe (KIG) des Grades E 3 besteht, somit nach den geltenden kieferorthopädischen Richtlinien ein Behandlungsbedarf besteht. Er hat außerdem darauf hingewiesen, dass die kieferorthopädischen Maßnahme dringend wegen Verschlechterung der jetzigen Situation durchgeführt werden müssen.

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Außerdem wurde vom Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, dass der Behandler Herr K. mitgeteilt habe, dass zwischenzeitlich die Milchzähne der AS ausgefallen seien und irreparable Schäden einzutreten drohten.

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Zur Stützung des Anordnungsanspruches wurde vom Prozessbevollmächtigten der AS auf den Beschluss des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen vom 5. Januar 2005 (L 3 KA 237/04 ER) verwiesen, wonach auch Neufälle unter § 95 b Abs. 3 SGB V fallen würden. Dem ist die AG mit Schriftsatz vom 1. Februar 2005 unter Vorlage des Schreibens der Verbände der gesetzlichen Krankenkassen Niedersachsen vom 18. Januar 2005 - Az.: P 3773 - entgegen getreten.

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Das Gericht hat Beweis erhoben insbesondere zur Frage der dringenden Notwendigkeit der sofortigen Behandlung durch Einholung eines Befundberichtes vom Fachzahnarzt für Kieferorthopädie G. in Hildesheim. Dieser Befundbericht wurde am 9. März 2005 nebst Unterlagen erstattet. Dieser Befundbericht nebst Anlagen in Kopie wurde den Beteiligten im Erörterungstermin vom 15. März 2005 ausgehändigt und der Sach- und Streitstand ausführlich erörtert.

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Von den Beteiligten sind auf verschiedene gleichartige Streitverfahren vor dem Sozialgericht Hannover bzw. Braunschweig hingewiesen worden, teilweise unter Vorlage der entsprechenden Entscheidungskopien.

19

Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der AG sowie auf die Gerichtsakten und insbesondere die dort gewechselten Schriftsätze verwiesen.

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II.

Der Antrag der AS, die AG zu verpflichten, die Zusicherung der Übernahme der kieferorthopädischen Behandlung der AS zu Lasten der AG bei dem Fachzahnarzt für Kieferorthopädie G. in Hildesheim gem. § 95 b Abs. 3 SGB V zu erteilen, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

21

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist. Das ist immer dann der Fall, wenn ohne den vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache im Falle des Obsiegens nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19. Oktober 1977, 2 BvR 42/76, BvrfGe 46, 166, 179, 184). Steht dem AS ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begründet.

22

Eine aus Gründen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebotenen Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Verfahren ist immer dann zulässig, wenn dem AS ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung unzumutbare Nachteile drohen und für die Hauptsache hoher Erfolgsaussichten prognostiziert werden können (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 8. September 2004, L 7 AL 103/04 ER).

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Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die AS sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft dargelegt.

24

Das Gericht stellt fest, dass bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Anordnungsgrund, d. h. eine derartige Eilbedürftigkeit anzunehmen ist, die ausnahmsweise auch die Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache rechtfertigt.

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Die AS hat durch Vorlage medizinischer Unterlagen der Fachzahnärzte für Kieferorthopädie Dr. L. und G. belegt, dass eine sofortige Behandlungsbedürftigkeit und ein sofortiger Behandlungsbeginn notwendig ist um schwere nicht wieder gut zu machende medizinische Schäden von der AS abzuwenden. Im Befundbericht vom 9. März 2005, der die Stellungnahme des Dr. L. vom 11. November 2004 ergänzt, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mittlerweile zwei der vier wichtigen Platzhaltermilchzähne ausgefallen sind, die beiden anderen locker seien, so dass die Aufwanderung der ersten Molaren (große Backenzähne) drohe. Die Folge wäre eine irreparabler Schaden, da die eigentlich nicht notwendige und dem Gesichtstyp der AS abträgliche Entfernung von vier gesunden Zähnen erforderlich werde. Dies bedeute größeren Aufwand, größere Kosten und größere Belastungen für die Patientin, die schon auf die mögliche Entfernung lockerer Milchzähne panisch reagiere, bei schlechterem Behandlungsergebnis.

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Diese überzeugende und schlüssige medizinische Begründung für den sofortigen Behandlungsbedarf überzeugt das Gericht, die AG ist dem auch nicht medizinisch begründet entgegen getreten, so dass hier aus Sicht des Gerichtes die unverzügliche Behandlungsaufnahme beim diagnosestellenden Behandler (Zahnarzt M.) erfolgen muss zur Abwendung unzumutbarer Nachteile für die AS.

