Sozialgericht Hildesheim
Beschl. v. 20.05.2005, Az.: S 34 AY 12/05 ER
Rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes eines Asylbewerbers in Deutschland durch ungenügende Erfüllung der Mitwirkungspflichten und Rechtsfolgen dieses Verhaltens; Voraussetzungen für die Annahme rechtsmissbräuchlicher Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes eines Asylbewerbers in Deutschland; Voraussetzungen der Gewährung von Leistungen an Asylbewerber nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)
Bibliographie
- Gericht
- SG Hildesheim
- Datum
- 20.05.2005
- Aktenzeichen
- S 34 AY 12/05 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 32755
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGHILDE:2005:0520.S34AY12.05ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 AsylbewLG
- § 1a AsylbewLG
- § 2 AsylbewLG
- § 3 AsylbewLG
- § 82 AufenthG
Fundstelle
- ANA-ZAR 2005, 26 (Kurzinformation)
In dem Rechtsstreit
hat das Sozialgericht Hildesheim - 34. Kammer -
am 20. Mai 2005
durch
die Vorsitzende, Richterin Lange,
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern zu 1. - 5. ab dem 10.02.2005 bis zum 30.06.2005 Leistungen nach § 2 AsylbewLG nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften und unter Anrechnung der nach §§ 1,3 AsylbewLG gewährten Leistungen zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
- 2.
Den Antragstellern wird unter gleichzeitiger Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt Waldmann-Stocker, Göttingen Prozesskostenhilfe bewilligt.
- 3.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 1. - 5. Die Antragstellerin zu 6. trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe
I.
Der I. geborene Antragsteller zu 1, seine Ehefrau, die J. geborene Antragstellerin zu 2. sowie die K. sowie L. geborenen Söhne, die Antragsteller zu 3. und 4. sind armenische Staatsangehörige, die sich seit ihrer Einreise am 18.10.1998 in Deutschland aufhalten. Zwei weitere Kinder der Antragsteller zu 1. und 2., nämlich der 2000 geborene Antragsteller zu 5. und die M. geborene Antragstellerin zu 6. sind in Deutschland geboren. Seit dem 19.11.1998 bezieht die Familie der Antragsteller entweder Leistungen nach §§ 1, 3 AsylbewLG oder Leistungen nach § 2 AsylbewLG. Die Asylanträge für die Antragsteller zu 1.-5. sind seit dem 19.03.2002 rechtskräftig abgewiesen. Die Antragsteller zu 1. - 6. sind vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und im Besitz einer bis zum 31.07.2005 gültigen Duldung. Mit Schreiben vom 05.08.2002 wies der Antragsgegner die Antragsteller erstmalig darauf hin, dass sie verpflichtet seien, einen gültigen Pass zu besitzen und ggfs. verpflichtet seien, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken, sofern sie keine gültigen armenischen Ausweispapiere besitzen sollten. Sie sollten bis zum 10.09.2002 ihre gültigen armenischen Nationalpässe vorlegen oder die beigefügten Antragsvordrucke vollständig ausgefüllt mit je vier Passfotos aller Familienangehörigen einreichen. Mit weiterem Schreiben vom 07.01.2003 kündigte der Antragsgegner die Abschiebung der Antragsteller zu 1. -6. an und wies die Antragsteller nochmals drauf hin, dass sie sich unverzüglich um die Ausstellung eines Passes bzw. eines Passersatzes zu bemühen haben. Weiterhin forderte er sie auf, ausgefüllte Passersatzpapieranträge sowie Passfotos bis zum 28.02.2003 zu übersenden. Außerdem wies der Antragsgegner darauf hin, dass eine Kürzung der Sozialhilfeleistungen nach § 1 a AsylbewLG erfolgen könne, wenn die Antragsteller ihre Mitwirkungspflicht zur Beschaffung von Identitätspapieren nicht nachkommen würden. Nachdem die Antragsteller die Passersatzpapieranträge ausgefüllt und übersandt hatten, leitete der Antragsgegner sie mit Schreiben vom 31.03.2003 an die Bezirksregierung Braunschweig