Sozialgericht Oldenburg
Beschl. v. 01.08.2008, Az.: S 46 AS 1423/08 ER
Zeitlicher Zusammenhang zwischen einem Pflichtverstoß in Form des Abbruchs einer Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit und einer Sanktion in Form einer Absenkung des Arbeitslosengeldes II
Bibliographie
- Gericht
- SG Oldenburg
- Datum
- 01.08.2008
- Aktenzeichen
- S 46 AS 1423/08 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 21848
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGOLDBG:2008:0801.S46AS1423.08ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 24 SGB II
- § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II
- § 31 Abs. 6 SGB II
- § 121 Abs. 1 S. 1 BGB
In dem Rechtsstreit
...
hat das Sozialgericht Oldenburg - 46. Kammer -
am 1. August 2008
durch
den Richter am Sozialgericht Jost - Vorsitzender -
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 29.07.2008 gegen den Bescheid vom 17.7.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2008 wird angeordnet.
- 2.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Der Antragsgegner hat mit Bescheid vom 17.07.2008 ihre Leistungsbewilligung teilweise aufgehoben. Gegen diesen Bescheid hat sich der Widerspruch vom 21.07.2008 gerichtet und richtet sich nunmehr die am 29.07.2008, nach zwischenzeitlich ergangenem Widerspruchsbescheid vom 22.07.2008, erhobene Klage, die jedoch gemäß § 39 Nr. 1 SBG II, wie bereits der Widerspruch, keine aufschiebende Wirkung hat. Für das Begehren des Antragstellers ist deshalb § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG einschlägig. Wird die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Teilaufhebungsbescheid angeordnet, sind die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf der Basis des ursprünglichen Bewilligungsbescheides fortzuzahlen.
Über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung aufgrund der genannten Vorschrift ist anhand einer Interessenabwägung zu befinden. Die gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung.
Hier müssen die Erfolgsaussichten des Antragsstellers im Hauptsacheverfahren als so gut eingeschätzt werden, dass ihm das Abwarten des Abschlusses des Hauptsacheverfahrens nicht zugemutet werden kann.
Der Antragsgegner stützt den angefochtenen Bescheid auf die Bestimmungen zu § 31 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 6 SGB II, die die Absenkung des Arbeitslosengeldes II wegen Abbruchs einer Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit zum Gegenstand haben. Das Gesetz äußert sich nicht dazu, welcher zeitliche Zusammenhang zwischen Pflichtverstoß und Bekanntgabe der Sanktionsentscheidung (Absenkungs-Verwaltungsakt) bestehen muss. Eine Antwort muss aus dem Sinn und Zweck der Sanktionsvorschrift folgen: Soll die mit der Sanktion bezweckte Motivationshilfe eintreten, dann liegt es nahe, dass die Sanktionsentscheidung dem Pflichtverstoß möglichst schnell nachfolgen muss. Ansonsten droht der Effekt der Sanktion, nämlich den Sinn der missachteten Norm zu bestätigen, wegen Zeitablaufs ins Leere zu gehen. Deshalb ist das "wird (...) abgesenkt" in § 31 Abs. 1 SGB II und den anderen Tatbestandsvarianten des § 31 SGB II als "wird unverzüglich abgesenkt" zu lesen bzw. so, dass unverzüglich eine Sanktionsentscheidung herbeizuführen ist. "Unverzüglich" bedeutet nach allgemeinem, an § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB orientiertem juristischen Sprachgebrauch "ohne schuldhaftes Zögern". Angesichts der verbreiteten Zeitabläufe in öffentlichen Verwaltungen dürfte insofern eine Frist von 3 Monaten praxisnah und angemessen sein, wobei jedoch stets die Umstände des Einzelfalles entscheidend sein müssen (Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, Randnummer 60 zu § 31).
Hier wendet sich der Antragsgegner auch gar nicht gegen eine solche 3 Monatsfrist. In seinem Widerspruchsbescheid macht er viel mehr geltend, dem Antragsteller habe gemäß § 24 SGB II Gelegenheit gegeben werden müssen, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Seine Stellungnahme sei am 08.05.2008 eingegangen, so dass der Bescheid über die Festsetzung der Sanktion vom 17.07.2008 innerhalb von 3 Monaten erfolgt sei.
Es mag sachgerecht sein, im Einzelfall bei der 3 Monatsfrist den Zeitpunkt des Einganges einer Stellungnahme des Leistungsempfängers zu einem Anhörungsschreiben zu berücksichtigen, wenn das Anhörungsschreiben unverzüglich erging und sich der Antragssteller nicht in angemessener Zeit dazu geäußert hat. So verhält es sich hier jedoch nicht.
Der Antragsteller brach die Maßnahme am 02.04.2008 ab. Bereits zweifelhaft ist, ob der Zeitraum von nahezu 3 Wochen, nach dem das Anhörungsschreiben vom 21.04.2008 erging, noch als angemessen angesehen werden kann. Jedenfalls kann danach nicht als zeitliche Verzögerung angesehen werden, dass der Antragsteller hierzu mit Schreiben vom 08.05.2008 Stellung nahm. Der Antragsgegner hatte damit hinreichend, nämlich rund 8 Wochen, Zeit, innerhalb der mit dem Maßnahmeabbruch beginnenden 3 Monatsfrist einen Sanktionsbescheid zu erlassen. Dies unterließ er jedoch, ohne dass den Verwaltungsakten ein Grund dafür zu entnehmen wäre. Auch auf ausdrückliche diesbezügliche fernmündliche Anfrage des Gerichts hat der Antragsgegner keinen Grund für diese zeitliche Verzögerung anzugeben vermocht. Von einer unverzüglichen Bescheiderteilung im Sinne der vorstehend gemachten Ausführungen dürfte deshalb kaum die Rede sein können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG unanfechtbar.