Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 08.05.2023, Az.: L 2 BA 9/23
Ausscheiden aus dem Erwerbsleben; Beitragspflicht; Postulat der Vorhersehbarkeit der sozialversicherungsrechtlichen Beitragstatbestände; Vorruhestand
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 08.05.2023
- Aktenzeichen
- L 2 BA 9/23
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 21106
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 30.11.2021 - AZ: S 17 R 80/17
Rechtsgrundlagen
- §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 166 Abs. 1 Nr. 3, 170 Abs. 1 Nr. 3, 174 SGB VI
- § 14 VRG
- § 4 TVG
- § 5 SGB V
Fundstelle
- ArbR 2023, 360
Amtlicher Leitsatz
Erbringt der bisherige Arbeitgeber einem aus seinem Dienst ausscheidenden Beschäftigten Leistungen zur Absicherung des Lebensunterhalts bis zum Einsetzen des Altersrentenbezuges, dann begründet die vorgesehene Anrechnung eines etwaigen anderweitigen Verdienstes die Erwartung eines endgültigen Abschieds des betroffenen Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben und damit die Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung für Vorruhestandsgeldleistungen nach § 3 Satz 1 Nr. 4 SGB VI.
In dem Rechtsstreit
Kaufmännische Krankenkasse,
vertreten durch den Vorstand,
Karl-Wiechert-Allee 61, 30625 Hannover
- Klägerin und Berufungsklägerin -
gegen
Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover,
vertreten durch die Geschäftsführung,
Lange Weihe 6, 30880 Laatzen
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
beigeladen:
1. B.,
C.
2. Deutsche Rentenversicherung Bund
vertreten durch das Direktorium,
Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,
3. Bundesagentur für Arbeit, Operativer Service Hannover, Rechtsbehelfsstelle,
vertreten durch die Geschäftsführung,
Brühlstraße 4, 30169 Hannover,
hat der 2. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2023 in Celle durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Dr. D., die Richterin am Landessozialgericht Dr. E. und den Richter am Landessozialgericht Dr. F. sowie die ehrenamtlichen Richter G. und H. für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 30. November 2021 geändert.
Die Festsetzung von Beiträgen nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie von Umlagen im Bescheid der Beklagten vom 18. April 2016 in der Fassung der Teilabhilfebescheide vom 25. November 2016 und vom 24. Oktober 2018 und des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2017 anknüpfend an die von Seiten der Klägerin an den Beigeladenen zu 1. für den Zeitraum April 2011 bis Dezember 2012 erbrachten Zahlungen wird aufgehoben.
Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. April 2016 in der Fassung der Teilabhilfebescheide vom 25. November 2016 und vom 24. Oktober 2018 und des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2017 wird abgewiesen, soweit mit diesem Bescheid Beiträge zur Rentenversicherung anknüpfend an die von Seiten der Klägerin an den Beigeladenen zu 1. für den Zeitraum April 2011 bis Dezember 2012 erbrachten Zahlungen festgesetzt worden sind.
Die Kosten des vorliegenden abgetrennten Verfahrens mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen Kosten der Beigeladenen tragen die Klägerin zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im vorliegenden abgetrennten Verfahren ist die Verpflichtung der Klägerin zur Entrichtung von Beiträgen zu allen Zweigen der Sozialversicherung, Umlagen und Säumniszuschlägen anknüpfend an die von ihrer Seite im Zeitraum April 2011 bis Dezember 2012 an den Beigeladenen zu 1. gewährten Übergangsgeldzahlungen zu prüfen.
Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Der am 30. Juni 1950 geborene Beigeladene zu 1. war seit 1967 Mitarbeiterin der Klägerin. Der in Offenburg wohnende Beigeladene zu 1. arbeitete bis März 2011 in Vollzeit im Regionalzentrum I. der Klägerin. Zum 31. März 2011 wurde dieses Regionalzentrum vollständig geschlossen. Sein Bruttogezahlt belief sich zuletzt auf ca. 3.950 € (vgl. etwa Gehaltsabrechnung für Februar 2011 in den Anlagen zum Schriftsatz der Klägerin vom 26. August 2022), so dass er unter Einbeziehung der im Laufe des Jahres erbrachten Sonderzahlungen die Versicherungspflichtgrenze für die Krankenversicherung von seinerzeit 49.500 € überschritt. Der Beigeladene zu 1. war nicht Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi).
Die Klägerin sah zunächst für die Zeit ab April 2011 einen Einsatz des Beigeladenen zu 1. im Regionalzentrum J. vor, bot ihm allerdings zugleich auch eine sog. betriebliche Beurlaubung an.
Da der Beigeladene zu 1. eine Beurlaubung bevorzugte, schloss er mit der Klägerin unter dem Datum vom 18. März 2011 eine "Vereinbarung" ab (vgl. wegen deren weiteren Einzelheiten Bl. 13 ff. der Akte des vorliegenden abgetrennten Verfahrens). Nach § 1 wurde der Beigeladene zu 1. ab dem 1. April 2011 "beurlaubt", wobei in dem Vertrag festgehalten wurde: "Mit Beginn der Beurlaubung endet das Beschäftigungsverhältnis bei der KKH-Allianz."