weiter mit der Bitte, diese an die armenische Botschaft weiterzuleiten und mitzuteilen, ob die Anträge vollständig seien und die PEP-Anträge gestellt werden könnten, damit die Überweisung der PEP-Gebühr veranlasst werden kann. Auf die weitere Anfrage des Antragsgegners vom 05.05.2004, teilte die Bezirksregiemng Braunschweig mit Schreiben vom 07.05.2004 mit, dass der Botschaft noch keine Antwort aus Armenien vorliege und nach Auskunft der armenischen Botschaft in Berlin vom 05.05.2004 momentan nicht mit einer Ausstellung zu rechnen sei. Mit weiterem Schreiben vom 22.06.2004 teilte die Bezirksregierung Braunschweig dem Antragsgegner mit, dass es trotz mehrfacher Vorsprachen bei der armenischen Botschaft in Berlin nicht gelungen sei, für die Antragstellerin zu 2. ein Passersatzpapier zu bekommen. Wörtlich heißt es in der Mitteilung: "Wegen fehlender identitätsbelegender Dokumente und auf Grund falscher oder fehlender Angaben ist es nicht möglich, die Identität der Person festzustellen. Die Passersatzpapierbeschaffung scheint aussichtslos. Ich empfehle weitere Ermittlungen zur Person anzustellen. Sobald Sie erfolgversprechende neue Erkenntnisse haben, bin ich gerne bereit, die Passersatzpapierbeschaffung erneut einzuleiten." Mit Schreiben vom 07.09.2004 forderte der Antragsgegner daraufhin vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Übersendung des Anhörungsprotokolls für die Antragsteller zu 1. und 2. an. Mit weiterem Schreiben vom erinnerte der Antragsgegner nochmals an die Erledigung des Schreibens vom 07.09.2004 und erhielt eine Kopie des Anhörungsbogens übersandt. Zwischenzeitlich hatte der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 12.8.2004 ein ärztliches Attest für die Antragstellerin zu 2. vorgelegt, demzufolge sie nach dem Tod der Tochter unmittelbar nach der Geburt am 16.02.2004 neben rezidivierenden Kopfschmerzattacken unter reaktiven Depression mit Angstzuständen leide und auf Grund einer schwierigen Operation im Juni 2004 ihr allgemeiner Gesundheitszustand labil sei, so dass eine Ausreise unmöglich sei. Gleichzeitig beantragte er die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbewLG für die Familie der Antragsteller. Für die Monate August, September, Oktober, November und Dezember 2004 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern weiterhin Leistungen nach §§ 1, 3 AsylbewLG. Mit Schriftsatz vom erhob der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller Widerspruch gegen die Leistungsgewährung nach §§ 1,3 AsylbewLG, welchen der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2005 zurückwies. In der Begründung des Widerspruchsbescheids verwies der Antragsgegner darauf, dass die Antragsteller zurzeit nicht an der Passerteilung mitwirkten und damit rechtsmissbräuchlich die anstehende Ausreise verhindern. Außerdem fehle es an einer aktuellen ärztlichen Bescheinigung im Hinblick auf die Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2.
Am 10.02.2005 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Hildesheim Klage erhoben und gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie verweisen darauf, dass die Aussage, sie würden sich an der Passerteilung nicht beteiligen, unzutreffend sei. Sie seien der Aufforderung zur Übersendung der ausgefüllten Passersatzpapieranträge im Jahr 2003 nachgekommen. Weitergehende Aufforderungen zur Mitwirkung, insbesondere im Hinblick auf die Mitteilung der Bezirksregierung Braunschweig hätten sie nicht erhalten. Auch sei dem Schreiben der Bezirksregierung vom 22.06.2004 nicht konkret zu entnehmen, welche Angaben über die bereits gemachten Angaben hinaus erforderlich seien. Sie hätten nach Übersendung der Passersatzpapieranträge im Jahr 2003 keine weiteren Aufforderungen zur Mitwirkung bei der Beschaffung von Identitätsdokumenten erhalten.