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Der Hinweis der AG auf angeblich zur Behandlung bereiter Vertragsbehandler geht insoweit fehl, da die AG nicht substantiiert und glaubhaft belegt hat, dass bei den von ihr angegebenen Vertragsbehandlern eine sofortige Behandlung der AG möglich ist. Dem stehen im Übrigen auch die glaubhaften Aussagen der AS hinsichtlich der Telefonanrufe entgegen.

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Darüber hinaus hat die AS auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, da nach summarischer Prüfung ein Anspruch auf Zusicherung der Behandlungsmöglichkeit der AS durch die AG beim Fachzahnarzt für Kieferorthopädie G. gem. § 95 b Abs. 3 SGB V bestehen dürfte. Entgegen der Auffassung der AG und der von den Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen im Schreiben vom 18. Januar 2005 vertretenen Auffassung regelt der § 95 b Abs. 3 SGB V auch die Übernahme von sogenannten Neufällen durch die ausgeschiedenen Vertragszahnärzten.

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Dies ergibt sich nach Auffassung des Gerichtes eindeutig aus dem Wortlaut als auch den gesetzgeberischen Materialien dieser Vorschrift. In der amtlichen Begründung zu § 95 b Abs. 3 (BT-Drucksache 12/3608, S. 95 ff.) ist ausdrücklich ausgeführt: "Die Vorschrift stellt sicher, dass Vertragsärzte den mit einem kollektiven Verzicht verfolgten Zweck nicht auf Kosten der Versicherten erreichen. Der kollektiv ausgeschiedene Vertragsarzt bleibt dem Vertragsarztsystem Kraft Gesetzes zumindest insofern verhaftet, als er die Behandlung eines Versicherten nur mit dem Einfach-Satz nach der jeweils einschlägigen Gebührenordnung vergütet erhält und ihm auch nur ein Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse eingeräumt wird".

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Dies belegt nach Auffassung des Gerichtes die eindeutige Rechtslage auch daraufhin, dass die Berechtigung kollektiv ausgeschiedener Vertragszahnärzte weiterhin Versicherte zu Lasten der Krankenkassen zu behandeln, nicht nur für Behandlungen besteht, die bereits vor dem Wirksamwerden des Verzichtes auf die Zulassung begonnen worden sind, sondern auch für neue Behandlungsfälle (so Glückmann in Hauck/Noftz, SGB V Lose Blattsammlung Rdnr. 28).

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Diese Auffassung wird auch zwischenzeitlich durch die Rechtsprechung geteilt. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat in seinem Beschluss vom 5. Januar 2005 (L 3 KA 237/04 ER) festgestellt, dass auch Zahnärzte, denen ein kollektiver Zulassungsverzicht vorgeworfen wird, berechtigt sind, nach dem 1. Juli 2004 beginnende kieferorthopädische Behandlungen von Versicherten zu Lasten der Krankenkassen durchzuführen. Dieser Auffassung wird auch vom entscheidenden Gericht gefolgt, im Übrigen auch vom Sozialgericht Hannover (Beschluss vom 26. April 2005, S 43 KA 18/05 ER). § 95 b Abs. 3 SGB V bezieht sich auch und gerade auf sogenannte Neufälle, was schon allein deshalb gelte, weil der Vorschrift sonst ein Großteil ihres Anwendungsbereiches genommen wäre und der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz der Versicherten, der nach der Gesetzesbegründung nicht nur auslaufende Behandlungen betreffen solle, weitgehend leer liefe. So zutreffend LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 5. Januar 2005 L 3 KA 237/04 ER, S. 10-12 m. w. N.).

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Es mag zwar sein, dass diese Rechtsfolge den betroffenen Krankenkassen - wie von der AG vorgetragen - nicht passt und sie sich dieser Rechtsauffassung bislang nicht beugen, dies ändert jedoch nichts am klaren Wortlaut der anzuwendenden Vorschrift des § 95 b Abs. 3 SGB V.

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Da daher nach Auffassung des Gerichtes ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung unzumutbare Nachteile drohen und die Hauptsache aus Sicht des Gerichtes hohe Erfolgsaussichten prognostiziert werden können, war die beantragte einstweilige Anordnung auszusprechen.

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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.