Für den Beurlaubungszeitraum verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung eines Übergangsgeldes von monatlich 2.950,36 €, welches ausgehend von einem ruhegeldfähigen Gehalt von 3.954,91 € und einem Bemessungssatz von 74,6 % ermittelt worden war. Die Zahlungspflicht sollte "bis zum Eintritt des Versicherungs- und Versorgungsfalls" gelten (§ 1 Abs. 2).
Nach den vertraglichen Vereinbarungen sollte der Beigeladene zu 1. ab Beginn der Beurlaubung neben dem Anspruch auf Zahlung des Übergangsgeldes weiterhin einen Beihilfeanspruch nach der Anlage des Haustarifvertrages sowie Anspruch auf Zahlung eines jährlichen Weihnachtsgeldes haben (§§ 3, 5). Ansonsten standen dem Beigeladenen zu 1. keine weiteren Zahlungsansprüche gegenüber der Klägerin zu (§ 2f.). Nach den vertraglichen Vereinbarungen sollte die Klägerin insbesondere auch keine Beiträge zur Sozialversicherung ab Beginn der Beurlaubung abführen (§§ 4, 7 und 8).
Der Beigeladene zu 1. verpflichtete sich in dieser Vereinbarung, zu dem (für Männer und Frauen gleichermaßen in Betracht kommenden) frühestmöglichen Zeitpunkt einen Rentenantrag zu stellen (§ 9, vgl. dort auch zu den Rechtsfolgen einer Missachtung dieser Verpflichtung).
Hinzutretendes Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen aus einer mehr als nur geringfügigen Beschäftigung sowie ein eventuell gezahltes Arbeitslosengeld sollten nach § 6 des Vertrages in voller Höhe auf das Übergangsgeld angerechnet werden.
Die vereinbarten Übergangsgeldzahlungen erbrachte die Klägerin für den Zeitraum April 2011 bis Juni 2013; seit Juli 2013 bezieht der Beigeladene zu 1. Altersrente für langjährig Versicherte (vgl. Bl. 306 der Ausgangsgerichtsakte).
Zu den in den Jahren ab 2011 maßgeblichen - zwischen der Klägerin und der Gewerkschaft Verdi abgeschlossenen - tarifvertraglichen Regelungen (vgl. wegen der weiteren Einzelheiten die Anlagen zum Schriftsatz der Klägerin 26. August 2011 im Ausgangsverfahren L 2 BA 66/21) zählte insbesondere ein Tarifvertrag über Rationalisierungsschutz. Dessen Regelungen erstreckten sich insbesondere auch auf die Auflösung von Dienststellen (§ 2). Nach dessen § 5 sollte bei einem Wegfall eines Arbeitsplatzes der Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses Vorrang vor dessen Beendigung zukommen. Daran anknüpfend begründete § 6 im Ausgangspunkt einen Weiterbeschäftigungsanspruch, wobei ein anderer Arbeitsplatz jedenfalls dann als zumutbar angesehen wurde, wenn eine tägliche Rückkehr zum Wohnort u.a. bei einem notwendigen Zeitaufwand für die Hin- und Rückfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln von täglich nicht mehr als 2,5 Stunden zumutbar war (vgl. wegen der Einzelheiten der komplexen Regelungen die Bestimmungen des § 6). Bei fehlender Bereitschaft des Angestellten zur Annahme eines anderen ihm zumutbaren Arbeitsplatzes war die Klägerin nach Maßgabe des § 6 Abs. 9 zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt.
Eine einen Wohnsitzwechsel erfordernde Versetzung durfte die Klägerin bei älteren Angestellten nach Vollendung des 55. Lebensjahres nur mit deren Zustimmung aussprechen (§ 8 Abs. 2). Soweit danach eine Versetzung ausgeschlossen war und anderweitig ein geeigneter und zumutbarer Arbeitsplatz nicht zur Verfügung stand, sollte die Klägerin nach § 8 Abs. 2 des genannten Tarifvertrages die Betroffenen in entsprechender Anwendung des § 34a des Haustarifvertrages aus betrieblichen Gründen beurlauben. Die in Bezug genommene Regelung des § 34a sah eine Beurlaubung eines unkündbaren Angestellten nach Vollendung des 59. Lebensjahrs ("bei Einhaltung einer Auslauffrist von 1 Jahr") bis zum Eintritt des Versicherungs- und Versorgungsfalls gegen Zahlung eines gemäß der Anlage 7 des Haustarifvertrages zu berechnenden Übergangsgeldes für Fallgestaltungen vor, bei denen dieser dauernd außerstande ist, die ihm obliegenden Aufgaben in vollem Umfang zu erfüllen.
Im Zuge einer von Mai bis August 2014 durchgeführten Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV gelangte die Beklagte zu der Einschätzung, dass der Beigeladene zu 1. und zahlreiche weitere ebenfalls von Rationalisierungsmaßnahmen betroffene (ehemalige) Beschäftigte der Klägerin für die Dauer des vereinbarten Übergangsgeldbezuges weiterhin in abhängigen der Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegenden abhängigen Beschäftigungsverhältnissen zur Klägerin gestanden haben.