Die Antragsteller beantragten sinngemäß,
den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen vorläufig - bis zur Entscheidung über die Klage - Leistungen gemäß § 2 AsylbewLG zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Meinung, dass die Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund geltend machen können. Sie würden rechtsmissbräuchlich die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland beeinflussen, in dem sie durch fehlende bzw. spärliche Angaben die Erteilung eines Passes erschweren würden. Erstmalig mit Schreiben vom 05.08.2002 seien sie auf ihre Mitwirkungspflichten hingewiesen worden. Auch seien Bemühungen, bei der Armenischen Botschaft Pässe zu beantragen, trotz Aufforderung durch die Ausländerbehörde mit Schreiben vom 07.01.2003 nicht nachgewiesen. Ihre einzige Mitwirkung bei der Beschaffung der Passersatzpapiere hätte sich in dem Ausfüllen der Anträge für die Passersatzpapiere erschöpft. Dies sei nicht ausreichend, um den Mitwirkungspflichten nach § 82 Aufenthaltsgesetz Rechnung zu tragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten eingereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogenen Sozialamts- und Ausländerakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Das ist immer dann der Fall, wenn ohne den vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache im Fall des Obsiegens nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.10.1977, 2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 166, 179, 184). Steht dem Antragsteller ein vom ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begründet. Eine aus Gründen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebotene Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Verfahren ist jedoch nur dann zulässig, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung unzumutbare Nachteile drohen und für die Hauptsache hohe Erfolgsaussichten prognostiziert werden können (LSG Nds., Beschl. v. 08.09.2004, L 7 AL 103/04 ER).
Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Antragsteller zu 1. - 5. sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, wohingegen die Antragstellerin zu 6., vertreten durch die Antragsteller zu 1. und 2. keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen konnte.
Den Antragstellern ist ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten, da die derzeit bewilligten Leistungen nach §§ 1,3 AsylbewLG deutlich geringer sind, als die Leistungen nach § 2 AsylbewLG i.V.m. dem SGB XII. Soweit der Antragsgegner darauf hinweist, dass die Antragsteller auf Grund des Mittelbezuges nach §§ 1,3 AsylbewLG nicht völlig mittellos seien und insoweit ein Abwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache nicht unzumutbar sei, folgt das Gericht dieser Argumentation nicht. Nach Auffassung des Gerichts ist in diesem Zusammenhang insbesondere zu berücksichtigen, dass ausweislich der Gesetzesbegründung zum Asylbewerberleistungsgesetz der für den Personenkreis des § 1 Abs. 1 AsylbewLG a.F. vorgesehene deutlich abgesenkte Leistungsumfang, der ein Leben ermögliche, dass durch Sicherung des Mindestunterhalts dem Grundsatz der Menschenwürde gerecht werde, nur für eine vorübergehende Zeit als zumutbar angesehen werden kann (Gemeinschaftskommentar zum AsylbewLG, Stand: Dez. 2004, § 2, Rdn. 16 m.w.N.). Aus der Begründung zum Gesetzesentwurf ergibt sich weiterhin, dass bei einem längeren (über 36 Monate andauernden) Aufenthalt in der Bundesrepublik nicht mehr auf einen geringeren Bedarf abgestellt werden kann, der bei einem kurzen vorübergehenden Aufenthalt besteht. Insoweit seien auch Bedürfnisse anzunehmen, die auf bessere soziale Integration gerichtet seien (Gemeinschaftskommentar zum AsylbewLG, Stand: Dez. 2004, § 2, Rdn. 16 m.w.N.). Das bedeutet, dass die Beschränkung auf die deutlich geringeren Leistungen nur insoweit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wie die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach § 2 AsylbewLG nicht vorliegen. Bei ausreichend langer Aufenthaltsdauer in Deutschland widerspricht es jedoch dem Integrationsgedanken des Asylbewerberleistungsgesetzes, den Antragstellern Leistungen vorzuenthalten, die ihnen glaubhaft zustehen. Daher ist die Verweisung auf die Entscheidung in der Hauptsache für die Antragsteller insoweit unzumutbar. Insoweit schließt sich das Gericht der bisherigen Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichts Hannover an. Die Antragsteller zu 1.-5. haben auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach § 2 Abs. 1 AsylbewLG ist abweichend von §§ 3-7 des AsylbewLG das 12. Buch Sozialgesetzbuch auf Leistungsberechtigte entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Da die Antragsteller zu 1. - 4. seit November 1998 und der Antragsteller zu 5. seit August 2000 Leistungen nach §§ 1 und 3 AsylbewLG beziehen und insoweit unstreitig die zeitlichen Voraussetzungen nach § 2 AsylbewLG erfüllen, ist zwischen den Beteiligten allein streitig, ob sie die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 2 AsylbewLG n.F. beeinflussen.
Nach der Gesetzesbegründung zur Neufassung von § 2 AsylbewLG (Bundesdrucksache 15/420 [121] Gesetzentwurf - Zuwanderungsgesetz zu Nr. 3) soll zwischen denjenigen Ausländern unterschieden werden, die unverschuldet nicht ausreisen könne und denjenigen, die ihrer Ausreisepflicht rechtsmissbräuchlich nicht nachkommen. Darüber hinaus enthält die Gesetzesbegründung Hinweise auf Beispiele, in denen ein solcher Rechtsmissbrauch anzunehmen ist: Vernichtung des Passes, Angabe einer falschen Identität. Schließlich findet sich noch der Hinweis, dass die Bestimmung über die Folgen rechts-missbräuchlichen Verhaltens an den Entwurf einer Richtlinie des Rates der europäischen Union zur Festlegung zu Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerber anknüpft. Insoweit werden in Artikel 16 des Entwurfes Formen negativen Verhaltens zusammengefasst, die auf nationaler Ebene eine Einschränkung von Leistungen erlauben. In diesem Zusammenhang geht es insbesondere um Einschränkungen bei der Verletzung von Meldepflichten und Auflagen zum Aufenthaltsort sowie das Verschweigen von finanziellen Mitteln. Aus der Gesamtschau dieser Vorschriften ergibt sich, dass eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts durch den Antragsteller in jedem Fall dann anzunehmen ist, wenn er seinen Pass vernichtet, Angaben einer falschen Identität macht, eine der in Artikel 16 der Richtlinie genannte Verhaltsweise aufweist oder eine den vorgenannten Verhaltensweisen vergleichbare Handlung vornimmt, die entsprechend missbräuchlich ist.
Vorliegend wird den Antragstellern weder vorgeworfen, dass sie ihre Pässe vernichtet haben, noch, dass sie falsche Angaben zur Identität gemacht haben, sondern der Antragsgegner legt den Antragstellern eine fehlende Mitwirkung bei der Beschaffung von Identitätsdokumenten zur Last und beruft sich dabei auf das Fehlen von Bemühungen im Sinne von § 82 Aufenthaltsgesetz. Jedoch vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass angesichts des insoweit unstreitigen Sachverhalts den Antragstellern tatsächlich eine fehlende Mitwirkung im Sinne einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland vorgeworfen werden kann.
Entscheidend für diese Beurteilung des Sachverhalts ist zum Einen, dass die Antragsteller der Aufforderung zur Übersendung der ausgefüllten Passersatzpapieranträge Anfang 2003 nachgekommen sind und damit nach Auffassung des Gerichts ihren insoweit mit Schreiben vom 07.01.2003 konkretisierten Mitwirkungspflichten entsprochen haben. Dass die Passersatzpapieranträge möglicherweise fehlerhaft oder unvollständig von den Antragstellern ausgefüllt wurden und dies auch vorsätzlich im Hinblick auf eine Verzögerung der Bearbeitung erfolgt ist, ist jedenfalls nicht offensichtlich und wird so auch nicht vom Antragsgegner behauptet. Wenn die Angaben offenkundig so unvollständig gewesen wären, dass die Erteilung von Passersatzpapieren von vornherein hätte scheitern müssen, hätte dies entweder beim Antragsgegner oder bei der Bezirksregierung Braunschweig auffallen müssen und eine entsprechende Aufforderung zur Ergänzung noch fehlender Angaben oder Unterlagen ergehen können. Dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr hat die Bezirksregierung Braunschweig erst 1 1/2 Jahre später und auch nur auf mehrfache Anfrage durch den Antragsgegner mitgeteilt, dass es wegen fehlender identitätsbelegender Dokumente und auf Grund falscher oder fehlender Angaben nicht möglich sei, die Identität der Antragstellerin zu 2. festzustellen und daher dazu geraten, weitere Ermittlungen zur Person anzustellen.