Hieran anknüpfend setzte die Beklagte mit Bescheid vom 18. April 2016 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 25. November 2016 und des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2017 für den Prüfzeitraum 2009 bis 2012 nachzuentrichtende Beiträge, Umlagen und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 276.607,06 € (einschließlich 56.044 € Säumniszuschläge) fest. Davon entfielen auf den Beigeladenen zu 1. Beiträge und Umlagen U2 für den Zeitraum April bis Dezember 2011 (ausgehend von einem beitragspflichtigen Entgelt in Höhe von 29.609,50 €) in Höhe von 6.878,14 € und für den Zeitraum Januar bis Dezember 2012 (ausgehend von einem beitragspflichtigen Entgelt in Höhe von 38.921,75 €) in Höhe von 8.940,24 € (vgl. Bl. 24, 28 GA). Dabei hatte die Beklagte jeweils Beitragszahlungen zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in Ansatz gebracht.
Mit der am 31. Januar 2017 erhobenen Klage (S 17 R 80/17) hat die klagende Krankenkasse insbesondere geltend gemacht, dass sie mit den betroffenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und insbesondere auch mit dem Beigeladenen zu 1. des vorliegenden abgetrennten Verfahrens jeweils eine Beendigung der vorausgegangenen Beschäftigungsverhältnisse vereinbart habe. Die Zahlung von Übergangsgeldzahlungen sei erst nach der Beendigung des vormaligen Beschäftigungsverhältnisses aufgenommen worden. Für die streitbetroffenen Zeiträume der Übergangsgeldzahlungen habe mangels eines fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses keine daran anknüpfende Pflicht zur Beitragsabführung bestanden.
Im Zuge der Umsetzung von Rationalisierungsmaßnahmen habe sie auch Mitarbeitern eine betriebliche Beurlaubung angeboten, die darauf nach den tarifvertraglichen Regelungen insbesondere wegen des alternativen Angebots eines anderen zumutbaren Arbeitsplatzes keinen Anspruch gehabt hätten. Auch habe sie zugunsten der Betroffenen auf die Einhaltung einer Auslauffrist von einem Jahr entsprechend den Vorgaben des § 34a des Haustarifvertrages verzichtet.
Im erstinstanzlichen Verfahren hat die Beklagte im Rahmen eines weiteren vom 24. Oktober 2018 datierendenTeilabhilfebescheides (Bl. 20 ff. GA L 2 BA 66/21) die Beitragsnachforderungen in Bezug auf zwei Mitarbeiter (K. und L.) fallen gelassen.
Mit Urteil vom 30. November 2021, der Klägerin am 13. Dezember 2021 zugestellt, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die betroffenen Mitarbeiter seien in den Übergangsgeldbezugszeiträumen weiterhin bei der Klägerin beschäftigt gewesen. Es sei im Ergebnis lediglich eine Beurlaubung bis zum Rentenbeginn ausgesprochen worden.
Die einzelvertraglich vereinbarte Beendigung der betroffenen Beschäftigungsverhältnisse kollidiere mit den Vorgaben in § 8 des Tarifvertrages über Rationalisierungsschutz. Die dort vorgesehene Beurlaubung bringe keine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum Ausdruck. Eine Beurlaubung habe vielmehr das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses zur Voraussetzung, nur ein fortbestehendes Arbeitsverhältnis könne im Sinne einer solchen Beurlaubung ruhen.
Mit ihrer am 30. Dezember 2021 eingelegten Berufung (L 2 BA 66/21) macht die Klägerin weiterhin geltend, dass die betroffenen Versicherten in den jeweiligen Übergangsgeldbezugszeiträumen nicht in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen gestanden hätten. Das vormalige arbeitsvertragliche Band sei einvernehmlich aufgehoben worden. Die getroffenen Vereinbarungen seien für die betroffenen Mitarbeiter jeweils günstiger als eine unmittelbare Heranziehung der tarifvertraglichen Regelungen gewesen. Im Zuge der vorausgegangenen Gespräche sei offen kommuniziert worden, dass die Vereinbarungen vom Tarifvertrag abweichen und eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum Ausdruck bringen würden. Auch das Bundesamt für Soziale Sicherung sei in einem Parallelfall zu der Einschätzung gelangt, dass mit den Übergangsgeldzahlungen keine Beitragspflichten in der gesetzlichen Rentenversicherung verbunden seien (Bl. 222 L 2 BA 66/21).
Insbesondere seien auch keine beitragspflichtigen Vorruhestandsgeldzahlungen erbracht worden. Es habe bereits an der erforderlichen Vereinbarung über ein endgültiges Ausscheiden des Beigeladenen zu 1. aus dem Erwerbsleben gefehlt. Die Vereinbarungen seien als Beendigungsvereinbarungen konzipiert worden. Schon die Möglichkeit einer weiteren Erwerbstätigkeit des ausgeschiedenen Beschäftigten nehme der Leistung des Arbeitgebers von Beginn an den Charakter einer Vorruhestandsleistung.