Zum anderen dürfte bei summarischer Überprüfung die Annahme einer fehlenden Mitwirkung nach Auffassung des erkennenden Gerichts auch daran scheitern, dass für die Antragsteller nicht offensichtlich erkennbar war, dass sie weitere Mitwirkungshandlungen zur Beschaffung von Identitätsdokumenten erbringen sollten. Angesehen davon, dass sich die Schwierigkeiten zur Ermittlung der Identität der Person nach dem Schreiben der Bezirksregierung nur auf die Antragstellerin zu 2. beziehen, lässt sich den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners nicht entnehmen, dass die Antragsteller selbst aufgefordert wurden, ggf. fehlende oder falsche Angaben zu berichtigen. Soweit sich der Antragsgegner darauf berufen hat, dass die Antragsteller bereits im August 2002 auf ihre Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Beschaffung von Passersatzpapieren hingewiesen wurden und sich in der Folgezeit selbstständig aus eigener Verantwortung und eigenem Interesse um die Beschaffung der Passersatzpapiere hätten kümmern müssen, teilt das Gericht diese Einschätzung des Antragsgegners nicht. Für das Gericht ist schon nicht erkennbar, dass die Antragsteller wussten, dass neben der Rücksendung der ausgefüllten Passersatzpapieranträge im Jahr 2003 weitere Schritte von ihrer Seite erforderlich waren, um Identitätsdokumente für sie zu beschaffen. Darüber hinaus vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass die Antragsteller selbst nach Bekanntwerden der Probleme bei der Passerteilung beim Antragsgegner um Mitwirkung bei der Beseitigung der Probleme gebeten wurden. Es wäre dem Antragsgegner jedoch zuzumuten gewesen, die Antragsteller auf die im Juni 2004 bekannt gewordenen Probleme hinzuweisen und um Mitwirkung bei der Ergänzung der erforderlichen Angaben zu bitten. Dies gilt umso mehr, als die Antragsteller der letztmaligen Aufforderung zur Mitwirkung Anfang 2003 nachgekommen sind und daher darüber hätten in Kenntnis versetzt werden müssen, dass Ende 2004 neuerliche Bemühungen zur Beschaffung der Identitätsdokumente erforderlich wurden und welche konkreten Informationen noch nachzureichen waren. Dass der Antragsgegner stattdessen nur den Anhörungsbogen aus dem Asylverfahren der Antragstellerin zu 2. angefordert hat und keine weiteren Aufforderungen zur Mitwirkung bei der Passbeschaffung an die Antragsteller gerichtet hat, führt nach Ansicht des Gerichts dazu, dass jedenfalls von einer fehlenden Mitwirkung der Antragsteller nicht die Rede sein kann. Wenn den Antragstellern keine fehlende Mitwirkung bei der Beschaffung von Passersatzpapieren vorgeworfen werden kann, kann auch nicht angenommen werden, dass sie die Dauer ihres Aufenthalts rechtsmissbräuchlich beeinflussen würden. Daher spricht derzeit Überwiegendes für einen Anspruch der Antragsteller zu 1 bis 5 auf Leistungen nach § 2 AsylbewLG.