Mit Beschluss vom 30. Januar 2022 hat der Senat aus dem Ausgangsrechtsstreit die Festsetzung von Beiträgen und Umlagen aufgrund der von Seiten der Klägerin an die Versicherten B. erbrachten sog. "Beurlaubungsbezüge" abgetrennt. Dieser Teil des Rechtsstreits wird unter dem vorliegenden Aktenzeichen fortgeführt. In diesem abgetrennten Rechtsstreit ist der Versicherte B. zu 1. beigeladen.
Im vorliegenden abgetrennten Verfahren beantragt die Klägerin,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Hannover vom 30. November 2021 den Bescheid der Beklagten vom 18. April 2016 in der Fassung der Teilabhilfebescheide vom 25. November 2016 und vom 24. Oktober 2018 und des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2017 aufzuheben, soweit Beiträge und Umlagen anknüpfend an die von Seiten der Klägerin an den Beigeladenen zu 1. für den Zeitraum April 2011 bis Dezember 2012 erbrachten Zahlungen festgesetzt worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die Auslegung der abgeschlossenen Vereinbarung verdeutliche, dass das Beschäftigungsverhältnis fortbestanden habe. Es seien nicht etwa Vorruhestandsbezüge gewährt worden. Dafür habe insbesondere 2011 die erforderliche Verständigung über ein endgültiges Ausscheiden des Beigeladenen zu 1. aus dem Erwerbsleben gefehlt. Zudem trete auch die Klägerin der Annahme einer Vereinbarung von Vorruhestandsgeldzahlungen entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte sowie der Ausgangsgerichtsakte S 17 R 80/17 - L 2 BA 66/21 und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.
Unter Berücksichtigung des Abtrennungsbeschlusses des Senates vom 30. Januar 2023 sind im vorliegenden abgetrennten Verfahren nur diejenigen Festsetzungen in dem zur Überprüfung gestellten Bescheid der Beklagten vom 18. April 2016 in der Fassung der Teilabhilfebescheide vom 25. November 2016 und vom 24. Oktober 2018 und des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 2017 zu prüfen, mit denen aufgrund der von Seiten der Klägerin an den Beigeladenen zu 1. für den Zeitraum April 2011 bis Dezember 2012 erbrachten Übergangsgeldzahlungen Beiträge zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung und Umlagen festgesetzt worden sind.
Zu überprüfen sind mithin die festgesetzten Beiträge und Umlagen U2 für den Zeitraum April bis Dezember 2011 (ausgehend von einem beitragspflichtigen Entgelt in Höhe von 29.609,50 €) in Höhe von 6.878,14 € und für den Zeitraum Januar bis Dezember 2012 (ausgehend von einem beitragspflichtigen Entgelt in Höhe von 38.921,75 €) in Höhe von 8.940,24 € (vgl. Bl. 24, 28 GA).
Die weiteren in den genannten Bescheiden von der Beklagten getroffenen Regelungen (unter Einschluss auch der Festsetzungen von Säumniszuschlägen) sind hingegen im Ausgangsverfahren L 2 BA 66/21 (bzw. in dem weiteren abgetrennten Verfahren L 8 BA 9/23) zu prüfen.
Die aufgrund der von Seiten der Klägerin an den Beigeladenen zu 1. für den Zeitraum April 2011 bis Dezember 2012 erbrachten Übergangsgeldzahlungen (die nachfolgenden Zahlungen werden nicht mehr vom Prüfzeitraum der Betriebsprüfung erfasst) erfolgten Festsetzungen von Beiträgen erweisen sich überwiegend als begründet. Allerdings vermag der Senat nicht die Rechtsauffassung der Beklagten zu teilen, wonach die Beigeladene zu 1. auch noch im Zeitraum April 2011 bis Dezember 2012 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin stand. Die gewährten Übergangsgeldzahlungen stellen jedoch Vorruhestandsgeldzahlungen dar, aufgrund derer nach den gesetzlichen Vorgaben des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI (i.V.m. §§ 166 Abs. 1 Nr. 3 170 Abs. 1 Nr. 3, 174 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI) ebenfalls eine Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet war, nachdem der Beigeladene zu 1. bis zum Einziehen der Zahlungen bei der Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt war. Allerdings sehen die gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf Vorruhestandsgeldzahlungen keine Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung und auch keine Pflicht des Arbeitgebers zur Abführung von Umlagen vor.
1. Im streitbetroffenen Zeitraum April 2011 bis Dezember 2012 stand der Beigeladene zu 1. nicht mehr in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin. Das vormalige Beschäftigungsverhältnis ist vielmehr mit der Vereinbarung von März 2011 rechtswirksam zum 31. März 2011 beendet worden.
a) Nach der Rechtsprechung des BSG bilden die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der - im Ausgangspunkt vom Austausch der Arbeitsleistung gegen das Arbeitsentgelt geprägten - abhängigen Beschäftigung erlauben (BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 R 14/10 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr 9, Rn. 16). Alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände sind die maßgebliche Gesamtschau einzustellen und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abzuwägen (BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 R 3/17 R -, BSGE 125, 177-182, SozR 4-2400 § 7 Nr 36, Rn. 12).
Fehlen zwingende gesetzliche Rahmenvorgaben... kommt den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer... und Arbeitgeber... zwar keine allein ausschlaggebende, so doch eine gewichtige Rolle zu. Zwar haben es die Vertragsparteien nicht in der Hand, die kraft öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch bloße übereinstimmende Willenserklärung auszuschließen. Dem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, kommt nach der Rechtsprechung des BSG aber indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird (BSG, Urteil vom 14. März 2018, aaO, Rn. 13 - dort bezogen auf die Abgrenzung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit).
b) Ein versicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis wird allerdings nicht schon durch den zeitweisen Wegfall der tatsächlichen Dienstbereitschaft beendet. Auch wenn der Arbeitnehmer für eine bestimmte Zeit faktisch nicht zur Dienstleistung bereit ist, seine Arbeit jedoch nach Wegfall des Grundes der fehlenden Dienstbereitschaft (Krankheit, Urlaub, Bummeln) fortsetzen will, besteht das Beschäftigungsverhältnis fort (BSG, Urteil vom 15. Dezember 1971 - 3 RK 87/68 -, BSGE 33, 254, Rn. 19). Im vorliegenden Fall sollte jedoch die in der Vereinbarung von März 2011 explizit festgeschriebene Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses dauerhaft fortwirken. Es war übereinstimmender Wille der Vertragsbeteiligten, dass der Beigeladene zu 1. dauerhaft keine Dienste mehr für die Klägerin leisten sollte.
Soweit nach der Rechtsprechung des BSG eine Beschäftigung fortbesteht, wenn die Arbeitsvertragsparteien einverständlich am Arbeitsverhältnis festhalten, um es nach einer Zeit der Freistellung von der Arbeitsleistung fortzusetzen, weil auch in solchen Fallgestaltungen in einem für die Annahme einer Beschäftigung ausreichenden Maß gleichermaßen eine gemeinsame Bestätigung des vertraglichen Bandes wie insbesondere ein hinreichendes Substitut für die Arbeitspflicht vereinbart ist (BSG, U.v. 24. September 2008 - B 12 KR 22/07 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr 9, SozR 4-2600 § 1 Nr 4, Rn. 15), hilft dies der Beklagten auch nicht weiter. Im vorliegenden Fall lässt sich eine solche "gemeinsame Bestätigung des vertraglichen Bandes" gerade nicht feststellen. Die Vertragsbeteiligten haben vielmehr einvernehmlich das Beschäftigungsverhältnis zum 31. März 2011 beendet und damit bezüglich seiner das vormalige vertragliche Band aufgehoben. Auch für nachfolgende Zeiträume wurden keine weiteren Arbeitsleistungen des Beigeladenen zu 1. in Betracht gezogen.
Damit fehlt der Annahme eines fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses die erforderliche Grundlage.
Diese konnte insbesondere auch nicht durch die Vorgaben des Tarifvertrages über Rationalisierungsschutz vermittelt werden.
Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI (entsprechend auch des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) hat das reale Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses im jeweils betroffenen Beitragserhebungszeitraum zur Voraussetzung. Selbst wenn es einen Anspruch auf Begründung (entsprechend: auf Fortsetzung) eines Beschäftigungsverhältnisses geben sollte, reicht dies allein nicht aus, solange der Anspruch nicht im Sinne der tatsächlichen Führung eines Beschäftigungsverhältnisses realisiert worden ist.
Ohnehin standen die Vorgaben des Tarifvertrages über Rationalisierungsschutz dem Abschluss des Aufhebungsvertrages zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. nicht entgegen. Ein Widerspruch zu tarifvertraglichen Regelungen würde zunächst voraussetzen, dass in bindenden tarifvertraglichen Regelungen, welche nach Wortlaut, Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck der Tarifvorschrift unter Einbeziehung erforderlichenfalls auch der Entstehungsgeschichte auszulegen sind (BAG, Urteil vom 18. November 2020 - 5 AZR 21/20 -, NZA 2021, 581, Rn. 33), ein Anspruch auf Weiterführung eines Beschäftigungsverhältnisses mit der erforderlichen Bestimmtheit normiert worden ist. Davon ist im vorliegenden Zusammenhang nicht auszugehen.
Zwar schließen die Vorgaben des Tarifvertrages über Rationalisierungsschutz unter den dort im Einzelnen genannten Voraussetzungen teilweise die Statthaftigkeit von Änderungskündigungen des Arbeitgebers aus; die Tarifvertragsparteien haben jedoch keine Beschränkungen der Zulässigkeit von Änderungs- und Aufhebungsverträgen normiert. Dazu haben sie schon deshalb keinen Anlass gesehen, weil die dafür erforderliche Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers regelmäßig für eine ausreichende Berücksichtigung seiner Interessen spricht.