Keinen Erfolg hat hingegen der Antrag der am N. in Deutschland geborenen Antragstellerin zu 6., da diese derzeit nicht die zeitlichen Voraussetzungen (36 monatiger Leistungsbezug nach §§ 1,3 AsylbewLG) für die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbewLG erfüllt. Nach § 2 Abs. 3 AsylbewLG erhalten minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einem Haushalt leben, Leistungen nach Abs. 1 nur dann, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Abs. 1 erhält. Bereits unter dem bis zum 31.12.2004 gültigen Asylbewerberleistungsgesetz ist die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass es sich bei § 2 Abs. 3 AsylbewLG um eine einschränkende Regelung handelt, welche eine zusätzliche Leistungsvoraussetzung für minderjährige Kinder begründet und das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 AsylbewLG voraussetzt (Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschl. v. 31.05.1999, 4 L 1884/99, zitiert nach JURIS). Begründet wurde dies zum einen unter Hinweis auf den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, derzufolge minderjährige Kinder "nur" Leistungen nach Abs. 1 erhalten, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Abs. 1 erhält. Zum anderen wurde auf die Gesetzesbegründung verwiesen, welche als Motiv für die Neufassung dieser Vorschrift das Ziel nennt, dass innerhalb einer Familie minderjährigen Kindern keine anderen Leistungen gewährt werden sollen als ihren Eltern, mit denen sie in einer Haushaltsgemeinschaft leben (Bundestagsdrucksache 13/2746). Zu einer solchen Situation hätte es nach Auffassung des Gesetzgebers nämlich kommen können, wenn beide Elternteile lediglich für sich einen Asylantrag gestellt haben, während die Kinder eine Duldung besäßen, mit der Folge, dass minderjährige Kinder bessergestellt werden könnten als ihre im selben Haushalt lebenden Eltern (Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschl. v. 31.05.1999, 4 L 1884/99, zitiert nach JURIS). Auch wenn sich das Problem der Ungleichbehandlung von Eltern und Kindern auf Grund unterschiedlicher Unterhaltstitel vor dem Hintergrund der Neufassung von § 2 Abs. 1 A-sylbewLG so nicht mehr stellen dürfte, da es für einen Anspruch nach § 2 AsylbewLG -neben den zeitlichen Voraussetzungen - inzwischen nur noch auf die Frage der rechts-missbräuchlichen Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts ankommt, dürfte angesichts des eindeutigen Wortlauts von § 2 Abs. 3 AsylbewLG tatsächlich davon auszugehen sein, dass es sich im Verhältnis zu Abs. 1 um eine Leistungseinschränkung und nicht um eine Leistungserweiterung handelt. Ansonsten würde es keinen Sinn machen, dass minderjährige Kinder "nur" Leistungen beziehen, wenn ein in der Haushaltsgemeinschaft lebender Elternteil ebenfalls Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbewLG bezieht. Zudem entspricht dies dem Integrationsgedanken dieser Vorschrift, welche erst ab einem längerfristigen Bezug von Leistungen nach dem AsylbewLG die erhöhten Leistungen nach § 2 i.V.m. dem SGB XII rechtfertigen soll. Kinder, welchen die zeitlichen Voraussetzungen nicht erfüllen, können daher auch keine Leistungen nach § 2 AsylbewLG beanspruchen. Insofern fehlt es an einem Anordnungsanspruch für die Antragstellerin zu 6.
Die Leistungen sind den Antragstellern zu 1.-5. nur vorläufig zuzusprechen, und zwar ab dem Eingang des Antrags bei Gericht. Für weitere in der Vergangenheit liegende Zeiträume kann von einer aktuellen Notlage nicht die Rede sein. Eine Bewilligung erst ab dem Tag der gerichtlichen Entscheidung erscheint unbillig, da es nicht in den Händen der Antragsteller liegt, wie schnell das Gericht eine Entscheidung trifft. Die vorläufig zugesprochenen Leistungen war auf die Zeit bis zum 30.06.2005 zu begrenzen, da es dem Antragsgegner unbenommen sein muss, auf Änderungen der Tatsachengrundlage bei der Leistungsgewährung zu reagieren, da es sich bei Leistungen nach dem AsylbewLG nicht um rentengleiche Dauerleistungen handelt, sondern um zeitabschnittsweise zu gewährende Leistungen. Daher spricht das Gericht eine Verpflichtung im Eilverfahren bis zum Ablauf des Folgemonats aus. Allerdings erwartet das Gericht, dass der Antragsgegner über diesen Zeitraum hinaus von sich aus auch ohne ausdrückliche Verpflichtung die Entscheidung des Gerichts weiter beachten wird, wenn keine Änderungen eintreten. Um eine Situation zu vermeiden, in der den Antragstellern doppelte Leistungen zuerkannt werden, kann der Leistungsausspruch nur unter Anrechnung der bisher gewährten Leistungen ergehen.
Da die Rechtverfolgung aus den oben genannten Gründen nicht mutwillig ist und die Antragsteller nicht über ausreichendes Einkommen verfügen, war auch dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung erfolgt analog § 193 Abs. 1 SGG. Da die Antragsteller zu 1.-5. mit ihrem Begehren Erfolg haben und nur der Anspruch der Antragstellerin zu 6. abzulehnen ist, entspricht es der Billigkeit, dass der Antragsgegner die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 1. - 5. trägt.