Ohnehin steht auch eine sich aus § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG ergebende Bindung an tarifvertragliche Vorgaben einem Vergleich nicht entgegen, der eine Ungewissheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines tariflichen Anspruchs ausräumen soll, weil das Bedürfnis nach gütlicher Einigung in solchen Fällen dem Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers vorgeht (BAG, Urteil vom 20. August 1980 - 5 AZR 955/78 -, Rn. 20, juris). Ein entsprechendes Bedürfnis nach gütlicher Einigung bestand auch bei Abschluss des Vertrages 23./28. März 2011 zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. Seinerzeit bestand bei verständiger Würdigung Ungewissheit darüber, ob sich in Anwendung der Vorgaben des Tarifvertrages über Rationalisierungsschutz eine Fortdauer der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. an einem anderen Standort der Klägerin oder ein Freistellungsanspruch ergeben hätte.
Darüber hinaus konnten die tarifvertraglichen Regelungen der Rechtswirksamkeit des Aufhebungsvertrages auch schon mangels Tarifgebundenheit auf Seiten des der Gewerkschaft nicht angehörenden Beigeladenen zu 1. nicht entgegenstehen.
§ 4 TVG regelt ausschließlich die Wirkung der Tarifnormen auf die Tarifunterworfenen und beschränkt insoweit gerade auch mit § 4 Abs. 4 Satz 3 TVG deren Vertragsfreiheit (BAG 30. März 1962 - 2 AZR 101/61 - zu II 1 und 2 der Gründe, BAGE 13, 57; offengelassen von BAG 30. Januar 2019 - 5 AZR 43/18 - Rn. 31 mwN, BAGE 165, 205 [BAG 30.01.2019 - 5 AZR 43/18]). Aus der Funktion von § 4 Abs. 4 Satz 3 TVG folgt, dass entstandene Rechte durch die Bestimmung nicht geschützt werden, wenn der erzeugenden Rechtsnorm keine zwingende Wirkung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG (Tarifbindung) oder § 5 Abs. 4 TVG (Allgemeinverbindlichkeit) zukommt (vgl. zum Vorstehenden: BAG, Urteil vom 24. September 2019 - 9 AZR 273/18 -, BAGE 168, 54-69, Rn. 47).
Die Bezugnahme auf tarifvertragliche Regelungen in Einzelarbeitsverträgen ist danach nicht geeignet, die Vertragsfreiheit der Vertragsbeteiligten dahingehend einzuschränken, dass in nachfolgenden vertraglichen Vereinbarungen die Bezugnahme auf tarifvertragliche Regelungen nicht aufgehoben oder jedenfalls eingeschränkt werden dürfte.
2. Die streitbetroffenen Übergangsgeldzahlungen, welche die Klägerin im Zeitraum April 2011 bis Dezember 2012 an den Beigeladenen zu 1. gezahlt hat, stellten der Sache nach rentenversicherungspflichtige Vorruhestandsgeldzahlungen im Sinne von §§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI (i.V.m. §§ 166 Abs. 1 Nr. 3 170 Abs. 1 Nr. 3, 174 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI), 5 Abs. 3 SGB V dar.
a) Der Gesetzgeber hat sich hinsichtlich der Normierung der Versicherungspflicht von Vorruhestandsgeldbeziehern (heute § 3 Satz 1 Nr. 4 SGB VI und § 5 Abs. 3 SGB V) von der Einschätzung leiten lassen, dass auch für diese eine entsprechende Absicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung "notwendig" ist (BT-Drs. 10/880, S. 14).
Der Gesetzgeber hat ausdrücklich festgehalten, dass die Bezieher eines Vorruhestandsgeldes unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für die Zuschussgewährung nach dem Vorruhestandsgesetz (Gesetz zur Förderung von Vorruhestandsleistungen - Vorruhestandsgesetz - VRG; vgl. zu seinem zeitlichen Anwendungsbereich insbesondere auch die Regelung in § 14, wonach dieses Gesetz für die Zeit ab 1. Januar 1989 nur noch anzuwenden ist, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch erstmals vor diesem Zeitpunkt vorgelegen haben) erfüllt sind, in der Rentenversicherung versicherungspflichtig bleiben sollen. Aus diesem Grunde werden hinsichtlich insbesondere der Rentenversicherungspflicht die Bezieher eines Vorruhestandsgeldes den beschäftigten Arbeitnehmern gleichgestellt. Der Gesetzgeber will sicherstellen, dass sich die Zeiten des Vorruhestandsgeldbezuges rentensteigernd auswirken (BT-Drs. 10/880, S. 19).
b) Die Regelungen des VRG waren nach § 14 dieses Gesetzes befristet und ab dem 1.1.1989 nur noch anzuwenden, wenn die Voraussetzungen für den öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Förderung erstmals vor diesem Zeitpunkt vorgelegen hatten. Für sonstige sozialrechtliche Vorschriften außerhalb des VRG, die auf Vorruhestandsleistungen Bezug nehmen, blieb jedoch trotz dieser Befristung der Anwendungsbereich erhalten. Auch die zeitgleich mit dem VRG in Kraft getretenen, die Versicherungspflicht begründenden Normen verloren ihren zeitlichen und inhaltlichen Anwendungsbereich nicht, sondern führten den Versicherungsschutz unabhängig von einer Zuschussgewährung über den 31.12.1988 hinaus als selbstständigen Zweig des gesetzlichen Gesamtkonzepts zur Entlastung des Arbeitsmarktes fort (BSG, Urteil vom 24. September 2008 - B 12 R 10/07 R -, SozR 4-2600 § 3 Nr 4, Rn. 14).
c) Die Versicherungspflicht wird "unabhängig von der Bezeichnung" der gewährten Leistungen des Arbeitgebers begründet, wenn diese in der Sache sich als Vorruhestandsleistungen i.S.v. § 3 Satz 1 Nr. 4 SGB VI und § 5 Abs. 3 SGB V darstellen (BSG, Urteil vom 24. September 2008 - B 12 R 10/07 R -, SozR 4-2600 § 3 Nr 4, Rn. 15). Die erforderlichen Regelungen über das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben können auch konkludent vereinbart werden (BSG, Urteil vom 24. September 2008 - B 12 R 10/07 R -, SozR 4-2600 § 3 Nr 4, Rn. 21).
Eine entsprechende Interpretation der gesetzlichen Vorgabe ist erforderlich, um die vom Gesetzgeber angestrebte soziale Absicherung der betroffenen Versicherten verlässlich zu gewährleisten. Maßgeblich ist die soziale Ausgangslage und die daran anknüpfende objektivierbare Zweckrichtung der gewähren Leistungen. Sind diese bei verständiger Würdigung auf die Begründung eines Vorruhestandes ausgerichtet, dann kann sich der Arbeitgeber der Beitragspflicht nicht dadurch entziehen, dass er auf den Gebrauch der Formulierung "Vorruhestand" verzichtet und als Vorruhestandsbezüge intendierte Leistungen verbal als bis zum Einsetzen von Rentenzahlungen vorgesehene Übergangsgeldzahlungen ausweist.
Die Auslegung hat maßgeblich mit der Zielrichtung zu erfolgen, dass die vom Gesetzgeber mit den Vorgaben des § 3 Satz 1 Nr. 4 SGB VI und § 5 Abs. 3 SGB V angestrebte soziale Absicherung der betroffenen Versicherten effektiv gewährleistet wird. Da der Gesetzgeber explizit eine soziale Absicherung im "Vorruhestand" anstrebt, kann es schon im Ausgangspunkt nicht darauf ankommen, ob der betroffene Versicherte bereits das Alter für einen regulären Ruhestand erreicht hat. Die Auslegung der genannten Vorschriften wird schon angesichts der ganz strukturierten Zielvorstellungen des Gesetzgebers nicht dadurch bestimmt, ob es sich bei den Leistungen um Versorgungsbezüge im Sinne etwa des § 229 Abs. 1 Nr. 1 SGB V handelt.
Auch in diesem Zusammenhang ist dem Grundsatz Rechnung zu tragen, dass es die Vertragsparteien nicht in der Hand haben, die kraft öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch bloße übereinstimmende Willenserklärung auszuschließen (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 R 3/17 R -, BSGE 125, 177 [BSG 13.03.2018 - B 11 AL 12/17 R], Rn. 13).
d) Notwendiges Element des Vorruhestandsgeldes iS von § 3 Satz 1 Nr. 4 SGB VI ist, dass die Parteien das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben übereinstimmend als Grundlage für den Abschluss der zu ihrem Bezug führenden Vereinbarung vorausgesetzt haben. Mit dieser Verwendung des spezifischen Begriffs des Vorruhestandsgeldes knüpft das Gesetz auch im Rahmen der Regelungen über die Rentenversicherungspflicht an eine in der gesellschaftlichen Wirklichkeit existierende arbeitsrechtliche Bezeichnung an, wie sie auch bereits in § 1 Abs. 1 VRG zum Ausdruck gekommen war (BSG, Urteil vom 24. September 2008 - B 12 R 10/07 R -, SozR 4-2600 § 3 Nr 4, Rn. 15).
Für die Qualifizierung einer Leistung als "Vorruhestandsgeld" namentlich im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 4 SGB VI wird als notwendig, aber auch hinreichend angesehen, wenn sie durch den früheren Arbeitgeber im Anschluss an die Beendigung der bei ihm bestehenden Beschäftigung (aufgrund eines Tarifvertrages oder einer individuellen Vereinbarung) gezahlt wurde und der Sicherstellung des Lebensunterhaltes während des Zeitraums diente, in der der frühere Beschäftigte nach dem konkreten Inhalt der Parteivereinbarung bereits endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden war (BSG, Urteil vom 24. September 2008 - B 12 R 10/07 R -, SozR 4-2600 § 3 Nr 4, Rn. 15).
Maßgeblich ist damit im Ausgangspunkt der Abschluss der jeweiligen Vereinbarung. Aus dieser Perspektive kann ein "Ausscheiden aus dem Erwerbsleben" als eine im Vereinbarungszeitpunkt künftige Entwicklung nur prognostisch beurteilt werden. Dies gilt auch, soweit das BSG in diesem Zusammenhang darauf abstellt, der ausscheidende Arbeitnehmer keine neue, mehr als geringfügige Beschäftigung (oder selbstständige Tätigkeit) aufnehmen, sondern aus dem Erwerbsleben endgültig ausscheiden solle (BSG, Urteil vom 24. September 2008 - B 12 R 10/07 R -, SozR 4-2600 § 3 Nr 4, Rn. 15). Auch diesbezüglich kann im Zeitpunkt des Abschlusses der jeweiligen Vereinbarung nur eine Prognose aufgestellt werden.
Im Rahmen der im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung allein möglichen prognostischen Einschätzung ist in der Sache die Frage zu beantworten, ob bei verständiger Beurteilung unter Berücksichtigung der auch der Arbeitgeberin bekannten sozialen Ausgangslage des betroffenen Beschäftigten, der Höhe und der Dauer der betroffenen Zahlungen und der für ihre Auszahlung vereinbarten Bedingungen ein endgültiges Ausscheiden des betroffenen Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben (bezogen auf mehr als nur geringfügige Erwerbstätigkeiten) zu erwarten ist. Wie bei allen prognostischen Einschätzungen kommen in diesem Zusammenhang keine unumstößlichen Gewissheiten in Betracht, maßgeblich ist vielmehr, ob jedenfalls eine große Wahrscheinlichkeit für das maßgebliche endgültige Ausscheiden spricht.
Ohnehin hat auch schon § 6 VRG dem ausscheidenden Arbeitnehmer durchaus (auch mehr als nur unerhebliche) Möglichkeiten zu einer (Teil-)Erwerbstätigkeit eröffnet, ohne dass aus der Sicht des Gesetzgebers damit das maßgebliche "Ausscheiden aus dem Erwerbsleben" entfallen wäre.
e) Auch in dem aufgezeigten Zusammenhang ist dem Postulat der Vorhersehbarkeit der sozialversicherungsrechtlichen Beitragstatbestände Rechnung zu tragen, welches das Recht der Pflichtversicherung in der Sozialversicherung prägt (BSG, Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 10/14 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr 28 mwN; Urteil vom 18. Oktober 2022 - B 12 KR 2/21 R -, SozR 4 (vorgesehen), Rn. 13).
f) Das BSG hat im Ergebnis maßgeblich darauf abgestellt, dass keine Vorruhestandsgeldleistungen festzustellen sind, wenn die maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen "keine Vorschriften über die Anrechnung von erzieltem Einkommen oder über die Rechtsfolgen bei Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit" aufweisen, aus denen auf den Willen der Vertragsparteien geschlossen werden könnte, dass das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zur Grundlage der vereinbarten Zahlungen gemacht werden sollte (BSG, Urteil vom 24. September 2008 - B 12 R 10/07 R -, SozR 4-2600 § 3 Nr 4, Rn. 23).
Im vorliegenden Fall enthielt der Aufhebungsvertrag von März 2011 in § 6 jedoch gerade entsprechende explizite Regelungen über eine Anrechnung von hinzukommendem Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen (soweit dieses nicht aus einer geringfügen Beschäftigung herrührt). Die vorgesehene Vollanrechnung nahm den betroffenen ausscheidenden Arbeitnehmern bei wirtschaftlicher Betrachtung regelmäßig jede ernsthaft in Betracht zu ziehende Möglichkeit, neben dem sog. Übergangsgeld noch eine (mehr als nur geringfügige) neue Erwerbstätigkeit auszuüben. Der Bezug des vereinbarten Übergangsgeldes sollte sich auf den gesamten Zeitraum bis zum Einsetzen von Rentenzahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (also bis zum "Eintritt des Versicherungs- und Versorgungsfalls" in der Diktion des Vertragstextes) erstrecken. Damit war das endgültige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben (wie dies auch letztlich von beiden Vertragsbeteiligten gewollt war) klar intendiert.
Auch die Verpflichtung in § 9 zur Rentenantragstellung zum frühestmöglichen Zeitpunkt brachte den Willen der Vertragspartner zum Ausdruck, den Lebensunterhaltes des ausscheidenden Arbeitnehmers aufgrund der Nichtausübung einer Beschäftigung im Vorruhestand zu sichern.
g) Auch anderweitig sind im vorliegenden Einzelfall keine besonderen Umstände erkennbar, aufgrund derer die - ohnehin typisierend zu erfassende - Schutzbedürftigkeit des Beigeladenen zu 1. hinsichtlich seiner sozialversicherungspflichtigen Absicherung im Zeitraum zwischen der Beendigung des vormaligen Beschäftigungsverhältnisses mit der Klägerin und dem Beginn von Rentenleistungen (also dem Eintritt des regulären Ruhestandes) anders zu beurteilen sein sollte als bei anderen Beziehern von Vorruhestandsleistungen.
h) Die beigeladene Krankenkasse als zuständige Einzugsstelle ist nach Maßgabe der Vorgaben des § 174 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 1 SGB VI auch für den Einzug von Rentenversicherungsbeiträgen aufgrund der Gewährung von Vorruhestandsgeldzahlungen zuständig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 155 Abs. 1 VwGO, 162 Abs. 3 VwGO.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.